»Eine große Geschichte von Menschen und ihrem Mut, ihrer Kraft und ihrer Unbeugsamkeit« Christine Westermann
Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sie sich mit Gleichgesinnten ein neues Leben auf. Mitten im Niemandsland, wo die Vögel so laut rufen wie nirgends sonst und manchmal ein Toter auf einen Plausch vorbeikommt. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe nach Deutschland, an ihre Tochter. Doch dann kommen Fremde ins Dorf - und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung.
Voller Kraft und Poesie, voller Herz und Witz lässt Alina Bronsky eine untergegangene Welt wiederauferstehen und erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet.
Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sie sich mit Gleichgesinnten ein neues Leben auf. Mitten im Niemandsland, wo die Vögel so laut rufen wie nirgends sonst und manchmal ein Toter auf einen Plausch vorbeikommt. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe nach Deutschland, an ihre Tochter. Doch dann kommen Fremde ins Dorf - und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung.
Voller Kraft und Poesie, voller Herz und Witz lässt Alina Bronsky eine untergegangene Welt wiederauferstehen und erzählt die Geschichte einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet.
© BÜCHERmagazin, Elisabeth Dietz (ed)
»Eine große Geschichte von Menschen und ihrem Mut, ihrer Kraft und ihrer Unbeugsamkeit (...) Am Ende des Romans, nach 154 Seiten, hätte ich das Buch am liebsten umarmt.« Christine Westermann WDR Frau TV
der Sperrzone
Alina Bronsky erzählt von
Tschernobyl-Heimkehrern
Das Dorf liegt im radioaktiv verseuchten Sperrbezirk in der Nähe der Atomruine von Tschernobyl. „Tschernowo“ heißt der Ort in Alina Bronskys kleinem Roman „Baba Dunjas letzte Liebe“. Die 1978 in Russland geborene Autorin, die Anfang der Neunzigerjahre nach Deutschland kam, fantasiert darin ein erstaunliches Phänomen aus: In der Sperrzone leben heute rund zweihundert Menschen, die illegal in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt sind. Meist handelt es sich dabei um sehr Alte, die längerfristige Strahlenschäden nicht fürchten und das angestammte Leben in der Heimat einem entfremdeten Dasein in irgendwelchen Plattenbauten vorziehen.
Als erzählerischer Raum ist so ein Ort durchaus reizvoll. In ihrem Debüt „Scherbenpark“ über das Schicksal russischer Aussiedler in Deutschland hat Alina Bronsky gezeigt, wie leicht es ihr fällt, Geschichten zu erzählen. Mit Baba Dunja hat sie sich nun eine sympathische Heldin geschaffen, doch es ist etwas anderes, eine uralte Frau glaubhaft zu machen, als Jugendliche im Vorortghetto. Als gelernte Krankenschwester ist Baba Dunja so etwas wie der natürliche Mittelpunkt für all die bald Hundertjährigen, die in dem aus der Welt herausgefallenen Ort eine brüchige Lebensgemeinschaft bilden. Denn „wer nach Tschernowo zurückkehrt, hat keine Lust auf Gemeinschaft“: Die dicke Melkerin Marja hat eine katastrophale Ehe hinter sich, der krebskranke Petrow, der schon seit Jahren tot sein müsste, liest und liest und liest immer dasselbe, und der Greis Sidorow bewacht sein Plastiktelefon und behauptet, man könne damit telefonieren. Tatsächlich: Einmal, in einer entscheidenden Situation funktioniert es wirklich.
Doch viel mehr als ein skurriles Figurenkabinett bringt Alina Bronsky nicht zustande. Die Geschichte, die sich um Baba Dunjas Tochter und Enkelin in Deutschland entspinnt und die Briefe, die sie ihnen schreibt, sind ganz nett. Der mit einem Beil erschlagene Bösewicht im Dorf und die Ermittlungen der Polizei, die darauf folgen, lesen sich dann nur noch so, als hätte die Autorin dem Gefühl nachgegeben, dass nun aber doch noch irgendwas passieren müsse, um der Handlungspflicht Genüge zu leisten. Aber ein wenig Handlung macht noch keine Entwicklung.
Das wäre aber vielleicht noch zu ertragen, wenn Bronsky ihrem Thema und ihren doch eher wortkargen Figuren sprachlich gewachsen wäre. Stattdessen muss ihre Ich-Erzählerin unentwegt in gnadenlosem Präsens vor sich hin und in die radioaktive Leere hineinplappern. Schon wenn sie morgens aufsteht, beginnt sie zu sprechen: „Ich lupfe die Bettdecke und lasse die Füße auf den Boden.“ Jede Tätigkeit, jede Wahrnehmung wird dadurch zum Selbstkommentar, wie das monomane Neurotiker zu tun pflegen. So kann sich nichts ereignen, ohne dass es im Vollzug und bevor es sich überhaupt ereignet hätte auch schon erzählt ist. Schrecklich! Da gibt es keine Distanz, keine Rückschau, kein Durchatmen, ja noch nicht einmal die Möglichkeit zu wirklicher Reflexion. Im Präsens-Terror geht alles verloren, was diese abgeschiedene Welt zwischen Ewigkeit und kurzer Frist erzählerisch interessant machen könnte: das besondere Verhältnis zur Dauer, zur Lebenszeit und zum Tod.
Baba Dunja müsste, so wie sie hier konstruiert wurde, auch noch das eigenen Sterben erzählen: Ich sterbe, ich sterbe, so jetzt bin ich tot. Das gilt dann leider auch für dieses harmlose Büchlein.
JÖRG MAGENAU
Alina Bronsky: Baba Dunjas letzte Liebe. Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 154 Seiten, 16 Euro. E-Book 13,99 Euro.
„Ich lupfe die Bettdecke
und lasse die
Füße auf den Boden.“
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sabine Berking zeigt sich enttäuscht von Alina Bronskys neuem Roman. Wo sind nur die kanonenschnelle Sprache, die Präzision, die Ironie hin, die Berking aus Bronskys Romandebüt kennt? In der Todeszone von Tschnernobyl, dem Setting des neuen Romans, wo einige resolute Alte ausharren, Gemüse ziehen, ihre Füße betrachten und einen Mord vertuschen jedenfalls nicht, versichert Berking. Das Buch lässt sie erst lange auf eine Handlung warten und nervt die Rezensentin dann mit viel Redseligkeit, wenig Geschehen, einem austauschbaren Handlungsort und einer Slapstick-Nummer nach der nächsten. Auf Berking wirkt das schal und leblos.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der zweite Abend von "Literatur im Römer"
Oskar geht betteln: auf der Gucci-Straße. Die Zürcher Bahnhofstraße mit ihren Luxusläden sei der richtige Ort, um seine Impulskontrolle zu überprüfen, meint sein Psychotherapeut. Eigentlich nicht seiner, sondern der von Viktor. Denn der beste Freund hat ein Eheproblem, aber keine Zeit für die Therapie. Deshalb soll Oskar ihn vertreten. So geht es an der Goldküste des Zürichsees zu, wo der Schweizer Schriftsteller Philipp Tingler logiert. Jetzt hat sich der offenbar gutbetuchte Autor in den sozialen Brennpunkt Frankfurt begeben, um sein Buch über "Schöne Seelen" (Kein & Aber) vorzustellen. Im Gespräch mit Alf Mentzer vom Hessischen Rundfunk amüsierte er das Publikum am zweiten Abend von "Literatur im Römer", der Veranstaltung, mit der die Stadt traditionell ihre Bürger zur Buchmesse beglückt. Tingler präsentiert ein Völkchen, das mit gelifteten Seelen sein Unglück auf hohem Niveau bejammert.
In Zürich ist alles besser: zum Beispiel das Licht zum Lesen. Jedenfalls musste sich der Autor ziemlich verrenken, ehe er sein eigenes Buch entziffern konnte. Auch mancher Gast in der VIP-Loge rutschte ungeduldig hin und her, weil es von hinten jedes Mal eisig hereinzog, wenn sich das Tor zu den Römerhallen öffnete und schloss. Aber das Kommen und Gehen ist typisch für den Leseabend mit acht Autoren im Viertelstundenrhythmus, den Mentzers Kollegin Cécile Schortmann regelmäßig überzog - zum Bedauern all derer, die ihre Rückenmuskeln auf den lehnenlosen Bierzeltbänken schmerzhaft spürten. Dabei konnte noch froh sein, wer rechtzeitig einen Sitzplatz ergattert hatte. Viele Besucher, wenn auch nicht mehr so viele wie am ersten Abend, standen sich auch in diesem Jahr die Beine in den Bauch - sogar die schon etwas betagteren. Das ist immer wieder bewundernswert.
Immerhin: Der zweite Abend war kurzweiliger als der erste. Das war neben Tingler vor allem Alina Bronsky zu verdanken. Nach einer peinlichen Selbstdarstellung Friedrich Anis mit seinem Groschenroman "Der namenlose Tag" (Suhrkamp) hievten Katharina Hacker und Feridun Zaimoglu die Veranstaltung auf seriöseres Niveau. Die deutsche Schriftstellerin mit dem Faible für Israel hat ein Buch über einen Mann verfasst, dessen Gespür für Sterbende ihn stets an den rechten Ort führt, um Beistand zu leisten, ob Mensch oder Tier. "Skip" (S. Fischer), der, wie sein Name sagt, manches überspringt, erinnert an den biblischen Bileam, der von seiner hellsichtigen Eselin geadelt wird. Zaimoglus poetisch dichter Achthundertseitenroman über das "Siebentürmeviertel" (Kiepenheuer & Witsch) von Istanbul lässt zwischen 1939 und 1949 archaische Mythen durch ein deutsches Flüchtlingskind raunen.
Aufatmen nach dieser gewöhnungsbedürftigen Rhapsodie samt kleinem Werwolf. Alina Bronsky erzählt in ihrem Roman "Baba Dunjas letzte Liebe" (Kiepenheuer & Witsch) von einer Ukrainerin, die auf ihre alten Tage nach Tschernobyl zurückkehrt. Dass die Tomaten verstrahlt sind, kümmert sie nicht, Hauptsache, der aufdringliche Hahn der Nachbarin landet im Kochtopf. Woher die junge russische Autorin die Erfahrungsweisheit, die Gelassenheit und den selbstkritisch trockenen Witz ihrer Ich-Erzählerin nimmt, bleibt ihr Geheimnis, aber sie gibt zu: "So eine Oma hätte ich gern gehabt."
Als Matthias Nawrat "Die vielen Tode des Opa Jurek" (Rowohlt) zur Hand nahm, war der Brezelkorb der Zuhörer leer. Konstantin, der gesottene Hahn, hatte offenbar den Appetit angeregt, nun aber stand "Todeshunger" an. Der deutsche Autor polnischer Herkunft hat seinem Großvater genau zugehört, und der hat ihm von Auschwitz erzählt. Nach solch schwerer Kost lieferte die Literaturkritikerin Ursula März einen albernen Kontrast. In ihrem Buch "Für eine Nacht oder fürs ganze Leben" (Hanser) erzählt sie von Leuten, die im Internet nach Partnern suchen - ein schwacher Abgesang.
CLAUDIA SCHÜLKE
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