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Ein großer Roman über ein kleines Theater: die Augsburger Puppenkiste.Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Au...
Ein großer Roman über ein kleines Theater: die Augsburger Puppenkiste.
Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. »Herzfaden« erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht. Generationen von Kindern sind mit ihren Marionetten aufgewachsen. Die Augsburger Puppenkiste gehört zur DNA dieses Landes, seit in der ersten TV-Serie im westdeutschen Fernsehen erstmals Jim Knopf auf den Bildschirmen erschien.
Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche. »Herzfaden« erzählt von der Kraft der Fantasie in dunkler Zeit und von der Wiedergeburt dieses Theaters. Nach dem Krieg gibt Walters Tochter Hatü in der Augsburger Puppenkiste Waisenkindern wie dem Urmel und kleinen Helden wie Kalle Wirsch ein Gesicht. Generationen von Kindern sind mit ihren Marionetten aufgewachsen. Die Augsburger Puppenkiste gehört zur DNA dieses Landes, seit in der ersten TV-Serie im westdeutschen Fernsehen erstmals Jim Knopf auf den Bildschirmen erschien.
Thomas Hettche wurde in einem Dorf am Rande des Vogelsbergs geboren und lebt in Berlin. Seine Essays und Romane, darunter 'Der Fall Arbogast' (2001), 'Die Liebe der Väter' (2010), 'Totenberg' (2012) und 'Pfaueninsel' (2014) wurden in über ein Dutzend Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Premio Grinzane Cavour, dem Wilhelm-Raabe-Preis, dem Solothurner Literaturpreis und dem Josef-Breitbach-Preis. Sein letzter Roman 'Herzfaden' (2020) stand auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis und wochenlang auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Produktdetails
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Artikelnr. des Verlages: 4002359
- 5. Aufl.
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: 10. September 2020
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 132mm x 27mm
- Gewicht: 402g
- ISBN-13: 9783462052565
- ISBN-10: 346205256X
- Artikelnr.: 59394417
Herstellerkennzeichnung
Kiepenheuer & Witsch GmbH
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
In seinem stringent erzählten Roman "Herzfaden" spürt Thomas Hettche das "Das Furchtbare im Possierlichen" auf, und macht es mit Feinsinn und Geschick für die Leser sichtbar, erklärt Rezensentin Judith von Sternburg. Das Possierliche, das sind wohl die Marionetten aus der Augsburger Puppenkiste, die spielen auf beiden Erzählebenen eine entscheidende Rolle, lesen wir. Auf der ersten helfen Urmel, Jim Knopf und Kalle Wirsch einem Mädchen der Gegenwart, das in Bedrängnis geraten ist. Doch auch hier schon deutet sich das Furchtbare in Gestalt des bös grinsenden Kasperles an. Ein ähnliches Unbehagen wie das Mädchen empfindet auch Hannelore Oehmichen gegenüber dem Kasper, und das, obwohl sie ihn selbst geschnitzt hat. Oehmichen, erklärt von Sternburg, ist nämlich die Tochter des Erfinders der Augsburger Puppenkiste, deren Geschichte Hettche auf der zweiten Ebene erzählt. Und auch hier wird mit wohl platzierten Fragen und Hinweisen auf die Schrecken der Judenverfolgung und des Zweiten Weltkriegs Bezug genommen. Mit diesem Roman erzählt Thomas Hettche ein Stück gut recherchierte Nachkriegsgeschichte auf spannende und dynamische Art und Weise, so die berührte Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Die Unschuld hängt an dünnen Fäden
Was träumt Alice in Augsburg? Thomas Hettche hat den Roman der Augsburger Puppenkiste geschrieben.
Jeder kennt die Augsburger Puppenkiste, aber für jeden von uns beginnt ihre Geschichte anders. Denn all die Familiengeschichten, zu denen die Puppenkiste mit ihren Figuren seit Generationen gehört, unterscheiden sich voneinander. Dass die Augsburger Puppenkiste selbst auch eine Familie bildet, also auch selbst eine Familiengeschichte haben muss, ist wohl nur den wenigsten je in den Sinn gekommen. Thomas Hettches neuer Roman erzählt diese Geschichte. Sie handelt nicht von Urmel, dem Gestiefelten Kater, Jim Knopf oder dem kleinen König Kalle Wirsch, obwohl all diese Gestalten Rollen im
Was träumt Alice in Augsburg? Thomas Hettche hat den Roman der Augsburger Puppenkiste geschrieben.
Jeder kennt die Augsburger Puppenkiste, aber für jeden von uns beginnt ihre Geschichte anders. Denn all die Familiengeschichten, zu denen die Puppenkiste mit ihren Figuren seit Generationen gehört, unterscheiden sich voneinander. Dass die Augsburger Puppenkiste selbst auch eine Familie bildet, also auch selbst eine Familiengeschichte haben muss, ist wohl nur den wenigsten je in den Sinn gekommen. Thomas Hettches neuer Roman erzählt diese Geschichte. Sie handelt nicht von Urmel, dem Gestiefelten Kater, Jim Knopf oder dem kleinen König Kalle Wirsch, obwohl all diese Gestalten Rollen im
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Roman übernommen haben. Auf der Bühne sind die Marionetten die unbestrittenen Hauptfiguren, aber im Roman haben sie nur Nebenrollen. Hettche erzählt von dem, was sich am anderen, dem unsichtbaren Ende der Fäden befindet. "Herzfaden" erzählt von denen, die führen und geführt werden.
Die hölzernen Türen, die sich zu Beginn jeder Vorstellung öffnen, waren ursprünglich die Seitenteile einer Transportkiste der Deutschen Reichsbahn. Die Puppenkiste war ein Provisorium, aus der Not geboren. Ihr Vorläufer, der sogenannte Puppenschrein, verbrannte nach einem Bombenangriff der Alliierten in den Trümmern des Stadttheaters. Deutschlands bekannteste Marionettenbühne, begründet von Walter Oehmichen, dem früheren Augsburger Oberspielleiter, gilt als liebenswertes Symbol der frühen Bundesrepublik, aber wie vieles in den Jahren des Aufbruchs und Neubeginns nach 1945 hat auch das Marionettentheater seinen Wurzelgrund im "Dritten Reich". Nein, es geht im Roman nicht darum, eine dunkle Stelle im Leben Oehmichens zu finden oder eine Verstrickung der Puppenkiste mit den Nationalsozialisten zu enthüllen. "Jud Süß" stand hier nie auf dem Spielplan. So einfach hat es sich Hettche nicht gemacht.
Der Roman setzt nicht vor einer Vorstellung ein, sondern danach. Was gezeigt wurde, erfahren wir nicht. Ein Mädchen reißt sich von der Hand seines Vaters los, öffnet neugierig eine unscheinbare Holztür in einem Winkel des Theaterfoyers, und schon befindet sich das Kind in einer anderen Welt. Denn auf dem Dachboden des Gebäudes sind alle Marionetten beisammen. Hier, in ewiger Dunkelheit, sind sie lebendig, können umherlaufen, sprechen oder singen wie die Prinzessin Li Si. Aber auch ihre Schöpferin ist hier, Hannelore Oehmichen, genannt Hatü. Sie hat die meisten Marionetten geschnitzt - insgesamt sollen es etwa sechstausend gewesen sein -, viele von ihnen während der Vorstellungen geführt und die Leitung der Puppenbühne 1972 von ihrem Vater übernommen. Die reale Hatü ist 2003 gestorben, hier lebt sie weiter, inmitten ihrer Geschöpfe, und beinahe ist es, als wäre sie selbst eines von ihnen. Denn auf dem Dachboden sind alle gleich klein. Auch das Mädchen ist geschrumpft. Hettche stattet das Kind nur mit dem Allernötigsten aus, um es in unserer Gegenwart zu verorten: einem Elternpaar, das sich getrennt hat, und einem iPhone. Einen Namen gibt er der Zwölfjährigen nicht. Nennen wir sie Alice in Augsburg.
Was Alice erlebt, ist im Kern märchenhaft, also überschaubar und schlicht im Handlungsablauf, aber vieldeutig in seinen Bezügen und Deutungsmöglichkeiten. Es gibt einen bösen Kasperl, den alle fürchten, sogar Hatü. Er muss bezwungen, aber auch erlöst werden. Was auf dem verzauberten Dachboden geschieht, ist im Roman in roter Farbe gesetzt, in blauer Schrift erscheint die Geschichte, die Hatü ihrer Besucherin erzählt. Das ist der eigentliche "Roman der Augsburger Puppenkiste", den der Untertitel verheißt. Er setzt mit dem abrupten Urlaubsende im Sommer 1939 ein, als der Krieg ausbricht und Walter Oehmichen einberufen wird. Im Folgenden erzählt Hatü die Geschichte ihrer Familie, der eigenen Kindheit und Jugend und der ersten Jahre der Augsburger Puppenkiste. Auf dieser Ebene endet der Roman mit der Produktion von "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" für den Hessischen Rundfunk, die als erste deutsche Serie Fernsehgeschichte geschrieben hat. Die Rahmenhandlung, die weit weniger Raum einnimmt, wird mit der Rückkehr des Mädchens in die reale Welt beschlossen.
Hettche ist kein Lewis Carroll, aber "Herzfaden" ist wie "Alice im Wunderland" ein Buch für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Geschickt hält der Roman die Balance zwischen Märchenton, phantastischen Elementen im Stil von Michael Endes "Unendlicher Geschichte", Coming-of-Age-Roman und Zeithistorischem. Nicht nur die Familie Oehmichen und ihre engsten Mitarbeiter, auch zahlreiche Nebenfiguren haben reale Vorbilder. Personen und Ereignisse, die in diesem Roman vorkommen, so heißt es in einer Nachbemerkung, habe es wirklich gegeben, und zugleich seien sie erfunden. Man darf davon ausgehen, dass Hettche gründlich recherchiert hat. Spannend wird die Frage, wie es um das Verhältnis von historischen Fakten und Fiktion steht, wenn Hettche die zentralen Fragen des Romans verhandelt.
Dass der Vater eine Affäre hatte, Hatü kurz in den Maler Michel verschossen war, bevor sie dann doch ihre Jugendliebe Hanns Marschall heiratete, während sie die Entfremdung von ihrer besten Freundin Vroni nicht aufhalten konnte, mag so oder auch ganz anders gewesen sein. Das ist mehr oder weniger egal. Oder, wie Hettche Oehmichen sagen lässt: "Darauf kommt es nicht an . . . Wir müssen die Herzen der Jugend erreichen, die von den Nazis verdorben wurden. Und die Fäden, mit denen wir sie wieder an Kultur anknüpfen, das sind die Fäden meiner Marionetten." Dreißig Seiten später stellt Oehmichen einigen jungen Leuten - der künftigen "Familie" der Puppenbühne - sein Konzept eines transportablen Theaters vor. Die Reisepuppenbühne in einem ehemaligen Transportbehältnis der Reichsbahn: "Das ist unser Theater. Diese Kiste. Sie ist alles, was uns geblieben ist. Sie steht in den Ruinen. In sie sperren wir alles ein, was war. Verwandelt wird es wieder herauskommen."
Ist die Augsburger Puppenkiste also im Kern ein ideologisches Projekt gewesen? Ein Instrument der Volkserziehung, gegründet aus der Überzeugung, die deutsche Jugend, verdorben durch HJ und BDM, bedürfe einer moralischen Grundreinigung? Und ist der Puppenspieler einer, der aufgrund seiner Verfehlungen besser im Hintergrund bleibt, unsichtbar, aber die Fäden ziehend, weil er die Bühne denen überlassen will, die beides besitzen: Anmut und Unschuld?
Hettche ist viel zu klug, um sich da festzulegen. Ja, für Oehmichen sind Marionetten die besseren Menschen. Und nein, man kann die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel nicht in den Ofen stoßen, ohne an die deportierten Juden und ihre millionenfache Ermordung in den Lagern zu denken. Hatüs böser Kasperl, der auf dem Dachboden die anderen Marionetten in Angst und Schrecken versetzt, ist eine allegorische Figur, in der ebenso viel Verdrängtes steckt wie in der ganzen Augsburger Puppenkiste. Seine Puppen seien nicht eitel, lässt Hettche Oehmichen einmal sagen. Das ist, nur um eine Nuance abgewandelt, Kleists Bemerkung, dass einer der Vorteile der Marionette darin liege, "dass sie sich niemals zierte". Um in den Stand der Unschuld zurückzufallen, müssten wir wohl wieder vom Baum der Erkenntnis essen, sagt, ein wenig zerstreut, Kleists Erzähler. Hettches Roman erzählt uns vom Traum eines ganzen Landes vom allmählichen Verfertigen der Unschuld beim Spiel der Marionetten. War das kein unschuldiger Traum?
HUBERT SPIEGEL
Thomas Hettche: "Herzfaden". Roman der Augsburger Puppenkiste.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 288 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die hölzernen Türen, die sich zu Beginn jeder Vorstellung öffnen, waren ursprünglich die Seitenteile einer Transportkiste der Deutschen Reichsbahn. Die Puppenkiste war ein Provisorium, aus der Not geboren. Ihr Vorläufer, der sogenannte Puppenschrein, verbrannte nach einem Bombenangriff der Alliierten in den Trümmern des Stadttheaters. Deutschlands bekannteste Marionettenbühne, begründet von Walter Oehmichen, dem früheren Augsburger Oberspielleiter, gilt als liebenswertes Symbol der frühen Bundesrepublik, aber wie vieles in den Jahren des Aufbruchs und Neubeginns nach 1945 hat auch das Marionettentheater seinen Wurzelgrund im "Dritten Reich". Nein, es geht im Roman nicht darum, eine dunkle Stelle im Leben Oehmichens zu finden oder eine Verstrickung der Puppenkiste mit den Nationalsozialisten zu enthüllen. "Jud Süß" stand hier nie auf dem Spielplan. So einfach hat es sich Hettche nicht gemacht.
Der Roman setzt nicht vor einer Vorstellung ein, sondern danach. Was gezeigt wurde, erfahren wir nicht. Ein Mädchen reißt sich von der Hand seines Vaters los, öffnet neugierig eine unscheinbare Holztür in einem Winkel des Theaterfoyers, und schon befindet sich das Kind in einer anderen Welt. Denn auf dem Dachboden des Gebäudes sind alle Marionetten beisammen. Hier, in ewiger Dunkelheit, sind sie lebendig, können umherlaufen, sprechen oder singen wie die Prinzessin Li Si. Aber auch ihre Schöpferin ist hier, Hannelore Oehmichen, genannt Hatü. Sie hat die meisten Marionetten geschnitzt - insgesamt sollen es etwa sechstausend gewesen sein -, viele von ihnen während der Vorstellungen geführt und die Leitung der Puppenbühne 1972 von ihrem Vater übernommen. Die reale Hatü ist 2003 gestorben, hier lebt sie weiter, inmitten ihrer Geschöpfe, und beinahe ist es, als wäre sie selbst eines von ihnen. Denn auf dem Dachboden sind alle gleich klein. Auch das Mädchen ist geschrumpft. Hettche stattet das Kind nur mit dem Allernötigsten aus, um es in unserer Gegenwart zu verorten: einem Elternpaar, das sich getrennt hat, und einem iPhone. Einen Namen gibt er der Zwölfjährigen nicht. Nennen wir sie Alice in Augsburg.
Was Alice erlebt, ist im Kern märchenhaft, also überschaubar und schlicht im Handlungsablauf, aber vieldeutig in seinen Bezügen und Deutungsmöglichkeiten. Es gibt einen bösen Kasperl, den alle fürchten, sogar Hatü. Er muss bezwungen, aber auch erlöst werden. Was auf dem verzauberten Dachboden geschieht, ist im Roman in roter Farbe gesetzt, in blauer Schrift erscheint die Geschichte, die Hatü ihrer Besucherin erzählt. Das ist der eigentliche "Roman der Augsburger Puppenkiste", den der Untertitel verheißt. Er setzt mit dem abrupten Urlaubsende im Sommer 1939 ein, als der Krieg ausbricht und Walter Oehmichen einberufen wird. Im Folgenden erzählt Hatü die Geschichte ihrer Familie, der eigenen Kindheit und Jugend und der ersten Jahre der Augsburger Puppenkiste. Auf dieser Ebene endet der Roman mit der Produktion von "Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer" für den Hessischen Rundfunk, die als erste deutsche Serie Fernsehgeschichte geschrieben hat. Die Rahmenhandlung, die weit weniger Raum einnimmt, wird mit der Rückkehr des Mädchens in die reale Welt beschlossen.
Hettche ist kein Lewis Carroll, aber "Herzfaden" ist wie "Alice im Wunderland" ein Buch für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen. Geschickt hält der Roman die Balance zwischen Märchenton, phantastischen Elementen im Stil von Michael Endes "Unendlicher Geschichte", Coming-of-Age-Roman und Zeithistorischem. Nicht nur die Familie Oehmichen und ihre engsten Mitarbeiter, auch zahlreiche Nebenfiguren haben reale Vorbilder. Personen und Ereignisse, die in diesem Roman vorkommen, so heißt es in einer Nachbemerkung, habe es wirklich gegeben, und zugleich seien sie erfunden. Man darf davon ausgehen, dass Hettche gründlich recherchiert hat. Spannend wird die Frage, wie es um das Verhältnis von historischen Fakten und Fiktion steht, wenn Hettche die zentralen Fragen des Romans verhandelt.
Dass der Vater eine Affäre hatte, Hatü kurz in den Maler Michel verschossen war, bevor sie dann doch ihre Jugendliebe Hanns Marschall heiratete, während sie die Entfremdung von ihrer besten Freundin Vroni nicht aufhalten konnte, mag so oder auch ganz anders gewesen sein. Das ist mehr oder weniger egal. Oder, wie Hettche Oehmichen sagen lässt: "Darauf kommt es nicht an . . . Wir müssen die Herzen der Jugend erreichen, die von den Nazis verdorben wurden. Und die Fäden, mit denen wir sie wieder an Kultur anknüpfen, das sind die Fäden meiner Marionetten." Dreißig Seiten später stellt Oehmichen einigen jungen Leuten - der künftigen "Familie" der Puppenbühne - sein Konzept eines transportablen Theaters vor. Die Reisepuppenbühne in einem ehemaligen Transportbehältnis der Reichsbahn: "Das ist unser Theater. Diese Kiste. Sie ist alles, was uns geblieben ist. Sie steht in den Ruinen. In sie sperren wir alles ein, was war. Verwandelt wird es wieder herauskommen."
Ist die Augsburger Puppenkiste also im Kern ein ideologisches Projekt gewesen? Ein Instrument der Volkserziehung, gegründet aus der Überzeugung, die deutsche Jugend, verdorben durch HJ und BDM, bedürfe einer moralischen Grundreinigung? Und ist der Puppenspieler einer, der aufgrund seiner Verfehlungen besser im Hintergrund bleibt, unsichtbar, aber die Fäden ziehend, weil er die Bühne denen überlassen will, die beides besitzen: Anmut und Unschuld?
Hettche ist viel zu klug, um sich da festzulegen. Ja, für Oehmichen sind Marionetten die besseren Menschen. Und nein, man kann die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel nicht in den Ofen stoßen, ohne an die deportierten Juden und ihre millionenfache Ermordung in den Lagern zu denken. Hatüs böser Kasperl, der auf dem Dachboden die anderen Marionetten in Angst und Schrecken versetzt, ist eine allegorische Figur, in der ebenso viel Verdrängtes steckt wie in der ganzen Augsburger Puppenkiste. Seine Puppen seien nicht eitel, lässt Hettche Oehmichen einmal sagen. Das ist, nur um eine Nuance abgewandelt, Kleists Bemerkung, dass einer der Vorteile der Marionette darin liege, "dass sie sich niemals zierte". Um in den Stand der Unschuld zurückzufallen, müssten wir wohl wieder vom Baum der Erkenntnis essen, sagt, ein wenig zerstreut, Kleists Erzähler. Hettches Roman erzählt uns vom Traum eines ganzen Landes vom allmählichen Verfertigen der Unschuld beim Spiel der Marionetten. War das kein unschuldiger Traum?
HUBERT SPIEGEL
Thomas Hettche: "Herzfaden". Roman der Augsburger Puppenkiste.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 288 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dieser Roman ist ein Monument der Virtuosität, eine formvollendete Erzählarchitektur, bestehend aus unzähligen Türen, hinter denen sich historische und symbolische Räume auftun.« Björn Hayer Die Presse 20210116
Fantastisch
Wir lesen in diesem Roman die Geschichte der Augsburger Puppenkiste.
Fast jeder kennt sie, doch wie ist sie eigentlich entstanden? Ich selbst habe mir darüber nie Gedanken gemacht und war daher umso gespannter auf diesen Roman.
Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters …
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Fantastisch
Wir lesen in diesem Roman die Geschichte der Augsburger Puppenkiste.
Fast jeder kennt sie, doch wie ist sie eigentlich entstanden? Ich selbst habe mir darüber nie Gedanken gemacht und war daher umso gespannter auf diesen Roman.
Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg und geht bis zum heutigen Tage.
Ich habe mich in dem Buch regelrecht gefangen gefühlt - auf eine positive Art und Weise. Auch wenn der Inhalt bzw. die Ereignisse, aufgrund der Zeit des zweiten Weltkrieges, nicht immer so leicht und schön erscheint, ist das gesamte Buch doch eine ganz tolle Leseerfahrung. Zudem bekommt man noch viele interessante Fakten zu der Entstehung und dem Verlauf rund um die Puppenkiste mit.
Es ist definitiv ein Buch das ich zu einem späteren Zeitpunkt erneut lesen werde.
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Wie ist die Augsburger Puppenkiste entstanden? Warum ist ein bekannter Schauspieler auf einmal Puppenspieler geworden? Was sagen uns die Märchen und Geschichten der Puppenkiste?
Der Autor hat auf alles eine Antwort. Zum Teil ist es ein biographischer Roman, dann wieder eine fantastische …
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Wie ist die Augsburger Puppenkiste entstanden? Warum ist ein bekannter Schauspieler auf einmal Puppenspieler geworden? Was sagen uns die Märchen und Geschichten der Puppenkiste?
Der Autor hat auf alles eine Antwort. Zum Teil ist es ein biographischer Roman, dann wieder eine fantastische Geschichte oder ein Versuch die Menschen in der dunkelsten Zeit darzustellen.
Zum einen erzählt dieser Roman die Geschichte einer meiner liebsten Kindheitserinnerungen, zum anderen ist es die Geschichte über Menschen die alles verloren haben und trotzdem oder vielleicht darum den Willen hatten, anderen wieder Mut zu machen.,
Die Menschen die beschrieben werden sind sehr unscharf gezeichnet, mit wenigen Worten und Handlungen entstehen ganze Lebensläufe, das Diffuse an den Figuren macht sie für mich als Leser spannender, ich kann für mich die Lücken füllen, dem Ganzen meinen persönlichen Touch verleihen.
Ich hatte das Gefühl der Autor vergleicht uns Menschen mit seinen Marionetten, als ob wir auch an langen Fäden von größeren nicht sichtbaren Mächten geführt. Wie zum Beispiel: Ehrgeiz, Neid oder Liebe. Ganz selten reißt so ein Faden und die Marionette ist defekt, man kann sie flicken aber ist sie wieder genauso?
Vor allem der unsichtbare Herzfaden ist wichtig. Es sind für mich die Gedanken die uns dazu bringen die Figur zu bewegen, ihr eine Stimme zu verleihen, die Gedanken die wir weiter geben wollen an die Zuschauer, Gefühle vermitteln um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen, jedenfalls für diesen Augenblick.
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Wer kennt sie nicht, die Augsburger Puppenkiste? Mit ihren berühmten Figuren wie Jim Kopf und Lukas, dem Lokomotivführer, Urmel aus dem Eis und dem Kasperl.
Thomas Hettche hat einen Roman geschrieben über sie. Einen Roman über die Puppenkiste und über die Familie …
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Wer kennt sie nicht, die Augsburger Puppenkiste? Mit ihren berühmten Figuren wie Jim Kopf und Lukas, dem Lokomotivführer, Urmel aus dem Eis und dem Kasperl.
Thomas Hettche hat einen Roman geschrieben über sie. Einen Roman über die Puppenkiste und über die Familie Oehmichen, die die Marionettenbühne gegründet hat, aber auch über die Zeit damals. Es ist die Zeit des 2. Weltkriegs, der so viel Leid gebracht hat und 1944 in einer Bombennacht auch Augsburg zerstörte.
Ein zwölfjähriges Mädchen gelangt nach einem Besuch einer Theater-Vorstellung durch eine Tür in eine Fantasiewelt auf dem Dachboden der Augsburger Puppenkiste. Dort trifft sie auf die berühmten Marionetten und auf die junge Hatü, die Tochter von Walter Oehmichen. Und Hatü beginnt zu erzählen.
Hettche lässt die Geschichte auf zwei Zeitebenen spielen. Diese werden hervorgehoben durch verschiedene Schriftfarben. Blau für die Vergangenheit, Rot für die Gegenwart.
Man ist sofort gefangen und mittendrin in der Geschichte. In einer Geschichte voller Phantasie und voller Melancholie. Und auch mittendrin in der Vergangenheit, in den Wirren des zweiten Weltkriegs.
Dieser Roman, der zurecht für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert wurde, hat mich sehr berührt und begeistert. Er ist sprachlich so fein, so leicht, so voller Poesie.
Und ein wenig erinnert das Buch mit den beiden Erzählsträngen und den farbigen Texten an Michael Endes "Unendliche Geschichte". Verwunderlich ist dies nicht, denn "Herzfaden" ist auch eine Hommage an Michael Ende.
Die Lektüre gehört definitiv schon jetzt zu meinen Lese-Highlights dieses Jahres. Und ich kann sie jedem nur wärmstens empfehlen. Ein Buch, das man gelesen haben muss und das zurecht auf der diesjährigen Shortlist des Deutschen Buchpreises steht.
"Herzfaden" von Thomas Hettche hat 288 Seiten und ist im Kiepenheuer & Witsch Verlag erschienen.
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Ein Buch, das direkt ins Herz geht – die Geschichte der Augsburger Puppenkiste und noch vieles mehr
Als Kind 1970er bin ich mit den Stücken der Augsburger Puppenkiste aufgewachsen. Ob nun „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ oder „Urmel aus dem Eis“ …
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Ein Buch, das direkt ins Herz geht – die Geschichte der Augsburger Puppenkiste und noch vieles mehr
Als Kind 1970er bin ich mit den Stücken der Augsburger Puppenkiste aufgewachsen. Ob nun „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ oder „Urmel aus dem Eis“ – die Stücke waren ein Teil meiner Kindheit. In seinem Buch „Herzfaden“ hat Thomas Hettche die Geschichte der Augsburger Puppenkiste mit der Geschichte ihrer Begründer verflochten, lässt sie die (verstorbene) Hannelore (Hatü) Oehmichen selbst erzählen. Sie erzählt sie auf dem Dachboden ihres Theaters einem 12jährigen Mädchen, das sich dahin verlaufen hat.
So erzählt die Tochter des Theatergründers Walter Oehmichen von ihren Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg, der Begeisterung ihres Vaters für Marionetten und wie sie selbst während der Kinderlandverschickung ihre erste Marionette geschnitzt hat. Sie berichtet über die Anfänge des Theaters nach dem Krieg, den ersten Stücken, die die Truppe aufgeführt hat und wie daraus Filme fürs Fernsehen wurden. Das Mädchen, das namenlos bleibt, erzählt von der Scheidung ihrer Eltern, ihrer Traurigkeit und Angst und dem Gefühl der Verlorenheit. Zu Wort kommen auch Prinzessin Li Si, das Urmel, der kleine Prinz und viele weitere Marionetten, nicht zuletzt der Kasper, Hatü Oehmichens erste selbst geschnitzte Marionette.
Der Leser erfährt im Verlauf der Geschichte nicht nur sehr viel über die Augsburger Puppenkiste, sondern auch um das Drumherum. Es ist die Zeit des Zweiten Weltkrieges, Bomben fallen, Menschen werden verwundet oder sterben, andere verschwinden von heute auf morgen und kommen nie zurück. Familien verlieren Väter, Söhne, Brüder, ihr Zuhause, ihre wirtschaftliche Grundlage. So ging es auch Familie Oehmichen, der Vater hatte als ehemaliger Landesleiter der Reichstheaterkammer große Probleme, entnazifiziert zu werden und durfte lange nicht arbeiten. Aber seine Hingabe zum (Marionetten)Theater blieb und er schuf erst den Puppenschrein, der 1944 bei einem Bombenangriff zerstört wurde, und später die Puppenkiste.
Das Buch ist eine sehr gekonnte Mischung aus Fakten und Fantasie, eine Art sehr schön erzähltes Märchen. Die Sprache, derer sich der Autor bedient ist bildhaft, die Passagen, in denen Hatü erzählt, sind in eher altmodischeren Worten, die „Kinder-Passagen“, aus Sicht des Mädchens, moderner. Da darf natürlich auch das iPhone nicht fehlen, obwohl ich mich beim Lesen gefragt habe, ob es denn explizit als solches erwähnt sein musste, und ob es nicht ein „Smartphone“ getan hätte.
Puppentheater ist kein Kinderkram, sondern kann durchaus auch für Erwachsene eine echte Bereicherung sein. Walter Oehmichen unterhielt an der Front Kameraden mit Stücken, die er mit Marionetten spielte. „„Als der Krieg vorbei war, sagte ich mir: Je stärker ich die Menschen aus dem Elend entführen kann, desto mehr helfe ich ihnen.““ Außerdem ist die Uneitelkeit im Puppentheater etwas, über das ich selbst vorher noch nie nachgedacht habe. „„Wir Marionettenspieler verschwinden im Dunkeln. Ich werde eure Namen nicht im Programmheft nennen. Wir werden reinschreiben, wer die Bühne gebaut, wer die Kostüme genäht, wer die Puppen geschnitzt und wer die Musik gemacht hat, aber die Sprecher und Puppenführer werden nicht genannt. Es geht nur um die Geschichte.““
Nicht genannt wird auch der Name des Mädchens, der die Geschichte erzählt wird. Es bleibt anonym, trotzdem ist es für die Geschichte unverzichtbar. Der „Herzfaden“, der dem Buch seinen Namen gibt, war für Oehmichen der Faden „zwischen der Marionette und dem Zuschauer, auf den es ankommt“. Mich hat die Geschichte gefesselt und ich konnte das Buch bis zum letzten Wort nicht aus der Hand legen. Es ist für mich zu Recht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2020. Von mir 5 Sterne.
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umfassendes Jugendbuch über Kriegs- und Nachkriegszeit
Wie schon bei seinem vorherigen Roman „Pfaueninsel“ verbindet der Autor Reales mit Fiktivem. Wer dieses Werk als Sachbuch zur Entstehung der Augsburger Puppenkiste liest, dem wird nichts fehlen. Dabei wird quasi nebenbei …
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umfassendes Jugendbuch über Kriegs- und Nachkriegszeit
Wie schon bei seinem vorherigen Roman „Pfaueninsel“ verbindet der Autor Reales mit Fiktivem. Wer dieses Werk als Sachbuch zur Entstehung der Augsburger Puppenkiste liest, dem wird nichts fehlen. Dabei wird quasi nebenbei über die Nazi-Zeit aufgeklärt, über die Einschränkung der Meinungsfreiheit und das Verbot gewisser Stücke am Theater. Shakespeare ist zwar nicht verboten, aber bei den Nazis unerwünscht. Wir hören mit Hatü, der Familientochter, den deutschsprachigen, englischen Sender im Radio und erfahren sogleich, dass es verboten ist. Wir vermissen mit Hatü den Vater an der Front. Er kommt zurück, andere „fallen“. Wir erleben wie Hatü die Jüdin Frau Friedmann besucht, gebeten wird nicht wiederzukommen und sehen mit Schrecken, dass sie auf einem LKW abtransportiert wird. Wir lernen die Freundin Vroni kennen, die bei einem Bombenangriff sowohl ihre Eltern als auch ihr Elternhaus verliert.
Für die Erwachsenenliteratur stellt sich für mich, die Frage, ob wir das nicht alles schon wissen, ob das alles so genau erklärt werden musste.
Die Augsburger Puppenkiste ist genauso eine Geschichte der Nachkriegszeit, in der über die Nazi-Zeit nicht gesprochen wurde und selbst verdiente SS-Männer Karriere machen konnten. Auch die Entstehung des Fernsehens bekommen wir mit, weil mit „Der gestiefelte Kater“ erstmals ein Puppentheater aufgeführt wurde und mit „Jim Knopf“ die erste Serie gestartet wurde.
Das alles war für mich plausibel. Aber es gibt noch die Rahmenerzählung in roter Schrift, in der ein Mädchen sich auf dem Dachboden des Theaters verirrt und auf Hätu trifft. Hätu fürchtete sich vor der Figur des Kasperl, weil sie ihm eine Hakennase geschnitzt hatte, die ihr Vater ausbesserte. Aber die Angst vor Kasperl verlor sie erst nach einem Gespräch mit ihrem Vater.
So wie die Zwerge der Pfaueninsel, stellt sich die Frage, ob der Roman durch diese Märchenzüge gewinnt oder verliert. Hettche lässt Michael Ende sagen, dass es im Märchen keine Vergangenheit gibt. Wie bei den Nazis, die geschlagen aus dem Krieg heimkehren.
Mir wird in dem Roman zu viel erklärt und auch die Rahmenerzählung lässt keine Bestnote zu. 4 Sterne
Zitat: Im Märchen aber gibt es keine unaufhebbare Schuld, im Märchen gibt es auch keine Geschichte, in ihm ist immer Gegenwart.
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Wir sind Marionetten im Spiel des Lebens
Es ist eine so fantasievolle Geschichte. Wer die Augsburger Puppenkiste und Jim Knopf, das Urmel aus dem Eis, Kalle Wirsch usw. aus seiner Kindheit kennt, sollte dieses wunderbare Buch lesen.
Der Autor erzählt die Lebensgeschichte der Familie …
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Wir sind Marionetten im Spiel des Lebens
Es ist eine so fantasievolle Geschichte. Wer die Augsburger Puppenkiste und Jim Knopf, das Urmel aus dem Eis, Kalle Wirsch usw. aus seiner Kindheit kennt, sollte dieses wunderbare Buch lesen.
Der Autor erzählt die Lebensgeschichte der Familie Oehmichen die im 2. Weltkrieg das Puppentheater gegründet hat. Hannelore- genannt Hatü ist eine der beiden Töchter der Puppenspieler Dynastie und als ein kleines Mädchen unverhofft auf einem geheimnisvollen Dachboden über dem Theater auf Hatü stößt, erzählt die Puppenspielerin aus ihrem Leben. Alle ihre Marionetten sind bei ihr und das Mädchen erfährt aus erster Hand wie schön, aber auch wie grausam und unerbittlich diese schwere Zeit war...
Es ist eine sehr schöne Geschichte die berührt, begeistert, und nachdenklich stimmt und die Herzen der Erwachsenen öffnet und an ihre Kindheit denken lässt.
Also Vorhang auf und hereinspaziert: In das" Puppentheater des Lebens"
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Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut, weil ich die Augsburger Puppenkiste als Kind sehr geliebt habe und auch heute noch fasziniert bin von Marionettentheater. Dementsprechend gespannt war ich auf die Geschichte der Augsburger Puppenkiste.
Das Buch ist sehr einfach geschrieben, ich hatte …
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Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut, weil ich die Augsburger Puppenkiste als Kind sehr geliebt habe und auch heute noch fasziniert bin von Marionettentheater. Dementsprechend gespannt war ich auf die Geschichte der Augsburger Puppenkiste.
Das Buch ist sehr einfach geschrieben, ich hatte es in knapp 2 Stunden fertig gelesen. Und grundsätzlich finde ich die Geschichte, wie der Vater in seiner Tochter Hannelore die Begeisterung für das Puppentheater geweckt hat, interessant. Auch wie die Augsburger Puppenkiste nach dem Krieg entstanden ist.
Aber zwischendrin gibt es immer wieder Kapitel, die in der Gegenwart spielen und von der toten Hatü, einem Mädchen und lebendigen Marionetten handelt. Und diese Kapitel haben mich extrem gestört, weil ich sie die ganze Zeit als völlig überflüssig empfunden habe.
Im Endeffekt haben sie meine Lesefreude zu sehr behindert. Und auch wenn die Geschichte grundsätzlich interessant war, konnte sie mich nicht fesseln. Sie bleibt mir zu distanziert.
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Die Augsburger Puppenkiste – wer kennt sie nicht mit ihren Helden Jim Knopf, Lukas dem Lokomotivführer, Urmel aus dem Eis? Doch wer steht dahinter? Wer kam auf die grandiose Idee dieses Marionettentheaters? Einfühlsam erzählt Thomas Hettche über die Entstehung der …
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Die Augsburger Puppenkiste – wer kennt sie nicht mit ihren Helden Jim Knopf, Lukas dem Lokomotivführer, Urmel aus dem Eis? Doch wer steht dahinter? Wer kam auf die grandiose Idee dieses Marionettentheaters? Einfühlsam erzählt Thomas Hettche über die Entstehung der Puppenkiste, die praktisch ein Ergebnis des II. Weltkrieges ist. Denn ohne diesen Krieg würde es dieses wunderbare Theater nicht geben, so grotesk sich dies vielleicht auch lesen mag.
Walter Oehmichen, ein Schauspieler in Augsburg, fertigt für seine beiden kleinen Töchter ein Marionettentheater, das 1944 in einer Bombennacht völlig zerstört wird. Nach dem Ende des Krieges erbaut er mit Unterstützung der ganzen Familie ein neues Theater, das in einem leeren Saal des Heilig-Geist-Spitals seine Stücke zeigt. Es sind schwere Zeiten, die Menschen haben nur wenig Geld, dass sie meist für andere Dinge brauchen. Doch Familie Oehmichen glaubt an den Erfolg, vor allem Walter und Hannelore, seine jüngere Tochter, von Allen nur Hatü genannt, für die das Schnitzen und Spielen der Marionetten eine Berufung ist. Sie übernimmt später die Verantwortung für das Theater und sorgt dafür, dass auch neue Stücke gespielt werden wie beispielsweise ‚Der kleine Prinz‘ oder ‚Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘.
Die Biographie des Theaters ist eingebettet in ein Märchen, in dem ein 12jähriges Mädchen nach einer Vorstellung der heutigen Augsburger Puppenkiste durch eine geheime Tür auf einen Dachboden gelangt, wo sich die Marionetten befinden, die nach und nach zum Leben erwachen. Auch die erwachsene Hatü erscheint, die dem Mädchen die Geschichte der Augsburger Puppenkiste erzählt …
Doch Herzfaden ist nicht nur die Biographie einer deutschen ‚Institution‘, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte, glaubwürdig und überzeugend beschrieben. Denn ohne die damaligen Verhältnisse würde es das Theater vermutlich nicht geben – Walter Oehmichen wäre wohl Schauspieler geblieben.
Die eigentliche Geschichte mit einem Märchen mit den allseits bekannten Marionetten zu umrahmen ist eine pfiffige Idee, aber mir kam es meist doch recht konstruiert vor. Wunderbar gelungen ist hingegen die optische Aufmachung des Buches. Die beiden Erzählstränge sind jeweils in roter und blauer Farbe gehalten und werden mit Zeichnungen der Augsburger Puppenkiste ergänzt. Ein schönes Buch zu einem Thema, das einem beim Lesen manchmal etwas nostalgisch werden lässt
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Die erste Fernsehserie, die ich in meiner Kindheit atemlos verfolgt habe, war Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer. Ich durfte es bei einer Freundin anschauen, weil wir damals noch kein Fernsehgerät hatten, und ich erinnere mich, dass wir beide angespannt verfolgt haben, was da auf dem …
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Die erste Fernsehserie, die ich in meiner Kindheit atemlos verfolgt habe, war Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer. Ich durfte es bei einer Freundin anschauen, weil wir damals noch kein Fernsehgerät hatten, und ich erinnere mich, dass wir beide angespannt verfolgt haben, was da auf dem Bildschirm geschah. Augenblicke, die uns in unbekannte Welten mitnahmen, uns verzauberten. Die eine magische Verbindung zwischen der Marionette und dem Zuschauer schufen. Es war der Faden, der mitten unser Herz führte, vergessen ließ, dass Jim Knopf nur eine Holzpuppe war.
Hettches „Herzfaden“ wagt den Spagat zwischen einem Blick zurück in die jüngere Vergangenheit Deutschlands und einer Gegenwart, die einem phantastischen Roman entstammen könnte, verbunden mit der Geschichte der Familie Oehmichen. Bindeglied ist ein Mädchen, das nach einer Vorstellung eine unscheinbare Tür im Foyer öffnet und sich auf dem Dachboden, quasi hinter den Kulissen wiederfindet. Und dort sind nicht nur alle Marionetten der Puppenbühne lebendig sondern auch ihre Schöpferin, Hannelore (Hatü) Oehmichen, die bis zu ihrem Tod das Werk ihres Vaters fortgesetzt hat.
Hatü erzählt dem Mädchen von ihrer Kindheit, von der Angst während der Bombennächte, von der Deportation der Juden, von der Nachkriegszeit, in der die alten Nazis wieder Schlüsselpositionen besetzen, aber auch von einer Generation, die von den Erlebnissen in Krieg und Alltag traumatisiert ist. Und sie erzählt von den Anfängen der Augsburger Puppenkiste, von ihrem Vater Walter, dessen Anliegen es war, genau diese Menschen zu trösten, zu heilen, ihnen wieder Hoffnung zu geben. Ihre Herzen zu erreichen, und sei es auch nur mit Marionetten.
Thomas Hettches „Herzfaden“ ist ein würdiger Kandidat für den Deutschen Buchpreis 2020. Meine Daumen sind gedrückt!
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In seinem Roman „Herzfaden“ verbindet Thomas Hettche zwei Handlungsebenen. Der Untertitel kündigt es bereits an, dass er einerseits die Geschichte der Augsburger Puppenkiste und der Tochter des Gründers sowie Puppenschnitzerin Hannelore Marschall-Oehmichen erzählt, von den …
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In seinem Roman „Herzfaden“ verbindet Thomas Hettche zwei Handlungsebenen. Der Untertitel kündigt es bereits an, dass er einerseits die Geschichte der Augsburger Puppenkiste und der Tochter des Gründers sowie Puppenschnitzerin Hannelore Marschall-Oehmichen erzählt, von den ersten Anfängen an bis zu Beginn der 1960er Jahre. Andererseits hat der Autor sich eine märchenhafte Geschichte ausgedacht von einem 12-jährigen Mädchen, das sich nach einer Vorstellung der Puppenkiste vor seinem Vater im Foyer des Theaters versteckt, eine verborgene Tür entdeckt und durch diese in eine magische Welt der Marionetten hineingezogen wird.
Die beiden Erzählstränge sind leicht zu unterscheiden, denn das fiktionalisierte Leben von Hannelore, genannt Hatü, findet sich in blauem Druck im Buch, die reine Fantasie ist rot gedruckt. Auf diese Weise können diejenigen, deren Interesse lediglich nur einem der beiden Schilderungen gilt, ohne Mühe der von ihnen priorisierten Handlung folgen. Wesentlich für beide Erzählungen ist der Herzfaden, der dem Buch den Titel gibt. Der Herzfaden ist, nach der Erklärung von Hatüs Vater, die Verbindung der Marionette zum Herzen des Menschen. Sie ist unsichtbar, aber zum Transport all der Emotionen geeignet, die, obwohl „nur“ eine Holzpuppe, durch ihre Spielweise an ihren Zuschauer weiterzugeben in der Lage ist.
Bald nach Ausstrahlung der ersten Sendungen wird das Fernsehen auf die Puppenkiste aufmerksam. Die Frage steht im Raum, ob sich auch hier ein Herzfaden entwickeln kann. Ich finde ja, denn ich war als Kind eine begeisterte Zuschauerin der im Fernsehen gezeigten Aufzeichnungen. Umso begeistertet war ich, als ich im Roman einige Figuren wie beispielsweise das Urmel, die Prinzessin Li Si und auch Jim Knopf wiederfinden konnte.
Die Augsburger Puppenkiste entwickelte sich aus ersten Anfängen nach einer Idee von Walter Oehmichen. Er und seine Frau sind Theaterschauspieler. Schon in Kriegstagen bastelte er einen sogenannten Puppenschrein, der in einen Türrahmen passte, und schon drei Monate später bei einem Bombenangriff auf Augsburg restlos verbrannte. Es gab viele Höhen und Tiefen, die die Familie Oehmichen erlebte und mich als Leser berührten, bis sich 1948 die Bretter der bis heute bekannten Augsburger Puppenkiste zum ersten Mal für die Zuschauer öffneten. Hatü war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre alt. Ihre Passion sieht sie nicht nur im Führen der Figuren, sondern vor allem im Schnitzen.
Nicht nur Kinder sind von den Stücken zu begeistern, sondern auch Erwachsene. An Seite der kleinen Marionetten können sie sich in eine Fantasiewelt versetzen, jenseits der schweren Zeiten, die die Bevölkerung noch lange nach Ende des Weltkriegs in der Bevölkerung durchlebte. Wobei auch die märchenhafte Erzählung den heutigen Lesern des Buchs deutlich macht, dass Illusion Grenzen des Denkens überwindet. Thomas Hettche verbindet die beiden Handlungsebenen durch ein Geheimnis um die Entstehung des Kaspars, das erst zum Ende aufgedeckt wird.
Der Roman „Herzfaden“ von Thomas Hettche ist ein Roman für Leser, die das Staunen eines Kindes über die reale und magische Welt nicht verlernt haben. Wunderschön wird der Text von Zeichnungen von Matthias Beckmann, die alle in Bezug zur Puppenkiste und seinen Figuren stehen, illustriert. Sehr gerne vergebe ich zum Buch eine uneingeschränkte Leseempfehlung.
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