John Boyne
MP3-CD
Als die Welt zerbrach
MP3 CD. 714 Min.. Lesung.Ungekürzte Ausgabe
Übersetzung: Schickenberg, Michael; Schweder-Schreiner, Nicolai von;Gesprochen: Günther, Elisabeth
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Die lang erwartete Fortsetzung des Weltbestsellers »Der Junge im gestreiften Pyjama«1946. Drei Jahre nach dem katastrophalen Ereignis, das ihre Familie zerriss, fliehen eine Mutter und ihre Tochter von Polen nach Paris. Blind vor Sorge und Schuldgefühlen begreifen sie nicht, wie schwer es ist, der Vergangenheit zu entkommen.Fast achtzig Jahre später führt Gretel Fernsby in ihrem Londoner Villenviertel ein ruhiges Leben, Welten entfernt von der traumatischen Kindheit. Als eine junge Familie in die Wohnung unter ihr zieht, hofft sie, dass die eingespielte Hausgemeinschaft nicht aus dem Glei...
Die lang erwartete Fortsetzung des Weltbestsellers »Der Junge im gestreiften Pyjama«
1946. Drei Jahre nach dem katastrophalen Ereignis, das ihre Familie zerriss, fliehen eine Mutter und ihre Tochter von Polen nach Paris. Blind vor Sorge und Schuldgefühlen begreifen sie nicht, wie schwer es ist, der Vergangenheit zu entkommen.
Fast achtzig Jahre später führt Gretel Fernsby in ihrem Londoner Villenviertel ein ruhiges Leben, Welten entfernt von der traumatischen Kindheit. Als eine junge Familie in die Wohnung unter ihr zieht, hofft sie, dass die eingespielte Hausgemeinschaft nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Doch der neunjährige Henry weckt Erinnerungen, denen sie sich nicht stellen will.
Gretel steht plötzlich vor der Wahl zwischen ihrer eigenen und Henrys Sicherheit. Eine Wahl, der sie sich ganz ähnlich schon einmal gegenübersah. Damals wurde sie mit ihrer unentschuldbaren Entscheidung zur Mittäterin. Aber sollte sie jetzt eingreifen, riskiert sie, Geheimnisse zu enthüllen, die sie ein Leben lang gehütet hat ...
1946. Drei Jahre nach dem katastrophalen Ereignis, das ihre Familie zerriss, fliehen eine Mutter und ihre Tochter von Polen nach Paris. Blind vor Sorge und Schuldgefühlen begreifen sie nicht, wie schwer es ist, der Vergangenheit zu entkommen.
Fast achtzig Jahre später führt Gretel Fernsby in ihrem Londoner Villenviertel ein ruhiges Leben, Welten entfernt von der traumatischen Kindheit. Als eine junge Familie in die Wohnung unter ihr zieht, hofft sie, dass die eingespielte Hausgemeinschaft nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Doch der neunjährige Henry weckt Erinnerungen, denen sie sich nicht stellen will.
Gretel steht plötzlich vor der Wahl zwischen ihrer eigenen und Henrys Sicherheit. Eine Wahl, der sie sich ganz ähnlich schon einmal gegenübersah. Damals wurde sie mit ihrer unentschuldbaren Entscheidung zur Mittäterin. Aber sollte sie jetzt eingreifen, riskiert sie, Geheimnisse zu enthüllen, die sie ein Leben lang gehütet hat ...
John Boyne,geboren 1971 in Dublin, ist einer der renommiertesten zeitgenössischen Autoren Irlands. Seine Bücher wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit seinem Roman 'Der Junge im gestreiften Pyjama', der weltweit zum Bestseller und von der Kritik als 'ein kleines Wunder' (The Guardian) gefeiert wurde. Michael Schickenberg, geboren 1975, studierte Englisch, Amerikanistik, Skandinavistik und Germanistik in Greifswald, Poughkeepsie, Bergen und Cádiz. Seit 2007 arbeitet er als freier Übersetzer aus dem Englischen und Norwegischen. Unter anderem übersetzte er Romane von Mohammed Hanif, Brandon Taylor, John Boyne und Tom Barbash. Er ist Mitglied des Verbands deutschsprachiger Übersetzer und lebt derzeit in Leipzig. Nicolai von Schweder-Schreiner, geboren in Lissabon, übersetzt aus dem Englischen und Portugiesischen, u.a. Jennifer Clement, Cynthia D'Aprix Sweeney, Douglas Coupland, John Waters, José Saramago, Daniel Galera und Leonard Cohen und ist außerdem Komponist und Musiker bei der Gruppe Veranda Music. Elisabeth Günther, 1966 in Berlin geboren, ist Schauspielerin, Synchron- und Hörbuchsprecherin und leiht ihre ausdrucksstarke Stimme unter anderem Michelle Fairley als Catelyn Stark in 'Game of Thrones' oder Helena Bonham Carter als Bellatrix Lestrange in den 'Harry Potter'-Filmen. Für Hörbuch Hamburg las sie Krimis von Kate Rhodes und Romane von Lilly Bernstein und Muriel Barbery.

© privat
Produktdetails
- Verlag: Osterwoldaudio
- Gesamtlaufzeit: 714 Min.
- Erscheinungstermin: November 2022
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783869525723
- Artikelnr.: 64538086
Herstellerkennzeichnung
OSTERWOLDaudio
Paul- Nevermann-Platz 5
22765 Hamburg
info@hoerbuch-hamburg.de
Durch Hitlers Brille
Diese Fortsetzung schädigt auch den großen Erfolg: John Boynes Roman über die Schuld der Täterkinder
Die große Lust am Weitererzählen dominiert nicht nur die Welt von Netflix und Co, schon lange sind "Prequels" und "Sequels" auch in der gedruckten Literatur vertraute Begriffe und Phänomene. Was uns Rezipienten an Serien unterschiedlichster Provenienz zu fesseln scheint, ist nicht nur unsere schiere Neugier, zu erfahren, wie eine Geschichte weitergeht oder was ihr vorausging, es ist auch das Wissen darum, dass jeder neue Teil das bereits Gelesene oder Gesehene im Nachhinein verändern wird: Im besten Falle ergibt sich aus dieser hermeneutischen Dauerschleife ein ästhetischer
Diese Fortsetzung schädigt auch den großen Erfolg: John Boynes Roman über die Schuld der Täterkinder
Die große Lust am Weitererzählen dominiert nicht nur die Welt von Netflix und Co, schon lange sind "Prequels" und "Sequels" auch in der gedruckten Literatur vertraute Begriffe und Phänomene. Was uns Rezipienten an Serien unterschiedlichster Provenienz zu fesseln scheint, ist nicht nur unsere schiere Neugier, zu erfahren, wie eine Geschichte weitergeht oder was ihr vorausging, es ist auch das Wissen darum, dass jeder neue Teil das bereits Gelesene oder Gesehene im Nachhinein verändern wird: Im besten Falle ergibt sich aus dieser hermeneutischen Dauerschleife ein ästhetischer
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Mehrwert.
John Boynes Welterfolg "Der Junge im gestreiften Pyjama" gehört auf den ersten Blick nicht zu den Romanen, die nach einer Fortsetzung verlangen, denn die Geschichte scheint eigentlich auserzählt: Immerhin stirbt ihr Protagonist, der neunjährige Bruno, gemeinsam mit seinem jüdischen Freund Schmuel am Ende der Erzählung den grausamen Tod in der Gaskammer eines Konzentrationslagers, das sein Vater befehligt. Die vielen Leerstellen, die bleiben, müssen von den Lesern gefüllt werden - und machen für die meisten wohl den Charme des Romans aus. Freilich gab es auch harte Kritik, denn einigen Rezensenten erschien das Werk als eine verkitschte, völlig unplausible Trivialisierung des Holocausts. Wohlwollende Besprechungen wiesen dagegen darauf hin, dass Boyne einiges dafür getan habe, dass seine Erzählung eben nicht historisch gelesen werde, sondern "nur" als Gleichnis beziehungsweise "Fabel".
Jetzt hat der irische Autor dennoch ein "Sequel" vorgelegt und erzählt in "Als die Welt zerbrach" die Geschichte von Brunos Schwester Gretel weiter, die anders als ihr drei Jahre jüngerer Bruder den Krieg überlebt und danach gemeinsam mit der Mutter mit gefälschten Identitäten untertauchen kann. Der Vater wird - wie sein historisches Vorbild Rudolf Höss - hingerichtet. Vieles an diesem Roman ist anders als bei seinem Vorgänger: Gretel berichtet aus der Ich-Perspektive, die Erzählung gibt sich historisch einigermaßen kontrolliert und will offenbar - so informiert Boyne im Nachwort zur englischen Ausgabe, das bemerkenswerterweise nicht in die deutsche übernommen wurde - eruieren, wie schuldig ein junges Mädchen unter diesen Umständen werden kann und ob es ihm jemals gelingt, sich von den fürchterlichen Taten, die geliebte Menschen begangen haben, zu befreien.
Die Antworten, die der Roman anbietet, sind erschütternd - allerdings in einem anderen Sinne, als John Boyne es wohl geplant hat. Der Leser erlebt auf unterschiedlichen Zeitebenen eine Frau, die sich durch Flucht ihrer Verantwortung entzieht, immer getrieben von der Angst, für die Verbrechen ihres Vaters im Gefängnis zu landen. Dabei war sie erst zwölf, als sie mit ihrer Familie 1943 nach Auschwitz - den Namen nimmt sie auch im hohen Alter nie in den Mund - zog, und damit im juristischen Sinne nicht verantwortlich für das, was dort unter dem Befehl ihres Vaters geschah, auch wenn sie sich am Tod ihres Bruders mitschuldig fühlt. Nach dem Krieg wird sie jedoch zusammen mit ihrer Mutter von ehemalige Kämpfern der französischen Résistance enttarnt und brutal misshandelt. Fortan ist Gretel traumatisiert und tut alles, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, was ihr jedoch nur schwer gelingt, auch weil (wenig glaubwürdige) Zufälle es verhindern.
In Australien etwa, wo sie ein neues Leben beginnen will, begegnet ihr ausgerechnet der ehemalige Oberleutnant Kurt Kotler, für den sie als junges Mädchen heftig schwärmte, obwohl er vor ihren Augen einen jüdischen Häftling brutal erschlagen hatte. Kotler ist sich im Wesentlichen treu geblieben: Als Gretel von ihm verlangt, sich selbst zu enttarnen, reagiert der ehemalige SS-Mann gelassen - und das obwohl Gretel seinen Sohn in ihrer Gewalt hat, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Gretels Vater, so Kotler, sei schließlich das "Monster" gewesen, er nur ein Gehilfe und deshalb nicht verantwortlich. Aus seiner anhaltenden Faszination für Hitler macht Kotler kein Hehl; noch immer trägt er die Brille des "Führers" bei sich, die er dem Diktator am Ende des Kriegs unfreiwillig entwendete.
Was Boyne seine beiden Figuren dann tun lässt, muss den Leser nachdrücklich irritieren: Kotler fordert Gretel auf, die Brille aufzusetzen, um sozusagen - wie er es formuliert - "die Welt durch seine Augen" zu sehen. Die junge Frau gerät daraufhin in eine wilde Mixtur an Gefühlen: "Ich fühlte Übelkeit in mir aufsteigen. Ich fühlte Erregung. Ich fühlte Ohnmacht. Ich fühlte Macht." Und als die Brille auf der Nase sitzt, entfährt ihr "ein kehliges Geräusch - ein verzückter Seufzer oder ein entsetztes Stöhnen", so ganz sicher ist sie sich nicht. Eingeordnet wird dieser verstörende Anfall von Fetischismus im Roman nicht; man erfährt später allerdings, dass die Ich-Erzählerin Kotler weitgehend vom Haken lässt, weil sie fürchtet, selbst enttarnt zu werden.
Gretel flieht weiter nach London, wo sie schließlich sesshaft wird. Hier begegnen ihr gleich mehrfach Holocaust- Opfer, und die schiefen Töne des Romans nehmen weiter zu: Als sie etwa bei einer Kollegin eine Auschwitz-Tätowierung am Arm sieht, empfindet sie dies "als Zeichen Gottes", das sie an ihren "Anteil am Grauen" erinnern solle: "Meine Schuld war so tief in meine Seele eingebrannt wie die Nummer auf Miss Aaronsons Arm." Mit einem jungen Mann, der sich als Überlebender von Treblinka entpuppt, geht sie eine Beziehung ein und enthüllt ihm, wer sie wirklich ist - woraufhin dieser sie beschimpft und verlässt. Eine erste Erlösung erfährt sie dann durch eine Ehe: Ihr Mann Edgar, ehemals bester Freund des Treblinka-Überlebenden, wird ein bedeutender Weltkriegshistoriker und scheint bis zu seinem Tod gut mit Gretels Vergangenheit leben zu können.
Ein endgültiger Befreiungsschlag gelingt ihr ausgerechnet mit einem Mord: Sie tötet in hochbetagtem Alter kaltblütig ihren Nachbarn, der seine eigene Familie (zu der - natürlich - ein neunjähriger Sohn gehört, der Gretel beständig an ihren verstorbenen Bruder erinnert) brutal terrorisierte. Damit scheint ein Doppeltes erreicht: Zum einen hat sie endlich einmal gehandelt und sich gegen das Böse zur Wehr gesetzt, zum anderen kann die aus dem Mord resultierende Gefängnisstrafe als späte Sühne für Gretels (vermeintliche) Beteiligung an den KZ-Gräueln und am Tod ihres Bruders verstanden werden. Man ahnt, dass hier die Moral der Geschichte liegen soll - und ist befremdet ob dieser Form poetischer Gerechtigkeit.
Boynes gesamte Fabel scheitert, weil sie falsche Einfühlung bemüht, falsche Vergleiche zieht und geschichtlich viel zu unplausibel ist, obwohl sie sich durch viele Referenzen als historischer Roman auszuweisen versucht. Schlimmer noch: Diese inszenierte Teilhistorizität wirkt auch auf seinen "Jungen im gestreiften Pyjama" zurück, weil dessen Geschichte hier weitererzählt und damit auch der Vorgängerroman implizit als im Kern doch historisch beziehungsweise realistisch markiert wird - allen Strategien der Enthistorisierung in der Ausgangserzählung zum Trotz. Das heißt, dass wir es nun gleich mit zwei erschütternd trivialisierenden Romanen zum Holocaust zu tun haben. SASCHA FEUCHERT
John Boyne: "Als die Welt zerbrach". Roman.
Aus dem Englischen von Michael Schickenberg und Nicolai von Schweder-Schreiner. Piper Verlag, München 2022. 416 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
John Boynes Welterfolg "Der Junge im gestreiften Pyjama" gehört auf den ersten Blick nicht zu den Romanen, die nach einer Fortsetzung verlangen, denn die Geschichte scheint eigentlich auserzählt: Immerhin stirbt ihr Protagonist, der neunjährige Bruno, gemeinsam mit seinem jüdischen Freund Schmuel am Ende der Erzählung den grausamen Tod in der Gaskammer eines Konzentrationslagers, das sein Vater befehligt. Die vielen Leerstellen, die bleiben, müssen von den Lesern gefüllt werden - und machen für die meisten wohl den Charme des Romans aus. Freilich gab es auch harte Kritik, denn einigen Rezensenten erschien das Werk als eine verkitschte, völlig unplausible Trivialisierung des Holocausts. Wohlwollende Besprechungen wiesen dagegen darauf hin, dass Boyne einiges dafür getan habe, dass seine Erzählung eben nicht historisch gelesen werde, sondern "nur" als Gleichnis beziehungsweise "Fabel".
Jetzt hat der irische Autor dennoch ein "Sequel" vorgelegt und erzählt in "Als die Welt zerbrach" die Geschichte von Brunos Schwester Gretel weiter, die anders als ihr drei Jahre jüngerer Bruder den Krieg überlebt und danach gemeinsam mit der Mutter mit gefälschten Identitäten untertauchen kann. Der Vater wird - wie sein historisches Vorbild Rudolf Höss - hingerichtet. Vieles an diesem Roman ist anders als bei seinem Vorgänger: Gretel berichtet aus der Ich-Perspektive, die Erzählung gibt sich historisch einigermaßen kontrolliert und will offenbar - so informiert Boyne im Nachwort zur englischen Ausgabe, das bemerkenswerterweise nicht in die deutsche übernommen wurde - eruieren, wie schuldig ein junges Mädchen unter diesen Umständen werden kann und ob es ihm jemals gelingt, sich von den fürchterlichen Taten, die geliebte Menschen begangen haben, zu befreien.
Die Antworten, die der Roman anbietet, sind erschütternd - allerdings in einem anderen Sinne, als John Boyne es wohl geplant hat. Der Leser erlebt auf unterschiedlichen Zeitebenen eine Frau, die sich durch Flucht ihrer Verantwortung entzieht, immer getrieben von der Angst, für die Verbrechen ihres Vaters im Gefängnis zu landen. Dabei war sie erst zwölf, als sie mit ihrer Familie 1943 nach Auschwitz - den Namen nimmt sie auch im hohen Alter nie in den Mund - zog, und damit im juristischen Sinne nicht verantwortlich für das, was dort unter dem Befehl ihres Vaters geschah, auch wenn sie sich am Tod ihres Bruders mitschuldig fühlt. Nach dem Krieg wird sie jedoch zusammen mit ihrer Mutter von ehemalige Kämpfern der französischen Résistance enttarnt und brutal misshandelt. Fortan ist Gretel traumatisiert und tut alles, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, was ihr jedoch nur schwer gelingt, auch weil (wenig glaubwürdige) Zufälle es verhindern.
In Australien etwa, wo sie ein neues Leben beginnen will, begegnet ihr ausgerechnet der ehemalige Oberleutnant Kurt Kotler, für den sie als junges Mädchen heftig schwärmte, obwohl er vor ihren Augen einen jüdischen Häftling brutal erschlagen hatte. Kotler ist sich im Wesentlichen treu geblieben: Als Gretel von ihm verlangt, sich selbst zu enttarnen, reagiert der ehemalige SS-Mann gelassen - und das obwohl Gretel seinen Sohn in ihrer Gewalt hat, um der Forderung Nachdruck zu verleihen. Gretels Vater, so Kotler, sei schließlich das "Monster" gewesen, er nur ein Gehilfe und deshalb nicht verantwortlich. Aus seiner anhaltenden Faszination für Hitler macht Kotler kein Hehl; noch immer trägt er die Brille des "Führers" bei sich, die er dem Diktator am Ende des Kriegs unfreiwillig entwendete.
Was Boyne seine beiden Figuren dann tun lässt, muss den Leser nachdrücklich irritieren: Kotler fordert Gretel auf, die Brille aufzusetzen, um sozusagen - wie er es formuliert - "die Welt durch seine Augen" zu sehen. Die junge Frau gerät daraufhin in eine wilde Mixtur an Gefühlen: "Ich fühlte Übelkeit in mir aufsteigen. Ich fühlte Erregung. Ich fühlte Ohnmacht. Ich fühlte Macht." Und als die Brille auf der Nase sitzt, entfährt ihr "ein kehliges Geräusch - ein verzückter Seufzer oder ein entsetztes Stöhnen", so ganz sicher ist sie sich nicht. Eingeordnet wird dieser verstörende Anfall von Fetischismus im Roman nicht; man erfährt später allerdings, dass die Ich-Erzählerin Kotler weitgehend vom Haken lässt, weil sie fürchtet, selbst enttarnt zu werden.
Gretel flieht weiter nach London, wo sie schließlich sesshaft wird. Hier begegnen ihr gleich mehrfach Holocaust- Opfer, und die schiefen Töne des Romans nehmen weiter zu: Als sie etwa bei einer Kollegin eine Auschwitz-Tätowierung am Arm sieht, empfindet sie dies "als Zeichen Gottes", das sie an ihren "Anteil am Grauen" erinnern solle: "Meine Schuld war so tief in meine Seele eingebrannt wie die Nummer auf Miss Aaronsons Arm." Mit einem jungen Mann, der sich als Überlebender von Treblinka entpuppt, geht sie eine Beziehung ein und enthüllt ihm, wer sie wirklich ist - woraufhin dieser sie beschimpft und verlässt. Eine erste Erlösung erfährt sie dann durch eine Ehe: Ihr Mann Edgar, ehemals bester Freund des Treblinka-Überlebenden, wird ein bedeutender Weltkriegshistoriker und scheint bis zu seinem Tod gut mit Gretels Vergangenheit leben zu können.
Ein endgültiger Befreiungsschlag gelingt ihr ausgerechnet mit einem Mord: Sie tötet in hochbetagtem Alter kaltblütig ihren Nachbarn, der seine eigene Familie (zu der - natürlich - ein neunjähriger Sohn gehört, der Gretel beständig an ihren verstorbenen Bruder erinnert) brutal terrorisierte. Damit scheint ein Doppeltes erreicht: Zum einen hat sie endlich einmal gehandelt und sich gegen das Böse zur Wehr gesetzt, zum anderen kann die aus dem Mord resultierende Gefängnisstrafe als späte Sühne für Gretels (vermeintliche) Beteiligung an den KZ-Gräueln und am Tod ihres Bruders verstanden werden. Man ahnt, dass hier die Moral der Geschichte liegen soll - und ist befremdet ob dieser Form poetischer Gerechtigkeit.
Boynes gesamte Fabel scheitert, weil sie falsche Einfühlung bemüht, falsche Vergleiche zieht und geschichtlich viel zu unplausibel ist, obwohl sie sich durch viele Referenzen als historischer Roman auszuweisen versucht. Schlimmer noch: Diese inszenierte Teilhistorizität wirkt auch auf seinen "Jungen im gestreiften Pyjama" zurück, weil dessen Geschichte hier weitererzählt und damit auch der Vorgängerroman implizit als im Kern doch historisch beziehungsweise realistisch markiert wird - allen Strategien der Enthistorisierung in der Ausgangserzählung zum Trotz. Das heißt, dass wir es nun gleich mit zwei erschütternd trivialisierenden Romanen zum Holocaust zu tun haben. SASCHA FEUCHERT
John Boyne: "Als die Welt zerbrach". Roman.
Aus dem Englischen von Michael Schickenberg und Nicolai von Schweder-Schreiner. Piper Verlag, München 2022. 416 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Vor einigen Jahren habe ich John Boynes „Der Junge im gestreiften Pyjama“ gelesen. Jetzt erschien mit „Als die Welt zerbrach“ eine Art Fortsetzung, die ich als Hörbuch gehört habe. Für mich ein Werk, das mich zwiegespalten zurücklässt. Einerseits …
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Vor einigen Jahren habe ich John Boynes „Der Junge im gestreiften Pyjama“ gelesen. Jetzt erschien mit „Als die Welt zerbrach“ eine Art Fortsetzung, die ich als Hörbuch gehört habe. Für mich ein Werk, das mich zwiegespalten zurücklässt. Einerseits finde ich das Thema Schuld/Schuldgefühl sehr gut bearbeitet, andererseits ist der Schluss ein Paukenschlag, der für mich vieles ad absurdum führt.
Aber von vorn. Gretel Fernsby ist eine äußerst rüstige Dame über 90, verwitwet, hat einen über 60jährigen Sohn und mehrere Ex-Schwiegertöchter. In direkter Nähe zum Hyde Park lebt sie ein beschauliches Leben in finanzieller Sicherheit, ihre Tage drehen sich um Spaziergänge, Bücher und ihre leicht demente Nachbarin Heidi. Nachdem der Nachbar in der Wohnung unter ihr verstirbt, zieht eine Familie mit elfjährigem Sohn ein. Gretel freundet sich mit Henry an und nimmt ihm gegenüber eine Art Großmutter-Rolle an. Seine Mutter Madelyn, eine sehr hübsche ehemalige Schauspielerin scheint in ihrer Ehe mit dem Filmproduzenten Alex nicht glücklich zu sein und auch Henry ist kein unbeschwertes Kind. Bei Gretel schrillen Alarmglocken, spätestens, als sie bei dem Jungen erst einen gebrochenen Arm und später blaue Flecke sieht.
Soweit könnte das Buch ein Krimi sein. Oder ein Familiendrama. Aber weit gefehlt. Denn Gretel lebt mit einem dunklen Geheimnis. Gretel – die war sie schon immer gewesen. Der Rest ihrer Vita ist allerdings eine Lüge, ihren Mädchennamen und ihren Lebenslauf hat sie sich ausgedacht. Ihr Vater war seinerzeit Kommandant in Auschwitz gewesen, die Familie hatte in unmittelbarer Nähe zum Lager gelebt (wer „Der Junge im gestreiften Pyjama“ kennt, weiß das). Gretel blickt auf ihr Leben zurück. In Gedanken durchlebt sie die Zeit der Flucht vor den Alliierten und ihr gemeinsames Leben mit ihrer Mutter in Frankreich. Sie denkt an ihren Umzug nach Australien, wo sie ausgerechnet auf Kurt, ihren Jugendschwarm und grausamen Nazi traf. In England fasste sie schließlich Fuß, traf ihren Ehemann und wurde Mutter. Und damit treffen die beiden Erzählstränge aufeinander. Denn das Zusammentreffen Gretels mit Henry, der sie so sehr an ihren im Konzentrationslager verschwundenen Bruder Bruno erinnert, weckt bei ihr die alten Erinnerungen und stellt ihr Leben auf den Kopf. So gerne hätte sie das alles, was vor über 70 Jahren passiert war, vergessen. Oder es weiterhin verdrängt und so getan, als würde sie das alles nicht betreffen.
Aber das gelingt ihr nicht mehr. Und dem Autor gelingt ein Buch über Schuld und Schuldgefühle, Verdrängen und Vergessen und ob man manche Verbrechen jemals vergeben können sollte. Und er zwingt sein Publikum zum Nachdenken. Denn nichts an der Geschichte ist einfach – so sehr Gretel sich das auch wünschen würde. Ob sie zu menschlich und ihre Rolle im Holocaust zu harmlos dargestellt werden? Ich kann es nicht sagen. Was ich aber sagen kann, ist, dass es ein Buch ist, das lange und heftig nachhallt und das man, wie auch „Der Junge im gestreiften Pyjama“ oft nur schwer ertragen kann. Zu präsent sind (zumindest bei mir) auch die Gedanken an die eigenen Großeltern, die etwa in Gretels Alter wären und auch die Frage, wie ich selbst an ihrer oder Gretels Stelle gehandelt hätte. Ein schwieriges Buch, das einem viel abverlangt. Der Schluss ist allerdings für mich zwar eine Mischung aus an den Haaren herbeigezogen und Paukenschlag (näher kann ich aus Spoiler-Gründen nicht darauf eingehen), aber er ist stimmig. Elisabeth Günther liest das Buch hervorragend, einfühlsam und gekonnt fängt sie die alte Dame aus 2022 genauso ein wie die junge Frau um 1950.
Mich hat das Buch auf jeden Fall tief berührt. So viel abgrundtief Böses und so schreckliche Geheimnisse hinter harmlosen Fassaden – das alles hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich vergebe fünf Sterne.
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Wenn aus Wegschauen Hinschauen wird …
Bei John Boynes Roman „Als die Welt zerbrach“ handelt es sich um die Fortsetzung des Weltbestsellers „Der Junge im gestreiften Pyjama“. Das Buch kann unabhängig vom ersten Teil gelesen werden.Gretel Fernsby ist über 90 …
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Wenn aus Wegschauen Hinschauen wird …
Bei John Boynes Roman „Als die Welt zerbrach“ handelt es sich um die Fortsetzung des Weltbestsellers „Der Junge im gestreiften Pyjama“. Das Buch kann unabhängig vom ersten Teil gelesen werden.Gretel Fernsby ist über 90 Jahre alt. Ein bewegtes Leben liegt hinter der alten Dame und sie möchte ihre letzte Zeit auf Erden in Ruhe und Frieden in ihrem Apartment verbringen. Doch damit ist es vorbei, als in die leere Wohnung unter ihr eine junge Familie einzieht.Gretel freundet sich mit deren 9jährigem Sohn Henry an, doch der Junge ist ungewöhnlich verschlossen für ein Kind in seinem Alter. Freunde hat er keine, dafür streiten sich seine Eltern häufig. Als Gretel immer wieder Verletzungen am Körper des Kindes entdeckt, gerät sie in einen Strudel von Erinnerungen. Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit, in der viele Menschen einfach wegschauten, während ihren Mitmenschen Grauenvolles angetan wurde. Der Zeit des 2. Weltkrieges. Gretel war damals noch ein Kind, dennoch fühlt sie sich schon ihr ganzes Leben schuldig. Kann Schuld durch eine couragierte Tat getilgt werden?Das Hörbuch wird von der sehr angenehmen und Alte-Dame-tauglichen Stimme von Elisabeth Günther vorgetragen. Bekannt z.B. durch die „Violet“ in „Bridgerton“.Ich mag ihre ruhige und gesetzte Art des Vorlesens, die den Charakter „Gretel“ für mich sehr greifbar gemacht hat. Optimal gewählt, meiner Meinung nach.Die Geschichte wird kapitelweise abwechselnd in der Gegenwart und der Vergangenheit ab kurz nach dem 2. Weltkrieg erzählt. Nach und nach werden die beiden Zeitstränge ineinander verflochten.Ich war teilweise sehr geschockt über die grauenvollen Dinge, die Menschen bereit sind sich gegenseitig anzutun. Zunehmend hat mich die Geschichte gepackt und in den Bann gezogen.Gretel habe ich als sehr plastischen Charakter empfunden. Sie war für mich nicht grundsätzlich eine Sympathieträgerin, aber handelt und entwickelt sich authentisch. Immer wieder haben mich die Szenen zum Nachdenken gebracht. Was ist Schuld, wer trägt sie zurecht und kann man getanes Unrecht wieder gutmachen?Sehr gut gefallen haben mir die überraschenden Wendungen, die der Autor eingebaut hat. An einigen Stellen entwich mir der ein oder andere überraschte Ausruf.Insgesamt hat mich der Roman ausgezeichnet unterhalten. Ich habe dem runden, flüssigen und packenden Erzählstil sowohl Boynes als auch Günthers mit Genuss gelauscht.
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Gelungene Fortsetzung
Kennt ihr noch das Buch DER JUNGE IM GESTREIFTEN PIJAMA? Nein? Dann hier die Kurzfassung:
1943: Der 9-jährige Bruno, Sohn des SS Hauptmanns und Kommandant im KZ Auschwitz, lernt den kleinen Jungen Schmuel kennen, der Insasse und hinter dem Zaun in einem …
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Gelungene Fortsetzung
Kennt ihr noch das Buch DER JUNGE IM GESTREIFTEN PIJAMA? Nein? Dann hier die Kurzfassung:
1943: Der 9-jährige Bruno, Sohn des SS Hauptmanns und Kommandant im KZ Auschwitz, lernt den kleinen Jungen Schmuel kennen, der Insasse und hinter dem Zaun in einem „gestreiften Pyjama“ lebt. Eines Tages möchte er Schmuel helfen seinen Vater zu finden, denn dieser ist auf einmal nicht mehr im „Ferienlager“ auffindbar. Bruno klettert unter den Zaun durch und zieht sich, um weniger im Lager aufzufallen, einen „gestreiften Pyjama" an und kommt nie zurück.
Hier kommt die Fortsetzung:
Als die Welt zerbrach
John Boyne
Dieser Roman wird in zwei Zeitebenen erzählt:
- Die Mit-Neunzigerin Gretel Fernsby wohnt in Mayfair, London. Sie ist eine wohlhabende Dame, die ihre Ruhe schätzt. Über ihre Vergangenheit oder darüber, das sie deutsche Abstammung ist, schweigt sie sich aus. Der Tod ihres Bruders, der bereits viele Jahre her ist, belastet sie noch immer. Seinen Namen spricht sie nie aus.
Eines Tages wird ihre Ruhe gestört: Im Parterre, direkt unter ihrer Wohnung, zieht eine neue Familie ein. Schnell merkt sie, dass der 7-jährige Sohn Henry viel zu oft Blessuren am Körper hat. Als Gretel seinem Vater mit einer Anzeige beim Jugendamt droht, entlarvt dieser Gretel als Tochter eines hochrangigen Nazis.
In diesem Erzählstrang erzählt Gretel immer wieder in kleinen Rückblicken aus ihrem früheren Leben.
- Die junge 14-Jährige Gretel, versucht gemeinsam mit ihrer Mutter nach Kriegsende aus Deutschland zu fliehen. Sie sind auf der Flucht vor Nazijägern, vor Leuten, die immer wieder ihren deutschen Akzent erkennen und sie anfeinden. So richtig heimisch werden sie nirgendwo. Als ihre Mutter sich das Leben nimmt versucht sie einen Neuanfang in Australien.
Der eindrückliche Schreibstil Boynes setzt Kopfkino frei. Unglaublich, wie er es schafft, so viele Emotionen in mir freizusetzen. In der einen Minute mochte ich die alte Gretel, habe ihren trockenen Humor geliebt, und in der nächsten verachte ich sie für ihre Feigheit.
Doch kann man überhaupt einer 12-Jährigen Schuld geben?
Lest dieses Buch und entscheidet selbst.
Fazit:
Ein emotionaler Roman, eine gute Fortsetzung, der dem ersten Teil in nichts nachsteht. Grosse Leseempfehlung von mir!
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Elisabeth Günther hat sich mit dieser tragisch-komischen Geschichte in mein Herz gelesen. Sie spricht Gretel und die anderen Figuren mit soviel Gefühl und Stimmmodulation, dass man glaubt, einem stundenlangen Hörspiel zu lauschen. Chapeau, Frau Günther, und Glückwunsch an …
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Elisabeth Günther hat sich mit dieser tragisch-komischen Geschichte in mein Herz gelesen. Sie spricht Gretel und die anderen Figuren mit soviel Gefühl und Stimmmodulation, dass man glaubt, einem stundenlangen Hörspiel zu lauschen. Chapeau, Frau Günther, und Glückwunsch an den Hörbuch-Verlag für diese Sprecherwahl plus perfekte Dramaturgie.
Zur Geschichte: John Boyne liefert einen gelungenen Nachfolgeroman zu „Der Junge im gestreiften Pyjama“, der tief ins Herz sticht. Gretel, Tochter eines (fiktiven) KZ-Kommandanten, die in Auschwitz aufwächst, dort ihren Bruder verliert und das erste Mal verliebt ist in einen jungen, schicken SS-Mann, ist die absolut anziehende Hauptperson in dem sich entwickelnden Drama. Gretel erzählt wie nebenbei ihre Lebensgeschichte, die sich zum Ende als Lebensdrama erweist. Sie ist unterdessen 90 Jahre, lebt in London und ist verwitwet. Ihr Sohn, um die 60, heiratet zum vierten Mal, Nachbarin Heidi hat eine Demenz, aber von Zeit zu Zeit lichte Momente, die neu eingezogene Familie mit dem kleinen Sohn Henry bringt zuerst Abwechslung, dann Tragik ins alltägliche Einerlei. Boyne schildert alles, das Heutige wie das Vergangene mit unglaublicher Leichtigkeit und trotzdem einer psychologischen Tiefe, die niemanden kalt lassen kann.
Einzig die Begegnung Gretels mit dem ehemaligen SS-Mann Kurt in Australien einige Jahre nach dem Krieg birgt eine gewisse Trivialität. Dorthin hatte sich Gretel nach dem Tod der Mutter in Paris, wohin beide am Kriegsende geflüchtet waren, aufgemacht, um das alte Leben und die von ihr als bedrückend empfundene Schuld endgültig hinter sich zu lassen. Das funktioniert nicht und ihr Weg führt sie weiter nach England. Dort lernt sie ihren späteren Ehemann Edward kennen und lebt viele Jahre ein halbwegs normales Leben. Dass dieses Leben im hohen Alter noch einmal völlig auf den Kopf gestellt wird, wird höchst unterhaltsam und doch tiefgründig erzählt.
Die Last der Schuld, die einem Mädchen aufgebürdet wird, das neben einem Vernichtungslager, mit einem Vater, der das Morden verantwortet, mit einer Mutter, die es toleriert, mit einem Bruder, der in diesem Vernichtungslager auch durch ihr Zutun „versehentlich“ stirbt, diese Last wird geradezu körperlich spürbar. Ob diese Schuldgefühle berechtigt sind, kann auch Boyne nicht abschließend beantworten. Ja, Gretel hat auch für den Führer geschwärmt und an das tausendjährige Reich geglaubt, aber irgendwann ist auch bei ihr der Gedanke gereift, dass es Unrecht war, was sie als Kind erlebt hat.
Gretel, die ein ganzes Leben lang damit leben muss, sich immer damit quält und die Wahrheit verstecken möchte bis zum Ende ihrer Tage, diese 90jährige Gretel aber erlöst sich auf gänzlich unerwartete Art am Ende des Romans selbst. Großartig. 5 Sterne.
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Aufrüttelnd, fesselnd und bewegend
Die liebenswerte 90-jährige Gretel Fernsby verbringt ihren Lebensabend in einem Londoner Villenviertel. Ihr ruhiges Leben wird durch den Einzug einer kleinen Familie in die Wohnung unter ihr aufgerüttelt. Sie ahnt nicht, dass der neunjährige …
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Aufrüttelnd, fesselnd und bewegend
Die liebenswerte 90-jährige Gretel Fernsby verbringt ihren Lebensabend in einem Londoner Villenviertel. Ihr ruhiges Leben wird durch den Einzug einer kleinen Familie in die Wohnung unter ihr aufgerüttelt. Sie ahnt nicht, dass der neunjährige Henry sie an ein enges Familienmitglied von ihr erinnert. Um Henry zu retten, muss sich Gretel entscheiden, ob sie sich weiter verstecken will oder sich ihren vergangenen Dämonen stellen muss.
John Boyne versteht es, die Leserschaft von Anfang an in seinen Bann zu ziehen. Auch wenn man den ersten Teil "Der Junge im gestreiften Pyjama" nicht kennt, wird man von dieser Geschichte gefesselt. Mir hat der warme Erzählstil und die spürbare Nähe zu den Protagonisten sehr gefallen. Die Sprecherin Elisabeth Günther verleiht dieser emotionalen Handlung zusätzlich noch eine besondere Note. Ich konnte mich nur schwer von der Erzählung trennen. Die knapp 11 Stunden Hörzeit vergingen wie im Flug.
Der Autor lässt anfangs im Jahr 2022 die 90-jährige Gretel als Ich-Erzählerin zu Wort kommen. Sie berichtet von ihrem gemütlichen Leben in ihrer großzügigen Londoner Stadtwohnung, plaudert über ihr Verhältnis zu ihrem Sohn, der wieder einmal heiraten möchten. Sie verbringt ihre Tage ruhig und mit wenig Abwechselung. Man kann sich sehr gut diese nette alte Dame vorstellen.
Der Sprung in das Jahr 1946 zeigt eine andere Gretel. Zusammen mit ihrer Mutter ist das deutsche Mädchen von Polen nach Paris geflohen. Beide bemühen sich, ihre Herkunft zu verheimlichen. Statt - wie gewohnt - in sehr guten Verhältnissen zu leben, schlagen sie sich dank ihrer Ersparnisse mehr schlecht als recht durch. Die junge, quirlig und neugierige Gretel ist sehr sympathisch und man nimmt Anteil an ihrem Leben als Flüchtling.
Erst nach und nach werden immer mehr Details aus Gretels Leben aufgedeckt. Es gibt viele dunkle, grausame Schatten, die sie ihr Leben lang begleitet und bedrückt haben. Als Hörerin war ich oft gefühlsmäßig hin- und hergerissen. Die Deutsche Geschichte ist voller Gräueltaten und niemand sollte davon kommen, der Schuld auf sich geladen hat. Doch ganz so einfach ist die Schuldzuweisung rückblickend nicht. Nicht nur Gretel ringt um eine Entscheidung, sondern auch ich konnte mich selbst nach langem Nachdenken nicht so einfach festlegen, wie Gretel handeln sollte.
Es geht um Schuld, Verbrechen und dem Selbsterhaltungstrieb, der in jedem Menschen steckt.
Ein Hörerlebnis, welches mich noch lange Zeit beschäftigt hat.
Großartig, wenn SchriftstellerInnen es verstehen, geschichtliche Elemente gekonnt in Romanhandlungen zu verweben und ihren Teil zum Nichtvergessen beitragen. Ein wunderbares, sehr empfehlenswertes Hörbuch.
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"Der Junge im gestreiften Pyjama" hat mich sehr beeindruckt, als ich es vor vielen Jahren gelesen habe und nun war ich neugierig auf die Fortsetzung. Schon das Cover ist eine gute Erinnerung an den ersten Band mit den Streifen. Der Eiffelturm lässt natürlich sofort an Paris …
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"Der Junge im gestreiften Pyjama" hat mich sehr beeindruckt, als ich es vor vielen Jahren gelesen habe und nun war ich neugierig auf die Fortsetzung. Schon das Cover ist eine gute Erinnerung an den ersten Band mit den Streifen. Der Eiffelturm lässt natürlich sofort an Paris denken, wo die Handlung auch beginnt. Denn dorthin sind Gretel und ihre Mutter geflohen und leben dort im Geheimen und geben sich als Französinnen aus. Die Geschichte wird auf verschiedenen Zeitebenen erzählt; einmal in der Vergangenheit, beginnend mit der Ankunft in Paris und dann folgen wir Gretel auch auf ihrem weiteren Weg in die Welt hinaus. Die zweite Ebene spielt in der Gegenwart. Gretel ist mittlerweile um die 90 Jahre alt, lebt alleine in einer großen Nobelwohnung in London und wird immer wieder an ihre Vergangenheit erinnert, besonders nach dem Einzug der neuen Nachbarn. Die Protagonistin lernt man im Laufe der Handlung immer besser kennen und ich musste so manches Mal meinen Eindruck abändern.
Das Hörbuch wird gut und abwechslungsreich von Elisabeth Günther vorgelesen.
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Schuld und Verantwortung
ACHTUNG: MEINE REZENSION ENTHÄLT SPOILER ZU „Der Junge im gestreiften Pyjama“
Inhalt:
Gretel ist die Tochter des berüchtigten Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz. Nach dem Krieg floh sie zusammen mit ihrer Mutter; der Vater wurde …
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Schuld und Verantwortung
ACHTUNG: MEINE REZENSION ENTHÄLT SPOILER ZU „Der Junge im gestreiften Pyjama“
Inhalt:
Gretel ist die Tochter des berüchtigten Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz. Nach dem Krieg floh sie zusammen mit ihrer Mutter; der Vater wurde gehängt. Heute ist Gretel über 90 Jahre alt und lebt als wohlhabende Frau in London. Immer noch verheimlicht sie ihre unrühmliche Abstammung, muss sich aber stets mit Schuld und Verantwortung auseinandersetzen.
Meine Meinung:
Vor vielen Jahren erschien von John Boyne „Der Junge im gestreiften Pyjama“.Es geht darin um Bruno, den neunjährigen Sohn des Lagerkommandanten von Auschwitz, der sich mit einem Juden anfreundet und letztlich zu Tode kommt.
In der aktuell erschienen Fortsetzung „Als die Welt zerbrach“ erzählt nun die mittlerweile hochbetagte Gretel, wie ihr Leben seit damals verlaufen ist und wie es heute ist. Abwechselnd werden die Erzählstränge in der Vergangenheit und in der Gegenwart weitergeführt, wobei sie sich einander immer mehr annähern.
Gretel muss sich immer wieder damit befassen, welche Mitschuld sie als damals zwölfjähriges Mädchen an den Taten ihres Vaters trägt, welche Schuld sie am Tod ihres Bruders hat und welche Verantwortung sie heute übernehmen muss, um nicht schon wieder und immer noch tatenlos zuzusehen, wenn anderen Menschen Schaden zugefügt wird.
Wie schon mit dem Vorgängerroman konnte John Boyne mich auch mit Gretels Geschichte fesseln. Sein eindrücklicher Schreibstil setzt bei mir unweigerlich das Kopfkino in Gang und ich kann ganz tief in die Handlung eintauchen. Hinzu kommt, dass die Geschichte aus Gretels Perspektive in der 1. Person erzählt wird, sodass man sich sehr gut in die Protagonistin hineinversetzen kann. Aber auch wenn man denkt, man wüsste alles über sie, werden nach und nach noch Geheimnisse aufgedeckt, was ich sehr spannend fand.
Zuweilen habe ich mich an Wiederholungen bzw. zu ausschweifenden Ausführungen gestört, aber im Großen und Ganzen ist der Roman genauso empfehlenswert wie der Vorgänger.
Fazit:
Ein fesselnder Roman über Schuld und Verantwortung, der zum Nachdenken anregt und auch betroffen macht.
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eBook, ePUB
Gretels Leben danach
Zum Inhalt:
3 Jahre nach Kriegsende flieht eine Mutter mit ihrer Tochter Gretel von Polen nach Paris und lebt dort unter falschen Namen. Doch die Schatten der Vergangenheit holen sie immer wieder ein. Jahre später lebt die inzwischen über 90-jährige Gretel …
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Gretels Leben danach
Zum Inhalt:
3 Jahre nach Kriegsende flieht eine Mutter mit ihrer Tochter Gretel von Polen nach Paris und lebt dort unter falschen Namen. Doch die Schatten der Vergangenheit holen sie immer wieder ein. Jahre später lebt die inzwischen über 90-jährige Gretel Frensby in einer Eigentumswohnung im Londoner Villenviertel in einer eingespielten Hausgemeinschaft. Als Mr. Richardson, der Besitzer der Wohnung unter ihr stirbt, wird die Wohnung verkauft. Gretel hofft, dass die neuen Eigentümer sich in die ruhige Hausgemeinschaft fügen. Mit dem Einzug der jungen Familie Darcy-Witt ändert sich jedoch ihr bisheriges ruhiges Leben. Der neunjährige Henry erinnert sie an ihren verstorbenen Bruder Bruno und sie muss sich ihren Dämonen erneut stellen. Doch die Ereignisse zwingen Sie sich zu entscheiden, soll sie handeln oder wegsehen.
Meine Meinung:
Dieses Buch beschreibt das Leben von Gretel, der Schwester von Bruno (Der Junge im gestreiften Pyjama), nach Ende des 2. Weltkriegs. Die Flucht mit der Mutter, ihre versteckte Identität, der Kummer und die Schuldgefühle sind ihr ganzes Leben lang ständig präsent. Vieles, was Gretel passiert, wird von ihrer Vergangenheit bestimmt und die Frage nach ihrer persönlichen Schuld lässt sie nicht los.
Auch ich beschäftigte mich während des Lesens und darüber hinaus ständig mit der Schuldfrage. Manchmal hatte ich jedoch auch das Gefühl, dass man Gretel bewusst Schuld einredet, um sein eigenes Handeln zu rechtfertigen. Doch was für ein Mensch ist Gretel? Sie wirkt oft kühl und unnahbar, dennoch steckt ein weicher Kern unter ihrer harten Schale, den der kleine Henry zum Vorschein bringt.
Großartig gelingt es dem Autor John Boyne, die Gegenwart und die Rückblicke auf Gretels Leben, in eine emotionale, packende und nachdenkliche Atmosphäre zu tauchen und so fiel es mir schwer das Buch aus der Hand zu legen.
Warum für Gretel ihre Wohnung, wie bereits im 1. Kapitel zu lesen:
„… war ich nach einigen im Stillen eingeholten Erkundigungen zu dem Entschluss gekommen, unbedingt in Mayfair wohnen zu wollen – und nicht nur in Mayfair, sondern genau in diesem Haus.“
so wichtig ist, wurde mir am Ende mit einem Aha-Effekt offenbart.
Fazit:
Ein Buch, das durch die Gesamtheit der Geschichte lange nachwirkt.
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eBook, ePUB
Erst einmal musste ich tief durchatmen, das gerade Gelesene nochmal an mir vorüberziehen lassen. „Als die Welt zerbrach“ ist eine tieftraurige Erzählung um eine Schuld hinter der Schuld, dessen Namen die über 90jährige Gretel in ihrem langen Leben nie mehr aussprechen …
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Erst einmal musste ich tief durchatmen, das gerade Gelesene nochmal an mir vorüberziehen lassen. „Als die Welt zerbrach“ ist eine tieftraurige Erzählung um eine Schuld hinter der Schuld, dessen Namen die über 90jährige Gretel in ihrem langen Leben nie mehr aussprechen konnte. Sie hat viel erlebt, viel erlitten und noch mehr geschwiegen.
Die damals 12jährige flieht mit ihrer Mutter nach Frankreich, nachdem ihr Vater, ein hochrangiger KZ-Kommandant, hingerichtet wurde, aber auch in Paris holt die Vergangenheit sie ein. Als nach einigen Jahren ihre Mutter stirbt, wagt Gretel in Australien einen Neuanfang - immer darauf bedacht, ihr Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten. Selbst hier ist sie nicht sicher, London wird und bleibt ihr Zufluchtsort. Und hier lebt sie gut situiert in einem noblen Viertel, als in der Wohnung unter ihr Henry mit seinen Eltern einzieht. Der Neunjährige erinnert sie schmerzlich an Vergangenes und nicht nur das, sie schließt den verschlossenen Jungen ins Herz. Sie sieht viel zu viel, ringt mit sich selbst und kommt zu einem für sie folgenschweren Entschluss.
In zwei sich stetig abwechselnden Ebenen erzählt John Boyne vom Gestern und vom Heute, von der betagten Gretel in London 2022 und geht zurück, wechselt ins Jahr 1946, gibt Einblicke in „Die Tochter des Teufels“. Er nimmt seine Leser mit nach Sydney, wo sie 1952 ankam, gibt Zwischenspiele in Polen oder am Zaun, um nur einiges zu nennen. So erfahre ich sukzessive ihre Lebensgeschichte. Eine Geschichte, die mich tief berührt und zutiefst traurig gemacht hat. Sie war Kind, als das Schreckliche geschah, die Lebenslüge wurde ihr aufgedrängt und einmal damit angefangen, wird sie sie nicht mehr los. Und nicht genug damit, sie nimmt auch danach ihre Umgebung wahr, sieht hinter die Kulissen und muss doch einsehen, dass die Welt sich zwar weitergedreht hat, die Menschheit aber immer Mittel und Wege findet, die eigenen Unzulänglichkeiten zu vertuschen.
Gretels Lebensweg bin ich gerne gefolgt - eine toughe Frau, vom Leben geprägt, auch die anderen Charaktere waren authentisch dargestellt. Der Autor hat sie empathisch sein lassen, ich habe so einige gemocht, andere wiederum so gar nicht.
Hat eine 12jährige eine Chance, sich der unrühmlichen Vergangenheit ihrer Familie zustellen? Muss sie sich gar dem stellen? Die Bürde der Schuld auf sich zu nehmen? Und darf eine erwachsene Frau zusehen, wie anderen Leid zugefügt wird? Die so einfühlsam erzählte Lebensgeschichte hat mich sofort gefesselt und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Beileibe keine leichte Kost und doch so lesenswert.
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Wieder ist es John Boyne gelungen ein Buch zu schreiben, das den Leser nicht kalt lässt. " Der Junge im gestreiften Pyjama" wurde mit Recht zum Bestseller, aber dieser Roman "Als die Welt zerbrach" ist auch auf dem Wege dorthin. Eine großartige Geschichte um die …
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Wieder ist es John Boyne gelungen ein Buch zu schreiben, das den Leser nicht kalt lässt. " Der Junge im gestreiften Pyjama" wurde mit Recht zum Bestseller, aber dieser Roman "Als die Welt zerbrach" ist auch auf dem Wege dorthin. Eine großartige Geschichte um die Tochter eines Lagerkommandanten im Konzentrationslager Polen. 70 Jahre nach ihrer Flucht lebt sie weiterhin mit schrecklichen Erinnerungen, schweren Schuldgefühlen und der Angst vor Nazijägern. Das Buch erzählt das Leben der jungen Gretel und den Weg ihrer Flucht und aus dem Leben der 92 jährigen Gretel die ihren Lebensabend in einem Mehrfamilienhaus in London ruhig geniesen möchte. Leider ist die Ruhe vorbei als neue Nachbarn einziehen und in der Wohnung schreckliche Dinge passieren. Darf Gretel sich einmischen, oder gefährdet sie ihre eigene Sicherheit, soll Gretel wieder wegsehen oder endlich handeln. Dieses Buch hat mich sehr berührt
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