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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 456 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2024
Der Lärm des Lebens
Hartmann, Jörg

Der Lärm des Lebens


gut

„Faber“ – das ist der Name, den ich hauptsächlich mit dem Schauspieler Jörg Hartmann verbinde, schließlich spielt er den kauzigen Tatort-Kommissar aus Dortmund seit über zehn Jahren. Jetzt hat er mit „Der Lärm des Lebens“ ein Buch über sein Leben, seinen Beruf und seine Familie vorgelegt. Oder zumindest war das wohl der Plan, denn so ganz funktioniert das Buch für mich nicht. Es ist keine richtige Autobiografie, es ist aber auch kein Roman, es ist irgendwo zwischendrin. Im Endeffekt war die Lektüre für mich ein netter Zeitvertreib, mehr aber auch nicht.
„In «Der Lärm des Lebens» erzählt Jörg Hartmann auf hinreißende Weise seine Geschichte und die seiner Eltern und Großeltern“ steht im Vorwort und danach habe ich überall im Buch gesucht. Ich konnte aber weder das eine noch das andere finden, er schreibt weder hinreißend, noch schreibt er übermäßig viel über seine Eltern und Großeltern. Schade, denn darauf habe ich mich gefreut, denn so etwas bringt dem Publikum den Schauspieler/Autor näher. Doch bei der Lektüre kam es mir so vor, als habe im Leben von Jörg Hartmann nur Jörg Hartmann Platz und vielleicht noch die engsten Familienmitglieder. Er schreibt ausufernd darüber, wie er sein erstes Engagement bekam, über Nebenrollen und das Anbiedern bei verschiedenen Bühnen. Dann springt er zum letzten Besuch in einem Pflegeheim in Herdecke bei seinem dementen Vater, zur Beerdigung und wieder zurück zu seinen Anfängen in der Schauspielerei.
Insgesamt fehlt dem Buch der rote Faden für mich gänzlich. Fixpunkte in der Geschichte sind der Mauerfall, 9/11 und der Ausbruch von Covid 19. Um diese gruppiert der Verfasser seine Geschichten, springt in der Zeit hin und her und wirft mit Namen um sich, oft schreibt er im Dialekt, voller „hömma“ und „wonnich“. Das gibt dem Buch Charme und Charakter, aber leider keinen Inhalt. Die Demenz des Vaters, dessen Tod und die Mukoviszidose der ältesten Tochter werden förmlich von Nebensächlichkeiten überdeckt. Wann spielte er an welcher Bühne, wann hatte er wo Dreharbeiten? Was ist mit dem großen Puppenhaus, das er gekauft und bei der Mutter im Keller zwischengelagert hat? Wieso hat er sich simplen grünen Tee in Schanghai für sehr viel Geld andrehen lassen? Das sind eher seine Themen als die gehörlosen Großeltern oder die Pommesbude der Mutter. Substanz und Relevanz habe ich größtenteils vergeblich gesucht.
Sprachlich ist das Buch gut zu lesen, die Sätze sind simpel und die Sprache kumpelhaft und bodenständig. Angenehm fand ich auch, dass er mit Lockdown nach Ausbruch der Corona-Pandemie (anders als viele seiner Kollegen) eine gewisse Entschleunigung und Selbstbesinnung auf sich und die Kinder erlebte. Die eher kurz angerissene Geschichte seiner gehörlosen Großeltern hätte ich gerne ausführlicher gelesen. Die Episode um Wilfried, den „Riesenfan von Dortmund“, der der Meinung war, „der Faber sei überhaupt der Beste“ ging mir wirklich ans Herz. Aber es gibt in dem Buch auch weniger angenehme Stellen, wie beispielsweise die ausufernde Beschreibung eines Kindergeburtstags gegen Ende. Dieses Kapitel habe ich tatsächlich nur zu Ende gelesen, weil ich wissen wollte, woher seine lang und breit geschilderten körperlichen Symptome kamen.
Jörg Hartmann wollte seine eigene Geschichte irgendwie in die Weltgeschichte einordnen. Das ist ihm zum Teil gelungen, zum Teil aber überhaupt nicht. Das Buch mäandert zwischen humorvoll und langweilig, interessant und dröge hin und her und schafft es wegen der vielen in epischer Breite geschilderten Belanglosigkeiten nicht, mich zu begeistern. Jörg Hartmann und ich haben wohl eine sehr unterschiedliche Auffassung darüber, was wichtig ist und was nicht. Es ist wohl eher ein Buch für echte Fans. Von mir daher drei Sterne.

Bewertung vom 08.04.2024
Spinnennetz / Kommissar Linna Bd.9
Kepler, Lars

Spinnennetz / Kommissar Linna Bd.9


ausgezeichnet

Joona Linna und seine Kollegin Saga Bauer gehen mit „Spinnennetz“ in die neunte Runde. Da hat das Duo Lars Kepler (dahinter verbirgt sich das Ehepaar Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril) mal wieder ein Buch voller Extreme abgeliefert! Extrem spannend, extrem kompliziert, extrem brutal – und extrem lang. Lang habe ich auch gebraucht, bis ich mich an das Buch gewagt habe, Bücher jenseits der 600 Seiten wirken oft etwas einschüchternd auf mich. Aber nach kurzer Zeit hat es mich vollkommen gefangen genommen und die Seiten flogen nur so dahin.
Aber von vorn.
Nachdem Saga Bauer ihren letzten Einsatz nur knapp überlebt hat, ist sie vom Polizeidienst suspendiert und verdingt sich als Privatdetektivin. Bevor sie aus der Reha-Klinik entlassen wird, erhält sie eine handgeschriebene Postkarte, auf der steht: „Ich habe eine blutrote Pistole der Marke Makarow. Im Magazin stecken neun weiße Kugeln. Eine davon wartet auf Joona Linna. Die Einzige, die ihn retten kann, bist du.“ Unterschrieben ist die Karte mit „Artur K Jewel“ - einem Anagramm des Serienmörders Jurek Walter. Aber der ist tot, Joona hat ihn eigenhändig getötet. Joona sieht sich selbst auch nicht in Gefahr. Doch dann passiert der erste Mord und der Modus Operandi passt zu Jurek Walter. Nach und nach tauchen Zinnfiguren auf, die den Opfern ähnlichsehen, eingepackt in Hinweise auf die Tatorte. Saga steht Joona und seinem Team bei den Ermittlungen mit Rat und Tat zur Seite. Doch als noch mehr Morde passieren und sie mehr Hintergrundwissen zu haben scheint als alle anderen, gerät sie plötzlich selbst als Hauptverdächtige ins Visier der Ermittler. Dabei will sie doch nur helfen und vor allem Joonas Leben retten, bevor der irre Serienkiller ihn erwischen kann. Oder etwa nicht?
Was für eine wilde Fahrt beschert uns Lars Kepler mit diesem Thriller! Zwar hat sich der Anfang ein bisschen gezogen und die Geschichte brauchte ein bisschen „Vorspielzeit“, als sie aber dann einmal Tempo aufgenommen hatte, war die Spannung nicht mehr auf- und manchmal kaum mehr auszuhalten. Dafür lässt die „Nachspielzeit“ (der Epilog) auf einen nächsten Teil hoffen. Der Spannungsbogen ist hoch, die kurzen Kapitel und der prägnante, fast nüchterne Schreibstil sorgen für eine zusätzliche Spannungssteigerung. „Spinnennetz“ ist für mich ein hervorragend geschriebener, sehr gut übersetzter Thriller der Extraklasse. Wie vom Autoren-Duo nicht anders zu erwarten, gibt es reichlich Leichen, an Brutalität und krimineller Perversion wird ebenfalls nicht gespart. Die Beschreibungen sind bildhaft und damit ist das Buch nichts für schwache Nerven und sensible Mägen. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet, Joona Linna hat dieses Mal eher eine Nebenrolle, die klare Protagonistin ist Saga, die so hart darum kämpft, wieder zurück ins normale Leben und in den Polizeidienst zurückzufinden. Aber auch Joona hat an mehreren Fronten zu kämpfen, seine Nemesis Jurek Walter lässt ihn auch nach dem Tod nicht los, denn der Serienmörder und seine Stimme haben sich unlöschbar in seine Erinnerungen eingebrannt.
Und auch die Leserschaft entkommt Jurek Walter nicht. Daher empfehle ich allen Interessierten, vorher die anderen Teile der Serie in der richtigen Reihenfolge zu lesen. Die komplexe „Jurek-Walter“-Thematik wird etwas einfacher nachzuvollziehen, wenn man sie von Anfang an kennt. Aber natürlich kann man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen, wenn man das gerne möchte.
Nach einigen falschen Fährten und sehr viel Fahrerei gibt es auch für diese Geschichte einen stimmigen Schluss, der mich ziemlich überrascht hat. Für mich als bekennenden Fan der Serie ist das Buch ein absolutes Muss, ich empfehle es aber allen, die rasant spannende, blutige und brutale Thriller mit Einblicken in tiefe seelische Abartigkeiten mögen. Ich freue mich auf den nächsten Teil der Serie, bis dahin sind meine Fingernägel auch nachgewachsen, sodass ich sie dann beim Lesen vor lauter Spannung wieder abknabbern kann. Von mir gibt es natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 21.03.2024
Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie. Mit Farbschnitt nur in der 1. Auflage! (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 4)
Suchanek, Andreas

Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie. Mit Farbschnitt nur in der 1. Auflage! (Flüsterwald, Staffel II, Bd. 4)


ausgezeichnet

Das Problem, das ich bei der Rezension von Buchserien habe, ist, dass ich irgendwann anfange, mich bei meinen Lobpreisungen zu wiederholen. Da ist Andreas Suchanek um einiges besser als ich (und vermutlich nicht nur da), denn er schafft es, sich auch im achten Teil seiner „Flüsterwald“-Reihe noch jede Menge Neues einfallen zu lassen. „Flüsterwald - Eine neue Bedrohung. Der letzte Funken Magie“ ist der Titel des neuen Teils der Serie und damit bringt er die zweite Staffel zum Abschluss, natürlich nicht ohne mit einem Cliffhanger Lust auf die nächste Staffel zu machen. Das Buch schließt nahtlos an seinen Vorgängerband in der Reihe an, deshalb war ich froh, dass ich nicht allzu lange darauf warten musste.
Aber von vorn.
Wie es sich schon am Ende des letzten Teils der Serie abgezeichnet hat, sind alle Flüsterwälder der Welt samt ihren Bewohnern versteinert. Nur der Flüsterwald in Deutschland mit seinem Zentrum der Herzburg, ist der bösen Zauberin noch nicht zum Opfer gefallen. Das möchte diese jetzt natürlich mit Unterstützung der Angreiferkatzen ändern. Außerdem saugt eine Schöpfungsapparatur alle Magie auf, und die Magie der Flüsterwäldler funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Durch das Absaugen der Magie droht zudem ein riesiger Felsbrocken vom Himmel zu stürzen. Da haben Lukas, Ella, Punchy, Rani und Felicitas zusammen mit ihren Freunden Jacub, Ajala, Zoe und Noah und weiteren Unterstützern aus den anderen internationalen Flüsterwäldern alle Hände voll zu tun und die Zeit läuft den Freunden davon. Können sie es auch dieses Mal schaffen, ihren Flüsterwald zu retten? Und wer steckt eigentlich genau hinter den Angriffen?
Wow, was für eine Geschichte! Da hat uns Andreas Suchanek ja fast einen Krimi serviert! Ich bin ja schon ein etwas fortgeschrittenes Kind, aber mich hat das Buch komplett in seinen Bann gezogen und ich habe mit den Charakteren mitgefiebert. Die sind, wie vom Autor gewohnt, liebevoll beschrieben und ihre Entwicklung vom ersten Band der Reihe bis zu diesem ist konstant und konsistent. Freundschaft und Zusammenhalt spielen natürlich wieder eine große Rolle. Jeder einzelne hat seine eigene spezielle Fähigkeit, jeder ist im Team wichtig, egal, ob er Kämpfer oder Brauer von Zaubertränken ist. Hilfsbereitschaft und Teamwork sind im Kampf gegen die Angreiferkatzen und die böse Zauberin ebenso wichtig wie im wahren Leben, Herkunft und Hautfarbe spielen bei der Zusammenarbeit selbstverständlich keine Rolle. Die neuen Freunde von Lukas, Ella und Co. kommen zum Beispiel aus Indien, Australien, Tschechien und Amerika. Dazu werden natürlich Themen wie Umweltverschmutzung und Tierschutz auch in diesem Buch wieder aufgegriffen.
Der Schreibstil ist überwiegend altersgerecht, manche der verwendeten Worte fand ich allerdings ein bisschen überambitioniert. Trotzdem fand ich das Buch angenehm und locker zu lesen, für kleinere Fans der Reihe eignet es sich sicher auch als Vorlesebuch, zumal die Kapitel eher kurz sind. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, da sich Ella und Lukas getrennt auf Rettungsmission begeben. Ella und ein paar ihrer Freunde versuchen, das Herz des Waldes zu verteidigen und Lukas, macht sich (unter anderem begleitet vom Menok Rani, der immer noch vor sich hin pubertiert) auf zum Giftmüllsee und in die Stadt der Meerjaner.
Wie die anderen Teile der Serie hat mich auch dieser sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf die neue Staffel. Der Autor gibt sich alle Mühe, dass man das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen und verstehen kann, die Geschichte ist auch weitgehend in sich abgeschlossen. Beim inzwischen achten Teil der Reihe empfehle ich aber, die Vorgängerbände ebenfalls zu lesen und das, wenn möglich, in der richtigen Reihenfolge. Für „Den letzten Funken Magie“ gibt es von mir natürlich fünf Sterne.

Bewertung vom 12.03.2024
Erinnere dich!
Reiter, Max

Erinnere dich!


weniger gut

„Erinnere dich“ von Max Reiter ist ein Buch, das mich gelinde gesagt ziemlich ratlos zurücklässt. Einerseits ist es ein teilweise rasant spannender Krimi, andererseits fand ich die Geschichte hanebüchen konstruiert und stellenweise langatmig und oberflächlich. Das finde ich angesichts der sehr guten Ideen dahinter sehr schade und der Autor hat das Potential der Thematik für mich bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Lektüre hat mich allerdings erschöpft und ich musste mich durch das Buch Seite für Seite durchkämpfen.
Aber von vorn.
Arno Seitz lebt ein ruhiges Leben in Berlin. Er ist Dozent für Literaturwissenschaften an der Universität, hat eine Fernbeziehung zu Kaitlan, die in den USA lebt und ein schwieriges Verhältnis zu seinem alkoholkranken Vater. Als er zum Treffen zum 20-jährigen Abitur eingeladen wird, bekommt sein beschauliches Leben einen Knacks. Er bekommt ein Handy zugeschickt, über das eine anonyme Person, die sich selbst „Lost and Found“ nennt, Kontakt mit ihm aufnimmt. Plötzlich sind da Erinnerungen an seine erste große Liebe Maja, die vor 20 Jahren bei einer Wanderung spurlos verschwunden ist. Lost and Found scheint überzeugt zu sein, dass Arno der Mörder von Maja ist, schließlich war er der letzte, der sie lebend gesehen hat. Lost and Found fordert ihn bei jedem Kontakt auf: „Erinnere dich!“ Arno findet sich unversehens in einem Strudel der Erinnerungen wieder. Die Frage ist nur: sind diese echt?
Der Schreibstil des Autors ist flüssig, erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Protagonisten in der Ich-Form. So viel zum positiven Aspekt des Buchs, das für mich allerhöchstens ein Krimi war, aber ganz sicher kein Thriller. Dafür fand ich die Geschichte zu konstruiert und alles in allem fehlte mir über weite Teile die Spannung. Gegen Ende nahm diese für mich ein bisschen an Fahrt auf, da hatte ich die Lust an dem Buch aber schon verloren und wollte nur noch wissen, wie es ausgeht. Die Charaktere fand ich etwas blass und eindimensional, zudem konnte ich keinen sympathisch finden. Am unsympathischsten fand ich den Protagonisten und seinen Hang zum Alkohol, vor allem deshalb, weil er seinem Vater dessen Alkoholismus zum Vorwurf macht.
Einzig die düster-beklemmende Atmosphäre des Buchs fand ich gelungen. Die wachsende Verzweiflung und Verunsicherung des Protagonisten, gepaart mit seinen ständigen Selbstzweifeln, weil er selbst nicht mehr weiß, ob er Majas Mörder ist, waren fast physisch greifbar. Dazu kommt immer wieder das manipulativ-fordernde „Erinnere dich!“ von Lost and Found, was nach und nach dazu führt, dass Arnos Leben immer mehr aus den Fugen gerät und der eher gefestigte Uni-Dozent immer mehr abrutscht. Hätte der Autor auf diese Spannung aufgebaut, wäre es ein hervorragender und enorm spannender Thriller geworden. Dazu die psychologische Komponente von False Memory, Schuldgefühlen, Verdrängung und Eifersucht – was für eine potente Mischung! Leider konnte der Autor für mich die Themen zu wenig ausbauen und verrennt sich zu sehr in Belanglosigkeiten wie die zum Teil misogyn angehauchten oberflächlichen Gedankengänge des Protagonisten. Auch die letztendliche Auflösung des Falls war für mich zu sehr an den Haaren herbeigezogen.
Dieses Buch wird mir nicht in Erinnerung bleiben, für mich war es eine Enttäuschung. Daher gibt es von mir wegen der guten Idee dahinter zwei Sterne.

Bewertung vom 05.03.2024
Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)
Tomasson, Ben Kryst

Sylter Gier / Kari Blom Bd.8 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kari Blom ist wieder aktiv! „Sylter Gier“ heißt der achte Teil der „Kari Blom ermittelt undercover“-Reihe von Ben Kryst Tomasson und das Buch hat es wirklich in sich. Auf die schwangere Kriminalkommissarin wartet nicht nur ein kniffliger Fall, sondern auch private Probleme. Und auf die Leserschaft wartet ein spannender Krimi mit ansprechenden Charakteren vor toller Kulisse.
Aber von vorn.
Beim Sylter Gesundheitszentrum „Baby-Well“, das seinen medizinischen Schwerpunkt auf die Versorgung Schwangerer legt, besteht der Verdacht, dass dieses die Krankenkassen durch falsche Abrechnungen betrügt. Was liegt da näher, als dass die hochschwangere Kommissarin Kari Blom dort undercover ermittelt? Sie ist sowieso durch die Arbeit im Innendienst gefrustet. Ihr Mann Jonas Voss ist aus Sorge um sein ungeborenes Kind nicht begeistert von ihrem Einsatz. Aber der Hauptkommissar hat mit seiner Kollegin Hanna zusammen bald selbst alle Hände voll zu tun, denn Karis erster Hauptverdächtiger wird am Fuß des Roten Kliffs tot aufgefunden und die Ermittlungen der beiden überschneiden sich. Da Kari aber als erfolglose Schriftstellerin auf Sylt unterwegs ist, dürfen sie nicht zeigen, dass sie sich kennen. Das verlangt vor allem Jonas einiges an Schauspielkunst ab. Und natürlich mischt auch bei diesem Fall die „Häkelmafia“ bestehend aus Witta, Grethe, Alma und Marijke, eifrig mit. Gut nur, dass die vier schon bergeweise Babyklamotten gehäkelt haben, denn bei den ganzen Fahrdiensten, die sie für Kari leisten, wären sie nicht mehr dazu gekommen.
Das Buch war für mich erst das zweite aus der Reihe um Kari Blom und ich fand es fast rundum gelungen. Es war spannend, wobei der Spannungsbogen langsam, aber konstant anstieg. Die Protagonisten sind sympathisch, im Falle der Häkelmafia dazu auch noch liebenswert schrullig. Der Fall an sich ist vom Autor gut konstruiert und bietet mehrere interessante Aspekte und einige falsche Fährten, dazu ein bisschen Action und reichlich Lokalkolorit – das alles machte das Buch für mich zum Lesevergnügen. Schön fand ich auch, dass man es völlig ohne Vorkenntnisse lesen kann, alles Wichtige aus den Vorgängerbänden wird erklärt. Trotzdem werde ich mir die anderen Teile wohl jetzt auch noch besorgen, ich muss ja auch die Wartezeit auf den neuen Band überbrücken, „Sylter Rivalen“ soll im April erscheinen. Neben den Ermittlungen kommt auch das Privatleben von Kari und Jonas nicht zu kurz, im Mittelpunkt steht natürlich ihr ungeborenes Kind. Aber auch Jonas‘ Tochter Finja hat mit einigen Problemen zu kämpfen. Ihr etwas angespanntes Verhältnis zu ihrer Stiefmutter wird besser und die beiden können sich annähern.
Der Schreibstil ist einfach, dadurch ist das Buch flüssig zu lesen. Erfreulich ist auch, dass das Buch so gut wie komplett unblutig daherkommt und es wenig Gewalt und noch weniger Kraftausdrücke und Fäkalsprache gibt. Manche Ereignisse, vor allem rund um die vier Häkeldamen, sind sogar lustig, was dem Krimi eine komödiantische Komponente gibt. Was mich allerdings durch die ständige Wiederholung zunehmend genervt hat, war die ständige Erwähnung von Marijkes Auto. Es ist nicht nur ein Auto. Es ist sogar nicht nur ein Golf. Es ist ein Golf Sportsvan und das wird mindestens 15-mal erwähnt, was mir dann doch ein bisschen zu inflationär war. Aber sei’s drum.
Für mich war das Buch abgesehen davon eine wahre Freude und ich empfehle es allen Freunden der Serie, von Sylt, von gut konstruierten Krimis. Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 27.02.2024
Böses Glück
Ditlevsen, Tove

Böses Glück


ausgezeichnet

In die Werke von Tove Ditlevsen habe ich mich mit der „Kopenhagen Trilogie“ verliebt. „Böses Glück“, die Sammlung von 15 Kurzgeschichten, ist das neueste Buch der dänischen Autorin, das auf Deutsch erschienen ist. Und obwohl ich kein Fan von Kurzgeschichten bin, hat das Buch mich völlig in seinen Bann gezogen. So viel Tragik, Dramatik und düstere Grundstimmung muss man als Schriftstellerin erst einmal in nüchterne und schnörkellose Sätze packen können. Es ist ein Buch, das tief unter die Haut geht, so tief, dass die Lektüre manchmal beinahe körperliche Schmerzen verursacht. Ein ungutes Gefühl im Magen allemal.
Aber von vorn.
Tove Ditlevsens Geschichten beschreiben den Alltag von Frauen in den Arbeitervierteln Kopenhagens der Nachkriegsjahre. Das tun sie eigentlich immer, denn damit kannte die Schriftstellerin sich am besten aus. Schwierigen Alltag, schwierige Beziehungen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sind ihre überwiegenden Themen. Daher schreibt sie über lieblose Ehen, Väter ohne Bezug zu ihren Kindern („Väter vergessen ihre Kinder doch immer, wenn sie sie lange genug nicht gesehen haben.“) und Frauen, deren Leben sie direkt aus der Unterdrückung in den Elternhäusern in die Unterdrückung in der Ehe führt. Da ist nichts mit Schönfärberei, Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre oder gar glücklichen Beziehungen – Tove Ditlevsen beschreibt alles bedrückend freudlos und düster, fast klaustrophobisch anmutend.
Die Charaktere in Ditlevsens Geschichten sind oft namenlos. „Sie“ und „er“ leben im Alltag oft nebeneinander, aber nicht miteinander, ihre Anonymität zeigt, dass es diese Konstellationen unzählige Male gab und die Personen beliebig austauschbar sind. Oft waren es zu der Zeit Vernunft-Ehen, in denen die Partner keine Partner im eigentlichen Sinne waren, da es oft wenig Gemeinsamkeiten gab, die Rolle der Frau durch Traditionen definiert war und ein Ausbruch daraus fast als „Größenwahn“ angesehen wurde. Wünsche und Träume finden nur im Geheimen statt, Selbstverwirklichung oder gar Emanzipation gibt es praktisch nicht. Dabei sind die Wünsche der Frauen gar nicht unbescheiden, zumindest nicht aus heutiger Sicht. Helga wünscht sich beispielsweise einen gelben Regenschirm. Eine namenlose „Sie“ hat ihr Herz einer streunenden Katze geschenkt und ihr Mann ist auf das Tier eifersüchtig.
Es sind Geschichten, die lange nachhallen und nachdenklich machen. Es sind präzise Sozialstudien, die die Leserschaft selbst interpretieren muss und man muss auch damit umgehen können, dass es für die Protagonistinnen (in der Hauptsache sind die Hauptfiguren in den Geschichten tatsächlich Frauen verschiedenen Alters) praktisch kein Happy End gibt. Wer die Autorin kennt, findet die vielen autobiografischen Aspekte in ihren Geschichten. Sie selbst starb im Alter von 58 Jahren nach langer Drogensucht und unglücklichen Ehen durch Suizid. Die Übersetzung von Ursel Allenstein, die unter anderem auch die „Kopenhagen Trilogie“ übersetzt hat, ist hervorragend gelungen. Ich kenne das Werk auch im Original und bin beeindruckt, in welcher Art und Weise die Übersetzerin die sprachlichen Feinheiten ins Deutsche übertragen hat. Die Sprache mag auf den ersten Blick klar, farblos und nüchtern sein, aber die wirkliche Finesse liegt in den Zwischentönen.
Auch die Wahl des Titels finde ich geglückt, auf Dänisch heißt der Band schlicht „Gesammelte Kurzgeschichten“ (Samlede Noveller) „Böses Glück“ heißt ja eine der Geschichten und fasst die Stimmung des gesamten Buchs exakt zusammen. Für mich war das Buch trotz der Melancholie, der düsteren Stimmung, der grausamen Schonungslosigkeit und schonungslosen Grausamkeit ein wahres Vergnügen. Von mir fünf Sterne.

Bewertung vom 19.02.2024
The Catch - Sie sagt, er sei perfekt. Doch ich weiß, dass er lügt ... (eBook, ePUB)
Logan, T. M.

The Catch - Sie sagt, er sei perfekt. Doch ich weiß, dass er lügt ... (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Selten hat ein Buch eine solche Sogwirkung auf mich ausgeübt, wie „The Catch – Sie sagt, er sei perfekt. Doch ich weiß, dass er lügt …“ von T.M. Logan. Da der Titel sehr viel über den Inhalt verrät, wusste ich leider schon früh, was mich erwarten würde. Anfangs kam ich auch ein bisschen schwer in die Geschichte, aber schon nach ein paar Dutzend Seiten hatte sich mich dann gepackt und nicht mehr losgelassen.
Aber von vorn.
Als die junge Lehrerin Abbie ihren Eltern ihren neuen Freund vorstellt, ist vor allem ihr Vater sehr zurückhaltend. Ryan ist 33 und damit fast zehn Jahre älter als Abbie, aber das ist nicht Eds einziges Problem. Er findet Ryan einfach zu perfekt, Typ Schwiegermutters Liebling. Er war Soldat gewesen, hat ein abgeschlossene Studium und einen soliden Job. Dazu leistet er Freiwilligendienst im Hospiz und besucht jede Woche das Grab seiner verstorbenen Mutter. Trotzdem schrillen bei Ed alle Alarmglocken, was keiner in seinem Umfeld verstehen kann, alle sind fieberhaft dabei, die Hochzeit von Abbie und Ryan vorzubereiten, die schon sechs Wochen nach dem ersten Treffen mit ihren Eltern stattfinden soll. Da er selbst zu wenig über den künftigen Schwiegersohn in Erfahrung bringen kann, seine Zweifel an ihm jedoch überbordend werden, engagiert Ed einen Privatdetektiv und verrennt sich immer mehr in seine Vorstellung, Ryan habe etwas zu verbergen. Als dann auch noch Abbies ehemaliger Freund George spurlos verschwindet, intensiviert Ed seine Nachforschungen noch mehr und entdeckt immer mehr Ungereimtheiten in Ryans Vergangenheit.
Sprachlich ist das Buch flott und einfach zu lesen, der Schreibstil ist mitreißend und die Übersetzung ist gut gelungen. Die Geschichte kommt überwiegend gewaltfrei daher. Die Spannung liegt auf der psychologischen Ebene. Ed, der fürsorgliche Vater, der nur das Beste für seine Tochter möchte, entfernt sich durch seine Besessenheit immer mehr von der ganzen Familie. Niemand kann seine Zweifel an Ryan nachvollziehen, nicht einmal seine Frau Claire, die ebenfalls nur Abbies Glück im Sinn hat.
Dabei spielt der Autor auch mit den Instinkten der Leserschaft. Wie oft habe ich während der Lektüre an meiner eigenen Wahrnehmung bezüglich Ryan und Eds Intuition gezweifelt? Bei der Beschreibung der Charaktere hält der Autor sich eher zurück. Bis auf Ryan, den er als gewinnend und charismatisch beschreibt, bleiben alle anderen eher blass und eindimensional, da ist viel Platz für Kopfkino der Leserschaft. Die verschiedenen Erzählperspektiven bringen einen guten Einblick in die Gedankengänge der Protagonisten, am meisten aber in die von Ed. Man kann fast spüren, wie er sich immer mehr in seine Ermittlungen verrennt. („Vielleicht hatte Claire recht. Verlor ich langsam den Verstand? Oder fühlte man sich so, wenn man als Einziger einen klaren Kopf bewahrte, während alle um einen herum geblendet wurden? Claire und Joyce erkannten es nicht, und Abbie war definitiv blind, auch wenn es direkt vor ihrer Nase passierte. Ich war der Einzige, der die Wahrheit sah.“)
Eigentlich bietet das Buch also alles, was so einen rundum gelungenen Thriller ausmacht. Es gibt Spannung, Sogwirkung, interessante Charaktere und einen tollen Schauplatz. Mein Problem war nicht, dass die Spannung etwas schleppend in Gang kam, denn das macht der Autor durch subtile Hinweise wett, die mein Kopfkino in Gang gesetzt haben. Auch die eher farblosen Charaktere spornten meine eigene Fantasie an. Mich störte einzig der Titel, der mir viel zu früh, viel zu viel über die Geschichte verraten hat. Der Nachsatz „doch ich weiß, dass er lügt“ zeigte für mich zu deutlich die Richtung auf, in die die Handlung gehen wird. Der Schluss ist ein bisschen zu einfach gestrickt, er bringt keine großen Überraschungen, aber er passt und bringt die Geschichte zu einem stimmigen Ende.
Ich fand das Buch trotzdem packend und unterhaltsam und konnte es nur schwer aus der Hand legen. Daher vergebe ich 4,5 Punkte, aufgerundet auf 5.

Bewertung vom 14.02.2024
Wintermord / Romy Beccare Bd.13
Peters, Katharina

Wintermord / Romy Beccare Bd.13


ausgezeichnet

Eine fast komplett ausgelöschte Familie. Ein 18-Jähriger, der sein Leben jetzt allein meistern muss. Ein ungeklärter Mord und Unfälle voller Unstimmigkeiten. Das sind die Dinge, mit denen sich Kriminalhauptkommissarin Romy Beccare und ihr Team im 13. Rügen-Krimi von Katharina Peters auseinandersetzen müssen. „Wintermord“ ist ein rasant spannendes Buch, das ich innerhalb von zwei Tagen durchgelesen habe. Die enorm geschickt gestrickte Geschichte hat mich so in den Bann gezogen, dass ich sogar meine heilige Nachtruhe dafür geopfert habe und das will wirklich etwas heißen!
Aber von vorn.
An einem kalten Morgen im Dezember wird die Leiche des 20-jährigen Benjamin Koller im Jasmund gefunden. Dem ersten Eindruck nach wurde der junge Mann erschlagen. Als sich Hauptkommissarin Romy Beccare und ihr Team des Falls annehmen, stoßen sie auf eine Familiengeschichte, die es in sich hat: vor fünf Jahren verschwand der Großvater spurlos, dann kam die Mutter bei einem Autounfall ums Leben, kurz danach starb der Vater durch Suizid und jetzt ist auch noch der ältere der beiden Söhne tot. Der 18-jährige Jakob bleibt allein zurück, der Abiturient scheint aber sehr gefasst und reif mit der Situation umzugehen. Nach einiger Recherche stoßen die Ermittler auf einen weiteren Fall, der mit der Familie Koller in Verbindung steht. Ebenfalls vor fünf Jahren starb ein achtjähriges Mädchen im Nationalpark durch einen Sturz bei den Kreidefelsen. Benjamin Koller hatte öfter auf das Kind aufgepasst. Sollten die Fälle etwa alle zusammenhängen?
Wow. Was für ein komplizierter Fall, den Romy Beccare und ihr bewährtes Team lösen müssen. Gleich mehrere Tote, ein verschwundener Großvater, eine entfremdete Großmutter, unkooperative Zeugen und ein verwaister Teenager, den alles nicht wirklich zu berühren scheint – in diesem Krimi ist nicht nur der Fall selbst, sondern auch die psychologische Komponente dahinter enorm clever konzipiert. Insgesamt ist das Buch hervorragend geschrieben und der Spannungsbogen ist fast ununterbrochen sehr hoch. Der Schluss hat mich zwar nicht überrascht, aber er ist stimmig und bringt die Geschichte zu einem befriedigenden Abschluss.
Die Charaktere sind, wie von Katharina Peters gewohnt, detailliert ausgearbeitet und die „alten Bekannten“ aus den anderen Büchern bekommen immer wieder neue Nuancen. So kann man sich auch in diesem Buch auf ein Wiedersehen mit alten Bekannten freuen. Neben Romy und ihrem Mann Jan sind auch ihre Kollegen Max und Finn wieder von der Partie und auch Ruth Kranold steht dem Team wieder mit Rat und Tat zur Seite. Sprachlich ist das Buch flüssig und leicht zu lesen, nur leider finden sich einige Fehler wie verwechselte Namen. Das war im Vorgängerband leider schon genauso gewesen und da wäre ein sorgfältigeres Lektorat wünschenswert. Das war für mich allerdings das einzige Manko, alles in allem hat mich „Wintermord“ begeistert. Daher kann ich das Buch jedem Krimifreund nur wärmstens ans Herz legen und den Fans der Rügen-Krimis sowieso. Von mir die volle Punktzahl und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Teil der Serie.

Bewertung vom 01.02.2024
Inselmord / Romy Beccare Bd.12
Peters, Katharina

Inselmord / Romy Beccare Bd.12


ausgezeichnet

Nachdem ich mit „Bornholmer Finale“, dem letzten Buch von Katharina Peters, etwas über Kreuz war, war ich auf „Inselmord“, dem 12. Band der Romy-Beccare-Serie sehr gespannt. Und ich wurde nicht enttäuscht, das Buch hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Der Krimi ist durchweg vielschichtig, spannend und psychologisch enorm gut konstruiert. Dazu kommen, wie von einem „Rügen-Krimi“ nicht anders zu erwarten, einige Landschaftsbeschreibungen und Wissenswertes über die Insel.
Aber von vorn.
Die Leiche der 25-jährigen Svenja Bellheim wird auf der Halbinsel Mönchgut im Südosten Rügens gefunden. Die junge Frau wurde offenbar erdrosselt, außerdem weist ihr Körper Spuren erheblicher Gewalt auf. Die Stelle, an der ihre sterblichen Überreste entdeckt wurden, heißt Nonnenloch und der Sage nach wurden dort unkeusche Nonnen bestraft. Als Rügen-Liebhaberin war Svenja oft auf der Insel und hatte sich bei einem Landschaftsarchitekten um einen Job beworben. Nach einiger Recherche wird dem Ermittler-Team um Kommissarin Romy Beccare klar, dass die Tote vor sieben Jahren auf Klassenfahrt auf Rügen war. Aus ihrer Klasse war damals eine Mitschülerin verschwunden, deren Leiche mehrere Monate später ebenfalls ganz in der Nähe von Mönchgut gefunden wurde. Gehören die beiden Fälle zusammen? Hat jemand die jungen Frauen „bestraft“? Und falls ja, weswegen? Und wer steckt hinter dem Ganzen?
Wow. Was für eine Konstellation. Eine Leiche, ein Cold Case und über allem eine Gruppe toxischer Männer, die die Frauen daran erinnern wollen, was ihre wahre Aufgaben im Leben sind und wo ihr Platz wirklich ist. Romy Beccare und ihre Kollegen stehen vor einer schwierigen Aufgabe bei der Lösung des Falls. Ein paar Verdächtige sind schnell ausgemacht, allerdings wird es für das Team schwer, die Zusammenhänge herauszuarbeiten und den Täter zu überführen, zumal die Ermittler bei manchen Spuren auf eine Mauer aus Schweigen und Ablehnung stoßen. Für Romy Beccare ist es allerdings klar, dass die Fälle zusammenhängen und ihre Verbissenheit und Sturheit werden nur von ihrem Ermittlungsgeschick und ihrer Kombinationsgabe getoppt.
Die Charaktere sind wie gewohnt sehr gut ausgearbeitet. Die Protagonisten kennt man ja schon aus den vorherigen Teilen der Reihe („Inselmord“ ist schon Band 12 der Serie), sie werden aber immer weiter ausgebaut und inzwischen sind sie mir alle ans Herz gewachsen. Romy ist mir manchmal ein bisschen zu verbissen, ihre Kollegen Max und Finn wirken da eher als Ruhepol in der Geschichte und auch ihre Mann Jan ist wesentlich besonnener als sie. Aber auch alle anderen Charaktere des Buchs sind dreidimensional und facettenreich beschrieben, sowohl die sympathischen als auch die unsympathischen Beteiligten.
Der Spannungsbogen ist teilweise fast unerträglich hoch, das Buch war für mich ein absoluter Pageturner. Der Schluss ist stimmig, hat mich allerdings komplett überrascht. Leider finden sich ein paar sehr ärgerliche Fehler in dem Buch, die durchaus vermeidbar gewesen wären. Da der Krimi aber durch seine spannende Geschichte und die tollen Charaktere überzeugt, empfehle ich „Inselmord“ uneingeschränkt für alle, die die Ostsee, Rügen, gut konstruierte und menschliche Krimis im Allgemeinen und Romy Beccare und ihr Team im Speziellen mögen. Von mir fünf Sterne und ich freue mich jetzt schon auf die Fortsetzung.

Bewertung vom 01.02.2024
Seelendunkel
Bryndza, Robert

Seelendunkel


sehr gut

„Seelendunkel“ war mein erstes Buch des britischen Autors Robert Bryndza, aber vermutlich nicht mein letztes, schließlich ist es auch schon der dritte Band der Serie um das ungleiche Ermittlerduo Kate Marshall und Tristan Harper. Nach einem etwas schleppenden Einstieg hat der Krimi mich erst überrascht und dann überzeugt. Die Geschichte nimmt zwar nur langsam Fahrt auf und die Ermittlungen laufen zeitweise etwas diffus und ziellos in verschiedene Richtungen, aber im Endeffekt wird aus dem Durcheinander ein solider und spannender Krimi.
Aber von vorn.
Kate Marshall und der um einige Jahre jüngere Tristan Harper haben sich mit einer Detektei selbstständig gemacht. Die ehemalige Polizistin der Londoner Polizei und Dozentin für Kriminologie und der wissenschaftliche Mitarbeiter der Universität sind ein sehr ungleiches Paar. Ihr Unternehmen läuft eher schleppend, daher sind die beiden froh, als Bev Ellis und ihr Lebensgefährte Bill sie beauftragen, nach ihrer seit 13 Jahren verschwundenen Tochter Joanna Duncan zu suchen. Die engagierte Journalistin war eines Abends spurlos aus einem Parkhaus verschwunden, inzwischen wurde sie für tot erklärt und die Mutter ist überzeugt davon, dass sie das auch ist. Also suchen die beiden Privatermittler nach einer Leiche und nach einem Mörder, die Suche führt sie bis in Politikerkreise. Anhaltspunkte für ihre Recherchen finden sie in der umfangreichen Fallakte der Polizei, die kein besonders gutes Licht auf die damaligen Ermittler wirft. Diese scheinen eher halbherzig ermittelt zu haben und inzwischen ist der Fall ein Cold Case. Woran hatte die Journalistin gearbeitet, als sie verschwand? War sie jemandem auf die Füße getreten? Und hat es etwas mit den zahlreichen verschwundenen jungen Männern in der Gegend zu tun?
Ich kannte vor der Lektüre des Buchs die beiden Protagonisten nicht, daher habe ich keinen Vergleich zur Qualität der Vorgängerbände der Serie. Die beiden Hauptfiguren wirken authentisch, sympathisch, kompetent und ehrgeizig. Ihr jeweiliges Privatleben wird eher am Rande dargestellt, sodass auch Neulinge der Reihe sie näher kennenlernen. Dabei schafft es der Autor allerdings überwiegend, dass die Balance aus Privatem und Ermittlungen stimmt. Als Neuling der Serie brauchte ich die aufgegriffenen Informationen aus Kates bewegter Vergangenheit auch dringend. Auch die anderen Charaktere in der Geschichte sind gut beschrieben, so gut wie jeder hat gründlich ausgearbeitete Eigenheiten, die zum Teil auch psychologisch sehr interessant sind. Die Beschreibungen der Landschaft in Devon und Cornwall, die ich sehr liebe, sind sehr gelungen.
Die Sprache des Autors fand ich angenehm und das Buch insgesamt leicht zu lesen. Mit dem Spannungsbogen hingegen tat ich mich etwas schwer. Da die Ermittler mit ihrer Arbeit bei null anfangen müssen, gehen ihre Ermittlungsansätze in sehr viele Richtungen und sind daher für mich als Leser etwas unübersichtlich und manchmal etwas langatmig, vor allem am Anfang. Der Schluss kam für mich überraschend und war nicht hundertprozentig stimmig. Mehr möchte ich dazu allerdings nicht sagen, nur so viel: das Motiv hinter der Tat überzeugte mich nicht ganz.
Dennoch fand ich das Buch spannend, nachdem ich schwer in die Geschichte gefunden habe, war ich überrascht, dass ich es nach etwa einem Drittel gar nicht mehr aus der Hand legen wollte. Für Kenner der Serie mag es eine Enttäuschung sein, das kann ich als Neuling nicht beurteilen. Da ich keine Probleme mit dem Verständnis hatte, kann ich mit Fug und Recht sagen, dass man den dritten Teil der Serie ohne Probleme unabhängig von den anderen lesen kann. Ich fand das Buch lesenswert und gut, allerdings nicht überragend. Von mir vier Sterne.