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Raumzeitreisender
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Deutschland
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 717 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2024
Offene See
Myers, Benjamin

Offene See


gut

Der Roman spielt in England im Jahre 1946. Das Leben des 16-jährigen Robert Appleyard scheint vorgezeichnet zu sein. Er lebt in einer Bergbauregion. Seine Vorfahren haben im Bergwerk gearbeitet und so wird auch er demnächst unter Tage arbeiten.

Robert fühlt sich eingeengt und so begibt er sich auf eine Reise durch das Land, um einmal das Meer zu sehen. Er arbeitet tageweise hier und dort und landet irgendwann auf dem Cottage von Dulcie Piper, einer allein wohnenden Frau mittleren Alters.

Dulcie ist gebildet, unkonventionell und hat andere Ansichten als die Menschen, die Robert aus seiner Heimat kennt. Zudem umgibt sie ein Geheimnis, das mit Manuskripten von Gedichten zu tun hat. Sie beeinflusst Roberts Weltbild. Er verändert sich.

Der Roman ist voller Poesie und sprachlicher Bilder, wenngleich die Geschichte unrealistisch und konstruiert wirkt. Es ist ein Entwicklungsroman mit intensiven Gesprächen, der leicht zu lesen ist, er ist aber auch klischeehaft.

Bewertung vom 07.03.2024
ZAP. Für die einen ist es Vergnügen. Für ihn ein Albtraum.
Eschbach, Andreas

ZAP. Für die einen ist es Vergnügen. Für ihn ein Albtraum.


sehr gut

Rüdiger und Nathalie Ahlmann ziehen mit ihren Kindern Silke, Finn und Moritz aus beruflichen Gründen von Kirchstadt nach Ostwaldau. Rüdiger arbeitet bei dem Unterhaltungssender 1spass-TV, für den er vollen Einsatz zeigt.

Finn kann sich in Ostwaldau nicht akklimatisieren. Er hat Probleme mit seinen Klassenkameraden. Vierzehn Tage nach dem Umzug hat er seltsame Erlebnisse. Plötzlich passt nichts mehr in seiner Umgebung. Lebt er auf einmal in einer Parallelwelt?

Viel mehr sollte man über den Inhalt nicht schreiben. Die ersten hundert Seiten sind spannend, weil die Hintergründe zunächst nebulös sind. Der zweite Teil ist spannend, weil es darum geht, wie man aus der Situation herauskommt.

Mit diesem Roman greift Andreas Eschbach ein aktuelles Thema auf. Auch wenn die Geschichte arg konstruiert wirkt, handelt es sich um eine zeitgemäße Kritik an der modernen Gesellschaft und Eschbach erweist sich mal wieder als kreativer Autor.

Bewertung vom 05.03.2024
Pique Dame / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.8
Puschkin, Alexander S.;Menschik, Kat

Pique Dame / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.8


sehr gut

Alexander Sergejewitsch Puschkin (1799 -1837) gilt als Begründer der modernen russischen Literatur. Autoren von Weltformat wie Fjodor Michailowitsch Dostojewski und Leo Perutz haben sich an seinen Werken orientiert.

Die Erzählung "Pique Dame" aus dem Jahr 1834 wurde von Alexander Nitzberg neu übersetzt und von Kat Menschik humorvoll illustriert. Die Geschichte ist hinsichtlich der Entwicklung des Protagonisten Hermann tragisch, aber auch schelmisch.

Hermann, ein russischer Offizier deutscher Herkunft, trifft sich mit Freunden zum Kartenspielen und er erfährt von Tomski, dass seine Großmutter, Gräfin Anna Fedotowna, ein Geheimnis kennt, wie man beim Pharaospiel immer gewinnt.

Neugierig geworden versucht Hermann über Zofe Lisaweta Iwanowna, der er den Hof macht, Kontakt zur Gräfin aufzunehmen, um ihr das Geheimnis zu entlocken. Die Geschichte verläuft nicht so, wie Hermann es sich erhofft hat – eine Vision muss helfen.

"Pique Dame" bedeutet "geheime Missgunst" und das passt zur Geschichte, zum Charakter der Gräfin und zur Entwicklung von Hermann. Mit Raffinesse gelingt es Puschkin, eine einfach zu lesende Geschichte zu entwerfen, die gleichzeitig zeitlos und tiefgründig ist.

Bewertung vom 04.03.2024
Mathe kann jeder - und wir beweisen es
Naber, Josef;Mensing, Johannes

Mathe kann jeder - und wir beweisen es


ausgezeichnet

Der erste Teil ist eher ein allgemeiner psychologischer Ratgeber als ein Mathematikbuch. Es geht darum, aus Fehlern zu lernen, die Frustrationstoleranz zu erhöhen und den notwendigen Biss zu entwickeln, in Aufgabenstellungen tiefer einzusteigen. Fehler sind normal und auch notwendig für die Weiterentwicklung. Eigene Erfahrungen der Autoren stützen ihre Thesen. Ziel ist es, Erfolgsstrategien zu erlernen.

Im zweiten Teil unterstreichen die Autoren die Bedeutung der Mathematik anhand historischer Beispiele. Da geht es um Erdvermessungen, astronomische Beobachtungen, Kalenderberechnungen, Bienenwaben und um Mathematik in der Kunst. Aber die Mathematik beeinflusst auch unseren Alltag. Z.B. werden Konservendosen so hergestellt, dass bei einem bestimmten Volumen ein minimaler Materialaufwand notwendig ist.

Sie beschäftigen sich mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und nehmen mit ihren anschaulichen Vergleichen manch einem Fluggast die Angst vor dem Fliegen. Besonders aufschlussreich sind ihre Analysen zum Glücksspiel, welche in der einfachen Erkenntnis münden: Glücksspiel lohnt sich nicht. Ebenso aktuell sind ihre Erläuterungen zur Pandemie (SIR-Modell, R-Wert) und zum Klimawandel.

Nachdem die Notwendigkeit im zweiten Teil des Buches erläutert wurde, liegt der Fokus im dritten Teil auf der Unterhaltung. Mathematik soll Spaß machen. Die Autoren stellen Kuriositäten und Rätsel vor und beschäftigen sich mit der Unendlichkeit. Aufschlussreich ist das Benfordsche Gesetz, mit dem Bilanzfälscher und Steuerbetrüger entlarvt werden können. Auch Verschwörungstheorien werden mittels Mathematik entzaubert.

Wer es genauer wissen will, findet im Anhang weitergehende Erläuterungen. Es gibt zahlreiche Bücher über populärwissenschaftliche Erläuterungen zur Mathematik. "Mathe kann jeder" hat den Anspruch, unmittelbar beim Erlernen der Mathematik zu helfen. Das Buch schließt insbesondere durch den ersten Teil eine Lücke und wird durch seine anschaulichen Erläuterungen seinen Platz in der Bücherwelt finden.

Bewertung vom 01.03.2024
Der Sandmann / Das Fräulein von Scuderi
Hoffmann, E. T. A.

Der Sandmann / Das Fräulein von Scuderi


gut

In "Der Sandmann" geht es um Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, aber nicht nur. E. T. A. Hoffmann beschreibt eine Horrorromantik mit bösem Ende. Er betreibt ein Verwirrspiel um Realität und Wahn und verunsichert die Leser, da die Unterschiede fließend sind und nicht immer erkannt werden können. Die menschliche Wahrnehmung wird in die Irre geführt.

Der Autor verarbeitet, lange vor den Erkenntnissen von Freud, Traumata aus der Kindheit und thematisiert moderne Themen wie das Verhältnis und die Unterscheidbarkeit von Mensch und Maschine. In diesem Zusammenhang kritisiert er die Rolle der Frau in der Romantik, die bewusst Fehler machen soll, um nicht maschinenhaft zu wirken. Wenngleich der Stil des Buches antiquiert wirkt, ist der Inhalt seiner Zeit voraus.

Bei der Novelle "Das Fräulein von Scuderi" handelt es sich um eine komplizierte Kriminalgeschichte, die im 17. Jahrhundert spielt. Sie wird von einem auktorialen Erzähler wiedergegeben und ist nicht chronologisch aufgebaut. Einige Unklarheiten und Querverbindungen werden erst nach und nach durch Rückblenden deutlich. Das trägt zur Spannung bei.

Die Leser werden zu Beginn durch einen geheimnisvollen Fremden, der um Mitternacht das Haus der Dichterin Madeleine Scuderi aufsucht, verwirrt. Wer ist dieser Mann? Bei den Raubmorden werden wertvolle Schmuckstücke gestohlen, die der angesehene Goldschmied Cardillac angefertigt hat. Auch in dieser Novelle gibt es Getriebene. Die Psychologie spielt eine große Rolle.

Bewertung vom 21.02.2024
2084 - Noras Welt
Gaarder, Jostein

2084 - Noras Welt


gut

Jostein Gaarder schreibt nicht nur Geschichten, sondern er verarbeitet Sachthemen in seinen Romanen. Er schreibt über Philosophie (Sofies Welt), Evolution (Maya oder Das Wunder des Lebens), Naturwissenschaft und Glaube (Die Frau mit dem roten Tuch), über existenzielle Fragen (Genau richtig), über Liebe und Trauer (Das Orangenmädchen) und über den Literaturbetrieb (Der Geschichtenverkäufer).

In „2084“ setzt er sich mit den Folgen der Klimakrise auseinander. Er wagt einen Ausflug in das Jahr 2084, um deutlich zu machen, wohin die derzeitige Entwicklung führt. Protagonistin Nora träumt sich in die Zukunft und sie erlebt nicht nur die Zerstörung der Erde, sondern wird auch konfrontiert mit Vorwürfen künftiger Generationen, warum sie und ihre Generation wohl wissend nicht gegengesteuert haben.

Afrika unbewohnbar, Kamele in Norwegen, Völkerwanderung Richtung Norden, Tiere nur noch als Hologramme, die Zukunft sieht düster aus. Während ich mich mit Nora und ihrem Freund Jonas kaum anfreunden konnte, fand ich die Prognosen über die Zukunft aussagekräftig. Sie sollen Nora und die Leser der Geschichte dazu bewegen, eine Wende herbeizuführen, denn die heutige Generation trägt Verantwortung..

Zumindest eine Idee, wie man Einfluss auf die Entwicklung nehmen kann, wird thematisiert, wenngleich Spenden, auch wenn sie zielgerichtet zum Schutz spezieller Arten erfolgen, nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeuten. Die Probleme sind komplexer und ohne massive Einschränkungen im Konsumverhalten nicht lösbar. Da hilft auch kein magischer Ring, weder im Roman, noch in der Realität.

Bewertung vom 14.02.2024
Die Maschine steht still
Forster, E. M.

Die Maschine steht still


ausgezeichnet

Edward Morgan Forster (1879 – 1970) schrieb diese Dystopie im Jahre 1909. Die Erde ist unbewohnbar geworden und die Menschheit lebt unterirdisch in einzelnen elektronisch vernetzten Kabinen. Die zentrale Maschine, einst von den Vorfahren geschaffen, ist für die komplette Versorgung zuständig. Sie wird als unfehlbar wahrgenommen.

Die Menschen haben keine persönlichen Kontakte mehr, sondern kommunizieren ausschließlich elektronisch über moderne Kommunikationsgeräte. Sie haben geradezu Angst vor persönlichen Kontakten, weil sie die nicht mehr kennen. Wenn in seltenen Fällen Reisen erforderlich werden, erfolgen diese mittels Luftschiff.

Protagonisten dieser Kurzgeschichte sind Vashti, die der Maschine voll vertraut und ihr Sohn Kuno, der am anderen Ende der Erde wohnt und eine kritische Haltung zur Maschine hat. Er ist neugierig und auf der Suche nach weiteren Informationen. Um sich mit seiner Mutter auszutauschen, strebt er ein Treffen an.

Es handelt sich um eine moderne Geschichte mit faszinierenden Visionen. Vor über hundert Jahren skizzierte Forster nicht nur unsere heutige Kommunikationstechnik, sondern auch deren gesellschaftliche Auswirkungen. Von den Reisen mittels Luftschiff abgesehen, ist die Geschichte in die heutige Zeit übertragbar. Der Autor war ein Visionär.

Bewertung vom 12.02.2024
Die Zeitmaschine
Wells, H. G.

Die Zeitmaschine


ausgezeichnet

In diesem Klassiker von 1895 behandelt Herbert George Wells (1866 – 1946) zum ersten Mal in der Literaturgeschichte eine Zeitreise weit in die Zukunft. Seine Erlebnisse und Erfahrungen gehören nicht nur in die Kategorie Abenteuer, sondern können auch als Gesellschaftskritik interpretiert werden.

Der Erfinder der Zeitmaschine stellt seinen Freunden während eines abendlichen Treffens seine Maschine vor, erklärt ihnen ihre Funktionen, ihre Bedeutung und verkündet den skeptischen Gästen, dass er damit eine Zeitreise unternehmen will. Es ist ihm ernst damit, aber niemand will ihm glauben.

Bei ihrem nächsten Treffen erscheint der Zeitreisende etwas verspätet und in einem körperlich erbärmlichen Zustand bei den Gästen. Er berichtet ihnen ohne Unterbrechung ausführlich von seiner Reise ins Jahr 802701. Das Buch besteht im wesentlichen aus seinem Bericht über die Erlebnisse auf seiner Zeitreise.

Er lernt in der Zukunft das Volk der Eloi und der Morlocks kennen, die hinsichtlich ihres Verhaltens ein wenig an Schafe und Wölfe erinnern. Den Eloi fehlen die Herausforderungen, sie leben unreflektiert und ohne Aufgaben wie eine Herde Schafe. Die Morlocks leben unterirdisch und beherrschen die Eloi.

Die Verfilmung aus dem Jahr 1960 mit Rod Taylor weicht von der Romanvorlage ab. Das gilt für das Schicksal der Eloi Weena, hinsichtlich der Gesellschaftsordnungen der Eloi und der Morlocks, die komplexer sind, als im Film dargestellt und auch hinsichtlich der Auseinandersetzungen zwischen den Eloi und den Morlocks.

Der Roman ist vor 130 Jahren entstanden und beschreibt eine zeitlose Utopie über die Zukunft der Menschheit, die nachdenklich machen kann. Der Mensch braucht Herausforderungen, so die Erkenntnis aus dieser Reise. Dem Roman fehlen romantische Elemente, die in den Film eingebaut wurden, das gilt auch für das Ende der Geschichte.

Bewertung vom 08.02.2024
Poe: Unheimliche Geschichten / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.5
Poe, Edgar Allan

Poe: Unheimliche Geschichten / Kat Menschiks Lieblingsbücher Bd.5


sehr gut

Der US-amerikanische Schriftsteller Edgar Allen Poe (1809 – 1849) ist insbesondere bekannt für seine makaberen Schauergeschichten. Zahlreiche Werke von ihm wurden verfilmt. Auch Musiker wie Alan Parsons, Iron Maiden und Lou Reed haben sich mit seinen Werken beschäftigt und sie in ihre Musik einfließen lassen.

Drei seiner unheimlichen Geschichten sind in diesem Buch abgedruckt und wurden von Kat Menschik wirkungsvoll illustriert. Ursprünglich erschienen die von Fjodor Dostojewski ausgewählten Geschichten 1861 in der Zeitschrift "Die Zeit". In einem Nachwort lobt Dostojewski die präzisen detaillierten Beschreibungen von Edgar Allen Poe.

Der Protagonist in "Das verräterische Herz" erinnert an Raskolnikow in "Schuld und Sühne", der an seinen Gewissensbissen verzweifelt ist. In "Der schwarze Kater" ist es der Kater, der sich bitter rächt und in "Der Teufel im Glockenturm" bringt ein junger Mann mit teuflischem Charakter die Ordnung einer holländischen Gemeinde durcheinander.

Bewertung vom 07.02.2024
Bibliomanie
Flaubert, Gustave

Bibliomanie


sehr gut

Das kleine Büchlein fällt schon allein wegen seiner zahlreichen antik wirkenden Illustrationen auf, die, passend zum Inhalt, eine finstere Geschichte über mysteriöse Bücher vermuten lassen.

Protagonist ist der ehemalige Mönch und heutige Buchhändler Giacomo, der, ebenso wie der Autor der Geschichte, so der Eindruck, fasziniert ist von der Welt der Bücher. Giacomo ist geradezu besessen vom Besitz seltener Bücher.

Die Geschichte spielt in Barcelona, also in dem Ort, in dem Carlos Ruiz Zafón fast zweihundert Jahre später den geheimnisvollen "Friedhof der vergessenen Bücher" angesiedelt hat.

Giacomo geht es nur um den Besitz und nicht um den Inhalt der Bücher. Er ist ein Sammler, so wie auch Philatelisten seltene Briefmarken sammeln. Seine Leidenschaft steigert sich in eine Manie und wird ihm schließlich zum Verhängnis.

Die Geschichte ist nicht ganz rund, aber ausdrucksstark. Kaum zu glauben, dass ein fünfzehnjähriger Junge sie verfasst hat. Flauberts literarisches Talent wird hier deutlich und auch die Tiefe seiner Gedanken. So ist der Schritt zu "Madame Bovary" nicht mehr weit.