Autor im Porträt
Daniel Kehlmann
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Daniel Kehlmann über Leo Perutz / Bücher meines Lebens Bd.6
Gebundenes Buch
Es ist eine unglaubliche Entdeckungsreise. Daniel Kehlmann, Autor des Weltbestsellers »Die Vermessung der Welt« und des historischen Zauberromans »Tyll«, führt uns tief hinein in das Werk des unbekanntesten Großmeisters der deutschen Literatur: Leo Perutz.
Voller Verehrung, Begeisterung und mit tiefer Kenntnis stellt uns Kehlmann die Bücher jenes Mannes vor, der 1882 in Prag zur Welt kam, in Wien studierte, in Kaffeehäusern schrieb und in derselben Versicherungsanstalt wie Franz Kafka sein Brot verdiente. Leo Perutz war ein bedeutender Vertreter sowohl der großen osteuropäisch-jüdischen Erzähltradition als auch der Wiener Moderne. Sein Meisterwerk ist der Roman »Nachts unter der steinernen Brücke«.
Kehlmann beschreibt eindrücklich, welch tiefe Spuren Perutz in seinem eigenen Werk hinterlassen hat. Und teilt mit uns seine Verblüffung darüber, dass dieser Mann heute nicht zu den berühmtesten Romanciers seiner Sprache gehört. Mit diesem Buch könnte sich das ändern.
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Voller Verehrung, Begeisterung und mit tiefer Kenntnis stellt uns Kehlmann die Bücher jenes Mannes vor, der 1882 in Prag zur Welt kam, in Wien studierte, in Kaffeehäusern schrieb und in derselben Versicherungsanstalt wie Franz Kafka sein Brot verdiente. Leo Perutz war ein bedeutender Vertreter sowohl der großen osteuropäisch-jüdischen Erzähltradition als auch der Wiener Moderne. Sein Meisterwerk ist der Roman »Nachts unter der steinernen Brücke«.
Kehlmann beschreibt eindrücklich, welch tiefe Spuren Perutz in seinem eigenen Werk hinterlassen hat. Und teilt mit uns seine Verblüffung darüber, dass dieser Mann heute nicht zu den berühmtesten Romanciers seiner Sprache gehört. Mit diesem Buch könnte sich das ändern.
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20,00 €
Lichtspiel
Gebundenes Buch
Daniel Kehlmanns Roman über einen Filmregisseur im Dritten Reich, über Kunst und Macht, Schönheit und Barbarei ist ein Triumph. Lichtspiel zeigt, was Literatur vermag: durch Erfindung die Wahrheit hervortreten zu lassen.
Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G. W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen.
…mehr
Einer der Größten des Kinos, vielleicht der größte Regisseur seiner Epoche: Zur Machtergreifung dreht G. W. Pabst in Frankreich; vor den Gräueln des neuen Deutschlands flieht er nach Hollywood. Aber unter der blendenden Sonne Kaliforniens sieht der weltberühmte Regisseur mit einem Mal aus wie ein Zwerg. Nicht einmal Greta Garbo, die er unsterblich gemacht hat, kann ihm helfen. Und so findet Pabst sich, fast wie ohne eigenes Zutun, in seiner Heimat Österreich wieder, die nun Ostmark heißt. Die barbarische Natur des Regimes spürt die heimgekehrte Familie mit aller Deutlichkeit. Doch der Propagandaminister in Berlin will das Filmgenie haben, er kennt keinen Widerspruch, und er verspricht viel. Während Pabst noch glaubt, dass er dem Werben widerstehen, dass er sich keiner Diktatur als der der Kunst fügen wird, ist er schon den ersten Schritt in die rettungslose Verstrickung gegangen.
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26,00 €
Daniel Kehlmann
Kehlmann, DanielDaniel Kehlmann, 1975 in München geboren, wurde für sein Werk unter anderem mit dem Candide-Preis, dem WELT-Literaturpreis, dem Per-Olov-Enquist-Preis, dem Kleist-Preis, dem Thomas-Mann-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet, zuletzt wurden ihm der Frank-Schirrmacher-Preis, der Schubart-Literaturpreis und der Anton-Wildgans-Preis verliehen. Sein Roman "Die Vermessung der Welt" ist zu einem der erfolgreichsten deutschen Romane der Nachkriegszeit geworden, und auch sein Roman "Tyll" stand monatelang auf der Bestsellerliste und findet begeisterte Leser im In- und Ausland. Daniel Kehlmann lebt zurzeit in Berlin und New York.Daniel Kehlmann: "Tyll"
Als Narr gegen die Ordnung der Dinge
Daniel Kehlmann greift in seinem neuen Roman die Geschichte des Tyll Ulenspiegel auf und entwirft ein philosophisches Historienpanorama
Gleich mit dem ersten Kapitel bemerkt der Leser: Daniel Kehlmann hat sich in seinem neuen Roman der legendären Figur des Till Eulenspiegel nicht angenommen, um die weithin bekannten Scherze und Tricksereien des Narren abermals nachzuerzählen. Themen wie Tod und Gott, die Frage nach Glauben und Mystik oder das Leben des Untertanen als Spielball größerer Mächte werden in diesem einleitenden Stück zu einem packend erzählten Potpourri vermischt. Tyll Ulenspiegel, wie Kehlmann seinen Helden nennt, erscheint nicht als schnöder Spaßmacher. Vielmehr wird er als mythische Figur mit dämonischem Antlitz eingeführt, die über den Dingen zu schweben scheint und der die Ordnung der Wirklichkeit nichts anhaben kann. Ganz im Gegenteil macht sie sich diese Welt untertan und gestaltet sie nach ihren Regeln.
Kehlmann, der spätestens mit seinem Buch "Die Vermessung der Welt" zu einem Autor von Weltrang wurde, verlegt die Geschichte des "Tyll" in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also in…mehr
Daniel Kehlmann greift in seinem neuen Roman die Geschichte des Tyll Ulenspiegel auf und entwirft ein philosophisches Historienpanorama
Gleich mit dem ersten Kapitel bemerkt der Leser: Daniel Kehlmann hat sich in seinem neuen Roman der legendären Figur des Till Eulenspiegel nicht angenommen, um die weithin bekannten Scherze und Tricksereien des Narren abermals nachzuerzählen. Themen wie Tod und Gott, die Frage nach Glauben und Mystik oder das Leben des Untertanen als Spielball größerer Mächte werden in diesem einleitenden Stück zu einem packend erzählten Potpourri vermischt. Tyll Ulenspiegel, wie Kehlmann seinen Helden nennt, erscheint nicht als schnöder Spaßmacher. Vielmehr wird er als mythische Figur mit dämonischem Antlitz eingeführt, die über den Dingen zu schweben scheint und der die Ordnung der Wirklichkeit nichts anhaben kann. Ganz im Gegenteil macht sie sich diese Welt untertan und gestaltet sie nach ihren Regeln.
Kehlmann, der spätestens mit seinem Buch "Die Vermessung der Welt" zu einem Autor von Weltrang wurde, verlegt die Geschichte des "Tyll" in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also in…mehr
Als Narr gegen die Ordnung der Dinge
Daniel Kehlmann greift in seinem neuen Roman die Geschichte des Tyll Ulenspiegel auf und entwirft ein philosophisches Historienpanorama
Gleich mit dem ersten Kapitel bemerkt der Leser: Daniel Kehlmann hat sich in seinem neuen Roman der legendären Figur des Till Eulenspiegel nicht angenommen, um die weithin bekannten Scherze und Tricksereien des Narren abermals nachzuerzählen. Themen wie Tod und Gott, die Frage nach Glauben und Mystik oder das Leben des Untertanen als Spielball größerer Mächte werden in diesem einleitenden Stück zu einem packend erzählten Potpourri vermischt. Tyll Ulenspiegel, wie Kehlmann seinen Helden nennt, erscheint nicht als schnöder Spaßmacher. Vielmehr wird er als mythische Figur mit dämonischem Antlitz eingeführt, die über den Dingen zu schweben scheint und der die Ordnung der Wirklichkeit nichts anhaben kann. Ganz im Gegenteil macht sie sich diese Welt untertan und gestaltet sie nach ihren Regeln.
Kehlmann, der spätestens mit seinem Buch "Die Vermessung der Welt" zu einem Autor von Weltrang wurde, verlegt die Geschichte des "Tyll" in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es ist eine düstere Zeit, in der Mörderbanden und Söldner durch die verwüsteten deutschen Lande marodieren. Die Pest grassiert. Hungersnöte plagen die Bevölkerung. Der Tod ist überall präsent. Die Welt scheint völlig aus den Fugen geraten. Gleichzeitig ist es eine Zeit des Wandels; das Streben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen löst langsam Aberglaube, Hokuspokus und Alchemie ab. So tut sich Raum für eine neue säkulare und aufgeklärte Weltsicht auf.
Tyll ist der Sohn des Müllers Claus Ulenspiegel und wächst in einem Dorf in Norddeutschland auf. Sein Vater ist ein neugieriger Mann, der - für die damalige Zeit ungewöhnlich - lesen kann und der sich mit Medizin, Heilen und Hexerei beschäftigt. Es ist ein armes Dasein, das die Familie fristet, bedroht von schlechten Ernten und häufigen Schicksalsschlägen, die das Leben unsicher und schmerzlich machen. Nach einem Unfall in jungen Jahren beschließt Tyll, dass er nicht sterben will. Er zeigt Talent für das Jonglieren und den Seiltanz. "Tyll tanzt, als hätte er es gelernt, er tanzt, als hätte sein Körper keine Schwere und als gäbe es kein größeres Vergnügen. Er springt und dreht sich und springt wieder, als hätte er nicht gerade erst alles verloren, und es ist so ansteckend, dass ein paar und dann noch ein paar und dann immer mehr von den Zuhörern ebenfalls zu tanzen beginnen."
Hier wächst kein gewöhnlicher Junge heran, sondern einer, der mutig genug ist, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Nach einem tragischen Vorfall verändert sich Tylls Leben für immer. Er muss fliehen. Zusammen mit einer Freundin zieht er hinaus in die Welt, trifft einen Bänkelsänger, dann den grimmigen Pirmin, der den beiden alles über die Kunst der Gauklerei und des Narrentums beibringt. Zum einen erzählt Kehlmann Tylls Odyssee, zum anderen wird das Wirken Tylls in anderen Kapiteln aus der Sicht von weiteren Protagonisten und historischen Figuren wie dem schwedischen König Friedrich V., von dessen Frau Elisabeth Stuart oder von Adam Olearius, dem Gottorfer Hofmathematiker, erzählt. Kehlmann geht es offensichtlich nicht darum, Tylls Leben und Narreteien an den Höfen der damaligen Welt in aller Ausführlichkeit wiederzugeben. Stattdessen entwirft er in einer brennend poetischen Sprache ein episches Historienpanorama, in dem sich die Lebenswege vieler damals berühmter Persönlichkeiten zu einem philosophischen Drama vermengen. Tyll ist in diesem von Kehlmann mit viel Verve erzählten Stück der Narr, der es wagt, die allgemeingültigen Regeln infrage zu stellen. Intuitiv wendet er sich einer anderen, einer neuen Wirklichkeit zu, deren Ordnung am Horizont aufschimmert, die aber für die meisten noch nicht erkennbar ist. Kehlmann ist damit auch ein Buch gelungen, das Zuversicht geben kann - in einer Zeit der Krisen, der Verunsicherung und der Ängste.
Daniel Kehlmann greift in seinem neuen Roman die Geschichte des Tyll Ulenspiegel auf und entwirft ein philosophisches Historienpanorama
Gleich mit dem ersten Kapitel bemerkt der Leser: Daniel Kehlmann hat sich in seinem neuen Roman der legendären Figur des Till Eulenspiegel nicht angenommen, um die weithin bekannten Scherze und Tricksereien des Narren abermals nachzuerzählen. Themen wie Tod und Gott, die Frage nach Glauben und Mystik oder das Leben des Untertanen als Spielball größerer Mächte werden in diesem einleitenden Stück zu einem packend erzählten Potpourri vermischt. Tyll Ulenspiegel, wie Kehlmann seinen Helden nennt, erscheint nicht als schnöder Spaßmacher. Vielmehr wird er als mythische Figur mit dämonischem Antlitz eingeführt, die über den Dingen zu schweben scheint und der die Ordnung der Wirklichkeit nichts anhaben kann. Ganz im Gegenteil macht sie sich diese Welt untertan und gestaltet sie nach ihren Regeln.
Kehlmann, der spätestens mit seinem Buch "Die Vermessung der Welt" zu einem Autor von Weltrang wurde, verlegt die Geschichte des "Tyll" in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, also in die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es ist eine düstere Zeit, in der Mörderbanden und Söldner durch die verwüsteten deutschen Lande marodieren. Die Pest grassiert. Hungersnöte plagen die Bevölkerung. Der Tod ist überall präsent. Die Welt scheint völlig aus den Fugen geraten. Gleichzeitig ist es eine Zeit des Wandels; das Streben nach wissenschaftlichen Erkenntnissen löst langsam Aberglaube, Hokuspokus und Alchemie ab. So tut sich Raum für eine neue säkulare und aufgeklärte Weltsicht auf.
Tyll ist der Sohn des Müllers Claus Ulenspiegel und wächst in einem Dorf in Norddeutschland auf. Sein Vater ist ein neugieriger Mann, der - für die damalige Zeit ungewöhnlich - lesen kann und der sich mit Medizin, Heilen und Hexerei beschäftigt. Es ist ein armes Dasein, das die Familie fristet, bedroht von schlechten Ernten und häufigen Schicksalsschlägen, die das Leben unsicher und schmerzlich machen. Nach einem Unfall in jungen Jahren beschließt Tyll, dass er nicht sterben will. Er zeigt Talent für das Jonglieren und den Seiltanz. "Tyll tanzt, als hätte er es gelernt, er tanzt, als hätte sein Körper keine Schwere und als gäbe es kein größeres Vergnügen. Er springt und dreht sich und springt wieder, als hätte er nicht gerade erst alles verloren, und es ist so ansteckend, dass ein paar und dann noch ein paar und dann immer mehr von den Zuhörern ebenfalls zu tanzen beginnen."
Hier wächst kein gewöhnlicher Junge heran, sondern einer, der mutig genug ist, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Nach einem tragischen Vorfall verändert sich Tylls Leben für immer. Er muss fliehen. Zusammen mit einer Freundin zieht er hinaus in die Welt, trifft einen Bänkelsänger, dann den grimmigen Pirmin, der den beiden alles über die Kunst der Gauklerei und des Narrentums beibringt. Zum einen erzählt Kehlmann Tylls Odyssee, zum anderen wird das Wirken Tylls in anderen Kapiteln aus der Sicht von weiteren Protagonisten und historischen Figuren wie dem schwedischen König Friedrich V., von dessen Frau Elisabeth Stuart oder von Adam Olearius, dem Gottorfer Hofmathematiker, erzählt. Kehlmann geht es offensichtlich nicht darum, Tylls Leben und Narreteien an den Höfen der damaligen Welt in aller Ausführlichkeit wiederzugeben. Stattdessen entwirft er in einer brennend poetischen Sprache ein episches Historienpanorama, in dem sich die Lebenswege vieler damals berühmter Persönlichkeiten zu einem philosophischen Drama vermengen. Tyll ist in diesem von Kehlmann mit viel Verve erzählten Stück der Narr, der es wagt, die allgemeingültigen Regeln infrage zu stellen. Intuitiv wendet er sich einer anderen, einer neuen Wirklichkeit zu, deren Ordnung am Horizont aufschimmert, die aber für die meisten noch nicht erkennbar ist. Kehlmann ist damit auch ein Buch gelungen, das Zuversicht geben kann - in einer Zeit der Krisen, der Verunsicherung und der Ängste.
Interview mit Daniel Kehlmann zum Roman "Tyll"
Interview mit Daniel Kehlmann zum Roman "Tyll"
Gleich eine Frage vorweg: Wurden Sie im Deutschunterricht in der Schule auch mit Nacherzählungen von Till Eulenspiegels Scherzen malträtiert? Begleitet Sie Till also schon sehr lange? Oder sind Sie erst kürzlich auf ihn gestoßen?
Daniel Kehlmann: Er begleitet mich, seitdem ich als Kind Erich Kästners Nacherzählung gelesen habe. Später habe ich dann Charles de Costers großen Roman "Ulenspiegel" in den Niederlanden gelesen. Aber in der Schule ist er mir zum Glück nie begegnet, sonst hätte ich mich wahrscheinlich von ihm ferngehalten. Schule hat einfach diesen Effekt, das ist schade, aber man kann dagegen nichts tun.
Was fasziniert Sie an der Figur des Till Eulenspiegel, dem eine historische Figur aus dem 14. Jahrhundert zugrunde liegen soll, die im niedersächsischen Mölln gelebt hat?
Daniel Kehlmann: Er ist rätselhaft und anarchisch. Lustig ist er nicht mehr wirklich für uns, er verkörpert eher der Geist des Humors selbst, aber er ist nicht jemand, über den wir wirklich noch lachen können. Es war vor allem diese unheimliche Dimension, die mich gereizt hat, ich verstehe meine…mehr
Gleich eine Frage vorweg: Wurden Sie im Deutschunterricht in der Schule auch mit Nacherzählungen von Till Eulenspiegels Scherzen malträtiert? Begleitet Sie Till also schon sehr lange? Oder sind Sie erst kürzlich auf ihn gestoßen?
Daniel Kehlmann: Er begleitet mich, seitdem ich als Kind Erich Kästners Nacherzählung gelesen habe. Später habe ich dann Charles de Costers großen Roman "Ulenspiegel" in den Niederlanden gelesen. Aber in der Schule ist er mir zum Glück nie begegnet, sonst hätte ich mich wahrscheinlich von ihm ferngehalten. Schule hat einfach diesen Effekt, das ist schade, aber man kann dagegen nichts tun.
Was fasziniert Sie an der Figur des Till Eulenspiegel, dem eine historische Figur aus dem 14. Jahrhundert zugrunde liegen soll, die im niedersächsischen Mölln gelebt hat?
Daniel Kehlmann: Er ist rätselhaft und anarchisch. Lustig ist er nicht mehr wirklich für uns, er verkörpert eher der Geist des Humors selbst, aber er ist nicht jemand, über den wir wirklich noch lachen können. Es war vor allem diese unheimliche Dimension, die mich gereizt hat, ich verstehe meine…mehr
Interview mit Daniel Kehlmann zum Roman "Tyll"
Gleich eine Frage vorweg: Wurden Sie im Deutschunterricht in der Schule auch mit Nacherzählungen von Till Eulenspiegels Scherzen malträtiert? Begleitet Sie Till also schon sehr lange? Oder sind Sie erst kürzlich auf ihn gestoßen?
Daniel Kehlmann: Er begleitet mich, seitdem ich als Kind Erich Kästners Nacherzählung gelesen habe. Später habe ich dann Charles de Costers großen Roman "Ulenspiegel" in den Niederlanden gelesen. Aber in der Schule ist er mir zum Glück nie begegnet, sonst hätte ich mich wahrscheinlich von ihm ferngehalten. Schule hat einfach diesen Effekt, das ist schade, aber man kann dagegen nichts tun.
Was fasziniert Sie an der Figur des Till Eulenspiegel, dem eine historische Figur aus dem 14. Jahrhundert zugrunde liegen soll, die im niedersächsischen Mölln gelebt hat?
Daniel Kehlmann: Er ist rätselhaft und anarchisch. Lustig ist er nicht mehr wirklich für uns, er verkörpert eher der Geist des Humors selbst, aber er ist nicht jemand, über den wir wirklich noch lachen können. Es war vor allem diese unheimliche Dimension, die mich gereizt hat, ich verstehe meine Tyll-Figur selbst nicht, weder begreife ich ihre Motivationen, noch ihre Handlungen und Ansichten. Es war fast so, als hätte Tyll mich ausgesucht, nicht ich ihn.
In Ihrem Roman erfinden Sie die Biografie des Tyll Ulenspiegel neu und verlegen sein Leben in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, also ins 17. Jahrhundert - eine düstere Zeit, in der moralische Regeln und die Weltsicht der Vernunft aus den Angeln gehoben werden. Ist Tyll jemand, der sich gegen dieses Chaos und diese Abgründe stemmt?
Daniel Kehlmann: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Er versucht, in dieser dunklen Zeit zu überleben. Er ist ganz gut darin, er gedeiht sogar. Er macht die Welt nicht schlechter, aber er ist auch nicht daran interessiert, sie besser zu machen. Er will leben. Und das gelingt ihm.
Gleichzeitig hält Tyll den Menschen mit seinen Scherzen ihre Niederträchtigkeiten und Unzulänglichkeiten vor. Ist er so etwas wie ein fatalistischer oder dämonischer Humanist?
Daniel Kehlmann: Mein Tyll ist sicher mehr dämonisch als Humanist, aber er ist auch nicht bösartig; er hat sadistische Züge, aber Menschen, denen es schlecht geht, tut er normalerweise nichts an.
Wie hat sich die Arbeit an dem Buch gestaltet? Haben Sie eingehend über Tills Leben und die Welt des 17. Jahrhunderts recherchiert?
Daniel Kehlmann: Vor allem über die Welt des 17. Jahrhunderts - jahrelang. Hätte ich vorher gewusst, wie schwierig das ist, wie fremd diese Welt ist, ich hätte es wahrscheinlich nicht unternommen. Eine vor-aufklärerische Welt, in der praktisch jeder an Magie glaubt und niemand je Wasser trinken kann (alle Brunnen waren kontaminiert) - eine sehr fremde und durchwegs alkoholisierte Welt, in die man sich schwer hineinversetzen kann, aber gelingt es einem, istes ein großes geistiges Abenteuer.
Bei der Lektürehat man den Eindruck, dass der Schreibprozess Ihnen sehr viel Spaß gemacht haben muss - es findet sich sehr viel unterschwelliger Humor in Ihrer Sprache, die Szenen pochen vor Lebendigkeit. War der Schreibprozess tatsächlich so leicht, wie er wirkt?
Daniel Kehlmann: Teilweise ja, dann wieder über weite Strecken nicht. Ich habe vier Jahre an dem Buch gearbeitet, aber für die letzten zweihundert Seiten habe ich nur wenige Monate gebraucht. Es war zugleich das Schwerste und dann am Ende plötzlich das Leichteste all meiner Bücher.
Der Roman spielt in den Zeiten der Glaubenskriege - Tyll ist niemand, der sich religiösen Ordnungen unterwerfen würde, er tänzelt über den Ordnungen und scheint nicht von dieser Welt zu sein, beflügelt von einer nahezu übernatürlichen Lebenskraft. War es Ihnen auch ein Anliegen, die Kraft des Irrationalen, des Geheimnisvollen und Magischen zu beschwören?
Daniel Kehlmann: Das geschieht ganz von selbst, wenn man sich ins 17. Jahrhundert versetzt. Wie gesagt, jedermann glaubte an Magie, die Aufklärung war noch weit entfernt, da hat man es ganz von selbst mit der Kraft des Geheimnisvollen und des Magischen zu tun - und man muss sich dem eher entgegenstellen. Zum Beispiel war mir klar, dass es in meinem Buch keine Hexen geben dürfte. Die Hexenprozesse sind ein furchtbares historisches Unrecht, unzählige Menschen wurden auf unsagbare Art gefoltert und getötet, da darf man sich dann nicht der Folklore hingeben, die Hexen beim Erzählen zu etwas Realem zu machen. Es gibt Magie in meinem Buch, aber Hexen gibt es nicht!
Die Welt, die Sie im Buch beschreiben, ist aus den Fugen geraten. Man ist gewillt, Ihr Buch auch als Interpretation für unsere Welt zu sehen, in der die Verheißungen des Liberalismus an die Grenzen der Realität gestoßen zu sein scheinen, in der Kriege, Krisen und Terror neue Unsicherheiten bringen. Wenn Tylls Wirken und Leben ein Sinnbild für die Macht der Kunst ist: Kann die Kunst in unruhigen Zeiten helfen, eine Orientierung zu geben? Oder ist die Macht der Kunst nur ein fauler Trost?
Daniel Kehlmann: Sie ist vielleicht der einzige Trost, aber nur solange man der Gefahr entkommt. Das schafft Tyll ja immer wieder. Ich muss zugeben, dass mir die Arbeit an dem Roman dabei geholfen hat, mit den täglichen Schlagzeilen fertigzuwerden. Wir sehen voll Schaudern nach Syrien, aber im Dreißigjährigen Krieg waren wir Syrien, und ganz Europa versank in einem Schrecken ohne Ende. Davon zu erzählen gibt einem historische Perspektive, man erschrickt dann nicht über alles gleich so sehr. Zugleich weiß man auch, wie fragil die Ordnung ist und wie schnell die Katastrophe da sein kann.
Gleich eine Frage vorweg: Wurden Sie im Deutschunterricht in der Schule auch mit Nacherzählungen von Till Eulenspiegels Scherzen malträtiert? Begleitet Sie Till also schon sehr lange? Oder sind Sie erst kürzlich auf ihn gestoßen?
Daniel Kehlmann: Er begleitet mich, seitdem ich als Kind Erich Kästners Nacherzählung gelesen habe. Später habe ich dann Charles de Costers großen Roman "Ulenspiegel" in den Niederlanden gelesen. Aber in der Schule ist er mir zum Glück nie begegnet, sonst hätte ich mich wahrscheinlich von ihm ferngehalten. Schule hat einfach diesen Effekt, das ist schade, aber man kann dagegen nichts tun.
Was fasziniert Sie an der Figur des Till Eulenspiegel, dem eine historische Figur aus dem 14. Jahrhundert zugrunde liegen soll, die im niedersächsischen Mölln gelebt hat?
Daniel Kehlmann: Er ist rätselhaft und anarchisch. Lustig ist er nicht mehr wirklich für uns, er verkörpert eher der Geist des Humors selbst, aber er ist nicht jemand, über den wir wirklich noch lachen können. Es war vor allem diese unheimliche Dimension, die mich gereizt hat, ich verstehe meine Tyll-Figur selbst nicht, weder begreife ich ihre Motivationen, noch ihre Handlungen und Ansichten. Es war fast so, als hätte Tyll mich ausgesucht, nicht ich ihn.
In Ihrem Roman erfinden Sie die Biografie des Tyll Ulenspiegel neu und verlegen sein Leben in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, also ins 17. Jahrhundert - eine düstere Zeit, in der moralische Regeln und die Weltsicht der Vernunft aus den Angeln gehoben werden. Ist Tyll jemand, der sich gegen dieses Chaos und diese Abgründe stemmt?
Daniel Kehlmann: Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Er versucht, in dieser dunklen Zeit zu überleben. Er ist ganz gut darin, er gedeiht sogar. Er macht die Welt nicht schlechter, aber er ist auch nicht daran interessiert, sie besser zu machen. Er will leben. Und das gelingt ihm.
Gleichzeitig hält Tyll den Menschen mit seinen Scherzen ihre Niederträchtigkeiten und Unzulänglichkeiten vor. Ist er so etwas wie ein fatalistischer oder dämonischer Humanist?
Daniel Kehlmann: Mein Tyll ist sicher mehr dämonisch als Humanist, aber er ist auch nicht bösartig; er hat sadistische Züge, aber Menschen, denen es schlecht geht, tut er normalerweise nichts an.
Wie hat sich die Arbeit an dem Buch gestaltet? Haben Sie eingehend über Tills Leben und die Welt des 17. Jahrhunderts recherchiert?
Daniel Kehlmann: Vor allem über die Welt des 17. Jahrhunderts - jahrelang. Hätte ich vorher gewusst, wie schwierig das ist, wie fremd diese Welt ist, ich hätte es wahrscheinlich nicht unternommen. Eine vor-aufklärerische Welt, in der praktisch jeder an Magie glaubt und niemand je Wasser trinken kann (alle Brunnen waren kontaminiert) - eine sehr fremde und durchwegs alkoholisierte Welt, in die man sich schwer hineinversetzen kann, aber gelingt es einem, istes ein großes geistiges Abenteuer.
Bei der Lektürehat man den Eindruck, dass der Schreibprozess Ihnen sehr viel Spaß gemacht haben muss - es findet sich sehr viel unterschwelliger Humor in Ihrer Sprache, die Szenen pochen vor Lebendigkeit. War der Schreibprozess tatsächlich so leicht, wie er wirkt?
Daniel Kehlmann: Teilweise ja, dann wieder über weite Strecken nicht. Ich habe vier Jahre an dem Buch gearbeitet, aber für die letzten zweihundert Seiten habe ich nur wenige Monate gebraucht. Es war zugleich das Schwerste und dann am Ende plötzlich das Leichteste all meiner Bücher.
Der Roman spielt in den Zeiten der Glaubenskriege - Tyll ist niemand, der sich religiösen Ordnungen unterwerfen würde, er tänzelt über den Ordnungen und scheint nicht von dieser Welt zu sein, beflügelt von einer nahezu übernatürlichen Lebenskraft. War es Ihnen auch ein Anliegen, die Kraft des Irrationalen, des Geheimnisvollen und Magischen zu beschwören?
Daniel Kehlmann: Das geschieht ganz von selbst, wenn man sich ins 17. Jahrhundert versetzt. Wie gesagt, jedermann glaubte an Magie, die Aufklärung war noch weit entfernt, da hat man es ganz von selbst mit der Kraft des Geheimnisvollen und des Magischen zu tun - und man muss sich dem eher entgegenstellen. Zum Beispiel war mir klar, dass es in meinem Buch keine Hexen geben dürfte. Die Hexenprozesse sind ein furchtbares historisches Unrecht, unzählige Menschen wurden auf unsagbare Art gefoltert und getötet, da darf man sich dann nicht der Folklore hingeben, die Hexen beim Erzählen zu etwas Realem zu machen. Es gibt Magie in meinem Buch, aber Hexen gibt es nicht!
Die Welt, die Sie im Buch beschreiben, ist aus den Fugen geraten. Man ist gewillt, Ihr Buch auch als Interpretation für unsere Welt zu sehen, in der die Verheißungen des Liberalismus an die Grenzen der Realität gestoßen zu sein scheinen, in der Kriege, Krisen und Terror neue Unsicherheiten bringen. Wenn Tylls Wirken und Leben ein Sinnbild für die Macht der Kunst ist: Kann die Kunst in unruhigen Zeiten helfen, eine Orientierung zu geben? Oder ist die Macht der Kunst nur ein fauler Trost?
Daniel Kehlmann: Sie ist vielleicht der einzige Trost, aber nur solange man der Gefahr entkommt. Das schafft Tyll ja immer wieder. Ich muss zugeben, dass mir die Arbeit an dem Roman dabei geholfen hat, mit den täglichen Schlagzeilen fertigzuwerden. Wir sehen voll Schaudern nach Syrien, aber im Dreißigjährigen Krieg waren wir Syrien, und ganz Europa versank in einem Schrecken ohne Ende. Davon zu erzählen gibt einem historische Perspektive, man erschrickt dann nicht über alles gleich so sehr. Zugleich weiß man auch, wie fragil die Ordnung ist und wie schnell die Katastrophe da sein kann.
Kundenbewertungen
Lichtspiel
"Es ist die Geschichte des Regisseurs G. W. Pabst: Kinogenie, Emigrant, Rückkehrer in Hitlers Reich; ein Roman über Kunst und Macht, über Angst, Verführung und über das Böse." (Klappentext)
Das ist schlicht und einfach Weltliteratur auf aller höchstem Niveau! #danielkehlmann hat mit #lichtspiel
ein Werk der Extraklasse geschrieben - wieder einmal ein Wurf der ganz besonderen Art!
Dass #danielkehlmann Schreiben kann wie ein Erzählgigant, ist für mich unumstritten - wie kommen all diese Bilder in seinen Kopf, wie schafft er es nur die Wirklichkeit so einzufangen, dass sie zu einem beeindruckenden, fiktionalen Zeitdokument wird. So gerne würde ich mich darüber mal mit ihm unterhalten! Er schafft aber noch etwas weiteres, was nicht jeden Schriftsteller*innen gelingt: es scheint, als stecke er alles, was in ihm ist, mit einer schier immensen Intensität, die nichts an einer sprudelnden Leichtigkeit einbüßt, in all seine Werke, so dass jeder dieser einfach Weltliteratur werden muss. Dabei übertrumpht er durch Innovation irgendwie ein wenig den davor geschriebenen Roman, ohne ihn aber in seiner Kanonberechtigung zu mindern, denn alles zu seiner Zeit - alle gehören zum Kehlmannrad und so viel mehr können in ihm noch Platz finden.
Mit #lichtspiel schenkt er den Augen in der Welt ein Werk eines Mitläufers - brandaktuell wichtig. #dervorleser von #bernhardschlink öffnete mir 2001 eine Welt, warum ein Mensch aus einer ausgegrenzten Schicht zum Mitläufer, gar zum Täter wurde. Hier öffnet sich mir eine Welt, warum ein Mensch aus einer Kunstoberschicht der Reichen und Schönen zum Mitläufer wird. Wichtige Geschichten von denen man lernen kann, und die erzählt gehören, nur nicht jeder kann das, aber ein Schlink und Kehlmann schon!
"'Oder wir sterben', sagte sie. 'So schlimm wäre das auch nicht. Es sind so viele gestorben. Es fällt kaum ins Gewicht.' 'Ja', sagte er. 'Oder wir sterben.'
So standen sie, hielten sich aneinander fest und warteten." (S.450)
Durch böse Mächte sterben oder nicht? - das scheint nicht nur die Frage der Stunde, es scheint ein sich inmer drehendes Rad. Wann stoppen wir Menschen dieses endlich?
Lesen - auch bitte an den Schulen!
Lichtspiel
Bewertung von Bewertungswiesel am 01.10.2023
Der neue Kehlmann präsentiert sich auf schwarzem Hintergrund, mit weißen und roten Lettern, also in den Farben der preußischen Fahne. Wir haben es mit einem hochkarätigen historischen Roman zu tun. Er zeigt die Geschichte des deutschen Films, von Stummfilm bis Nachkriegs-Heimatfilm.
Mit Ironie und einem beeindruckenden Gespür für die Schwächen der Menschen schickt uns der Autor auf die Spuren des berühmten Regisseurs G.W. Pabst. Dieser war eine Art Wendehals. Im Herzen politisch links, verfilmte er Brechts „Dreigroschenoper“, lehnte Hitlers Machtergreifung ab, versuchte sein Glück in Paris und Hollywood, konnte sich allerdings, nicht zuletzt aufgrund rudimentärer Englischkenntnisse, dort nicht durchsetzen und landete zunächst aus privaten Gründen wieder in seiner Heimat Österreich, die jetzt Ostmark hieß. Dort ließ er sich von den Nazis vereinnahmen, wobei er sich immerhin von klassischen Propagandafilmen fern hielt und versuchte, einfach weiter gute Filme zu machen. Bis zuletzt redete er sich selbst ein, er kämpfe für die reine Kunst.
Schon der Einstieg in den Roman ist brillant! Wir befinden uns in der Gegenwart, die Perspektive ist die seines, inzwischen senilen Assistenten Wilzek.
Kehlmann liebt die indirekte Rede, dennoch wirken die Dialoge unmittelbar und echt. Atmosphärisch dicht und immer ganz nah am tiefsten Inneren der Menschen kommen nach und nach andere Personen in den Fokus.
Wer sich für das Kino interessiert, findet in diesem Roman, was möglicherweise hinter den Kulissen in den Köpfen der Beteiligten geschah. Wer einen ungewöhnlichen Roman über die Nazizeit lesen möchte, sollte diesen hier nicht auslassen.
Kehlmann ist wieder einmal genial!
Lichtspiel
Ich war von „Tyll“ schwer beeindruckt und habe dieses Buch für einen sicheren Tipp gehalten. Und der Prolog scheint das noch absolut zu bestätigen. Da wird ein dementer Mann aus seinem Pflegeheim in eine Fernsehshow gezerrt. Man möchte ihn zu seiner Vergangenheit als Filmschaffender befragen, aber er gibt nicht die Antworten, die man sich gewünscht hat. Und was ist mit dem Film, der nie veröffentlicht wurde?
Das ist ein genialer Einstieg in ein Buch mit genialem Thema und macht genau das, was mir am Tyll so gefallen hat: Es transportiert elegant allzu Menschliches und deutet unterschwellig einen Hintergrund an, der eigentlich nicht erzählt wird. Leider erschöpft sich das im Prolog.
Was danach kommt, ist durchaus eine interessante, geschickt aufgebaute Geschichte, nur die Figuren werden dabei so überzeichnet, dass man kaum noch jemanden ernst nehmen kann.
Das Leben von G.W. Pabst bietet eine ganze Menge Themen. Als einer der ersten Filmregisseure hat er Filmhistorie miterlebt und gestaltet, den deutschen Film durchs Dritte Reich begleitet und sogar Asyl in Hollywood gesucht. Sein verschollenes Werk ist bis heute ein Mysterium und dessen Entstehung bringt sogar eine Spur Enthüllungsjournalismus ins Spiel. Nur geht dieser geniale Ansatz komplett unter, indem man ihn durch Witzfiguren ausgestalten. Sogar Papst selbst tritt weitgehend als unbeholfener Wicht in Erscheinung, der von seinem eigenen Hausmeister tyrannisiert wird, der selbst irgendwas zwischen Quasimodo und Dracula ist.
Wir lernen Berühmtheiten in Massen kennen, von denen keiner ein Gesicht bekommt. Nahezu blankes Namedropping berührt niemanden.
Meine anfängliche Begeisterung für dieses Buch hat sehr schnell nachgelassen. Es ist eine tolle Geschichte und ein originelles Stück Historie, die einem nahe gehen sollte. Ich konnte sie leider zu großen Teilen nicht ernst nehmen.
Lichtspiel
Bewertung von urmeli am 04.11.2023
Mit sehr gut recherchierten und fundierten Kenntnissen bringt uns Daniel Kehlmann die Welt der Filmschaffenden näher. Georg Wilhelm Pabst war in der Weimarer Republik ein angesehener und erfolgreicher Filmregisseur, sein Film „die freudlose Gasse“ brachte Greta Garbo den Durchbruch. In den 30er Jahren verließen immer mehr Künstler Deutschland und Österreich. Auch Pabst ging nun nach Hollywood, doch er blieb nicht lange. Die Geldgeber hatten das Sagen, er kam mit der Sprache und Kultur nicht zurecht. Da auch seine alte und demente Mutter Hilfe benötigte kam er mit Frau und Sohn wieder zurück. Mit Kriegsausbruch gab es keine Chance mehr auf Ausreise und der deutsche Film, der durch die wenigen noch verbliebenen Filmemacher und das Ausbleiben der amerikanischen Filme am Boden lag, musste mit aller Kraft am Leben erhalten werden. So geriet auch Pabst in die Propagandamaschinerie des dritten Reiches.
Wir erfahren viel über die Produktion eines Filmes, über Künstler und Regisseure der damaligen Zeit. Arrangiert man sich mit dem System, leistet man Widerstand oder wird man zum Täter, so wie Jakob, Pabst Sohn, der als Kind zum fanatischen Nazi wird. Oder wie Gertrude, Pabst Frau, die fast daran zugrunde geht.
Aus verschiedenen Perspektiven wird hier ganz hervorragend, teils mit kurzen Abschweifungen, die Zeit vor, während und nach Kriegsende die Welt des Filmemachens erzählt. Das Meisterwerk, das Pabst immer anstrebte ist Daniel Kehlmann gelungen.
Lichtspiel
Den Einstieg in das Buch fand ich bereits großartig. Eine demente Nebenfigur führt uns in die Geschichte ein, lässt Dinge erahnen ohne zu viel zu verraten.
Im Weiteren begleiten wir den Filmregisseur G.W. Papst in Zeiten des Nationalsozialismus. Wenngleich ich in einem anderen Roman schon einmal Einblick in die Filmindustrie zu dieser Zeit hatte gewinnen können, hebt sich das Buch von anderen historischen Romanen über das Dritte Reich ab.
Der Autor schafft es, fast nebenbei die sich verändernden Umstände, die sich wandelnden Personen und schließlich auch den Krieg selbst auf den Lesenden einwirken zu lassen. Die Mischung aus Filmgeschichte, persönlichem Schicksal und allgemeiner Historie finde ich sehr gelungen. Bis zum Ende war ich mir nicht sicher, wie viel von all dem auf Fakten beruht und welche Anteile erzählerischer Freiheit entspringen.
Herausstellen möchte ich die teils sehr bedrückende Atmosphäre, die der Erzähler schafft, ohne dabei auf Blutvergießen oder brutale Szenen zurückzugreifen. Für diesen Roman, welcher wohl kaum als Bettlektüre dient, musste ich mir Zeit nehmen - Stunden, in denen ich sowohl unterhalten, als auch nachdenklich gestimmt wurde.
Insgesamt kann ich eine klare Leseempfehlung aussprechen!
Lichtspiel
Großartig! Nachdem ich Daniel Kehlmanns neuen Roman "Lichtspiel" zu Ende gelesen habe, frage ich mich, warum ich eigentlich überhaupt andere Bücher von anderen Autor:innen lese... was wohl nur daran liegen kann, dass ich offensichtlich mehr lesen als Kehlmann schreiben kann. Und seinem neuen Werk merkt man das Ausgereifte in jeder Zeile an. Sprachlich hervorragend, exzellente Komposition und dabei noch absolut filmreif. Und schließlich geht es ja auch um Letzteres. So lautet es im letzten Drittel des Romans: "Die Zeit war aus den Fugen, überall, und man musste einen Weg finden, seine Arbeit zu machen. In diesem Moment bebte die Erde. Ein ziehendes Gefühl lief ihnen durch die Glieder, man glaubte zu fallen." 'Lichtspiel' umfasst die Zeitspanne von der 'Einverleibung' Österreichs ins Reich bis in die frühe Nachkriegszeit. Der deutsche Regisseur G.W.Pabst kehrt aus Sorge um die hilfsbedürftige Mutter und auch wegen seines nur mäßigen Erfolges in Amerika mit Frau und Sohn zurück nach Deutschland / Österreich. Weil schon sehr bald die Grenzen dicht sind, gelingt die Rückreise in die USA nicht mehr und Pabst wird von den Nzis vereinnahmt, ist gezwungen, 'deutsche Filme' zu machen. Kehlmann versteht es - auch unter zuhilfenahme wechselnder Erzählperspektiven - den Konflikt Pabst's, seinen Versuch die Passion des Regieführens nicht der totalen Anpassung an die Forderungen der Nazis zu opfern, präzise zu beschreiben. Dabei überlässt Kehlmann die Bewertung von Pabst's Verhalten der Leserschaft. Was gut und genau richtig ist. Immer wieder tauchen Berühmtheiten des deutschen Films auf und viel Aufmerksamkeit wird Pabst's verschollenem Film aus den letzten Kriegstagen gewidmet - die Welt bastelt an ihrem Untergang und Pabst dreht einfach nur einen Film... Gerahmt wird die eigentliche Geschichte durch Szenen aus der nahen Gegenwart... der ehemalige Kameramann, wegen seiner Demenz inzwischen wohnhaft in einem Seniorenstift, wird in eine populäre Fernsehshow eingeladen, in der es weniger um ihn selbst sondern vielmehr um den Regisseur Pabst und seine Zusammenarbeit mit ihm geht; und natürlich wird es zu einem peinlichen Auftritt, weil der Kameramann die ihm gestellten Fragen nicht beantworten und sich nicht mehr recht erinnern kann... Und so ist die eigentliche Geschichte gerahmt von 'Vergessen'. Und damit dies NICHT geschieht, hat Kehlmann uns mit "Lichtspiel" ein Werk geschenkt, dass uns förmlich zwingt, wieder hinzuschauen, sich nicht nur an ein Damals zurückzuerinnern, welches beinahe das freie Wesen der Kunst der rein propagandistischen, ideologisierten Unterhaltung geopfert hätte, sondern auch das Hier und Heute in den Blick zu nehmen und wachsam zu sein gegenüber Rchtsruck und Populismus. Für mich der bislang beste Roman in diesem Jahr!!!
Lichtspiel
Gustav Gründgens, Heinz Rühmann, Wilhelm Furtwängler - Geschichten der Stars der NS-Zeit wurden schon viele erzählt. Auf den ersten Blick scheint es, dass DANIEL KEHLMANN ihnen mit der des österreichischen Regisseurs G.W.Pabst eine weitere hinzufügt.
Doch was Daniel Kehlmann daraus macht, ist im wahrsten Sinne großes Kino. Bis zur Comicreife überzeichnete Charaktere, scharf- und doppelzüngige Schlagabtausche, Komik, bei der das Lachen schon unterhalb des Halses stecken bleibt, rasante Schnitte, schwindelerregende Perspektivwechsel. Ich hatte das Gefühl, mich in einem Kinosessel festschnallen zu müssen, aber nicht, um einem betulichen Unterhaltungs- oder Durchhaltefilm der nazideutschen Propagandamaschinerie zu folgen, sondern in einem Action-Abenteuer der 2000er Jahre.
Nun kann man sich fragen, ob das der Sache dient. Doch was ist eigentlich die Sache? Zunächst mal die vielleicht einzigartige und auch verstörende Geschichte des österreichischen Regisseurs G.W.Pabst zu erzählen. Pabst machte sich in Zeiten der Weimarer Republik unter dem Spitznamen „Der Rote Pabst“ mit pazifistischen linksorientierten Filmen einen Namen, war nach der Machtübernahme 1933 bereits in Amerika und Frankreich erfolgreich und ist durch eine Verkettung verschiedener Umstände 1939 nach Österreich zurückkehrt und geblieben. Und arbeitete. Drehte auf Wunsch und Geheiß von Joseph Goebbels persönlich Filme mit „subtilen Propagandatendenzen“ (Wikipedia).
Daniel Kehlmann lässt ihn sagen: „Die Zeiten sind immer seltsam. Kunst ist immer unpassend. Immer unnötig, wenn sie entsteht. Und später, wenn man zurückblickt, ist sie das Einzige, was wichtig war.“ S. 366
Warum? Warum, fragt man sich die ganze Zeit und auch Daniel Kehlmann sagt in einem Interview, dass, hätte er EINE Frage, die er G.W.Pabst noch stellen dürfe, es die nach dem Warum seiner Rückkehr wäre. Warum tut er sich und seiner Familie das an? Lässt seinen Sohn unter der Nazipropaganda groß, seine Frau fast verrückt vor Angst und Unwohlsein mit dem täglichen Arrangement werden?
Ein lupenreiner Opportunist? Wie weit ist Opportunismus – gerade in der Kunst - ENTschuldbar? Wie weit darf man gehen – für die Kunst? Wann beginnt Schuld? Wenn die Antwort auf diese Fragen so einfach wäre!
Diese Fragen ins Heute zu holen ist meiner Meinung nach die zweite wichtige Sache an diesem Roman. Wie versetzt man der historischen Kulisse einen Anstrich, mit dem uns das Spiel zwischen Macht und Manipulation vs. Anpassung und Duldung direkt vor die Füße fällt? Durch Fiktion, Überzeichnung, Witz, Slapstik, Magie, Illusion und Desillusion, Licht- und Schattenspiele! Das ist nichts zum Wohlfühlen, keine Geschichte, die einem das Herz öffnet. Das ist eine Geisterbahnfahrt durch die Abgründe der menschlichen Seele unter gruppendynamischen Zwängen – nicht nur in totalitären Systemen. Mitreißend erzählt. Fast 500 Seiten ohne einen Moment der Langeweile, selbst wenn das Personal am Set zuweilen etwas unübersichtlich wird und mir nicht jede Szene ihren Sinn erschließt. Wer Freude am Googlen und Faktencheck beim Lesen hat, wird hier auf seine Kosten kommen. Es geht aber auch ohne und wird zum Genuss, wenn man sich dem Sog dieses Spielfilms … äh … Romans überlässt.
Lichtspiel
G. W. Pabst
Lichtspiel ist ein interessanter Roman aus der Feder des Autors Daniel Kehlmann.
Erst war ich skeptisch, ob das Thema mich interessiert, aber dann ging es schon gut weiter.
Er führt uns in das Leben des berühmten Regisseur Georg Wilhelm Pabst ein.
Seine ersten Filme waren noch Stummfilme. Er achte die Greta Garbo zur Göttlichen.
Als die Nazis an die Macht kamen, drehte er gerade in Frankreich einen Film. Dann beschloss er nach Hollywood zu gehen. Das klappte nicht so richtig, er wäre wohl besser gewesen, wenn er erst die Sprache gelernt hätte.
Der Autor lässt uns an den Gedankengänge des Regisseurs direkt mitdenken.
Mir hat auch gut gefallen, wie der Autor den Sohn Jakob hineingeschrieben hat.
Immer wenn er in eine neue Schule kam, musste er sich erst beweisen.
Diese ganze Geschichte war fesselnd und brillant vorgegeben.
Der Roman hat mich gut Unterhalten.
Lichtspiel
Bewertung von amara5 am 27.10.2023
Kunst im Grauen
Der deutsch-österreichische Bestseller- Autor Daniel Kehlmann legt mit „Lichtspiel“ einen grandiosen Roman vor, in dem er biografische Eckdaten des großen Filmregisseurs Georg Wilhelm Pabst (1885-1967) mit einer fiktiven Geschichte über das Überleben im Nationalsozialismus verbindet. Brillant komponiert, düster-lakonisch getroffen und absolut packend zeigt er, wie angepasste Kunst durch Unterwerfung unter der NS-Diktatur weiterlaufen kann und wie Menschen schleichend zu Mitläufern wurden.
Aus auktorialer und wechselnder Erzählperspektive schildert Daniel Lehmann, wie der gefeierte und links angehauchte Stummfilm-Regisseur („Die freudlose Gasse“, „Die Dreigroschenoper“ oder „Die weiße Hölle vom Piz Palü“) G.W. Pabst zuerst in Sicherheit „draußen“ im Exil in den USA war, dort aber keinen adäquaten Einstieg in die Filmbranche erhält. Zusammen mit seiner Frau Trude und seinem Sohn Jakob tut er das Unglaubliche und geht zurück ins angeschlossene Österreich – auch weil seine geliebte Mutter krank ist. Wieder „drinnen“ im Nationalsozialismus, werden bald die Grenzen geschlossen, der Zweite Weltkrieg beginnt und die Familie kann nicht wieder zurück – sie muss innerhalb des NS-Systems überleben und Pabst wird bald von Nazi-Propagandaminister Goebbels unter übler Androhung als Filmemacher rekrutiert. Schon bald fügt sich der Meister des Filmschnitts und G.W. Pabst will erneut große Kunst erschaffen.
„Die Zeiten sind immer seltsam. Kunst ist immer unpassend. Immer unnötig, wenn sie entsteht. Und später, wenn man zurückblickt, ist sie das Einzige, was wichtig war.“
Finster, eindringlich und mit subtiler Lakonie zeigt sich, wie die Familie sich anpasst: Jakob wird selbst Jung-Nazi, Trude erliegt dem Alkohol, denn nur so erträgt sie die bitteren Begegnungen in ihrem Karrasch-Lesezirkel und Pabst arrangiert sich. Der Roman lebt von der faszinierenden, einzigartigen Sprache, den scharfsinnigen Beobachtungen und den filmischen Beschreibungen – jedes Kapitel ist perfekt aufgebaut und leuchtet zudem mit zahlreichen kinematografischen Details Pabst' Karriere auf. Als kleiner roter Faden dient sein Film „Der Fall Molander“, an dem Pabst besessen mitten im Krieg arbeitet und dessen Material zu Kriegsende verschwunden ist.
Es ist ein grauenhaftes, brutales Setting, in dem die Shoah beginnt und die Deutschen versuchen, durch Angepasstheit zu überleben. Und trotzdem gelingt Kehlmann das Unfassbare, auch ironischen Humor, böse Situationskomik, bizarr-groteske Szenen und große Spannung einzubinden – fast erscheint „Lichtspiel“ selbst als ein intensiv inszenierter Stummfilm, in dem die Protagonisten mit dem Böse ringen und ihre moralische Unschuld verlieren. Ein Highlight, in dem viele schaurige Szenen ergreifend nachhallen.
Lichtspiel
Bewertung von Estherliest am 07.01.2024
Das Buch erzählt die Geschichte des Regisseurs GW Pabst, der zur Zeit des Nationalsozialismus versucht, in Deutschland Filme zu drehen. Obwohl er zunächst vor den Nazis in die USA flieht, kehrt er noch während Hitler an der Macht ist nach Deutschland zurück, um seine Mutter zu pflegen. Die Nazis werden auf ihn aufmerksam, und so gerät er in die Mühlen der Propaganda und dreht schließlich Filme für Göbbels.
Das Buch ist aus verschiedenen Perspektiven geschrieben. Mir hat sehr gut gefallen, wie zwiespältig die Figur des Pabst beschrieben ist, der alles andere als ein überzeugter Nazi zu sein scheint, aber sich im Sinne seiner Berufung und der Möglichkeit der Umsetzung seiner Ideen vor den Karren spannen lässt. Eine beeindruckende Beschreibung einer Figur, die stellvertretend steht für alle „Mitläufer“ im Dritten Reich.
Außerdem fand ich spannend, wie das Filmemachen überhaupt möglich war in Zeiten des Krieges. Man taucht ein in eine ganz neue Thematik inmitten der vielen „Naziromane“. Auch andere reale Personen tauchen auf, wie Leni Riefenstahl und Joseph Goebbels, was ich interessant fand.
Insgesamt total lesenswert, auch wegen der kurzweiligen Kapitel und der hin und wieder aufkeimenden Komik.
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