Der große Gesellschaftsroman von Juli ZehManchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirm...
Der große Gesellschaftsroman von Juli Zeh
Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist ...
Mit "Unterleuten" hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?
Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten" irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu erfüllen. Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden. Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist ...
Mit "Unterleuten" hat Juli Zeh einen großen Gesellschaftsroman über die wichtigen Fragen unserer Zeit geschrieben, der sich hochspannend wie ein Thriller liest. Gibt es im 21. Jahrhundert noch eine Moral jenseits des Eigeninteresses? Woran glauben wir? Und wie kommt es, dass immer alle nur das Beste wollen, und am Ende trotzdem Schreckliches passiert?
Juli Zeh, 1974 in Bonn geboren, Jurastudium in Passau und Leipzig, Promotion im Europa- und Völkerrecht. Längere Aufenthalte in New York und Krakau. Schon ihr Debütroman 'Adler und Engel' (2001) wurde zu einem Welterfolg, inzwischen sind ihre Romane in 35 Sprachen übersetzt. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Heinrich-Böll-Preis (2019). Im Jahr 2018 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz und wurde zur Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Ihr Roman 'Über Menschen' war das meistverkaufte belletristische Hardcover des Jahres 2021. Zuletzt erschien bei Luchterhand der zusammen mit Simon Urban verfasste Bestseller 'Zwischen Welten'.

Produktbeschreibung
- Verlag: Luchterhand Literaturverlag
- Originalausgabe
- Seitenzahl: 639
- Erscheinungstermin: 8. März 2016
- Deutsch
- Abmessung: 225mm x 140mm x 55mm
- Gewicht: 830g
- ISBN-13: 9783630874876
- ISBN-10: 3630874878
- Artikelnr.: 44025440
Herstellerkennzeichnung
Luchterhand Literaturvlg.
Neumarkter Str. 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
© BÜCHERmagazin, Tanja Lindauer (lin)
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Sieglinde Geisel findet Lesevergngen mit Juli Zehs Roman über eine Dorfgemeinschaft in Brandenburg. Auch wenn der Plot nur Mittel zum Zweck ist, wie Geisel von der Autorin erfährt, und die Frage nach dem eigenen Lebensmodus und der eigenen Identität im Zentrum des Textes steht, findet Geisel Gefallen an dem Roman, den sie mit Texten von Balzac und Thomas Mann vergleicht, weil auch in ihnen Epochenwenden und der Untergang einer Solidargesellschaft verhandelt werden. Die Dorfwelt bei Zeh funktioniert als exemplarisches Epochenbild, meint sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Leute von Unterleuten
Juli Zehs Roman ist ein tragikomisches Zeitbild für Ostler und Wessis.
Von Johanna Wanka
Juli Zeh hat einen, wenn nicht den packendsten deutschen Gegenwartsroman der letzten Jahre geschrieben. Die westdeutsche preisgekrönte Schriftstellerin und Juristin, die aus der tiefsten Brandenburger Provinz berichtet. Die sich nicht anmaßt, über die DDR-Vergangenheit zu richten, es besser zu wissen. Und die es schafft, ein nahezu tragikomisches Zeitbild zu zeichnen, das Ostdeutschen wie Westdeutschen gerecht wird, ihnen gleichermaßen den Spiegel vorhält, wie sie ringen und suchen, um den richtigen Weg in die Zukunft zu finden.
Doch worum geht es auf 656 Seiten Handlung in dem fiktiven
Juli Zehs Roman ist ein tragikomisches Zeitbild für Ostler und Wessis.
Von Johanna Wanka
Juli Zeh hat einen, wenn nicht den packendsten deutschen Gegenwartsroman der letzten Jahre geschrieben. Die westdeutsche preisgekrönte Schriftstellerin und Juristin, die aus der tiefsten Brandenburger Provinz berichtet. Die sich nicht anmaßt, über die DDR-Vergangenheit zu richten, es besser zu wissen. Und die es schafft, ein nahezu tragikomisches Zeitbild zu zeichnen, das Ostdeutschen wie Westdeutschen gerecht wird, ihnen gleichermaßen den Spiegel vorhält, wie sie ringen und suchen, um den richtigen Weg in die Zukunft zu finden.
Doch worum geht es auf 656 Seiten Handlung in dem fiktiven
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Unterleuten? Da ist natürlich zuvörderst das Dorf, das von der Landwirtschaft lebt, so wie schon vor dem Krieg, während der DDR und in den unsentimentalen Jahren nach der Wende. Idyllisch war und ist es in Unterleuten nie, auch wenn der Blick über Felder und Wiesen weit ist. Aber das Leben auf dem Land ist höchstens für diejenigen romantisch, die nicht vom Land leben müssen. Daran lässt Zeh keinen Zweifel aufkommen.
Die wahren Unterleutener wissen das schon immer, nur die Zugereisten, die Wessis, die müssen es erst brutal lernen. Da flieht am Ende die neu zugezogene Pferdetrainerin, die in Unterleuten eigentlich eine Zucht aufbauen will. Da scheitert aber auch das wirtschaftliche Kraftpaket, der massige Patron der Gemeinde, an seinen menschlichen Abgründen. Was aus dem von ihm geführten landwirtschaftlichen Betrieb wird, der einst eine LPG und noch früher der Großgrundbesitz seiner Vorfahren war, bleibt offen. Nur der Windpark, der der Gemeinde ein wenig Geld bescheren könnte, der kommt.
Die Autorin beschreibt die Menschen, ihre Arbeit, ihr Hoffen und ihre Ängste, ohne zu urteilen. Der Leser kann ihr dafür danken. Natürlich und vor allem geht es in Unterleuten aber um Lebensentwürfe, um Freundschaften, Allianzen und nicht zuletzt um Feindschaft, die vor nichts zurückschreckt. Denn Hass und Gewalt sind in der kleinen Gemeinschaft derjenigen, die schon immer in Unterleuten gelebt haben, und bei jenen, die neu hinzugekommen sind, fast schon archaisch. Die Menschen werden nicht besser, nur weil sie sich kennen. Sie wissen nur genauer, wie sie einander wehtun können. Auch das ist eine unbequeme Erkenntnis, die Juli Zeh ihren Lesern präsentiert.
Und doch ist das Buch auch komisch. Etwa wenn der intellektuell salbadernde alternde Unidozent seiner jungen Frau ein ländliches Idyll erschaffen will und in seiner Rechthaberei als Vertreter der Naturschutzbehörde meint, endlich der Welt zeigen zu können, was wirklich in ihm steckt. Oder wenn der Konflikt um ständig lärmende Rasenmäher über das Wegerecht und überlaufende Toiletten gelöst wird. Denn eins ist klar: In Unterleuten bleibt man unter sich. Konflikte werden vor Ort und nicht durch irgendwelche Institutionen von außen gelöst. Unterleuten ist gewissermaßen die Welt - mehr braucht es nicht.
Juli Zeh lässt eine Erzählerin zu Wort kommen - genauso fiktiv wie Unterleuten. Durchaus ironisch gibt sie da auch gleich noch der Medienwelt einen Hieb mit. Denn aus einer Recherche über einen kurios gruseligen Todesfall, mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, wird nicht die angestrebte Magazingeschichte, sondern gleich ein ganzer Roman. Wie gut, dass es immer noch Leute gibt, die sich mit dem oberflächlichen Schein nicht abfinden, sondern tiefer wühlen und ihre Worte zu setzen wissen. Denn langweilig, das gilt für den Text der fiktiven Erzählerin wie der wahren Autorin, ist Unterleuten an keiner Stelle. Und wer nicht nur eine gute Geschichte, sondern ein richtig gutes Buch lesen will, der ist hier richtig. Vielleicht ist es ja erst der Auftakt zu einer neuen, gesamtdeutschen Literatur. Es täte dem Literaturbetrieb gut - und ich würde mich darauf freuen.
Johanna Wanka, CDU, ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Juli Zeh: "Unterleuten". Roman. BTB-Verlag, 656 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die wahren Unterleutener wissen das schon immer, nur die Zugereisten, die Wessis, die müssen es erst brutal lernen. Da flieht am Ende die neu zugezogene Pferdetrainerin, die in Unterleuten eigentlich eine Zucht aufbauen will. Da scheitert aber auch das wirtschaftliche Kraftpaket, der massige Patron der Gemeinde, an seinen menschlichen Abgründen. Was aus dem von ihm geführten landwirtschaftlichen Betrieb wird, der einst eine LPG und noch früher der Großgrundbesitz seiner Vorfahren war, bleibt offen. Nur der Windpark, der der Gemeinde ein wenig Geld bescheren könnte, der kommt.
Die Autorin beschreibt die Menschen, ihre Arbeit, ihr Hoffen und ihre Ängste, ohne zu urteilen. Der Leser kann ihr dafür danken. Natürlich und vor allem geht es in Unterleuten aber um Lebensentwürfe, um Freundschaften, Allianzen und nicht zuletzt um Feindschaft, die vor nichts zurückschreckt. Denn Hass und Gewalt sind in der kleinen Gemeinschaft derjenigen, die schon immer in Unterleuten gelebt haben, und bei jenen, die neu hinzugekommen sind, fast schon archaisch. Die Menschen werden nicht besser, nur weil sie sich kennen. Sie wissen nur genauer, wie sie einander wehtun können. Auch das ist eine unbequeme Erkenntnis, die Juli Zeh ihren Lesern präsentiert.
Und doch ist das Buch auch komisch. Etwa wenn der intellektuell salbadernde alternde Unidozent seiner jungen Frau ein ländliches Idyll erschaffen will und in seiner Rechthaberei als Vertreter der Naturschutzbehörde meint, endlich der Welt zeigen zu können, was wirklich in ihm steckt. Oder wenn der Konflikt um ständig lärmende Rasenmäher über das Wegerecht und überlaufende Toiletten gelöst wird. Denn eins ist klar: In Unterleuten bleibt man unter sich. Konflikte werden vor Ort und nicht durch irgendwelche Institutionen von außen gelöst. Unterleuten ist gewissermaßen die Welt - mehr braucht es nicht.
Juli Zeh lässt eine Erzählerin zu Wort kommen - genauso fiktiv wie Unterleuten. Durchaus ironisch gibt sie da auch gleich noch der Medienwelt einen Hieb mit. Denn aus einer Recherche über einen kurios gruseligen Todesfall, mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, wird nicht die angestrebte Magazingeschichte, sondern gleich ein ganzer Roman. Wie gut, dass es immer noch Leute gibt, die sich mit dem oberflächlichen Schein nicht abfinden, sondern tiefer wühlen und ihre Worte zu setzen wissen. Denn langweilig, das gilt für den Text der fiktiven Erzählerin wie der wahren Autorin, ist Unterleuten an keiner Stelle. Und wer nicht nur eine gute Geschichte, sondern ein richtig gutes Buch lesen will, der ist hier richtig. Vielleicht ist es ja erst der Auftakt zu einer neuen, gesamtdeutschen Literatur. Es täte dem Literaturbetrieb gut - und ich würde mich darauf freuen.
Johanna Wanka, CDU, ist Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Juli Zeh: "Unterleuten". Roman. BTB-Verlag, 656 Seiten, 12 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Juli Zehs furchtlos vor jedem Klischee ins Herz der bundesrepublikanischen Wirklichkeit zielender Gesellschaftsroman ist ein literarischer Triumph." Denis Scheck / Der Tagesspiegel
Unterleuten ist ein kleines, idyllisches Dorf in Brandenburg. Da Berlin in gut erreichbarer Nähe liegt, sind die Häuser des Dörfchens auch bei Städtern beliebt, die sich hier ihren ländlichen Traum erfüllen wollen. Diese haben es allerdings nicht immer ganz leicht, sich …
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Unterleuten ist ein kleines, idyllisches Dorf in Brandenburg. Da Berlin in gut erreichbarer Nähe liegt, sind die Häuser des Dörfchens auch bei Städtern beliebt, die sich hier ihren ländlichen Traum erfüllen wollen. Diese haben es allerdings nicht immer ganz leicht, sich mit den ungeschriebenen, dörfischen Gepflogenheiten zu arrangieren und schießen oft, ganz ungewollt, über das Ziel hinaus. Als ein großer Windpark errichtet werden soll, der nicht nur viel Geld in die relativ leere Gemeindekasse bringen könnte, sondern auch in die Taschen der Grundstückseigentümer, die ihr Land dafür veräußern müssten, beginnt die idyllische Dorffassade langsam zu bröckeln. Nicht nur die Naturschützer äußern vehement ihre Bedenken, sondern auch die unterschwelligen Feindschaften zwischen den Alteingesessenen flackern wieder auf, sodass die Stimmung im Dorf durch alten Groll, Neid und Missgunst schon bald hochexplosiv ist. Ausgerechnet eine Neuzugezogene ist im Besitz des alles entscheidenden Grundstücks, das für den Bau der Windkraftanlage unverzichtbar ist. Sie spielt allerdings ihr eigenes Spiel und sorgt so dafür, dass in Unterleuten langsam die Hölle losbricht....
In Juli Zehs Gesellschaftsroman wird man nach und nach mit den unterschiedlichen Bewohnern des Dörfchens vertraut gemacht. Am Anfang ist es nicht ganz leicht, sie alle richtig zuzuordnen und ihre Beziehungen untereinander ins Verhältnis zu setzen. Diese kleine Unsicherheit gibt sich allerdings recht bald, da die Charaktere sehr lebensecht beschrieben werden, sodass man die Besonderheiten und Eigenarten schnell aufnimmt und die entsprechende Person dann regelrecht vor Augen hat.
Und sobald das passiert ist, gibt es keine Möglichkeit mehr, sich dem Sog der Handlung zu entziehen. Denn Juli Zeh gelingt es hervorragend, dass dörfliche Leben, mit all seinen Höhen und Tiefen zu beschreiben. Die Dorfgemeinschaft in Unterleuten hält eigentlich zusammen, denn jeder kennt seinen Platz und versucht Streitigkeiten anzusprechen und intern zu regeln. Dabei ist jedem klar, wer mit wem kann, wer eigentlich das Sagen hat und wie man unterschwellige Feindschaften, die durch alte DDR-Zeiten und dem Umbruch bei der Wende ausgelöst wurden, weitestgehend ignoriert. Denn im Dorf muss schließlich jeder so verbraucht werden, wie er ist und da schaut man eben nicht immer so genau hin. Von dieser Tradition haben die Neuzugezogenen natürlich keine Ahnung und deshalb trägt ihr Verhalten unmittelbar dazu bei, dass sich die Situation Schritt für Schritt zuspitzt, um schließlich vollkommen aus dem Ruder zu laufen.
Trotz der komplexen Handlung, die aus vielen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet wird, gelingt es der Autorin, einen roten Faden zu ziehen, dem man getreulich, bis zum bitteren Ende, folgt. Man schaut dabei hinter einige Fassaden und ist entsetzt, aber gleichermaßen fasziniert, was man dort entdeckt und welche Tragödien durch die Spaltung des Dorfes ausgelöst werden.
Ich habe mich beim Lesen dieser Gesellschaftskritik sehr gut unterhalten und konnte mich, nach einer kurzen Eingewöhnungszeit, kaum noch vom Gelesenen lösen. Entsetzt und doch fasziniert, habe ich die kleinen und großen Tragödien beobachtet. Unterleuten und seine Bewohner haben mich dabei so gefangen genommen, dass ich auch nach dem Lesen der letzten Seite noch ganz im Bann der Handlung stand. Ich vergebe deshalb die Empfehlung, sich ein wenig Zeit zu nehmen und selbst einen Ausflug ins fiktive, brandenburgische Dörfchen zu machen. Es lohnt sich!
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Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft
Vorweg möchte ich sagen, dass ich mich bisher mit Büchern von Juli Zeh nicht recht anfreunden konnte. Doch diesen neuen Roman der Autorin habe ich zu meinem eigenen Erstaunen sehr gerne gelesen. Ich war angenehm überrascht.
Unterleuten ist …
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Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft
Vorweg möchte ich sagen, dass ich mich bisher mit Büchern von Juli Zeh nicht recht anfreunden konnte. Doch diesen neuen Roman der Autorin habe ich zu meinem eigenen Erstaunen sehr gerne gelesen. Ich war angenehm überrascht.
Unterleuten ist ein kleines ( fiktives ) Dorf in Brandenburg, nicht allzu weit von Berlin entfernt. Auch zwanzig Jahre nach der Wende tun sich die meisten Dofbewohner schwer mit Änderungen oder gar Neuerungen.... selbst eine richtige Kanalisation gibt es hier noch nicht. Allerdings gibt es hier inzwischen auch noch die " neu " Hinzugezogenen, die Städter, die Wessis, die von den alt eingesessenen Bürgern mit äußerster Skepsis und großem Misstrauen beäugt werden. Aber auch zwischen den ursprünglichen Bewohnern herrscht nicht nur Eingkeit. Im Gegenteil, jeder beobachtet jeden, bildet sich rasch ein ( Vor- ) Urteil. Es könnte ja sein, dass man irgendeinen Nutzen aus seinen Beobachtungen bzw. aus seinem Wissen ziehen kann oder , was noch viel schlimmer wäre, dass man selbst ausgenutzt wird. Man ist hier in diesem kleinen Dorf eben immer unter Leuten.
Die Situation spitzt sich zu, als auch in dieser vermeintlich idyllischen und ruhigen Gegend die neueste Errungenschaft der Technik hinsichtlich erneuerbarer Energien in Form eines Windparks Einzug halten soll.
Jeder kämpft nur noch um seine eigenen Interessen, sucht Verbündete und scheut nicht davor zurück, dies auf Kosten anderer zu tun.
Diese scheinbare Dorfidylle mit zum Teil ziemlich bisssigem Dorftratsch spiegelt auf wunderbare, sehr unterhaltsame Weise unsere Gesellschaft mit all ihren Ecken und Kanten, mit all ihren Höhen und Tiefen wieder. Das Dorfleben hat durchaus komödiantische Züge, aber genauso wähnt man sich als Leser/in mitten in einem Drama oder auch in einem Krimi.
Zu jeder Facette des menschlichen Wesens gibt es hier eine passende Figur, deren Charakter symbolhaft eine bestimmte Spezies darstellt : sei es der überbesorgte Naturschützer, der nur nach Profit strebende Unternehmer, die leidenschaftliche Pferdezüchterin, der berechnende Bürgermeister, der ewige Grantler und noch so einige exzentrische Persönlichkeiten mehr.
Jedes der meist eher kurzen Kapitel schildert das Geschehen aus der Perspektive eines Protagonisten und ist entsprechend mit seinem Namen betitelt. So behält man leicht den Überblick und bekommt einen detailreichen Einblick in das Leben dieser Dorfgemeinschaft.. Alle Charaktere sind sehr authentisch, wenn auch nicht immer liebenswert und sympathisch.
Es werden viele gesellschaftliche Probleme unserer Zeit ins Visier genommen und anhand von zum Teil skurrilen Situationen und einer großen Portion Ironie beleuchtet.
Der Sprachstil ist großartig, angenehm zu lesen, sehr bildhaft und lebendig, aber genauso auch sehr pointiert, kritisch und zielgerichtet.
Das Dorf Unterleuten mag fiktiv sein, aber es steht ganz sicher stellvertretend für zahlreiche ähnlicher, tatsächlich existierender Ortschaften, Dörfer oder gar Städte.
Ich habe diesen grandiosen, wirklich meisterhaft erzählten Gesellschaftsroman Seite für Seite genossen und empfehle ihn sehr, sehr gerne weiter.
Vielen Dank , dass ich ihn lesen durfte. Er ist wahrlich eine Bereicherung meiner Leseerfahrungen.
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Unterleuten ist ein Ort, der seit Jahren nach den gleichen Regeln funktioniert. Es gibt die Zugezogenen, die sich auf dem Land mehr Lebensqualität erhoffen, den Besitzer der „Ökologica“, einem landwirtschaftlichen Betrieb, der als Nachfolger der LPG nahezu einziger Arbeitgeber …
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Unterleuten ist ein Ort, der seit Jahren nach den gleichen Regeln funktioniert. Es gibt die Zugezogenen, die sich auf dem Land mehr Lebensqualität erhoffen, den Besitzer der „Ökologica“, einem landwirtschaftlichen Betrieb, der als Nachfolger der LPG nahezu einziger Arbeitgeber im Ort ist. Dann die klassischen „Wendeverlierer“, die nicht akzeptieren wollen, dass die Welt sich verändert hat. Dazwischen stehen ihre Familien, Kinder und Bekannte, die alle ihren festen Platz in dem Netz aus Beziehungen haben. Als Unterleuten zum Fördergebiet für erneuerbare Energien werden und zahlreiche Windkrafträder bekommen soll, brechen plötzlich alte Kämpfe wieder auf, Rollen werden neu verteilt und das lange so stabile Beziehungsgeflecht droht zu zerbrechen.
Juli Zeh ist mit „Unterleuten“ das Portrait einer fragilen Gesellschaftsstruktur gelungen, die sich plötzlich in einem Kampf wiederfindet. Systematisch legt sie die Schwachstellen einer Gesellschaft offen, die ohne Außenkontakt völlig in sich selbst verkeilt scheint. Personen, die von außerhalb in den Ort gezogen sind, stehen am Anfang noch distanziert am Rande und glauben, sich in diese Struktur nicht hereinziehen lassen zu wollen, doch unglaublich schnell finden sie sich selbst als Teil dieses Abhängigkeitssystems wieder, das am Ende in einen Kampf auf Leben und Tod endet. Frei nach dem Motto „Was ich nicht bekomme, soll auch keiner anderer haben!“ schraubt sich das Aggressionspotenzial sowohl im Subtilen als auch in offener Gewalt auf einer nach oben scheinbar offenen Skala immer weiter hoch, bis Entscheidungen getroffen werden, die zu Beginn noch keiner für möglich erachtet hätte.
Die Autorin beschreibt beeindruckend kühl und distanziert vom Niedergang der menschlichen Gemeinschaft angesichts der Aussicht auf Geld und Einfluss. Deprimierend einfach zerlegt sie die gesellschaftlichen Strukturen, bis am Ende nur noch Individuen stehen, die hilflos um sich schlagend ihre Position verteidigen. „Unterleuten“ ist ein großer Roman über die großen Probleme der Gesellschaft und in seiner gleichzeitig mitreißenden und spannenden Schreibweise ganz sicher herausragend in der Literaturlandschaft
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Unterleuten ist ein fiktiver Ort in der Nähe von Berlin. Hier scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein. Der Mauerfall scheint hier noch nicht angekommen zu sein. Die Einwohner bleiben unter sich und haben mit dem Rest von Deutschland wenig zu tun. Das ändert sich, als die …
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Unterleuten ist ein fiktiver Ort in der Nähe von Berlin. Hier scheinen die Uhren stehen geblieben zu sein. Der Mauerfall scheint hier noch nicht angekommen zu sein. Die Einwohner bleiben unter sich und haben mit dem Rest von Deutschland wenig zu tun. Das ändert sich, als die „Neureichen“ aus Berlin plötzlich hinzukommen.
Die Protagonisten werden sehr anschaulich und authentisch beschrieben. Dadurch kann man sich sehr gut in die Handlung hineinversetzen und sich mit den Personen „anfreunden“. Die recht überschaubare Anzahl lässt den Leser auch einfach ins Geschehen eintauchen. Juli Zeh hat es durch ihren sehr angenehmen, manchmal recht amüsanten Schreibstil geschafft, mich über 635 Seiten zu fesseln.
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Unterleuten ist ein fiktiver Ort in Brandenburg und der Titel des neuen Romans von Juli Zeh. Die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin seziert mit klarem Blick eine dörfliche Gemeinschaft im Osten Deutschlands nach der Wende. Möglicherweise hat Zeh hier auch eigene …
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Unterleuten ist ein fiktiver Ort in Brandenburg und der Titel des neuen Romans von Juli Zeh. Die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin seziert mit klarem Blick eine dörfliche Gemeinschaft im Osten Deutschlands nach der Wende. Möglicherweise hat Zeh hier auch eigene Erfahrungen verarbeitet, lebt sie doch seit geraumer Zeit im Havelland.
Die Bewohner von Unterleuten haben wechselhafte Zeiten hinter sich. Zumindest ein Teil von ihnen. Bezahlte Arbeit war und ist knapp, im Wesentlichen leben sie von den Erträgen ihres Grund und Bodens. Die Enteignungen im Zuge der Zwangskollektivierung in den sechziger Jahren haben sie weggesteckt, ebenso die Umverteilungen nach der Wende. Natürlich gibt es innerhalb des Dorfes Gewinner und Verlierer, und die daraus entstandenen Animositäten prägen den Umgang miteinander. Und dann sind da noch die Zugezogenen, Stadtflüchtlinge aus Berlin, die in Unterleuten ihren Traum vom Landleben verwirklichen möchten. Konflikte mit den Alteingesessenen sind hier schon fast vorprogrammiert. Es geht um Rivalitäten, um Intrigen, um Wendegewinner und Altkommunisten, um Abhängigkeiten finanzieller und emotionaler Natur, um Liebe und Hass. Und um einen projektierten Windpark und somit natürlich um Geld.
Es sind sehr unterschiedliche Charaktere, die die Handlung tragen: Jule und Gerhard, sie eine Übermutter in Reinkultur, er ein verkrachter Soziologe, der nun als Vogelwart die seltene Spezies der Kampfläufer in der Unterleutner Heide schützt und sämtliche Bebauungswünsche der Einwohner durch Einsprüche blockiert. Linda, von ihrem Partner insgeheim „Rossfrau“ genannt, eine willensstarke Pferdeflüsterin aus Berlin, die sich und ihren Vierbeiner in der Villa Kunterbunt ein neues Heim schaffen möchte. Grombowski, Großgrundbesitzer und Geschäftsführer der Ökologica, schon zu DDR-Zeiten auf der Siegerstraße, der skrupellos in der Wahl seiner Mittel ist. Kron, ein kämpferischer Altkommunist, vom Leben gezeichnet und seiner Behinderung gehandicapt. Und Schaller, ein Typ raue Schale, weicher Kern, der begnadete Mechaniker und Nachbar von Jule und Gerhard, die ihn nur „das Tier“ nennen - meine Lieblingsfigur.
Die Autorin lässt in ihrem umfangreichen Roman einen auktorialen Erzähler die Geschehnisse aus den wechselnden Perspektiven der Unterleutner schildern. Die einzelnen Kapitel sind jeweils mit dem Namen des Protagonisten überschrieben, sodass die Zuordnung sehr einfach ist. Der Leser entwickelt Nähe zu diesen Menschen, aber kaum Sympathien, da (fast) jeder in Unterleuten seine eigenen Ziele verfolgt.
Sie geizt auch nicht mit spitzen Bemerkungen zur politischen Situation in diesem unserem Lande, aber immer in dem passenden Kontext. Natürlich kann sie das eine oder andere Klischee nicht vermeiden, wenn Stadt und Land aufeinandertreffen. Aber darüber kann und sollte man großzügig hinwegsehen, es fällt auch kaum ins Gewicht. Juli Zeh hat mit „Unterleuten“ einen Gesellschaftsroman geschrieben, wie man es in erster Linie von den amerikanischen Autoren kennt. Mir fällt hier spontan Jonathan Franzen ein. Ein großer Wurf von einer der besten Autorinnen, die wir momentan in Deutschland haben – Lesen!
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Ein absolut gelungener, wenn auch etwas kritischer Gesellschaftsroman, der mich wirklich fasziniert hat. Ein fiktiver Ort, nahe Berlin, wo die Uhren und Zeitgenossen noch anders ticken. Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben und die Wende noch nicht erfolgt. Die Bewohner des Ortes …
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Ein absolut gelungener, wenn auch etwas kritischer Gesellschaftsroman, der mich wirklich fasziniert hat. Ein fiktiver Ort, nahe Berlin, wo die Uhren und Zeitgenossen noch anders ticken. Es ist, als wäre die Zeit stehen geblieben und die Wende noch nicht erfolgt. Die Bewohner des Ortes Unterleuten regeln ihre Dinge selbstständig, ohne das Zutun von Obrigkeiten. Es ist vorprogrammiert, dass auch in Unterleuten irgendwann ein Umdenken nötig ist und das Chaos ausbrechen wird, denn niemand kann in der Zeit verharren, wenn sich die Uhren woanders weiterdrehen. Mich hat manches köstlich amüsiert, da es sehr authentisch wirkt, auf der anderen Seite aber auch nachdenklich gestimmt, denn man muss auch die kritische Seite des Romans erkennen. "Unterleuten" ist absolut gelungen in Schrift und Bild, da es Dinge vertieft, die wenn wir uns umsehen, genauso geschehen könnten. Es ist also nicht alles Fiktion, sondern könnte einer gewissen Beobachtungsgabe der Autorin unterliegen. Ein Roman, der sich einer gewissen Personenpsychologie bemächtigt und mich dadurch wirklich gefesselt hat. Für mich war das Lesen überraschend hochwertig und ich werde definitiv noch weitere Bücher der Autorin lesen wollen, da ihre Wortwahl und Sprachgewaltigkeit regelrecht überzeugt hat. Natürlich muss man einiges kritisch betrachten, aber andererseits vielleicht auch die eine oder andere Wahrheit zwischen den Zeilen entdecken können,
Die wechselnden Perspektiven machen "Unterleuten" sehr lebendig. Die Darstellung und Handlungen der verschiedenen Protagonisten hauchen wirklich Leben ein und verdeutlichen immer wieder, dass die Welt in "Unterleuten" stehengeblieben ist. Kommunist trifft auf Neureiche und das Chaos ist vorprogrammiert, denn plötzlich weht ein ganz anderer Wind und für Erneuerungen sind die Menschen nicht bereit. Es werden Dinge aufgegriffen, die oftmals in Vergessenheit geraten sind und dennoch zu unserem Zeitgeschehen hinzugefügt werden müssen. Lehrreich, amüsant und absolut lesenswert! Leseempfehlung!
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Wenn in Unterleuten, einem kleinen Dorf in Brandenburg, überwiegend Kopien der eigenen Person leben würden, dann, ja dann wäre das Leben dort vermutlich sehr idyllisch und harmonisch. So aber treffen Menschen aufeinander, von denen sich jede/r im Besitz der …
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Wenn in Unterleuten, einem kleinen Dorf in Brandenburg, überwiegend Kopien der eigenen Person leben würden, dann, ja dann wäre das Leben dort vermutlich sehr idyllisch und harmonisch. So aber treffen Menschen aufeinander, von denen sich jede/r im Besitz der alleinglückseligmachenden Wahrheit meint, während der Rest nur Stuß verzapft. Darüberhinaus pflegen praktisch Alle ihre Vermutungen und Erwartungen über die Anderen, die im seltensten Fall positiv sind. Jede/r traut jeder/m das Schlechteste zu und fast wie eine Art selbsterfüllender Prophezeiung geschehen Dinge, die die eigene Meinung noch bestätigen. Statt miteinander wird mehr übereinander geredet und so verbreiten sich Mutmaßungen und Argwohn in Windesweile im Dorf. Stadtbewohner (junge Frau, alter Mann) gegen grobschlächtigen Einheimischen - die Frau nennt diesen nur 'das Tier'. Naturschützer gegen Unternehmen - man schreibt Briefe. Kommunist gegen Kapitalist - eine Feindschaft, die keinerlei sachliche Grundlage hat. Ehemann gegen Ehefrau in unterschiedlichen Konstellationen - Erwartungen und Vermutungen werden nicht ausgesprochen, stattdessen schweigt man bis zum bitteren Ende. Als dann im Dorf ein Streit über die Errichtung eines Windparks beginnt, werden diese Beziehungsgeflechte auf's Äußerste strapaziert, wobei die alten Konflikte mit einer ungeheuren Heftigkeit wieder aufbrechen und die NeubürgerInnen direkt miteinbeziehen.
Obwohl das Buch mehr als 600 Seiten hat, lässt es sich weglesen wie ein Unterhaltungsroman. Die Figuren, die erst recht klischeehaft daherkommen, entwickeln sich ziemlich schnell zu eigenständigen Persönlichkeiten, sodass von der ursprünglichen Schablonenhaftigkeit nicht mehr viel bleibt. Gombrowski beispielsweise, der massige, ungeschlachte und auch brutale Wendegewinner hat eine überaus sensible Seite, von der aber nur die Wenigsten wissen - was ihn dennoch nicht von seinem Verhalten Anderen gegenüber freispricht. Schaller, sein ehemaliger Angestellter und Handlanger ist ähnlich ungeschlacht, wenn auch nicht so schlau wie dieser. Sein Schicksal ist derart unvorstellbar, dass ich mehr Mitgefühl als alles andere für ihn empfand. Und so ist es bei fast allen Figuren in diesem Roman, so eindimensional zu Beginn sie auch daherkommen mögen: Jeder/r von ihnen hat eine Geschichte, die sich zu erzählen lohnt. Von Juli Zeh habe ich kürzlich in einem Interview gelesen, dass Jonathan Franzen einer ihrer Lieblingsschriftsteller ist. "Mit seinem Roman 'Freiheit' kam ich mir wieder vor wie als Kind, als ich mit der Taschenlampe unter der Decke Seite um Seite verschlungen und alles andere vergessen habe. Es gibt nicht viele, die es beherrschen, so realistisch zu erzählen, ohne dass es dröge wird. Franzen schafft es, die Welt in der wir leben, anschaulich zu machen." Liebe Juli Zeh, Sie schaffen das auch! Danke dafür!
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Ich erhielt das Buch als Testleserin und freute mich sehr darüber, denn ich hatte schon so viel Gutes über das Buch gehört.
Also begann ich voller Erwartung zu lesen. Doch leider kann ich die vielen positiven Rezensionen nicht nachvollziehen.
In den Buch geht es um …
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Ich erhielt das Buch als Testleserin und freute mich sehr darüber, denn ich hatte schon so viel Gutes über das Buch gehört.
Also begann ich voller Erwartung zu lesen. Doch leider kann ich die vielen positiven Rezensionen nicht nachvollziehen.
In den Buch geht es um "Wendegewinner und Wendeverlierer" in einen Dorf in Brandenburg. Ein Thema was mich sehr interessiert. Aber nein hier sagte mir die Handlung nicht zu. Zum einen weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es so etwas geben kann. Mir erschien alles überspitzt. Allein wie die Menschen in Unterleuten sich miteinander unterhielten und miteinander umgingen, erinnerte mich mehr an eine Show. Soetwas ist mir noch nicht einmal ansatzweise begegnet. Aber gut, dass hätte ich noch akzeptieren können, da eine überspitzte Darstellung gesellschaftlicher Probleme nicht so schlecht ist.
Mein Problem beim Lesen war, dass ich die Übersicht verloren habe. Wer war noch mal das und in welche Beziehungen waren untereinander? Diese Frage stellte ich leider zu oft und das Lesen wurde recht mühselig.
Vielleicht lag es ja auch an mir, dass mir das Lesen und Aufnehmen des Buches solche Probleme bereitet hat. Ich halte das Buch nach wie vor für sehr anspruchsvoll und denke, dass man für das Lesen den "Kopf frei haben" sollte, denn ein Buch für zwischendurch ist es nicht.
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Meine Meinung
Ich war ein paar Tage in Unterleuten. Das Dorf in der ehemaligen DDR hat mich stellenweise das Fürchten gelehrt. Wer nun denkt, das fiktive Örtchen in der Priegnitz im westlichen Brandenburg wäre ein lauschiges Plätzchen, liegt falsch! Im Gegenteil! Die …
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Meine Meinung
Ich war ein paar Tage in Unterleuten. Das Dorf in der ehemaligen DDR hat mich stellenweise das Fürchten gelehrt. Wer nun denkt, das fiktive Örtchen in der Priegnitz im westlichen Brandenburg wäre ein lauschiges Plätzchen, liegt falsch! Im Gegenteil! Die Anonymität einer Großstadt lässt einen viel freier leben. Der Lärm und die Menschenmassen sind einkalkulierbar. Den Bürgermeister kennt man selten persönlich.
Damit kann Unterleuten nicht dienen. Die wunderbare Landschaft und die idyllischen Häuschen bergen skurrile Charaktere. Da wird einem Ehepaar, mit einem kleinen Kind, Atemluft und Stille madig gemacht. So etwas passiert, wenn der Nachbar eine Autowerkstatt im Garten nebenan errichtet und oft Rauchschwaden zu den Nachbarfenstern ziehen. Da erübrigt sich das Öffnen der Fenster. Wer tauscht schon gerne Naturluft mit verbranntem Gummi ein? Bei hohen Temperaturen wird das Haus schnell mal zur Sauna.
Wer denkt, in Unterleuten dürfte es kein Problem sein, eine Pferdekoppel zu errichten, wird bald eines Besseren belehrt. Eine Genehmigung von Naturschützern zu erhalten, kann da leicht zu einer Lebensaufgabe werden. Noch dazu, wenn das heiß ersehnte Pferd noch in Berlin lebt.
Die wunderbare Natur, mit ihren seltenen Vögeln, soll mit Windrädern verziert werden. Das führt bald dazu, dass in einigen Dorfbewohnern die korrupte Seite auf Hochtouren läuft.
Die Charaktere und ihre Handlungen kamen mir oft ziemlich aus der Luft gegriffen vor. Nach längerem Überlegen habe ich aber festgestellt, dass jeder solche Menschen kennt. Würde ich heute über die Menschen, die ich bisher in meinem Leben kennengelernt habe, eine Geschichte schreiben, wäre ich auf der Stelle in Unterleuten angekommen. Ich muss sie nicht mal alle persönlich kennen. Mal ganz ehrlich ... können wir immer verhindern, was die Politik uns vorschreibt? Sind wir immer damit einverstanden, welche Veränderung ein Bürgermeister in Städte und kleinere Ortschaften bringt?
Selbst wenn man gute Nachbarn hat, kennt man doch jemanden, der sich mit seinen Nachbarn ständig ärgern muss.
Wer kennt sie nicht, die alte Frau die nur noch für Katzen lebt? Oder eine junge Frau, die einen älteren Mann heiratet? Nicht immer hat die junge Frau einen Grund, zu ihrem älteren Mann aufzuschauen. Das wird besonders in dieser Geschichte deutlich. Oder das junge Paar, wo ein Partner ausschließlich seine eigenen Interessen vertritt. Nicht selten verlässt eine Ehefrau ihren brutalen Ehemann, nach vielen Ehejahren.
Irgendwie ist in Unterleuten einer dem anderen was schuldig. Ein Todesfall ist auch nach Jahren noch nicht geklärt.
Fazit
Ich habe mir die Namen der Personen gespart. Ihr werdet die Leute alle selber kennen lernen. Ich bin mir sicher, Ihr kennt sie schon. Intrigen und eine sehr detaillierte Schreibweise haben Unterleuten zu einem Ort gemacht, den ich jetzt wirklich kenne. Gewalt, Lügen und Intrigen hauchen der Geschichte 635 Seiten Spannung ein.
Hundeliebhaber wird es bei einer bestimmten Szene Tränen in die Augen treiben.
Stimmt, ich wollte keine Namen nennen. Ich habe es mir anders überlegt! Einen nenne ich Euch. Von einem Mann, der mich in dieser Geschichte am meisten beeindruckt hat. Ich wusste lange nicht, ist dieser große, dicke Mann, mit Tränensäcken und Hängebacken, nun eigentlich gutmütig oder gefährlich? Meint er es mit sämtlichen Menschen wirklich gut? Ich dachte eigentlich schon. Er wirkte auf mich oft unbeholfen und traurig. Wie ein armes Hündchen kam er mir vor. Sein Name ist: GOMBROWSKI!!!!
Gombrowski hat mich am Ende total schockiert! Ich habe mich sehr geekelt. Ihr werdet Euch auch ekeln! Sagt bitte hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt!
Juli Zehs Gesellschaftsroman wird nicht umsonst so hochgelobt. Mich konnte die Geschichte überzeugen.
Vielen Dank Juli Zeh. Unterleuten ist eines der besten Bücher, die ich bisher gelesen habe.
Mein Dank gilt dem Luchter-Verlag
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Lucy Finkbeiner lässt grüßen
Man darf ihn als Opus magnum von Juli Zeh bezeichnen, den neuen Roman mit dem wunderbar deskriptiven, originellen Titel «Unterleuten». Eine Gesellschaftsroman also, wobei es sich hier um Leute einer fiktiven dörflichen Gemeinschaft in …
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Lucy Finkbeiner lässt grüßen
Man darf ihn als Opus magnum von Juli Zeh bezeichnen, den neuen Roman mit dem wunderbar deskriptiven, originellen Titel «Unterleuten». Eine Gesellschaftsroman also, wobei es sich hier um Leute einer fiktiven dörflichen Gemeinschaft in Brandenburg handelt. Man schreibe, hat sich die Autorin mal geäußert, immer nur über das, was nicht klappt, und zwar, soweit es ihr Schreiben betreffe, ohne Intention. Und so ist es denn auch, ihr ambitionierter Dorfroman ist ein klug angelegtes Epos vom Scheitern, ganz ohne Botschaft. Und er ist wahrlich keine Hymne auf das Landleben, obwohl das ja nahegelegen hätte bei einer Autorin, die persönlich auch «Landflucht» begangen hat. Es sind Phänomene der Zeit, mit denen sich die politisch engagierte und streitbare Autorin vornehmlich auseinandersetzt, hier speziell das komplizierte Spannungsgeflecht im Mikrokosmos eines überschaubaren Soziotops aus Einheimischen und Zugezogenen in der Nähe Berlins.
Die zeitlich im Sommer 2010 angesiedelte Geschichte weist ein vielköpfiges Ensemble von Figuren auf, deren jeweiliges Agieren kapitelweise wechselnd erzählt wird. Als Protagonist ist dabei der ehemalige Großgrundbesitzer Gombrowski dominant, der nach den Enteignungen durch die DDR Vorsitzender der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft von Unterleuten wurde und nach der Wende dann Chef der neugegründeten Ökologica GmbH, die aus dieser LPG hervorging. Er ist nicht nur der größte Arbeitgeber im Dorf, er hält auch alle Fäden in der Hand in einem nur von wenigen Eingeweihten durchschaubaren, virtuosen Wechselspiel von gegenseitigen Abhängigkeiten der Dorfbewohner. Man regelt in diesen Kreisen alle Angelegenheiten unter sich, die Obrigkeit wird nicht gebraucht beim Austarieren von Forderungen und Gegenforderungen, die oft auch mit brutaler Gewalt geregelt werden.
In diesem literarischen Panoptikum fehlt weder der unbelehrbare Altkommunist noch die geldgierige Heuschrecke, die toughe Pferdeflüsterin aus der Villa Kunterbunt, ein zum Vogelschützer mutierter Soziologe, der gewalttätige Autoschrauber als Gombrowskis Mann fürs Grobe, die demente Oma mit zwanzig Katzen, der wirklichkeitsferne Nerd, der marionettenhaft im Dienste Gombrowskis handelnde Bürgermeister, um nur die Wichtigsten zu nennen. Bei dieser sich großenteils schon während der DDR-Zeit gebildeten Gemengelage wirkt der projektierte und politisch stark forcierte Bau einer Windkraftanlage wie die Lunte am Pulverfass, es kommt zu diversen Konflikten aller Beteiligten, und beteiligt ist in dem kleinen Dorf letztendlich jeder. Und alle scheitern am Ende auch, wie wir in einem Epilog der eigentlichen Autorin von «Unterleuten», der Journalistin Lucy Finkbeiner erfahren, in dem sie kurz die Vorgeschichte ihres uns vorliegenden Romans und das weitere Schicksal ihrer Figuren über das Romanende hinaus skizziert. Eine ähnliche Camouflage benutzt Juli Zeh auch, indem sie die «Pferdefrau» in ihren Handlungsstrategien gläubig dem real existierenden Ratgeberbuch «Dein Erfolg» von Manfred Gortz folgen lässt, ein in Wahrheit aber von ihr selbst unter Pseudonym geschriebenes Werk, das «sofort als Satire erkennbar» sei, wie sie angemerkt hat.
Gegensatzpaare wie Natur/Technik, Ossis/Wessis, Reiche/Habenichtse, Landvolk/Großstädter, Utopisten/Ewiggestrige kennzeichnen das Geschehen, und immer wieder gibt es trotzdem Zweckallianzen, - aus jeweils knallhartem Kalkül, Empathie ist nirgendwo im Spiel bei alldem. Der extrem handlungsorientierte Roman wird sprachlich betont sachlich und distanziert erzählt. An verblüffend vielen stimmigen Details erkennt man Juli Zehs äußerst penible Recherchearbeit, in ihrem Plot konzentriert sie sich ansonsten weitgehend auf die psychologischen Aspekte ihrer diversen Figuren. Ihr journalistisch nüchterner Text - Lucy Finkbeiner lässt grüßen - zeichnet gekonnt ein zeitkritisches Stimmungsbild der Gegenwart, zum wirklich großen Roman aber fehlt ihm das entscheidende Quantum Emotionalität.
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