Ruhig erzählter Krimi mit ungewöhnlicher Meta-Ebene und wenig passendem Humor in der Finsternis Islands
Hannah Krause-Bendix ist als literarische Autorin mehrfach für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert worden, hat aber unter ihrer äußerst überschaubaren Leserschaft zu leiden. Um
ihrem Lektor Bastian einen Gefallen zu tun, rafft sie sich zu einer Signierstunde auf der Buchmesse…mehrRuhig erzählter Krimi mit ungewöhnlicher Meta-Ebene und wenig passendem Humor in der Finsternis Islands
Hannah Krause-Bendix ist als literarische Autorin mehrfach für den Literaturpreis des Nordischen Rates nominiert worden, hat aber unter ihrer äußerst überschaubaren Leserschaft zu leiden. Um ihrem Lektor Bastian einen Gefallen zu tun, rafft sie sich zu einer Signierstunde auf der Buchmesse auf. Dort trifft sie auf ihren Erzfeind Jorn Jensen, der in Hannahs Augen der schlechteste Krimi-Autor der Welt ist. Da dessen Bücher sich allerdings hervorragend verkaufen, eskaliert der Konflikt zwischen Hannah und Jorn vor einer immer größer werdenden Menge an Zuschauern und mündet in der Ansage, dass Hannah in nur einem Monat einen Krimi schreiben wird, der besser ist als alle von Jorns bisherigen Werken.
Mit Hannah hat Jenny Lund Madsen eine alles andere als sympathische Protagonistin für ihren Roman ersonnen, die dafür aber umso interessanter ist. Die neurotische Hannah ist auf dem besten Weg zur Alkoholikerin und hat schon lange nichts mehr veröffentlicht. Auch nimmt sie kein Blatt vor den Mund und so trifft ihre scharfe Zunge jeden gleichermaßen. Bei ihrer isländischen Gastgeberin Ella, mit der sie sich nur schriftlich verständigen kann, beginnt sie jedoch allmählich eine andere Seite von sich zu zeigen. Bei Ella hat Hannahs Lektor Bastian sie einquartiert, damit sie dort ihren Krimi schreiben kann. Im kleinen isländischen Dorf Husafjördur soll Hannah die Abgeschiedenheit und Ruhe finden, die sie hoffentlich zum Schreiben inspirieren wird.
Damit hat Jenny Lund Madsen neben einer interessanten Hauptfigur auch eine ungewöhnliche Ausgangssituation für ihren Krimi gefunden. Im weiteren Verlauf erzählt die Autorin ihre eher eigenwillige Geschichte in einem ganz eigenen Tempo, so dass es etwa recht lange dauert, bis die eigentliche Handlung, die um den Mordfall kreist, in die Gänge kommt.
Zuvor ist insbesondere die Meta-Ebene zu etablieren, bei der eine an einem Kriminalroman arbeitende Schriftstellerin auf einen tatsächlichen Mordfall trifft. Nach Hannahs Ankunft in Husafjördur stirbt Thor, der innig geliebte Neffe von Ella, unter rätselhaften Umständen, die zunächst als Unfall deklariert werden. Dabei ist von Jenny Lund Madsen gut umgesetzt worden, wie sich Hannah die Inspiration für ihren Krimi aus der Realität zusammenklaut, indem sie die Recherchen, die sie im Todesfall von Thor anstellt, in ihren Krimi mit einfließen lässt. Ab und an diktiert aber auch Hannahs aktuelle Stimmungslage, was sie schreibt, wenn sie sich etwa den Rachegelüsten an ihrer Nemesis Jorn hingibt. Das gibt dem Roman eine ganz eigene Note.
Im Verlauf des Romans zeigt sich die Meta-Ebene in Gestalt der verstärkten Integration von Jorn in dessen Handlung. In dieser Form funktioniert die eingangs starke Meta-Ebene jedoch weit weniger gut. Das geht dann Hand in Hand mit der Entwicklung, die Hannah in diesem Krimi durchläuft. So dauert das gar nicht lange, bis die in ihrem Zynismus überzeugende Hannah in ihrer Mordermittlung durch ihre neu gewonnene Naivität behindert wird, wenn sie keinem der Dorfbewohner einen Mord zutraut. Diese Veränderung von Hannahs grundlegenden Charakterzügen erfolgte derart rasch, dass sie mir unglaubwürdig erschien. Lediglich ihre Neurosen durfte sie behalten, weil diese als Ausgangspunkt für humorvoll angelegte Szenen dienten.
Der allzu oft recht primitive Humor hat meinen Geschmack etwa beim Willkommensfrühstück nicht getroffen. Teils habe ich Episoden, die herausgestellt haben, wie ungeschickt Hannah als Hobby-Detektivin vorgegangen ist, eher als Klamauk empfunden. Das ist kein Vergleich zum Beginn, bei dem der Schlagabtausch von Hannah und Jorn auf der Buchmesse, noch großes Kino gewesen ist.
"30 Tage Dunkelheit" wäre weit intensiver geraten, wenn der Name dieses Krimis mehr Programm gewesen wäre. Das meine ich weniger im wortwörtlichen Sinn, der von Jenny Lund Madsen als Untermalung der düsteren Stimmung gut umgesetzt wurde. Denn Hannah besucht Island, als die Tage kurz und damit in lang währende Finsternis getaucht sind. Im übertragenen Sinn zeigen sich aber Schwächen. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Drama-Teile dieses Krimis statt der humorvollen Szenen, der an der Figur von Jorn aufgehangenen Meta-Ebene und der Romanze hervorgehoben worden wären. Das hätte für mich eine Konzentration auf die Beziehung von Hannahs Gastgeberin Ella zu ihrer Schwester Vigdis und deren Mann Aegir bedeutet. Gelungen sind zwar die konfrontativen Begegnungen von Hannah und Aegir sowie von Ella und Aegir ausgefallen. Dabei hat die Autorin jedoch gerade Vigdis zu wenig Raum gegeben, so dass diese Figur in ihrer Reduktion auf die Rolle der lieben Schwester blass geblieben ist. Das hat der Tragik, die in den lang begrabenen Familiengeheimnissen liegt, einen Teil ihrer Wirkung genommen. Womöglich hätte sich sogar angeboten, mehr Zeit bis zum ersten Mord verstreichen zu lassen, damit Hannah Ellas Familie näher kennen lernen kann.