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Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was ...
Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht.
Juli Zehs neuer Roman erzählt von unserer unmittelbaren Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.
Juli Zehs neuer Roman erzählt von unserer unmittelbaren Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.
Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Promotion im Europa- und Völkerrecht. Längere Aufenthalte in New York und Krakau. Schon ihr Debütroman 'Adler und Engel' (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Heinrich-Böll-Preis (2019). Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Ihr Roman 'Über Menschen' war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021. Zuletzt erschien bei Luchterhand der zusammen mit Simon Urban verfasste Bestseller 'Zwischen Welten'.

Produktbeschreibung
- Verlag: Luchterhand Literaturverlag
- Originalausgabe
- Seitenzahl: 416
- Erscheinungstermin: 22. März 2021
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 147mm x 40mm
- Gewicht: 675g
- ISBN-13: 9783630876672
- ISBN-10: 3630876676
- Artikelnr.: 60483259
Herstellerkennzeichnung
Luchterhand Literaturvlg.
Neumarkter Str. 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Erst haben alle vom Großstadtleben geschrieben, jetzt sind Dorfromane das große Ding, meint Rezensentin Julia Encke mit Blick auf Juli Zeh, Judith Hermann und Angelika Klüssendorf. Doch egal ob Stadt oder Land, es scheint dabei immer um das eigene Leben zu gehen: von den Mittelstandsoasen in der Stadt zu den Mittelstandsoasen in der Provinz ist es ja eigentlich auch nur ein kleiner Schritt, denkt sich die Rezensentin und gähnt. Die Ur-Dorfbewohner sind dabei oft nur Staffage, klagt sie, wie bei Juli Zeh, die sie als herzerwärmende Exoten beschreibt. Die großstadtflüchtigen Protagonisten wiederum flüchten in die reine Innerlichkeit, wie bei Judith Hermann. Der Rest versinkt in "Dorfliteraturtopoi" wie bei Angelika Klüssendorf, so die angeödete Rezensentin, die sich endlich wieder mehr Welt wünscht in der deutschen Literatur. Vielleicht mal eine Reise?
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Bei den Edlen Wilden vom Lande
Wenn einem der böse Nachbar gefällt: Juli Zehs neuer Roman "Über Menschen" bedient sich erzähltechnisch bei sentimentalen Filmen
Der Topos von Edlen Wilden bezeichnet seit etwa dem sechzehnten Jahrhundert eine spezifische Sicht auf außereuropäische Völker als naturverbundene Wesen, unter deren wüst anzuschauendem Äußeren - Federn, Lendenschurz und so weiter - sich eine unverdorbene, reine, ja kindliche Seele befinden sollte. Für Autoren besonders im achtzehnten Jahrhundert war der Edle Wilde eine willkommene Gelegenheit, die eigene Zivilisation als zwar überlegen, aber auch korrumpiert, dekadent und unnatürlich darzustellen. So wurden Naturvölker zum Vehikel der Zivilisationskritik,
Wenn einem der böse Nachbar gefällt: Juli Zehs neuer Roman "Über Menschen" bedient sich erzähltechnisch bei sentimentalen Filmen
Der Topos von Edlen Wilden bezeichnet seit etwa dem sechzehnten Jahrhundert eine spezifische Sicht auf außereuropäische Völker als naturverbundene Wesen, unter deren wüst anzuschauendem Äußeren - Federn, Lendenschurz und so weiter - sich eine unverdorbene, reine, ja kindliche Seele befinden sollte. Für Autoren besonders im achtzehnten Jahrhundert war der Edle Wilde eine willkommene Gelegenheit, die eigene Zivilisation als zwar überlegen, aber auch korrumpiert, dekadent und unnatürlich darzustellen. So wurden Naturvölker zum Vehikel der Zivilisationskritik,
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im allerbesten Fall ließ sich diese Verklärung wenigstens noch gegen Konzepte wie Sklaverei und Ausbeutung der Kolonien in Stellung bringen. Manchmal, wenn man Juli Zehs neuen brandenburgischen Dorfroman liest, kommt einem dieses Motiv wieder in den Sinn.
"Über Menschen" handelt von Dora, einer Berliner Werbetexterin, die vor Corona und ihrem in vielerlei Hinsicht fanatischen Lebensgefährten aufs platte Land flieht. Hinter ihr liegt das Berliner Agenturleben mit dem Fahrrad "Gustav" - ja, das Fahrrad hat einen Namen -, dem Partner Robert (der Karikatur eines Gutmenschen, der Greta Thunbergs Reden mit religiösem Eifer folgt), dem üblichen Gewese um laktosefreie Kaffeespezialitäten und der Hündin "Jochen" in einer Kreuzberger Altbauwohnung. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Berlin denkt. Vor ihr liegt ein verwilderter Garten, in dem ein Gemüsebeet entstehen soll, denn noch besser als Bio ist selbst angebaut. Nun stellt sich aber heraus: Das ist gar nicht so einfach, das mit dem Garten.
Und dann ist da natürlich die wunderbare Natur. Ach, der Wald! Den hat Dora schon immer geliebt: "Dieses riesige, atmende Wesen, voller Leben und Betriebsamkeit und zugleich von unerschütterlicher Ruhe. Der Wald will nichts von ihr. Er braucht keine Unterstützung. Er kümmert sich mit großem Erfolg um sich selbst. Zwischen Bäumen, die größer und älter sind als ein Mensch, kommt sich Dora auf erleichternde Weise unbedeutend vor." Endlich einmal nicht darüber nachdenken, ob man beim Einkaufen den Leinenbeutel vergessen hat, es könnte so schön sein, wäre da nicht diese plattitüdenhafte Sprache. Aber gehen wir mal davon aus, es hier mit einem Unterhaltungsroman zu tun zu haben und nicht mit Literatur, und konzentrieren uns auf die Handlung.
Das Gutsverwalterhaus in dem Ort namens Bracken, das zwischenzeitlich als Dorfkindergarten fungierte und dann lange leerstand, ist groß und billig. Dort richtet sich Dora ein, so gut es geht, Platz ist genug da für Hund und Laptop. Bald lernt sie ihre Nachbarn kennen: Gote, den Dorfnazi, der nebenan wohnt und ihr ab und zu ungefragt Möbel hinstellt, weil sie keine hat. Das Paar Tom und Steffen, der eine Florist, der andere Kabarettist. Die alleinerziehende Mutter Sadie, die Nachtschichten schiebt, um über die Runden zu kommen. Die Nachbarn bringen Saatkartoffeln für das frisch angelegte Gemüsebeet vorbei oder nehmen Dora mal mit zum Einkaufen. Knorrige Menschen, das Herz am rechten Fleck. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Brandenburg denkt - oder wenn man auch schon Zehs früheren Roman "Unterleuten" gelesen hat.
Dorfnazi Gote, der direkt hinter dem Gartenzaun in einem Bauwagen samt Geranien vor dem Fenster haust, ist ein typischer Vertreter seiner Art. Er wählt AfD, singt gelegentlich im Garten mit seinen Kumpeln das Horst-Wessel-Lied, säuft und stach früher auch mal einen Linken ab, aber was soll man auch machen, so abgehängt und ohne öffentlichen Nahverkehr. Und den Diesel will man diesen wackeren Leutchen auch noch wegnehmen. Dora schwankt zwischen Abneigung und, ja, "Ehrfurcht" vor diesen Dörflern. Einerseits sind sie so nett und fleißig, andererseits halt auch Rassisten, aber dann streichen sie einem wieder die Wand. Der Roman zeichnet die recht schlichten Gedankengänge Doras angesichts dieser Umstände nach, geht aber nicht sonderlich weit über die üblichen Reportagen hinaus, die man nach jeder Wahl regelmäßig über ostdeutsche Problemzonen lesen kann.
Allerdings legt Zeh bei aller politischen Positionierung sehr viel Wert darauf, dass es am Ende alles heftig menschelt. Man hilft einander, man hört sich zu, man schafft es zu trauern, auch wenn man sich nie mochte oder das Gegenüber etwas müffelt. Man ist sich Nachbar. Dieser Gote stand mal etwas zu nah daneben, als ein Linker abgestochen wurde, aber vielleicht war er's ja doch nicht, Rostock ist lange her, außerdem baut er Holzbänke für den nahen Wald, hat seine Tochter lieb und ist schwer krank im Kopf. Was soll man da machen?
Natürlich bleiben Menschen Menschen, auch wenn sie rechtsradikale Ekel sind. Und rechte Ekel bleiben rechte Ekel, auch wenn sie Möbel bauen und ihre Töchter lieb haben. Und wenn man es ganz genau nimmt, könnte man noch einwenden, dass auch in der Stadt nicht nur Schablonen leben, die ein eindeutiges Gutmenschendasein oder eine reinrassige Agenturmaus-Existenz leben, und auf dem Land nicht nur widerständige Schubladenverweigerer. Die Dichotomie vom Edlen Wilden einerseits und dem zivilisatorisch kurz vor den Dekadenz-Kipppunkt hochverzärtelten Kulturmenschen aus der Großstadt andererseits geht eventuell schon seit dem sechzehnten Jahrhundert so nicht ganz hundertprozentig auf.
Warum Dora nun ein brandenburgisches Dorf für die Erkenntnis braucht, dass Menschen nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen, ist eher einer dieser Erzähltricks, die man aus vielen sentimentalen Filmen kennt. Menschen lernen erst angesichts des Todes ihr Leben zu schätzen, entdecken angesichts von Dorfnazis ihre Menschenliebe, so etwas.
Man kann das machen, es ist ja auch ganz unterhaltsam, man sollte am Ende nur nicht allzu viel bundesrepublikanische Gegenwartspolitik hineinprojizieren. Es liest sich flott, die Sätze sind kurz. Und auch sonst wird dieses Buch Juli-Zeh-Leser nicht enttäuschen, Juli-Zeh-Verächter und Freunde der nichtschiefen Metapher aber auch diesmal nicht bekehren. Wir warten jedenfalls gespannt auf die ZDF-Verfilmung - für einen Mehrteiler wie bei "Unterleuten" ist das Material diesmal zu dünn.
ANDREA DIENER
Juli Zeh: "Über Menschen". Roman.
Luchterhand Verlag, München 2021.
416 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Über Menschen" handelt von Dora, einer Berliner Werbetexterin, die vor Corona und ihrem in vielerlei Hinsicht fanatischen Lebensgefährten aufs platte Land flieht. Hinter ihr liegt das Berliner Agenturleben mit dem Fahrrad "Gustav" - ja, das Fahrrad hat einen Namen -, dem Partner Robert (der Karikatur eines Gutmenschen, der Greta Thunbergs Reden mit religiösem Eifer folgt), dem üblichen Gewese um laktosefreie Kaffeespezialitäten und der Hündin "Jochen" in einer Kreuzberger Altbauwohnung. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Berlin denkt. Vor ihr liegt ein verwilderter Garten, in dem ein Gemüsebeet entstehen soll, denn noch besser als Bio ist selbst angebaut. Nun stellt sich aber heraus: Das ist gar nicht so einfach, das mit dem Garten.
Und dann ist da natürlich die wunderbare Natur. Ach, der Wald! Den hat Dora schon immer geliebt: "Dieses riesige, atmende Wesen, voller Leben und Betriebsamkeit und zugleich von unerschütterlicher Ruhe. Der Wald will nichts von ihr. Er braucht keine Unterstützung. Er kümmert sich mit großem Erfolg um sich selbst. Zwischen Bäumen, die größer und älter sind als ein Mensch, kommt sich Dora auf erleichternde Weise unbedeutend vor." Endlich einmal nicht darüber nachdenken, ob man beim Einkaufen den Leinenbeutel vergessen hat, es könnte so schön sein, wäre da nicht diese plattitüdenhafte Sprache. Aber gehen wir mal davon aus, es hier mit einem Unterhaltungsroman zu tun zu haben und nicht mit Literatur, und konzentrieren uns auf die Handlung.
Das Gutsverwalterhaus in dem Ort namens Bracken, das zwischenzeitlich als Dorfkindergarten fungierte und dann lange leerstand, ist groß und billig. Dort richtet sich Dora ein, so gut es geht, Platz ist genug da für Hund und Laptop. Bald lernt sie ihre Nachbarn kennen: Gote, den Dorfnazi, der nebenan wohnt und ihr ab und zu ungefragt Möbel hinstellt, weil sie keine hat. Das Paar Tom und Steffen, der eine Florist, der andere Kabarettist. Die alleinerziehende Mutter Sadie, die Nachtschichten schiebt, um über die Runden zu kommen. Die Nachbarn bringen Saatkartoffeln für das frisch angelegte Gemüsebeet vorbei oder nehmen Dora mal mit zum Einkaufen. Knorrige Menschen, das Herz am rechten Fleck. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Brandenburg denkt - oder wenn man auch schon Zehs früheren Roman "Unterleuten" gelesen hat.
Dorfnazi Gote, der direkt hinter dem Gartenzaun in einem Bauwagen samt Geranien vor dem Fenster haust, ist ein typischer Vertreter seiner Art. Er wählt AfD, singt gelegentlich im Garten mit seinen Kumpeln das Horst-Wessel-Lied, säuft und stach früher auch mal einen Linken ab, aber was soll man auch machen, so abgehängt und ohne öffentlichen Nahverkehr. Und den Diesel will man diesen wackeren Leutchen auch noch wegnehmen. Dora schwankt zwischen Abneigung und, ja, "Ehrfurcht" vor diesen Dörflern. Einerseits sind sie so nett und fleißig, andererseits halt auch Rassisten, aber dann streichen sie einem wieder die Wand. Der Roman zeichnet die recht schlichten Gedankengänge Doras angesichts dieser Umstände nach, geht aber nicht sonderlich weit über die üblichen Reportagen hinaus, die man nach jeder Wahl regelmäßig über ostdeutsche Problemzonen lesen kann.
Allerdings legt Zeh bei aller politischen Positionierung sehr viel Wert darauf, dass es am Ende alles heftig menschelt. Man hilft einander, man hört sich zu, man schafft es zu trauern, auch wenn man sich nie mochte oder das Gegenüber etwas müffelt. Man ist sich Nachbar. Dieser Gote stand mal etwas zu nah daneben, als ein Linker abgestochen wurde, aber vielleicht war er's ja doch nicht, Rostock ist lange her, außerdem baut er Holzbänke für den nahen Wald, hat seine Tochter lieb und ist schwer krank im Kopf. Was soll man da machen?
Natürlich bleiben Menschen Menschen, auch wenn sie rechtsradikale Ekel sind. Und rechte Ekel bleiben rechte Ekel, auch wenn sie Möbel bauen und ihre Töchter lieb haben. Und wenn man es ganz genau nimmt, könnte man noch einwenden, dass auch in der Stadt nicht nur Schablonen leben, die ein eindeutiges Gutmenschendasein oder eine reinrassige Agenturmaus-Existenz leben, und auf dem Land nicht nur widerständige Schubladenverweigerer. Die Dichotomie vom Edlen Wilden einerseits und dem zivilisatorisch kurz vor den Dekadenz-Kipppunkt hochverzärtelten Kulturmenschen aus der Großstadt andererseits geht eventuell schon seit dem sechzehnten Jahrhundert so nicht ganz hundertprozentig auf.
Warum Dora nun ein brandenburgisches Dorf für die Erkenntnis braucht, dass Menschen nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen, ist eher einer dieser Erzähltricks, die man aus vielen sentimentalen Filmen kennt. Menschen lernen erst angesichts des Todes ihr Leben zu schätzen, entdecken angesichts von Dorfnazis ihre Menschenliebe, so etwas.
Man kann das machen, es ist ja auch ganz unterhaltsam, man sollte am Ende nur nicht allzu viel bundesrepublikanische Gegenwartspolitik hineinprojizieren. Es liest sich flott, die Sätze sind kurz. Und auch sonst wird dieses Buch Juli-Zeh-Leser nicht enttäuschen, Juli-Zeh-Verächter und Freunde der nichtschiefen Metapher aber auch diesmal nicht bekehren. Wir warten jedenfalls gespannt auf die ZDF-Verfilmung - für einen Mehrteiler wie bei "Unterleuten" ist das Material diesmal zu dünn.
ANDREA DIENER
Juli Zeh: "Über Menschen". Roman.
Luchterhand Verlag, München 2021.
416 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein Buch, das einem die Augen öffnet für unsere bundesrepublikanische Wirklichkeit.« Denis Scheck / SWR Fernsehen lesenswert
Was für ein Roman! Ich bin mir sicher, dass meine Rezension diesem Buch in keiner Weise gerecht werden kann. Jetzt schon ist dieses Buch mein absolutes Jahreshighlight und wohl nicht zu toppen.
Dora zieht von Berlin in ein kleines Dorf in Brandenburg. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. …
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Was für ein Roman! Ich bin mir sicher, dass meine Rezension diesem Buch in keiner Weise gerecht werden kann. Jetzt schon ist dieses Buch mein absolutes Jahreshighlight und wohl nicht zu toppen.
Dora zieht von Berlin in ein kleines Dorf in Brandenburg. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Doch nur, wenn man die Oberfläche betrachtet. Während sie sich einrichtet, kommt sie mit ihrem Nachbarn in Kontakt, dem „Dorf-Nazi“. Gote greift ihr unter die Arme und Dora merkt: wir alle sind nur Menschen.
Die Bücher von Juli Zeh sind nicht einfach nur Romane. Es sind Welten, die sich eröffnen. Und wieder die Frage: was macht uns zu den Menschen, die wir sind, bzw. der Antwort: die wenigsten Menschen wollen etwas Böses.
Auch die in dem kleinen Dorf in Brandenburg nicht. Und doch gibt es dort Personen, die anders sind, in keine Schablone passen, die AfD wählen oder Nazis sind. Doch als Dora diese Leute näher kennenlernt stellt sie fest, dass niemand besser oder schlechter ist als andere. Jeder geht seinen Weg, oft erzeugt durch seine Umgebung und die Umstände.
Zehs Charaktere sind voller Leben, egal ob Protagonist oder Nebenfigur, alle wirken authentisch. Neben Dora und Gote hat mir auch Franzi sehr gut gefallen und auch die Schilderungen des Dorfes wirkten lebensnah und greifbar.
Fazit: Juli Zehs Schreibweise hat mich wieder umgehauen und mitgerissen.
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Dora will raus. Raus aus Berlin. Weg von Robert, den sie nur noch Robert Koch nennt. Ehemals Greta-Jünger, seit der Pandemie von Corona besessen. Der übergriffig wird, wenn sie seinen Anweisungen nicht folgt. Lange genug hat sie sich von ihrem politisch überkorrekten Freund …
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Dora will raus. Raus aus Berlin. Weg von Robert, den sie nur noch Robert Koch nennt. Ehemals Greta-Jünger, seit der Pandemie von Corona besessen. Der übergriffig wird, wenn sie seinen Anweisungen nicht folgt. Lange genug hat sie sich von ihrem politisch überkorrekten Freund vorschreiben lassen, was richtig und falsch ist. Hat sich verbogen, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Ein diffuses Gefühl, das sie schon seit längerer Zeit hat. Davonschleichen. Ein Ortswechsel könnte die Lösung sein. Eine Herausforderung. Das abgeranzte Haus mit dem verwilderten Grundstück in Brandenburg. Bracken im äußersten Nordwesten, Provinz.
„Über Menschen“. Bereits der Titel schafft die Verbindung zu dem Vorgänger, ist aber intimer, enger gefasst, da die Erzählperspektive sich ausschließlich auf Dora konzentriert. Stellt sich die Frage nach den Assoziationen. Was erwarten wir, wenn wir Dorf und Brandenburg hören? Richtig, AfD, Rechtsradikale, Nazis. Ein anderer Kosmos, Kulturschock, schwieriges Terrain für Dora aus Berlin. Wenn der Nachbar sich als Dorf-Nazi vorstellt, lässt Zeh sämtliche Klischees aus dem Sack. Aber Abgrenzung gilt nicht, Schwarz-Weiß-Denken hat hier keinen Platz, man ist mittendrin, ist weder Über- noch Unter- sondern einfach nur Mensch. Und deshalb verwundert es auch nicht, dass sich in den Beziehungen zu den Dorfbewohnern die Kategorien allmählich auflösen, die Schubladen an Bedeutung verlieren. Politische Weltanschauung wird von Alltagspragmatismus abgelöst, und wenn Hilfe benötigt wird, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden.
Nun könnte man argumentieren, dass auch das klischeehaft ist, was natürlich stellenweise auch zutrifft. Aber Zeh belässt es nicht bei den Bullerbü-Schilderungen des Dorflebens, sondern thematisiert auch die Probleme, die sich daraus ergeben. Stadt-Land-Gefälle, abgehängt, vergessen von der Politik, weder Arbeitsplätze noch öffentliche Verkehrsmittel, aber auch die persönlichen Belastungen, die die Pandemie mit sich bringt. Und so schreibt sie nicht nur „Über Menschen“ sondern auch „Über Leben“.
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2020 in einem brandenburgischen Dorf
Worauf das hinausläuft, das dürfte jedem, der dieses Jahr in Deutschland erlebt hat, klar sein: ein Leben mit Corona. Denn der Zeitpunkt des Geschehens ist von Beginn an völlig klar: Frühjahr und Sommer 2020, die ersten Monate der …
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2020 in einem brandenburgischen Dorf
Worauf das hinausläuft, das dürfte jedem, der dieses Jahr in Deutschland erlebt hat, klar sein: ein Leben mit Corona. Denn der Zeitpunkt des Geschehens ist von Beginn an völlig klar: Frühjahr und Sommer 2020, die ersten Monate der Covid19-Pandemie. Aber nicht nur: es ist auch ein Leben mit Andersdenkenden, - fühlenden und -kommunizierenden. Das wird Dora gleich bei ihrem Start ins neue Leben im kleinen Örtchen Bracken klar.
Wer meint, dass dies ein mehr oder weniger müder Abklatsch von Zehs Gesellschaftsroman "Unterleuten" ist, ist schief gewickelt. Denn dort stand die Sozialstruktur des gesamten Dorfes Unterleuten im Fokus, es gab so gesehen keine Haupt- oder Nebenfiguren.
Hier jedoch ist es komplett anders: die aus Berlin vor ihrem sich zunehmend zuerst im Greta-Thunberg-Klimaschutz-, dann im Corona-Regel-Einhalte-Nebel verlierenden Gatten aufs Dorf geflohene Dora ist ganz klar die Protagonistin No. 1 , aus deren Perspektive berichtet wird. Ihr Radius in Bracken selbst richtet sich auf die unmittelbare Nachbarschaft, quasi auf die Häuser nebenan, gegenüber und um die Ecken, die - so scheint es zunächst - samt und sonders von Männern bewohnt werden. Dora erkundet das Dorf gemeinsam mit ihrer Hündin Jochen dem Rochen und entdeckt zunehmend eine für sie fremde Welt.
Nebenan wohnt Gottfried, genannt Gote, der sich Dora direkt als Dorfnazi vorstellt, über einen Schlüssel zu ihrem Haus - früher der Kindergarten des Dorfes - verfügt. Und - wie sich erst später herausstellt - über eine Tochter namens Franzi, die sich zeitweise bei ihm aufhält und offenbar sehr vernachlässigt wird.
Dann gibt es noch Handwerker Heini und das Paar Tom und Steffen - auch an denen kommt Dora nicht vorbei. Von all diesen Menschen erfährt sie eine absolut selbstverständliche Hilfsbereitschaft, wie sie ihr bisher nie begegnet ist - nicht von ihrem Vater, dem berühmten Gehirnchirurgen aus Münster mit Zweitarbeitsplatz an cer Charité und erst recht nicht von ihrem Bruder Alex, in dessen "Weltbild Menschen dazu da sind, sich um ihn zu kümmern. Besonders Dora." (S.111)
Denn das Dorf hat seine völlig eigenen Regeln, wie auch Dora schnell klar wird: "In Bracken ist man unter Leuten. Da kann man sich nicht so leicht über die Menschen erheben." (S.128) Wie selbstverständlich halten die Nachbarn Einzug in ihrer Welt: ein zur Verfügung gestelltes Fahrrad wird von Dora als Leihgabe, nicht als Geschenk verstanden, wodurch sie ihr Gegenüber zutieft beleidigt. Gote spendet jede Menge Möbel und Heini, den Dora flugs in R2D2 umtauft, kommt mit seinen gesamten Gerätschaften zum Anstreichen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Dazu ein Hund und jede Menge Eichelhäher, die sowas wie Doras persönliche Begleiter sind.
Dora ist irritiert, aber sowas von: Was tun, wenn die Grenzen von gut und böse, von anständig und verwerflich auf einmal verschwinden? Wenn es keinen Stempel mehr gibt, den man seinen Mitmenschen aufdrücken kann und dann für immer (oder zumindest für eine Weile) weiß, in welcher Schublade sie sich befinden?
Und nicht nur die Menschen, auch die Tiere werden hier vollkommen neu definiert: "Später steht Franzi vor der Tür und fragt, ob Jochen (der Hund! d.R.) zum Spielen rauskommen darf." (S.203) Mit Gote erlebt Dora eine Vogelhochzeit der ganz besonderen Art - quasi ein Geschenk von ihm an sie.
Ein Roman mit vielen, vielen Botschaften. Die wichtigste aus meiner Sicht: Schwarz und weiß gibt es einfach nicht. Da kannst Du solange drauf warten, bis Du schwarz wirst.
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Das beste Buch des Jahres
2021 habe ich nicht viele gute Bücher. Das neue Werk von Juli Zeh ist da eine würdige Ausnahme. Mich beeindruckt sie immer, in diesem Roman besonders, in welcher Geschwindigkeit sie die neue Corona-Welt in ihre Handlung einbaut.
Ähnlichkeiten mit …
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Das beste Buch des Jahres
2021 habe ich nicht viele gute Bücher. Das neue Werk von Juli Zeh ist da eine würdige Ausnahme. Mich beeindruckt sie immer, in diesem Roman besonders, in welcher Geschwindigkeit sie die neue Corona-Welt in ihre Handlung einbaut.
Ähnlichkeiten mit „Unterleuten“ mag es geben, wieder ein Dorf in Brandenburg, in das eine Berlinerin geflohen ist und ein Haus gekauft hat. Doch in „Unterleuten“ gab es noch keine AfD, keine Nazis und natürlich kein Corona.
Zeh mag es ihre Figuren nicht schwarzweiß zu malen. Selbst den Dorfnazi Gote kann sie etwas Gutes abgewinnen. Gerade der erste Teil hat auch einen gewissen Sprachwitz. Auch inhaltlich hat mich die Tatsache amüsiert, dass die Dorfbewohner sich in der Küche von Doras neuen Hauses einen Kaffee kochen können, weil es früher mal der Dorfkindergarten war. 5 Sterne
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Nicht ‚Unter Leuten‘, diesmal ‚Über Menschen‘
Juli Zeh ist eine großartige Schriftstellerin, die ein feines Gefühl hat für gesellschaftliche Veränderungen, die von ihr gezielt und großartig beschrieben werden in ihren Romanen. Auch …
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Nicht ‚Unter Leuten‘, diesmal ‚Über Menschen‘
Juli Zeh ist eine großartige Schriftstellerin, die ein feines Gefühl hat für gesellschaftliche Veränderungen, die von ihr gezielt und großartig beschrieben werden in ihren Romanen. Auch 'Über Menschen' ist wieder ein lesenswertes Stück Literatur und nicht ohne Grund schon seit dem Erscheinen auf der Spiegel-Bestsellerliste.
Wer ‚Unter Leuten‘ gelesen hat und das ist sicherlich das Gros der Leser:innen von diesem neusten Werk wird bemerken, dass der neue Roman andere Akzente setzt und daher sehr trefflich, aber sehr ähnlich am letzten Titel angelehnt ‚Über Menschen‘ heißt.
Dora steht im Mittelpunkt des Romans, sie zieht aus der Großstadt aufs Land, weil sie ihren Freund Robert in der Corona-Pandemie nicht mehr im engen home office erträgt. Er, Journalist, schlachtet mit seinen immerwährenden Untergangsszenarien das Thema aus. Sie dagegen, die nachhaltig-bewusste und ökoafine Workaholic, zieht aufs Land in ein fiktives Dorf in der Prignitz: Bracken. Sie lässt nicht nur Robert, sondern die ganze Stadt hinter sich mitten in der Pandemie. Aber keine Sorge, dass Thema Corona ist ein Aufhänger, aber nicht das alleinige und auch nicht das beherrschende Thema des Romans!
Der Name des Dorfes ist Programm: Bracken. Etwas abgerockt und baufällig, ein bisschen lehmig im Abgang. Und genau da findet nun das Geschehen statt: die Reibung. Es reibt sich die Stadt mit dem Dorf, die Landbevölkerung mit dem Stadtmenschen, der Nazi mit der Linksliberalen. Diese Reibungen von Standpunkten und Glaubenssätzen ist unfassbar gut und sehr pointiert dargestellt. Und am Ende sind es alles Menschen die ihr Wohnort eint und lässt sie alle ein wenig humaner aussehen.
Was den Roman ‚Über Menschen‘ klar von dem Bestseller ‚Unter Leuten‘ unterscheidet ist die stringente Erzählung von Doras Geschichte, keine Vogelperspektive auf verschiedensten Ebenen und doch so treffsicher wie es nur Juli Zeh schafft. Die Personenzahl ist reduzierter und damit der Blick etwas intensiver auf die Einzelnen. Mich hat es wieder überzeugt.
Fazit: Juli Zeh brilliert wieder in ihrer feinen Analyse über das Mensch sein indem sie ‚Über Menschen‘ schreibt und zeigt uns allen worüber es sich nachzudenken lohnt.
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Die Autorin sieht genau hin.
Text von der Verlagshomepage:
Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. …
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Die Autorin sieht genau hin.
Text von der Verlagshomepage:
Dora ist mit ihrer kleinen Hündin aufs Land gezogen. Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, mehr Freiheit, Raum zum Atmen. Aber ganz so idyllisch wie gedacht ist Bracken, das kleine Dorf im brandenburgischen Nirgendwo, nicht. In Doras Haus gibt es noch keine Möbel, der Garten gleicht einer Wildnis, und die Busverbindung in die Kreisstadt ist ein Witz. Vor allem aber verbirgt sich hinter der hohen Gartenmauer ein Nachbar, der mit kahlrasiertem Kopf und rechten Sprüchen sämtlichen Vorurteilen zu entsprechen scheint. Geflohen vor dem Lockdown in der Großstadt muss Dora sich fragen, was sie in dieser anarchischen Leere sucht: Abstand von Robert, ihrem Freund, der ihr in seinem verbissenen Klimaaktivismus immer fremder wird? Zuflucht wegen der inneren Unruhe, die sie nachts nicht mehr schlafen lässt? Antwort auf die Frage, wann die Welt eigentlich so durcheinandergeraten ist? Während Dora noch versucht, die eigenen Gedanken und Dämonen in Schach zu halten, geschehen in ihrer unmittelbaren Nähe Dinge, mit denen sie nicht rechnen konnte. Ihr zeigen sich Menschen, die in kein Raster passen, ihre Vorstellungen und ihr bisheriges Leben aufs Massivste herausfordern und sie etwas erfahren lassen, von dem sie niemals gedacht hätte, dass sie es sucht.
Juli Zehs neuer Roman erzählt von unserer unmittelbaren Gegenwart, von unseren Befangenheiten, Schwächen und Ängsten, und er erzählt von unseren Stärken, die zum Vorschein kommen, wenn wir uns trauen, Menschen zu sein.
»Ein Buch, das einem die Augen öffnet für unsere bundesrepublikanische Wirklichkeit.« Denis Scheck / SWR Fernsehen lesenswert (25. März 2021)
Meine Meinung – Achtung es wird aus dem Inhalt berichtet:
Also ehrlich gesagt störte mich schon einiges in der Erzählung:
Dass die Protagonistin sich mehr oder weniger des Mädchens annimmt.
Ich fragte mich die ganze Zeit „Was ist mit der Mutter des Mädchens?“.
Ich verstand auch nicht den Zustand des Hauses des Nazi-Nachbarn.
Oder was soll das für eine Familienbeziehung zwischen der Protagonistin und ihrem Vater sein.
Und wieso sollte sie so große Geldsorgen haben; und warum funktioniert ohne Geld dennoch alles irgendwie.
Aber gut, das sind meine Probleme.
Sehr gut gelungen fand ich jedeoch, die Entwicklung, die die Protagonistin durchgemacht hat – und ich empfand diese Entwicklung auch keineswegs als unlogisch oder konstruiert.
Richtig gut fand ich in diesem Zusammenhang, die Beschreibungen bzgl. den großstädtischen Gutmenschentum, das sich in all seiner Rigorosität und Unbarmherzigkeit nur um das eigene Ego kreist.
Während auf dem Lande sich alle Lebenswirklichkeiten im Kleinen tummeln – und jeder Betroffene auf die eine oder andere Weise versucht mit dem Leben klar zu kommen.
Diese Herausarbeitungen fand ich wiklich sehr gelungen.
Fazit: Lesenswert.
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Romane, die Menschen in Gut und Böse einteilen, in glorreiche Helden und finstere Schurken, sind auf dem Büchermarkt Massenware. Autorin Juli Zeh beschreibt Mensche der Gegenwart in ihrer Differenziertheit und Widersprüchlichkeit, mit ihren Stärken und Schwächen, ihren …
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Romane, die Menschen in Gut und Böse einteilen, in glorreiche Helden und finstere Schurken, sind auf dem Büchermarkt Massenware. Autorin Juli Zeh beschreibt Mensche der Gegenwart in ihrer Differenziertheit und Widersprüchlichkeit, mit ihren Stärken und Schwächen, ihren Vorurteilen und Ängsten.
Dora, Mitarbeiterin einer Werbeagentur, flüchtet aus der Großstadt Berlin nach Bracken, in die tiefste brandenburgische Provinz. Sie flüchtet auch vor ihrem neurotischen Freund Robert, einem unbelehrbaren Weltverbesserer und Klimaaktivisten, den sie in ihrem Umfeld nicht mehr ertragen kann.
Das Dorfleben erweist sich nicht als ländliche Idylle. Das Haus ist renovierungsbedürftig, der Garten ist verwildert, die Versorgungslage ist schlecht und der öffentliche Personennahverkehr ist unzuverlässig. Zudem wird Dora mit vorurteilsbeladenen rechtspopulistischen Dorfbewohnern konfrontiert.
Dennoch ist trotz der Schroffheit einiger Landbewohner die Hilfsbereitschaft im Dorf groß. Reden und Handeln driften auseinander. Es sind markante Charaktere, die sich miteinander arrangieren. Insbesondere dürfte Nachbar Gottfried „Gote“ Proksch für Diskussionen sorgen.
Fazit: Das Zusammenleben in einer Gemeinschaft erfordert Kommunikation, auch wenn die Weltbilder der Protagonisten meilenweit auseinander liegen. Es empfiehlt sich miteinander zu reden, statt übereinander. Und wenn Menschen Verantwortung übernehmen, gehen sie gestärkt daraus hervor.
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Niemand bedient den aktuellen literarischen Trend des Dorfromans so erfolgreich wie Juli Zeh, die fünf Jahre nach ihrem Erfolg mit «Unterleuten» nun mit «Über Menschen» wieder das Großstadtleben Berlins dem Landleben in einem öden …
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Mehr Essay als Roman
Niemand bedient den aktuellen literarischen Trend des Dorfromans so erfolgreich wie Juli Zeh, die fünf Jahre nach ihrem Erfolg mit «Unterleuten» nun mit «Über Menschen» wieder das Großstadtleben Berlins dem Landleben in einem öden brandenburgischen Kaff gegenüberstellt. Dieser Gesellschafts-Roman konzentriert sich, anders als sein Vorgänger von 2016, auf nur wenige Figuren aus einem fiktiven Ort namens Brackendorf. Thematisch widmet er sich außer dem Corona-Wirrwar dem latenten Alltags-Rassismus und einem missionarisch betriebenem Umweltschutz. Sie hoffe, hat die Autorin erklärt, dass ihr Buch helfe, Barrieren zu überwinden.
Zeitlich ist der Roman im ersten Lockdown Anfang 2021 angesiedelt, als die 36jährige Werbetexterin Dora sich von ihrem Freund trennt, der als glühender Klima-Aktivist immer abstrusere Thesen vertritt und ihr damit den Alltag vergällt. Zusätzlich genervt von den Einschränkungen des Lockdowns, hat sie kurz entschlossen ein schon lange leerstehendes Haus in dem 285-Seelen-Dorf gekauft und ist mit ihrer Hündin, die transgender-gemäß den Namen «Jochen-der-Rochen» trägt, in das auch für sie so verheißungsvolle Landleben geflüchtet. Wie nicht anders zu erwarten wird sie jedoch als Städterin sogleich mit den profanen Alltagsproblemen des Landlebens konfrontiert, aber auch mit mentalen Hürden, die es im Zusammenleben mit den wenigen Nachbarn zu überwinden gilt. Ihren ersten Kontakt hat sie über die hohe Trennmauer hinweg mit ihrem direkten Nachbarn, der wütend ist, weil ‹Jochen› im Kartoffelbeet gegraben hat, weshalb er die Hündin nun im hohen Bogen über die Mauer zurückwirft auf Doras Grundstück. Er sei übrigens der Dorfnazi, erklärt er ihr lapidar, und werde von allen ‹Gote› genannt. Im Wald trifft Dora auf Franzi, die, wie sich herausstellt, Gotes zehnjährige Tochter ist und beim Vater lebt. Ferner macht sie Bekanntschaft mit dem Floristen Tom und dem Kabarettisten Steffen, einem schwulen Männerpaar, das dekorative Pflanzen-Gestecken herstellt. Der Verkauf floriert, in Zukunft wollen sie damit auch im Internet tätig werden, wobei die inzwischen arbeitslos gewordene Dora ihnen helfen soll. Der Nachbar Heinrich von gegenüber, der den Spitznamen R2-D2 trägt, macht sich ungefragt über Doras verwilderten Garten her, während Gote, der früher Schreiner war, ihr unaufgefordert Möbel baut und in ihr leeres Haus stellt. Und Sadie schließlich steht mit einem Sack Saatkartoffeln vor der Tür, die beim Händler derzeit nirgends zu bekommen sind, und erzählt beim Kaffee, dass sie als alleinerziehende Mutter permanent in Nachschicht arbeiten muss, um finanziell über die Runden zu kommen
Soweit die Dorfidylle mit ihren vielen Klischees, die den Hintergrund bilden für die sozialen Verwerfungen, die Juli Zeh mit ihrem Roman aufzeigen will. Als Hauptübel entlarvt sie die permanente Unzufriedenheit der Menschen, die fast alles haben, sich aber trotzdem ständig an irgendwas stören, über irgendwas aufregen, anderen unbedingt ihre Meinung aufzwingen wollen. Schon kleinste Beeinträchtigungen des Wohlergehens werden da als Katastrophe wahrgenommen und erbittert bekämpft. Mit analytischem Scharfblick zeigt die Autorin durch ihr obskures Figuren-Ensemble nicht nur, wie solch verhärtete Fronten entstehen, sondern auch, wie sie sich fast von allein auflösen, wenn Menschlichkeit ins Spiel kommt, die ja schließlich in jedem stecke. Das gerät ihr allerdings oft gar zu rührselig und märchenhaft, aber Empathie für ihre Figuren kommt trotzdem nicht auf.
Irritierend ist am Ende die erkennbare Absicht der Autorin, die Untaten ihres Protagonisten Gote durch seine tückische Erkrankung zu relativieren. Und dass nun ausgerechnet Doras Vater dafür als medizinische Koryphäe in der Charité gilt, strapaziert den Zufall denn doch zu arg. Das Gedankengut dieses Romans wäre besser in einem brillant formulierten Essay verarbeitet worden, für einen Roman nämlich fehlt neben dem Impetus vor allem ein tragfähiger Plot.
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Wann ist eigentlich unsere Welt so in Unordnung geraten? Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit oft gestellt. „Übermenschen“ ist eine Geschichte, die sämtliche Themen aufgreift, die weltweit aktuell sind.
Dora hat die Nase voll von Corona und ihrem Freund Robert. Der …
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Wann ist eigentlich unsere Welt so in Unordnung geraten? Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit oft gestellt. „Übermenschen“ ist eine Geschichte, die sämtliche Themen aufgreift, die weltweit aktuell sind.
Dora hat die Nase voll von Corona und ihrem Freund Robert. Der Umweltaktivist übertreibt es maßlos. Dora kommt sich vor wie in einer Zwangsjacke. Vorbei sind die schönen Abende mit Robert auf dem Balkon. Vergangenheit die stundenlange Gespräche. Nun hat anscheinend *Greta* ihren Platz eingenommen. Wenn die junge Schwedin auch nicht direkt präsent ist, so hat sie dennoch Roberts Gedankenwelt voll im Griff! Dora kauft sich ein altes Haus mit Stuckverzierung in Bracken, Gemeinde Geiwitz. Ohne große Ansage verlässt sie Robert und ihr altes Leben. Möchte einfach nur für sich sein. Einen Garten anlegen und ihr Haus minimalistisch einrichten. Da sie sich eh im Homeoffice befindet, stellt es arbeitstechnisch kein Problem dar. Doch wie war das nochmal mit dem *Alleinsein wollen?* Tja, da hat Dora ihre Rechnung ohne den Nachbarn Gote hinter der Mauer gemacht. Der ist erst mal von ihrer Hündin genervt, die in seinen Beeten rumwühlt. Dann stellt er sich bei ihr vor: Ich bin hier der Dorfnazi! Vom Umweltaktivisten geflohen um nun die Bekanntschaft mit einem Dorfnazi zu machen, ist nicht gerade das, was Dora erwartet und gewollt hat. Die Grünen und die AFD! Mann, war ich gespannt was da auf mich zukommt.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte mal bei einem Buch so traurig geworden bin. Der trockene Humor von Juli Zeh ist unschlagbar. Ihr Talent uns Menschen nahe zu bringen, deren eigene politische Einstellung und Lebensweise so gar nichts mit der eigenen zu tun hat, ist wirklich beachtenswert. Erst dachte ich mir was das nun soll. Ein hilfsbereiter Nazi, für den Dora immer mehr Sympathie entwickelt. Wohlgemerkt *Sympathie!* Dies ist kein Liebesroman. Kann man denn für einen Nazi Sympathie entwickeln? Kann man für dessen kleiner Tochter einen Beschützerinstinkt haben? Ja! Das geht alles. Voraussetzung dafür ist, die Bereitschaft Menschen richtig kennenzulernen. Sie in keine Schublade zu stecken. (Was ich in diesem Fall schon gemacht hätte!) Zu begreifen, dass kein Mensch nur schlecht ist. Gutmenschen auch ihre Macken haben.
Ich bin ja nicht umsonst so traurig beim Lesen geworden. Glaubt mir, das hat seinen Grund. Ich habe mich oft gefragt, ob Dora Gote den Rassismus austreiben hätte können wenn ….. STOP! Hier wird nicht gespoilert! Nur so viel noch. Ein ungewaschener, in einem Bauwagen hausender Nazi, hat mich tatsächlich berührt. Ich kann es ja selber noch nicht fassen, aber es ist so.
Fazit
Normalerweise äußere ich mich nicht zu anderen Rezensionen. Aber ich bin der Meinung, dass die Autorin nichts falsch gemacht hat. Ihre Hauptprotagonistin freundet sich mit einem hilfsbereiten Nazi an. Das hat einige Leser*innen schockiert. Im realen Leben gibt es bestimmt auch nette Menschen, von denen wir nicht wissen, dass sie Rassisten und AFD Anhänger sind.
Juli Zeh hat uns aufgefordert den *ganzen Menschen* kennenzulernen. Sich nicht nur auf die politische Einstellung zu beschränken.
Von mir eine absolute Empfehlung. Danke Juli Zeh.
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AlltagsFlucht(en)
"Über Menschen" ist ein Roman, dessen Titel nicht stimmiger sein könnte, wie hier gewählt. Es ist ein Roman über Menschen und ein kleiner Einblick in deren Gedankengut. Nur Juli Zeh gelingt es sachlich und mitunter auch emotionslos Tabuthemen und …
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AlltagsFlucht(en)
"Über Menschen" ist ein Roman, dessen Titel nicht stimmiger sein könnte, wie hier gewählt. Es ist ein Roman über Menschen und ein kleiner Einblick in deren Gedankengut. Nur Juli Zeh gelingt es sachlich und mitunter auch emotionslos Tabuthemen und aktuelles Geschehen in einen Roman einfließen zu lassen, um ihn dadurch noch einprägsamer für mich als Leserin zu gestalten.
Um ihrem unerträglichen Alltag zu entfliehen, der durch Pandemie und Klimaschutz gegründet wird, zieht es Dora nach Bracken. Raus aus der Großstadt und fern dem Lockdown, versucht sie zur Ruhe zu kommen. Sie trifft auf Menschen, die ihr in Berlin sicherlich niemals begegnet wären, was diesen Roman einfach so herrlich sarkastisch wirken lässt. Wunderbar ist allerdings, das Menschen, auch wenn sie sich komplett von meiner Gesinnung entfernt leben und ihre Eigenarten mich vielleicht auch abstoßen würden, "Über Menschen" beleben können und es definitiv authentisch wirken lassen. Die politische Gesinnung in Bracken ist absolut AfD angehaucht und muss von Dora erstmal verarbeitet werden, bzw. muss sie den Menschen hinter der Wahlentscheidung sehen. Es wirkt kurios und absolut verrückt und dennoch sind es letztendlich diese Nachbarn die Dora unterstützen, während ihr Freund Robert im fernen Berlin seinen Idealen nachjagt. Es ist absolut verrückt und durch die Realität in der wir uns befinden, ein Roman der in das Zeitgeschehen passt.
Sehr eindrücklich ist die Veränderung der Persönlichkeit von Dora beschrieben, die innerhalb der Story über sich hinauswächst. Mr hat sehr zugesagt, wie sie sich weiterentwickelt. Zuvor kam sie mir eher so vor, als hätte sie innerhalb ihrer Beziehung zu Robert wenig Freiraum und auch innerhalb ihrer Ursprungsfamilie wenig Selbstbewusstsein mitbekommen hat. Nun trifft sie ihre Entscheidungen selbstständig und kann sich irgendwann auch komplett auf ihre urige Nachbarschaft einlassen. Sie übernimmt für sich und andere die Verantwortung und wird nicht mehr gegängelt. Der Umzug nach Bracken ist für Dora eigentlich die beste Entscheidung, die sie hätte treffen können, auch wenn sie gekündigt wird und nicht weiß, wie sie ihren Lebensunterhalt für sich und ihre Hündin bestreiten soll. Die Freundschaften die sie schließt werden ihr zwar das Herz brechen, aber eine innere gute Verwandlung hervorrufen. Manchmal schreibt das Leben Geschichte und eine Story über Menschen ist ebenfalls sehr gelungen gewählt.
Wieder einmal war "Über Menschen" ein gelungenes Buch der Autorin, welches ich mit Begeisterung gelesen habe. Ich habe schon erwähnt, das die Autorin eine eigenwillige und mitunter auch emotionslose Art des Schreibens für sich gefunden hat, die mir aber dennoch sehr zusagt, da zwischen den Zeilen gelesen "Über Menschen" wirklich hochkarätig ist. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung!
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