
©Victoria Salmon
Jane Gardam
"Eine Autorin ohne den geringsten Zweifel": Zu diesem Urteil kam der Schriftsteller und Kritiker L. A. G. Strong, nachdem ihm eine junge Studentin nur eine kurze Leseprobe gegeben hatte. Eine Weile sollte es dauern, bis der Rest der Welt von diesem Talent erfuhr. Seit vier Jahrzehnten veröffentlicht die Britin Jane Gardam nun überaus erfolgreiche Romane, Erzählungen und Kinderbücher. Doch erst vor Kurzem erreichte ihr Werk endlich den deutschen Markt. Seit 2015 erschienen bei Hanser Berlin die drei Bände ihrer "Old Filth"-Reihe, die sie im Alter von 87 Jahren endlich auch hier flugs zur Bestsellerautorin erhob.
Die Trilogie startet mit dem Roman "Ein untadeliger Mann", von vielen als Gardams bestes Buch geschätzt. Er erzählt von dem Juristen Edward Feathers, der seinen Ruhestand im englischen Dorset genießt. Der Spitzname "Old Filth" ist nur zum Teil ein ironischer Kommentar auf sein makelloses Äußeres; vor allem spielt er auf seinen Erfolg fern der Heimat an: Feathers verkörpert das scherzhafte Akronym für "Failed In London, Try Hong Kong" (Wer in London scheitert, versucht es in Hongkong). Als seine Frau Betty überraschend stirbt, zieht der alte Feathers sein durch und durch geordnetes Leben in Zweifel - und macht sich auf die Reise in seine Vergangenheit. Im Nachfolger "Eine treue Frau" erzählt Gardam von Betty Feathers, von ihrem Leben in China und ihrer Liebe zu zwei Männern. Vor dem Hintergrund dieser Dreiecksgeschichte entwickelt sich im dritten Band, "Letzte Freunde", eine späte Freundschaft zwischen Edward Feathers und seinem Konkurrenten.
Gardam, die heute in East Kent lebt, hat selbst das Britische Empire als Ehefrau eines viel reisenden Anwalts kennengelernt. Als Jean Mary Pearson 1928 in North Yorkshire geboren, wuchs sie in ländlichen Verhältnissen auf. In Interviews erinnert sie sich gern an die abgelegene Farm ihrer Familie. Ein Stipendium ermöglichte ihr das Englischstudium am Bedford College der Londoner Universität. Später arbeitete sie als Krankenhausbibliothekarin des Roten Kreuzes und als Redakteurin für das "Weldon's Ladies' Journal" und "Time and Tide". Dank des Berufs ihres Mannes konnte sie sich schließlich mehr dem Schreiben widmen, das ihr seit der Kindheit am Herzen liegt. Als dreifache Mutter publizierte sie zunächst Kinderbücher. 1975 veröffentlichte sie erstmals einen Titel für Erwachsene - und gewann prompt zwei literarische Preise. Es sollten zahlreiche Auszeichnungen folgen, darunter der "Katherine Mansfield Award" für ihre Kurzgeschichten und der "Heywood Hill Literary Prize" für ihr Lebenswerk. Von der Fülle und der Qualität dieses Werks wird es für das deutschsprachige Publikum noch viel zu entdecken geben.
Die Trilogie startet mit dem Roman "Ein untadeliger Mann", von vielen als Gardams bestes Buch geschätzt. Er erzählt von dem Juristen Edward Feathers, der seinen Ruhestand im englischen Dorset genießt. Der Spitzname "Old Filth" ist nur zum Teil ein ironischer Kommentar auf sein makelloses Äußeres; vor allem spielt er auf seinen Erfolg fern der Heimat an: Feathers verkörpert das scherzhafte Akronym für "Failed In London, Try Hong Kong" (Wer in London scheitert, versucht es in Hongkong). Als seine Frau Betty überraschend stirbt, zieht der alte Feathers sein durch und durch geordnetes Leben in Zweifel - und macht sich auf die Reise in seine Vergangenheit. Im Nachfolger "Eine treue Frau" erzählt Gardam von Betty Feathers, von ihrem Leben in China und ihrer Liebe zu zwei Männern. Vor dem Hintergrund dieser Dreiecksgeschichte entwickelt sich im dritten Band, "Letzte Freunde", eine späte Freundschaft zwischen Edward Feathers und seinem Konkurrenten.
Gardam, die heute in East Kent lebt, hat selbst das Britische Empire als Ehefrau eines viel reisenden Anwalts kennengelernt. Als Jean Mary Pearson 1928 in North Yorkshire geboren, wuchs sie in ländlichen Verhältnissen auf. In Interviews erinnert sie sich gern an die abgelegene Farm ihrer Familie. Ein Stipendium ermöglichte ihr das Englischstudium am Bedford College der Londoner Universität. Später arbeitete sie als Krankenhausbibliothekarin des Roten Kreuzes und als Redakteurin für das "Weldon's Ladies' Journal" und "Time and Tide". Dank des Berufs ihres Mannes konnte sie sich schließlich mehr dem Schreiben widmen, das ihr seit der Kindheit am Herzen liegt. Als dreifache Mutter publizierte sie zunächst Kinderbücher. 1975 veröffentlichte sie erstmals einen Titel für Erwachsene - und gewann prompt zwei literarische Preise. Es sollten zahlreiche Auszeichnungen folgen, darunter der "Katherine Mansfield Award" für ihre Kurzgeschichten und der "Heywood Hill Literary Prize" für ihr Lebenswerk. Von der Fülle und der Qualität dieses Werks wird es für das deutschsprachige Publikum noch viel zu entdecken geben.
Jane Gardams "Die Leute von Privilege Hill"
"Nebenfiguren gibt es gar nicht", lautet ein Grundsatz für Jane Gardams Schreiben. Jede Figur, selbst wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar ist, hat eine Seele; keine ist weniger wichtig als jede andere. Mit diesem Prinzip erschafft Gardam in ihren Erzählungen mit wenigen Sätzen komplexe, markante Charaktere. Selbst den Eigenwilligsten von ihnen, den Garstigen und den Schwermütigen, bringt sie viel Sympathie entgegen. Am Ende enthüllt sie meist deren unerwartete Seite.
"Die Leute von Privilege Hill" versammelt 18…mehr
"Nebenfiguren gibt es gar nicht", lautet ein Grundsatz für Jane Gardams Schreiben. Jede Figur, selbst wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar ist, hat eine Seele; keine ist weniger wichtig als jede andere. Mit diesem Prinzip erschafft Gardam in ihren Erzählungen mit wenigen Sätzen komplexe, markante Charaktere. Selbst den Eigenwilligsten von ihnen, den Garstigen und den Schwermütigen, bringt sie viel Sympathie entgegen. Am Ende enthüllt sie meist deren unerwartete Seite.
"Die Leute von Privilege Hill" versammelt 18…mehr
Jane Gardams "Die Leute von Privilege Hill"
"Nebenfiguren gibt es gar nicht", lautet ein Grundsatz für Jane Gardams Schreiben. Jede Figur, selbst wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar ist, hat eine Seele; keine ist weniger wichtig als jede andere. Mit diesem Prinzip erschafft Gardam in ihren Erzählungen mit wenigen Sätzen komplexe, markante Charaktere. Selbst den Eigenwilligsten von ihnen, den Garstigen und den Schwermütigen, bringt sie viel Sympathie entgegen. Am Ende enthüllt sie meist deren unerwartete Seite.
"Die Leute von Privilege Hill" versammelt 18 klassische Kurzgeschichten aus verschiedenen Phasen von Gardams Schaffen. Erzählungen, sagt die Britin, habe sie schon immer lieber geschrieben als Romane, denn sie gingen tiefer. Als Vorbild nennt sie französische und russische Erzähler, die sie erst spät schätzen gelernt habe. Dennoch könnten ihre Geschichten englischer nicht sein, wenngleich einige nach Irland, China oder Italien führen. Sie rufen eine Welt aus Tweed und 5-Uhr-Tee auf, in der Kommunikationsregeln für Halt und Ordnung sorgen. Hier geht man 35 Jahre lang nebeneinander ins Theater, ohne sich je nach dem Namen zu fragen ("Schlangestehen"). Selbst die wiederentdeckten Liebesbriefe von Jane Austen dürfen nicht einfach geöffnet werden ("Die geheimen Briefe"). In der florentinischen Pension aus "Zimmer mit Aussicht" hat man sich noch immer so zu verhalten, wie zu Zeiten E. M. Forsters ("Ein unbekanntes Kind"). Und wenn die vertrauten Wege einmal verlassen werden, bricht die Fremde geradezu gewaltsam herein: Wie die englische Gattin auf Hongkong-Besuch in den chinesischen Alltag gerät, wird als überwältigende Erfahrung für alle Sinne beschrieben ("Der Schweinefahrer").
Damit wirken die Geschichten bisweilen wie aus der Zeit gefallen. Gardam macht sich einen Spaß daraus, diese Zeitlosigkeit zu brechen, wenn sie beispielsweise Referenzen auf "Star Wars" oder Mädchen mit blauen Haaren einbaut. Neben diesen kleinen Clous wartet jede Erzählung mit einer großen Pointe auf, die manchmal für ein Schmunzeln und andere Male für aufgestellte Nackenhaare sorgt. Um sich so existenziellen Themen wie Tod und Trauer, Liebe und Glauben zu nähern, überschreitet Gardam die Grenzen des Realismus mit Geistern, Wiedergängern und Metamorphosen. Gerade durch die Verknappung der Texte, in denen kein Satz zu viel steht, hält Gardam ihre Geschichten in einer faszinierenden Schwebe: Ist der Provinzidylle zu trauen - "Nie zuvor in meinem Leben hatten Fremde sich so um mich gekümmert …" -, wenn im Titel doch "Ein schauriger Ort" angekündigt ist? Ist "Die Rettung" des Londoner Schwans ein Wunder oder hat der chinesische Junge das Tier verzaubert? Und was ist von einer Erzählung zu erwarten, welche die Absurdität schon im Titel trägt: "Der Junge, der zum Fahrrad wurde"?
Hierzulande gilt Jane Gardam fast noch als Entdeckung - im Alter von fast 90 Jahren, mit mehr als 30 Buchveröffentlichungen und als Fellow der "Royal Society of Literature".Internationale Bekanntheit brachte ihr erst kürzlich die "Old Filth"-Trilogie um Edward Feathers, der nach Jahrzehnten als Hongkonger Anwalt "für die Krone" seinem Leben eine späte Wende gibt. Im Zuge der einhelligen Begeisterung für diese Romane erscheint nun der erste Band mit Erzählungen von Gardam auf Deutsch.
Die Übersetzerin Isabel Bogdan, selbst Autorin des Romans "Pfau", versteht es, Gardams präzise Sprache eindrucksvoll ins Deutsche zu übertragen. Nach den drei Romanen von Gardam ist ihr das auch bei dem Buch "Die Leute von Privilege Hill" gelungen, das wie die Vorgänger als auffallend schön gestalteter Band bei Hanser Berlin erscheint. Und in der Titelgeschichte, mit der die Auswahl der Erzählungen schließt, gibt es tatsächlich ein Wiedersehen mit dem Witwer Old Filth.
"Nebenfiguren gibt es gar nicht", lautet ein Grundsatz für Jane Gardams Schreiben. Jede Figur, selbst wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar ist, hat eine Seele; keine ist weniger wichtig als jede andere. Mit diesem Prinzip erschafft Gardam in ihren Erzählungen mit wenigen Sätzen komplexe, markante Charaktere. Selbst den Eigenwilligsten von ihnen, den Garstigen und den Schwermütigen, bringt sie viel Sympathie entgegen. Am Ende enthüllt sie meist deren unerwartete Seite.
"Die Leute von Privilege Hill" versammelt 18 klassische Kurzgeschichten aus verschiedenen Phasen von Gardams Schaffen. Erzählungen, sagt die Britin, habe sie schon immer lieber geschrieben als Romane, denn sie gingen tiefer. Als Vorbild nennt sie französische und russische Erzähler, die sie erst spät schätzen gelernt habe. Dennoch könnten ihre Geschichten englischer nicht sein, wenngleich einige nach Irland, China oder Italien führen. Sie rufen eine Welt aus Tweed und 5-Uhr-Tee auf, in der Kommunikationsregeln für Halt und Ordnung sorgen. Hier geht man 35 Jahre lang nebeneinander ins Theater, ohne sich je nach dem Namen zu fragen ("Schlangestehen"). Selbst die wiederentdeckten Liebesbriefe von Jane Austen dürfen nicht einfach geöffnet werden ("Die geheimen Briefe"). In der florentinischen Pension aus "Zimmer mit Aussicht" hat man sich noch immer so zu verhalten, wie zu Zeiten E. M. Forsters ("Ein unbekanntes Kind"). Und wenn die vertrauten Wege einmal verlassen werden, bricht die Fremde geradezu gewaltsam herein: Wie die englische Gattin auf Hongkong-Besuch in den chinesischen Alltag gerät, wird als überwältigende Erfahrung für alle Sinne beschrieben ("Der Schweinefahrer").
Damit wirken die Geschichten bisweilen wie aus der Zeit gefallen. Gardam macht sich einen Spaß daraus, diese Zeitlosigkeit zu brechen, wenn sie beispielsweise Referenzen auf "Star Wars" oder Mädchen mit blauen Haaren einbaut. Neben diesen kleinen Clous wartet jede Erzählung mit einer großen Pointe auf, die manchmal für ein Schmunzeln und andere Male für aufgestellte Nackenhaare sorgt. Um sich so existenziellen Themen wie Tod und Trauer, Liebe und Glauben zu nähern, überschreitet Gardam die Grenzen des Realismus mit Geistern, Wiedergängern und Metamorphosen. Gerade durch die Verknappung der Texte, in denen kein Satz zu viel steht, hält Gardam ihre Geschichten in einer faszinierenden Schwebe: Ist der Provinzidylle zu trauen - "Nie zuvor in meinem Leben hatten Fremde sich so um mich gekümmert …" -, wenn im Titel doch "Ein schauriger Ort" angekündigt ist? Ist "Die Rettung" des Londoner Schwans ein Wunder oder hat der chinesische Junge das Tier verzaubert? Und was ist von einer Erzählung zu erwarten, welche die Absurdität schon im Titel trägt: "Der Junge, der zum Fahrrad wurde"?
Hierzulande gilt Jane Gardam fast noch als Entdeckung - im Alter von fast 90 Jahren, mit mehr als 30 Buchveröffentlichungen und als Fellow der "Royal Society of Literature".Internationale Bekanntheit brachte ihr erst kürzlich die "Old Filth"-Trilogie um Edward Feathers, der nach Jahrzehnten als Hongkonger Anwalt "für die Krone" seinem Leben eine späte Wende gibt. Im Zuge der einhelligen Begeisterung für diese Romane erscheint nun der erste Band mit Erzählungen von Gardam auf Deutsch.
Die Übersetzerin Isabel Bogdan, selbst Autorin des Romans "Pfau", versteht es, Gardams präzise Sprache eindrucksvoll ins Deutsche zu übertragen. Nach den drei Romanen von Gardam ist ihr das auch bei dem Buch "Die Leute von Privilege Hill" gelungen, das wie die Vorgänger als auffallend schön gestalteter Band bei Hanser Berlin erscheint. Und in der Titelgeschichte, mit der die Auswahl der Erzählungen schließt, gibt es tatsächlich ein Wiedersehen mit dem Witwer Old Filth.