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TochterAlice
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 1303 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2024
Zuckerbrot
Balli, Kaur Jaswal

Zuckerbrot


sehr gut

Eine Camouflage für das Leben an sich

Die verpasst das Mädchen Pin ihrem Leben, indem sie Zucker über alles streut - naja, zumindest über die meisten Speisen, damit diese besser rutschen.

Dabei ist ihr Leben in Singapur doch gar nicht so schlecht: sie ist die einzige Tochter, gar das einzige Kind ihrer Eltern, die alles in allem eine gute Ehe führen und sich mögen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Einzig das Glücksspiel des Vaters, von dem er nicht lassen kann, steht dem so manches Mal im Weg

Doch dann zieht ihre Großmutter zu ihnen und Pin kann so gar nicht begreifen, warum ihre Mutter sie überhaupt aufnimmt - sie ist lange nicht so lieb zu ihr wie es Pins eigene Mutter zu ihrer Tochter ist und zudem scheint sie ihr die Schuld an einem Todesfall vor vielen Jahren zu geben!

Allmählich spürt Pin, dass es mehrere Wahrheiten gibt und dass diejenige ihrer Mutter von deren Familie nicht vollständig angehört wird.

Eine warmherzige, nur gelegentlich nicht tief genug reichende Geschichte um Familie, Glauben und Gerechtigkeit - in der es definitiv durchgehend etwas zu essen gibt, und zwar nicht nur Zuckerbrot!

Bewertung vom 24.04.2024
Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7
Mcdermid, Val

Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7


ausgezeichnet

Ich habe lange nicht mehr so einen Krimi gelesen, in dem ich uneingeschränkt drin schwelgen, hin und her knobeln und raten kann. Auch nicht von der Autorin Val McDermid, an der mir durchaus viel liegt, auch wenn meine Begeisterung bislang stets durch etwas eingeschränkt war. Das lag möglicherweise daran, dass es nie um die Reihe mit Karen Pirie, der Zuständigen für Cold Cases ging, die gemeinsam mit ihren beiden Mitarbeitern Daisy und Jason mein Herz im Sturm erobern konnte.

Hier stimmt einfach alles - der flapsige Jargon, in dem die Vorgesetzte mit ihren Kollegen verkehrt (und umgekehrt), der spannende Fall, die erzählende Sprache, die Steine, die den Ermittlern in den Weg geschoben werden - alles passt exakt einander.

Mit Sicherheit werde ich noch einige - ach was, alle Fälle der Cold Cases Unit lesen und genießen und dann erst mache ich mich auf die Suche nach weiteren tollen Krimi

Bewertung vom 21.04.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


sehr gut

Im zweiten Roman von Caroline Wahl entsteht der Eindruck, dass sie eine Reihe schreibt. Denn hier steht Ida im Mittelpunkt, die kleine Schwester von Tilda, mittlerweile selbst erwachsen. Auch aus ihr ist eine Schwimmerin geworden - eine, die ganz anders ist als Tilda und ihr Mann Viktor. Aber auch wieder nicht.

Im Gegensatz zu Tilda braucht Ida ganz viel Unterstützung, sie ist keine Einzelkämpferin. Auch wenn sie es versucht. In ihrem persönlichen Weltuntergang begibt sie sich in den Norden - und landet auf Rügen. Denn Ida braucht das Meer, auch wenn sie bisher noch nicht viel Berührung damit hatte.

Dort ist sie rasch wieder umringt von Menschen - von einer Art Beschützern: Kurt, Marianne, Leif. Denn Ida kann nicht ohne. Ida ist zu einer Person geworden, die Beschützer braucht - doch kann sie das zurückgeben?

Ein starker Roman - nicht nur, was die Qualität anbelangt, sondern auch in Bezug auf das Thema. Ida ist eigentlich schwach - jedenfalls fühlt sie sich so. Doch aus der Kraft des Meeres in unmittelbarer Nachbarschaft und den Menschen dort schöpft sie Energie.

Eine ganz andere Geschichte als die von Tilda, aber mindestens genauso eindringlich. Eine, die zeigt, dass es oft weitergeht, wenn man gar nicht (mehr) damit rechnet. Ich habe mich inzwischen schon sehr an die beiden Schwestern - auf eine sehr angenehme Art - und würde gerne mehr über sie erfahren! Ich hoffe, es gibt weiteres über sie oder über ihr Umfeld.

Bewertung vom 19.04.2024
Der Pakt der Frauen
Kröhn, Julia

Der Pakt der Frauen


sehr gut

Zumal man bei den Forschungen unversehens auf die eigenen Wurzeln stoßen kann. Diese Erfahrung macht Universitätsassistent Katharina Adler 1976, als sie in ihrer Übung zur Frauengeschichte auf ein Werk ihrer Mutter - ein Kochbuch aus Kriegstagen nämlich - stößt, über das sie noch nie etwas gehört hatte. Und entsprechend wortkarg ist Jule, ihre Mutter diesbezüglich: irgend etwas ist an diesem Thema dran, über das sie nicht reden will. Dabei ist Katharina voll und ganz auf sie angewiesen, denn an ihrer Uni in Wien ist es für sie alles andere als leicht, Karriere zu machen in einer Zeit, in der jede Menge Männer an ihr vorbeiziehen - und zwar einzig und allein aufgrund ihres Geschlechts. Doch irgendwann klickt ein Schalter um und sie befindet sich mit ihrer Mutter auf der Reise nach Hirschberg in Schlesien, deren Heimatort, der inzwischen seit vielen Jahren zu Polen gehört.

Ein spannender, gut recherchierter Roman um schmerzhafte Themen, die Autorin Julia Kröhn an den passenden Stellen mit Humor zu meistern weiß - sonst wäre es mir streckenweise kaum möglich gewesen, weiter zu lesen. Denn es geht um Themen wie Zwangsarbeit, Ausbeutung, Vertreibung in unterschiedlichen Zeiträumen und auch Schlimmeres wie Mißbrauch und Mord. Julia Kröhn versteht es über weite Strecken meisterhaft, die beiden Zeitstränge 1945 und 1976 miteinander zu verbinden. Ein lesenswerter Roman, doch sollte man sich für diese Lektüre innerlich wappnen - es ist nicht für schwache Nerven geeignet!

Bewertung vom 18.04.2024
Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1
Piontek, Sia

Die Sehenden und die Toten / Ein Carla-Seidel-Krimi Bd.1


sehr gut

Vielversprechender Serienstart mit viel Gefühl
Vielmehr mit sehr vielen Gefühlen - bei Ermittlerin Carla Seidel und auch in ihem Umfeld geht es ausgesprochen emotional zu - es ist also nichts für Freunde eher cooler Krimis.

Für mich aber schon, zumal die Spannung nicht darunter leidet - ganz im Gegenteil!

Die erfahrene Mordermittlerin ist mit ihrer 17jährigen Tochter Lana nach dem Ende ihrer traumatischen Ehe von Hamburg ins Wendland gezogen, wo in jeder Hinsicht Ruhe herrscht. Fast schon zu viel für Carla.

Bis zu dem Tag, an dem ein wunderschöner Jüngling ermordet aufgefunden wird - von jetzt auf gleich muss Carla in einen ganz anderen Modus schalten und sich auf Kollegen einstellen, die in diesem Bereich komplett unerfahren sind. Wie denn auch, wird hier doch eher mal ein Traktor oder eine Kuh anfahren oder man muss in einem Nachbarschaftsstreit schlichten.

Altersmäßig ist Justus, das Opfer, nicht weit entfernt von Lana - das hochsensible Mädchen bringt sich auf ihre eigene Art in die Ermittlungen ein.

Ein eher persönlicher Ansatz, in dem - anders als bspw. bei Nele Neuhaus - die Frauen im Mittelpunkt stehen und man auch merkt, dass das Herz der Autorin für sie schlägt.

Was mich gestört hat: Carla hat sich einige Male sowohl Kollegen als auch Zeugen/möglichen Tätern gegenüber sehr unprofessionell geäußert. Genauso geht sie auch im beruflichen Alltag mit einem persönlichen Problem um - nämlich ziemlich offensiv, was überhaupt nicht zu einer solch erfahrenen Ermittlerin passt. Ich bin aber sicher, dass die Autorin, deren erster Krimi das ist, sich "einschreiben" wird, nachdem alles andere bereits richtig rund ist - vor allem das überraschende Ende!

Bewertung vom 17.04.2024
Gefährlicher Sog / Liv Lammers Bd.8
Weiß, Sabine

Gefährlicher Sog / Liv Lammers Bd.8


sehr gut

Diesmal ist die Jugend involviert
Und das aufs Heftigste, denn diesmal trifft es die Schwächsten der Schwachen, nämlich eine Jugendwohngruppe, deren Betreuer umgebracht wurde und zwar auf ziemlich brutale Art und Weise. Timur Roters, so sein Name, hinterlässt seine Frau Merret, die gemeinsame Pflegetochter Elanie und eine ganze Reihe von Teenagern, denen in ihren kurzen Leben bereits Schlimmstes widerfahren ist und für die er gemeinsam mit Merret als Sozialpädagoge verantwortlich war.


Wie man sieht, steht Liv wieder einmal unter Strom und das in vielerlei Hinsicht. Denn es gilt nicht nur, die Jugendlichen zu befragen, sondern auch, ihre eigene Tochter Sanna im Auge zu behalten, die ebenfalls auf Sylt weilt und schon bald selbst näher an den Fall heran rückt. Was Liv natürlich überhaupt nicht gerne sieht, doch kann sie etwas dagegen tun?

Zumal bald deutlich wird, dass Timur Roters einst selbst auf der anderen Seite des Gesetzes stand, inzwischen jedoch vollständig rehabilitiert ist. Zumindest offiziell. Kann er möglicherweise in irgeneiner Form rückfällig geworden sein?

Dazu kommen Livs Zweifel an ihrer Beziehung zum Gerichtsmediziner Sebastian Gerlich. Man sieht: Wieder einmal steht auch das Privatleben der Ermittlerin im Fokus der Handlung, das Autorin Sabine Weiss so geschickt mit der Krimihandlung verwoben hat, dass wie bei einem Puzzle alles genau zusammenpasst. Zudem wimmelt es diesmal sozusagen vor Verdächtigen - es gibt so viele, dass ich mir zum ersten Mal bei der Lektüre dieser Krimireihe ein Personenverzeichnis gewünscht habe!

Auch dieser nunmehr achte ist ein mehr als runder Fall mit einer eher überraschenden Auflösung. Ob Sie jetzt hier oder mit einem anderen Band starten, ich könnte mir vorstellen, dass sie wie ich diese Reihe, bei der sich die Protagonistin dank zahlreicher Alleinstellungsmerkmale von der Masse abhebt, lieben werden. Auf den nächsten Fall freue ich mich jedenfalls schon jetzt!

Bewertung vom 13.04.2024
Gussie
Wortberg, Christoph

Gussie


sehr gut

Sie bekam nicht alles, was sie haben wollte
Nämlich keine professionelle Ausbildung zur Musikerin, die sie sehr gerne genossen hätte. Statt dessen bekam Auguste Zinsser, genannt Gussie, etwas, das nur sie haben konnte: Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer, "erbte" drei Kinder und bekam vier eigene dazu.

Eine eindringliche Romanbiografie ist dem Autor Christoph Wortberg mit diesem Werk gelungen. Für mich war sie schon deswegen etwas ganz Besonderes, weil ich in Köln einen Katzensprung entfernt von den Häusern der Familien Adenauer und Zinsser lebe, selbst schon im Krankenhaus Hohenlind gelegen habe.

Aber auch die weiteren, mir nicht so vertrauten Schauplätze konnte mir der Autor nahe bringen, ebenso wie den Handlungsverlauf. Auch, wenn er nicht wissen konnte, wie Gussie empfand, klang dies alles sehr glaubwürdig und logisch. Es muss nicht so gewesen sein, so war es sogar recht sicher nicht. Aber: es hätte so sein können, was wir sowohl der akribischen Recherchearbeit als auch der Wortgewandtheit Christoph Wortbergs verdanken. Ich habe es schnell durchgelesen, was aber nicht bedeutet, dass ich den Inhalt ebenso schnell vergessen werde. Im Gegenteil, dieser Roman, der ganz und gar nicht ohne Anspruch ist, wird in mir noch lange nachklingen!

Bewertung vom 10.04.2024
James
Everett, Percival

James


sehr gut

Hier setzt der Autor Percival Everett gewissermaßen das Werk seines amerikanischen Autorenkollegen Mark Twain über 100 Jahre nach dessen Tod fort, indem er eine Fortsetzung mit dem Gefährten Hucks, dem Sklaven Jim, hier James entwickelt.

Dies geschieht einerseits mit großer Einfühlsamkeit, andererseits jedoch mit ebenso großer Entschiedenheit. Denn James hat nach seiner Flucht nur ein Ziel: seine Frau und seine Tochter zu kaufen und mit diesen in Freiheit zu leben.

Auf der Flucht, auf der er in weiten Teilen von Huck begleitet wird, lauern zahlreiche Gefahren und Herausforderungen auf ihn. Immerhin befindet man sich im Süden Amerikas. Nicht nur einmal bemächtigt sich ein Weißer seiner, um ihn wieder zu verkaufen. Durch seine Lebensweisheit, die von ihm geheim gehaltenen Fertigkeiten - er kann lesen und schreiben und dazu wie ein Weißer sprechen - und die sich neu dazu gesellenden Erfahrungen gelingt es ihm, wie eine Art Stehaufmännchen vieles zu überstehen - doch wird ihm auch der größte Wunsch bzw. sein Lebensziel in Erfüllung gehen?

Ein kluger, gleichzeitig sehr unterhaltsamer Roman, an dem mich nur eine Entwicklung kurz vor dem Ende störte, die aus meiner Sicht nicht ganz in die richtige Richtung führt. Dennoch empfehle ich das Buch von ganzem Herzen weiter und bin nun auch neugierig auf weitere Bücher des Autors!

Bewertung vom 10.04.2024
Gruß aus der Küche
Noll, Ingrid

Gruß aus der Küche


gut

Unlogische Wendung

Ich habe auf der Buchmesse in Leipzig die fast 90jährige Autorin Ingrid Noll bei einer Lesung dieses Buches erlebt und war begeistert. Der Roman versprach eine Frische, die Ingrid Noll aufs Glaubwürdigste zu transportieren wusste.

In dieser Hinsicht wurde ich von der Lektüre auch nicht enttäuscht - und auch einige der Protagonisten sind ganz wunderbar gezeichnet!

Allerdings nimmt die Handlung eine Wendung, für die die Bezeichnungen unlogisch oder unpassend absolute Untertreibungen bedeuten. Ab da verloren Autorin und Roman mich - was wunderbar begonnen hatte, ging leider den Bach runter!

Bewertung vom 07.04.2024
Der Wind kennt meinen Namen
Allende, Isabel

Der Wind kennt meinen Namen


sehr gut

Einmal um die ganze Welt
Oder jedenfalls fast - mit Isabel Allende kommt man diesmal ganz schön herum. Sowohl geographisch als auch historisch gesehen. Nach einem wirklich sehr heftigen, dabei durchaus authentischen Start in Wien 1938 begleiten wir das jüdische Kind Samuel Adler nach England, wo es zunächst ohne Liebe, dann aber mit Eltern im Geiste und Musik als lebenslangem Elixir aufwächst. In den Staaten lernen wir zunächst Leticia kennen, dann auch den smarten Frank, seines Zeichens werdender Staranwalt, der sich mehr und mehr für die überhaupt nicht trendige Sozialarbeiterin erwärmt.

Es kommen auch noch weitere Akteurinnen ins Spiel, vor allem die kleine sehbehinderte Anita, die mit ihrer Mutter aus El Salvador in eine bessere Zukunft aufbricht und dort schließlich im wahrsten Sinne des Wortes mutterseelenallein zurecht kommen muss. Und dann - wir schreiben inzwischen 2020 - bricht auch noch die Pandemie aus.

Ich muss sagen, ich finde nicht alle Werke der Autorin gut - "Das Geisterhaus" hat mir damals, in den ganz frühen Jahren meines Erwachsenenlebens ganz neue Dimensionen der Literatur aufgezeigt und "Porträt in Sepia" gehört zu dem Besten, was ich je gelesen habe.

Damit kann es dieses Werk nicht aufnehmen, dennoch hat es mich zutiefst beeindruckt - Frau Allende schreibt sich mit großem Respekt und noch mehr Achtung durch die verschiedenen Erdteile und es gelingt ihr vor allem, tatsächlich alle Fäden aufs Wirkungsvollste zusammen zu ziehen. Auch die Figuren - vor allem die männlichen, also Samuel und Frank und dann auch die kleine Anita, die sich in selbst geschaffene Welten rettet, sind stark und eindringlich gestaltet.

Ein Alterwerk der besten Art. Eines, das unterhaltsam und eindringlich zugleich ist.