Leïla Slimani
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All das zu verlieren (MP3-Download)
Roman Ungekürzte Lesung. 303 Min.
Sprecher: Waldstätten, Nora / Übersetzer: Thoma, Amelie
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Sie hat alles – und dennoch setzt sie alles aufs Spiel. Sie fühlt eine Leere, obwohl sie alles hat. Sie weiß, dass sie ihre Familie verlieren könnte, und setzt trotzdem alles aufs Spiel: Adèle, Mitte dreißig, lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen Sohn in Paris. Nach außen hin führt sie ein Leben, dem es an nichts fehlt. Trotzdem ist sie nicht glücklich. Gelangweilt zieht sie durch die Straßen von Paris, trifft sich mit Männern, hat Sex mit Fremden – immer wieder. Bis ihr Mann eines Tages dahinterkommt. Der ist überzeugt: Sie ist krank und muss geheilt werden. Doch kann er AdÃ...
Sie hat alles – und dennoch setzt sie alles aufs Spiel. Sie fühlt eine Leere, obwohl sie alles hat. Sie weiß, dass sie ihre Familie verlieren könnte, und setzt trotzdem alles aufs Spiel: Adèle, Mitte dreißig, lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen Sohn in Paris. Nach außen hin führt sie ein Leben, dem es an nichts fehlt. Trotzdem ist sie nicht glücklich. Gelangweilt zieht sie durch die Straßen von Paris, trifft sich mit Männern, hat Sex mit Fremden – immer wieder. Bis ihr Mann eines Tages dahinterkommt. Der ist überzeugt: Sie ist krank und muss geheilt werden. Doch kann er Adèle zu ihrem Glück zwingen? Gelesen von Nora Waldstätten. (Laufzeit: 5h 3)
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Die französisch-marokkanische Autorin Leïla Slimani gilt als eine der wichtigsten literarischen Stimmen Frankreichs. Ihre Bücher sind internationale Bestseller. Slimani, 1981 in Rabat geboren, wuchs in Marokko auf und studierte an der Pariser Eliteuniversität Sciences Po. Für den Roman 'Dann schlaf auch du' wurde ihr der renommierte Prix Goncourt zuerkannt. Zuletzt erschienen im Luchterhand Literaturverlag der persönliche Band 'Der Duft der Blumen bei Nacht' sowie die beiden Romane 'Das Land der Anderen' und 'Schaut, wie wir tanzen'. Letztere sind Teile einer Romantrilogie, die auf der Geschichte von Leïla Slimanis eigener Familie beruht.
Produktbeschreibung
- Verlag: Der Hörverlag
- Gesamtlaufzeit: 303 Min.
- Erscheinungstermin: 13. Mai 2019
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783844533125
- Artikelnr.: 56862738
Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensentin Mara Delius fragt sich, ob Leila Slimani vielleicht für eine "weibliche Sex-und-Gewalt-Ästhetik in der Literatur" stehen könnte: In ihrem neuesten Roman beschäftigt sich die Autorin laut Delius mit einer Protagonistin, die aus ihrem ereignislosen und sicheren Familienleben immer wieder ausbricht, um Gelegenheitssex zu haben, bei dem es bevorzugt rauer zugeht. Beeindruckt stellt die Kritikerin fest, dass Slimani dabei sogar die Vermischung von Sexualität und Gewalt, die männliche Kollegen wie Houellebecq, Littell und Co beschreiben, etwas angestrengt wirken lässt. Dass es der Protagonistin paradoxerweise darum geht, sich selbst zu bewahren, wenn sie sich beim Sex objektivieren lässt, hält die Rezensentin für eine feinsinnige und wertvolle Wendung, weshalb sie "All das zu verlieren" zum Erkenntnisgewinn wärmstens empfiehlt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Über Sex zu schreiben ist vielleicht das Schwerste
Zur Sache zu kommen: Leïla Slimanis Roman "All das zu verlieren" schildert genau und ungerührt eine Sucht
Jeder in diesem Waggon könnte "der Richtige sein". Der Zeitungsleser am Fenster, der hässliche Mann in dem billigen Anzug, der Student, der in Begleitung ist und auf den Ausstieg wartet. Was die Schauende reizt, sind nicht die Körper. Es ist die Anonymität, das Obszöne, die Offenheit der Situation. Wie ein Unbekannter plötzlich verfügbar wird und das Gefühl, von ihm begehrt zu werden, sich ihm auszuliefern. Wenn wir Adèle, die Protagonistin von Leïla Slimanis Roman "All das zu verlieren", auf dem Weg zur Arbeit begleiten, wenn wir ihrem Blick durch den Waggon
Zur Sache zu kommen: Leïla Slimanis Roman "All das zu verlieren" schildert genau und ungerührt eine Sucht
Jeder in diesem Waggon könnte "der Richtige sein". Der Zeitungsleser am Fenster, der hässliche Mann in dem billigen Anzug, der Student, der in Begleitung ist und auf den Ausstieg wartet. Was die Schauende reizt, sind nicht die Körper. Es ist die Anonymität, das Obszöne, die Offenheit der Situation. Wie ein Unbekannter plötzlich verfügbar wird und das Gefühl, von ihm begehrt zu werden, sich ihm auszuliefern. Wenn wir Adèle, die Protagonistin von Leïla Slimanis Roman "All das zu verlieren", auf dem Weg zur Arbeit begleiten, wenn wir ihrem Blick durch den Waggon
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der Pariser Metro folgen, immer auf der Suche nach möglichen Partnern, dann stellt sich gleich zu Beginn die Frage, von der dieses Buch bis zur letzten Seite nicht ablassen wird: Wie umgehen mit einem Begehren, das nicht nur Untergang, sondern auch die einzige Rettung ist? Und das sich gerade dadurch definiert, dass es kein Ende kennt?
Slimanis Roman, so einige Kommentatoren, handle von einer Nymphomanin. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die sexuelle Normabweichung wird hier nicht einfach nur pathologisiert, sondern als ernstzunehmender Lebenszusammenhang einer Frau geschildert, die das gewöhnliche Dasein als Belastung empfindet, Erleichterung hingegen nur noch in der Begegnung mit immer neuen Sexualpartnern. Und der ihre bürgerliche Existenz deshalb zur billigen Kulisse gerät. Seit einigen Jahren schon wird die marokkanisch-französische Autorin Leïla Slimani auch außerhalb Frankreichs dafür gefeiert, komplexe, schwer einzuordnende Frauenfiguren zu schaffen. 2016 wurde sie dafür mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet: für "Chanson douce" (dt.: "Dann schlaf auch du"), ihren zweiten Roman, der mit einem Kindsmord anhebt, um anschließend die Abhängigkeiten zwischen einer Pariser Mittelstandsfamilie und ihrer Kinderfrau zu sezieren. Auch in Deutschland war dieses Buch ein großer Erfolg. Jetzt legte der Verlag nach und ließ "All das zu verlieren", das Erstlingswerk aus dem Jahr 2014, ins Deutsche übertragen.
Wenn hier auch noch nicht ganz dieselbe erzählökonomische Strenge vorherrscht wie im zweiten Roman: Den für Slimani charakteristischen Sound erkennt man sofort wieder, die präzisen, kühlen Sätze, die aufs Wichtigste reduzierten Situationen, die umso eindrucksvoller vor weißem Hintergrund hervortreten. Mit wenigen Strichen zeichnet die Autorin die Abwärtsspirale von Begehren, Transgression und sinkender Befriedigungsrate nach: Adèle, Journalistin in Paris, ist mit Richard verheiratet, einem erfolgreichen Arzt. Die beiden haben einen Sohn, gehören der urbanen Mittelschicht an, sind finanziell abgesichert. Adèle liebt ihren Mann - doch ihre Triebe stammen aus einer anderen Welt. Ausgeliefert wie eine Drogensüchtige, muss sie ihnen, um etwas zu spüren, immerzu nachgeben, sich packen, nehmen, verletzen lassen. Und am Ende feststellen, dass es immer zu wenig ist.
Der Roman funktioniert indes nicht nur als Psychogramm einer Sexsüchtigen. Dass "All das zu verlieren" auch subtile Kritik normierter Familienvorstellungen ist, macht die Kunst von Leïla Slimanis Erzählen aus. Kehrseite des hypertrophen Begehrens ist nämlich, dass uns - durch Adèles Augen gesehen - das Alltägliche zur Kenntlichkeit entstellt erscheint. "Ein Gespräch zu führen" wird zur Qual, "hier sein, sehen, wie der Abend sich entwickelt, sich in Banalitäten verlieren. Nach Hause gehen." Wie Emma Bovary, mit der man Adèle in Frankreich verglichen hat, ist auch Slimanis Antiheldin eine Spiegelfigur, in der sich die Trivialität der sozialen Umwelt reflektiert. Die Männer, die sie trifft - Fremde in Bars oder Sexshops, Freunde der Familie, Arbeitsbekanntschaften, Online-Dates -, sollen, wenn auch nur für einige Minuten, Erlösung von diesem Ennui bieten. "Er fragt sie nach ihrem Namen, sie will ihn nicht preisgeben, und dieses charmante und triviale amouröse Geplänkel weckt ihre Lebenslust. Alles, was sie sagen, dient nur einem einzigen Zweck: zur Sache zu kommen. Hier, in dieser Gasse, in der Adèle sich an einen grünen Mülleimer drückt."
In einem Interview sagte Slimani kürzlich, über Sex zu schreiben sei "vielleicht das Schwerste. Weil das Vokabular, das uns dafür zur Verfügung steht, entweder pornographisch oder erotisch ist. Die Sache nüchtern zu beschreiben, einfach so, wie sie ist, das ist extrem kompliziert." In "All das zu verlieren" gelingt dieser Balanceakt. Genau und ungerührt schildert der Text nicht nur den (mitunter in brutale Gewalt umkippenden) Sex, sondern auch die ungeheuerlichen Lügen, die diesen begleiten. Eine solche Sprache entfaltet ihre Wirkung in dem Maße, wie sie sich hinter dem Erzählten zum Verschwinden bringt. "Sie weiß nicht, welche Augenfarbe er hat", heißt es einmal, "aber sie ist sich sicher, dass es ihr Erleichterung brächte, wenn er seine Hand unter ihren Pullover und dann unter ihren Büstenhalter schieben würde. Wenn er sie an die Wand drücken und sein Glied an ihr reiben würde, wenn sie spüren könnte, dass er sie genauso begehrt wie sie ihn."
Als Leser folgt man dem Sog dieser Sätze bereitwillig und überallhin. Das funktioniert auch in der Übersetzung von Amelie Thoma meist gut, wenn auch mit Abzügen dort, wo es deftig wird ("wilde Partymaus"; "verdammt noch mal" statt "scheiße"). Man fühlt Adèles Erregung, aber auch die Reue am nächsten Morgen, die Verzweiflung, die einsetzt ob der schon viel zu oft in den Wind geschlagenen Vorsätze, von nun an alles anders zu machen. Es sind diese Momente, in denen sich die Protagonistin selbst zu viel wird. Dann drängt das Selbstzerstörerische ihrer Sucht an die Oberfläche. Der Wunsch kommt auf, bewegungslos zu werden, die Augen zu schließen, ein Ding oder für immer weg zu sein.
Spätestens an dieser Stelle ahnt man, dass auf diese Figur keine der üblichen Zuschreibungen passen wird, die ihr Verhalten normalisieren und die von ihrem Lebenswandel ausgehende Beunruhigung eindämmen würden. Weder zu Moral und Verurteilung noch zur Verklärung sexueller Freizügigkeit und zum Bestandteil weiblicher Emanzipationsstrategien eignet sie sich. Denn Adèle ist eine Frau, die darunter leidet, dass sie ihren Trieben - mehr als alles andere - passiv ausgesetzt ist. Erst darin erweist sich Slimanis Darstellung von Sexualität als eigentlich politisch. Ihre Figur, zu der sie laut eigener Aussage durch die Enthüllungen um den französischen Politiker Dominique Strauss-Kahn inspiriert wurde, rücke das Thema der Sexsucht aus weiblicher Perspektive zurecht, so Slimani: "Frauen sind genauso brutal und haben ein ebenso starkes Verlangen, sie haben nur über Jahrhunderte gelernt, ihre Triebe zu bremsen und zu kontrollieren." Adèle hat diese Technik nie gemeistert. Dies darzustellen, in all seinen problematischen Aspekten, ist das Verdienst dieses Buchs.
JAN KNOBLOCH
Leïla Slimani: "All das zu verlieren". Roman.
Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Luchterhand Literaturverlag, München 2019. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Slimanis Roman, so einige Kommentatoren, handle von einer Nymphomanin. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die sexuelle Normabweichung wird hier nicht einfach nur pathologisiert, sondern als ernstzunehmender Lebenszusammenhang einer Frau geschildert, die das gewöhnliche Dasein als Belastung empfindet, Erleichterung hingegen nur noch in der Begegnung mit immer neuen Sexualpartnern. Und der ihre bürgerliche Existenz deshalb zur billigen Kulisse gerät. Seit einigen Jahren schon wird die marokkanisch-französische Autorin Leïla Slimani auch außerhalb Frankreichs dafür gefeiert, komplexe, schwer einzuordnende Frauenfiguren zu schaffen. 2016 wurde sie dafür mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet: für "Chanson douce" (dt.: "Dann schlaf auch du"), ihren zweiten Roman, der mit einem Kindsmord anhebt, um anschließend die Abhängigkeiten zwischen einer Pariser Mittelstandsfamilie und ihrer Kinderfrau zu sezieren. Auch in Deutschland war dieses Buch ein großer Erfolg. Jetzt legte der Verlag nach und ließ "All das zu verlieren", das Erstlingswerk aus dem Jahr 2014, ins Deutsche übertragen.
Wenn hier auch noch nicht ganz dieselbe erzählökonomische Strenge vorherrscht wie im zweiten Roman: Den für Slimani charakteristischen Sound erkennt man sofort wieder, die präzisen, kühlen Sätze, die aufs Wichtigste reduzierten Situationen, die umso eindrucksvoller vor weißem Hintergrund hervortreten. Mit wenigen Strichen zeichnet die Autorin die Abwärtsspirale von Begehren, Transgression und sinkender Befriedigungsrate nach: Adèle, Journalistin in Paris, ist mit Richard verheiratet, einem erfolgreichen Arzt. Die beiden haben einen Sohn, gehören der urbanen Mittelschicht an, sind finanziell abgesichert. Adèle liebt ihren Mann - doch ihre Triebe stammen aus einer anderen Welt. Ausgeliefert wie eine Drogensüchtige, muss sie ihnen, um etwas zu spüren, immerzu nachgeben, sich packen, nehmen, verletzen lassen. Und am Ende feststellen, dass es immer zu wenig ist.
Der Roman funktioniert indes nicht nur als Psychogramm einer Sexsüchtigen. Dass "All das zu verlieren" auch subtile Kritik normierter Familienvorstellungen ist, macht die Kunst von Leïla Slimanis Erzählen aus. Kehrseite des hypertrophen Begehrens ist nämlich, dass uns - durch Adèles Augen gesehen - das Alltägliche zur Kenntlichkeit entstellt erscheint. "Ein Gespräch zu führen" wird zur Qual, "hier sein, sehen, wie der Abend sich entwickelt, sich in Banalitäten verlieren. Nach Hause gehen." Wie Emma Bovary, mit der man Adèle in Frankreich verglichen hat, ist auch Slimanis Antiheldin eine Spiegelfigur, in der sich die Trivialität der sozialen Umwelt reflektiert. Die Männer, die sie trifft - Fremde in Bars oder Sexshops, Freunde der Familie, Arbeitsbekanntschaften, Online-Dates -, sollen, wenn auch nur für einige Minuten, Erlösung von diesem Ennui bieten. "Er fragt sie nach ihrem Namen, sie will ihn nicht preisgeben, und dieses charmante und triviale amouröse Geplänkel weckt ihre Lebenslust. Alles, was sie sagen, dient nur einem einzigen Zweck: zur Sache zu kommen. Hier, in dieser Gasse, in der Adèle sich an einen grünen Mülleimer drückt."
In einem Interview sagte Slimani kürzlich, über Sex zu schreiben sei "vielleicht das Schwerste. Weil das Vokabular, das uns dafür zur Verfügung steht, entweder pornographisch oder erotisch ist. Die Sache nüchtern zu beschreiben, einfach so, wie sie ist, das ist extrem kompliziert." In "All das zu verlieren" gelingt dieser Balanceakt. Genau und ungerührt schildert der Text nicht nur den (mitunter in brutale Gewalt umkippenden) Sex, sondern auch die ungeheuerlichen Lügen, die diesen begleiten. Eine solche Sprache entfaltet ihre Wirkung in dem Maße, wie sie sich hinter dem Erzählten zum Verschwinden bringt. "Sie weiß nicht, welche Augenfarbe er hat", heißt es einmal, "aber sie ist sich sicher, dass es ihr Erleichterung brächte, wenn er seine Hand unter ihren Pullover und dann unter ihren Büstenhalter schieben würde. Wenn er sie an die Wand drücken und sein Glied an ihr reiben würde, wenn sie spüren könnte, dass er sie genauso begehrt wie sie ihn."
Als Leser folgt man dem Sog dieser Sätze bereitwillig und überallhin. Das funktioniert auch in der Übersetzung von Amelie Thoma meist gut, wenn auch mit Abzügen dort, wo es deftig wird ("wilde Partymaus"; "verdammt noch mal" statt "scheiße"). Man fühlt Adèles Erregung, aber auch die Reue am nächsten Morgen, die Verzweiflung, die einsetzt ob der schon viel zu oft in den Wind geschlagenen Vorsätze, von nun an alles anders zu machen. Es sind diese Momente, in denen sich die Protagonistin selbst zu viel wird. Dann drängt das Selbstzerstörerische ihrer Sucht an die Oberfläche. Der Wunsch kommt auf, bewegungslos zu werden, die Augen zu schließen, ein Ding oder für immer weg zu sein.
Spätestens an dieser Stelle ahnt man, dass auf diese Figur keine der üblichen Zuschreibungen passen wird, die ihr Verhalten normalisieren und die von ihrem Lebenswandel ausgehende Beunruhigung eindämmen würden. Weder zu Moral und Verurteilung noch zur Verklärung sexueller Freizügigkeit und zum Bestandteil weiblicher Emanzipationsstrategien eignet sie sich. Denn Adèle ist eine Frau, die darunter leidet, dass sie ihren Trieben - mehr als alles andere - passiv ausgesetzt ist. Erst darin erweist sich Slimanis Darstellung von Sexualität als eigentlich politisch. Ihre Figur, zu der sie laut eigener Aussage durch die Enthüllungen um den französischen Politiker Dominique Strauss-Kahn inspiriert wurde, rücke das Thema der Sexsucht aus weiblicher Perspektive zurecht, so Slimani: "Frauen sind genauso brutal und haben ein ebenso starkes Verlangen, sie haben nur über Jahrhunderte gelernt, ihre Triebe zu bremsen und zu kontrollieren." Adèle hat diese Technik nie gemeistert. Dies darzustellen, in all seinen problematischen Aspekten, ist das Verdienst dieses Buchs.
JAN KNOBLOCH
Leïla Slimani: "All das zu verlieren". Roman.
Aus dem Französischen von Amelie Thoma. Luchterhand Literaturverlag, München 2019. 224 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Keiner schreibt interessanter über die Abgründe unserer Zeit als Leïla Slimani.« Mara Delius / Die Welt
Gebundenes Buch
Eine Frau im Sog ihrer eigenen Verzweiflung am Leben
Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, seiner Frau alles zu …
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Eine Frau im Sog ihrer eigenen Verzweiflung am Leben
Adèle lebt mit ihrem Mann, einem Chirurgen, und ihrem kleinen Sohn in Paris. Sie selbst arbeitet als Journalistin bei einer Zeitung. Ihr Leben scheint nahezu perfekt. Ihr Mann verdient gut und ist bestrebt, seiner Frau alles zu ermöglichen, was seiner Meinung nach zu einem guten Leben gehört. Eine sehr komfortable Wohnung in einem angesagten Viertel, Essen gehen, edle Urlaube und das sich Bewegen in besten Greisen, das bringt ihm Befriedigung und Glück. Seine Frau müsste und sollte eigentlich nicht arbeiten, denn er kann sie ja gut versorgen und schon bald will er in eine eher ländliche Gegend ziehen und einen guten Posten in einer Privatklinik annehmen. Dann muss er sich nicht mehr so schinden, Adèle kann sich voll und ganz Haus und Familie widmen und seine Idealvorstellung vom Leben ist erfüllt. Adèle jedoch ist ruhelos und unbefriedigt. Und sie schreit ihre Verzweiflung hinaus in die Welt, indem sie wie ein wildes Tier durch die Straßen der Stadt rennt und versucht, sich durch Sexualität mit Männern, wo immer sich die Gelegenheit ergibt, etwas Ruhe und Glück zu verschaffen. Doch dies gelingt immer nur für kurze Zeit oder gar nicht. Ihr Mann weiß von all dem nichts. Für ihn ist die Welt an der Seite seiner schönen Frau, auf die er so stolz ist, in Ordnung. Bis zu dem Tag, der kommen musste.
Mich hat dieses Buch sofort gepackt. Von der ersten Seite an erfährt man die verzweifelte Intensität der Gefühle, die Adèle umtreibt. In kurzen oft nur ein- oder zweiseitigen Kapiteln ist man ganz nah dran am Denken und der geradezu animalischen Umtriebigkeit dieser Frau, die einfach nicht damit aufhören kann und die dieses 'jederzeit entdeckt werden' ängstigt, die es aber gleichzeitig auch genießt. Wird sie einen Weg für sich finden, der ihre Seele zurück zu ihrer Familie führt. Oder endet alles in einer Katastrophe, die weder ein Zurück noch einen Neuanfang möglich macht, für alle, die sie mit hineinzieht in diesen Sog, ohne Hoffnung auf was auch immer. Viele Fragen, und wie sieht die Antwort aus.
Ein intensiver faszinierender Roman. Und irgendwann ziemlich am Ende reißt auch 'das Korsett' des eher emotionslosen 'normalen' Ehemanns auf. Und es ist nicht zu Ende, noch lange nicht.
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Gebundenes Buch
Als erschreckend empfand ich beim Lesen Sehnsüchte, Begierden und Empfindungen der Protagonistin Adéle. Und es geht weiter - all diese erfüllt sie sich: die verheiratete Frau und junge Mutter führt ein Leben der Extreme, das sie immer wieder bis kurz vor den Abgrund bringt. Ob …
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Als erschreckend empfand ich beim Lesen Sehnsüchte, Begierden und Empfindungen der Protagonistin Adéle. Und es geht weiter - all diese erfüllt sie sich: die verheiratete Frau und junge Mutter führt ein Leben der Extreme, das sie immer wieder bis kurz vor den Abgrund bringt. Ob sie es irgendwann nicht mehr schafft, vorher anzuhalten? Das verrate ich hier nicht!
Adéle ist Journalistin und führt eine glückliche und erfüllte Ehe mit dem Arzt Richard. Das findet jedenfalls er - Adéle sehnt sich nach leidenschaftlichem, ja gewalttätigen Sex - eine Sehnsucht, die sie sich immer wieder erfüllt. Vorzugsweise mit unbekannten Männern - bei ihrer Auswahl sind Aussehen und Benehmen unwichtig, es geht eher um die Weckung des animalischen Reizes in ihr - und da gehört nicht viel dazu. Finde ich jedenfalls, der solche Bedürfnisse mehr als fernliegen und äußerst befremdlich vorkommen.
Stilistisch dagegen erfüllt die französische Autorin Leila Slimani meine Ansprüche in jeder Hinsicht und dies ist auch der Grund, warum ich das Buch trotz des teilweise für mich abstoßenden Inhalts beendet habe: trotz der Schilderung des oft rohen und animalischen Sexes ist die Wahl der Worte, auch der Symbole und Beschreibungen, empfindsam und ab und an sogar berührend. Gelegentlich hat sie es sogar geschafft, den Ekel, der ob der Wahl von Adéles Gespielen oder der ausführlichen Darstellung der Sexszenen in mir hochkam, zu dämpfen und mich der Handlung wieder näher zu bringen.
Um ehrlich zu sein, bin ich auch alles andere als eine Freundin detaillierter erotischer Schilderungen, das muss auf jeden Fall klargestellt werden, damit Rezipienten mit anderen Erwartungen und Vorlieben hier nicht abgeschreckt werden. Wer es offen, ehrlich und schonungslos in jeder Hinsicht liebt und einen gehobenen literarischen Stil zu schätzen weiß, der könnte mit diesem Roman richtig liegen.
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Gebundenes Buch
Cover:
Das Cover ist recht einfach gehalten. Eine Frau steht an einem Balkon oder Fenster und sieht in die Ferne. An sich würde mich das Cover weniger ansprechen, doch der Titel hörte sich sehr verlockend an.
Protagonistin:
Adele ist schwer zu verstehen. Sie hat eigentlich alles was …
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Cover:
Das Cover ist recht einfach gehalten. Eine Frau steht an einem Balkon oder Fenster und sieht in die Ferne. An sich würde mich das Cover weniger ansprechen, doch der Titel hörte sich sehr verlockend an.
Protagonistin:
Adele ist schwer zu verstehen. Sie hat eigentlich alles was man sich wünschen kann. Einen Job, einen kleinen Jungen und einen Mann der gut verdient und versucht ihr alles recht zu machen. Doch sie hat diesen unüberwindbaren Drang in sich, sich fremden Männern hin zu geben. Sie selbst beschreibt es im Buch als zwang, dem sie nachgehen muss. Genau so kam es bei mir als Leser auch an. Ich war manchmal richtig geschockt von dem was sie tut, wie sie sich gegenüber ihrer Familie – vor allem ihrem Sohn – verhält und ihr scheint auch selbst ihr Leben zu entgleiten.
Ich fand sie nicht wirklich sympathisch, da ich ihre Handlungen nicht nachvollziehen konnte. Es war aber spannend darüber zu lesen.
Schreibstil:
Das Buch hat viele kurze Kapitel, die ich aber passend fand. Es gibt keinen wirklichen Spannungsbogen, was bei der Art von Buch auch nicht von Nöten ist. Man begleitet die Protagonistin in ihrem Alltag und erfährt nur sehr langsam, was bisher in ihrem Leben vorgefallen ist, was sie zu dem machte, was sie jetzt ist.
Mir tat es vor allem für den kleinen Sohn leid, der ständig nur an Kindermädchen und Freundinnen gegeben wurde. Da er aber noch sehr jung war, konnte man auch seiner Sicht das ganze nicht wirklich betrachten.
Fazit:
Das Buch ist mal etwas anderes, ein Leben das einem persönlich so Fremd ist zu begleiten war für mich doch sehr interessant.
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Gebundenes Buch
Adèle führt ein Leben, um das sie auf den ersten Blick von vielen Frauen beneidet wird. Sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, ihr Mann ist Mediziner und sie arbeitet als Journalistin. Die Familie hat eine schöne Wohnung in einer gehobenen Wohngegend von Paris. Finanziell …
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Adèle führt ein Leben, um das sie auf den ersten Blick von vielen Frauen beneidet wird. Sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, ihr Mann ist Mediziner und sie arbeitet als Journalistin. Die Familie hat eine schöne Wohnung in einer gehobenen Wohngegend von Paris. Finanziell steht die Familie gut da, und Adèle kann sich alle materiellen Wünsche erfüllen. Aber sie ist ständig auf der Suche nach Sinnerfüllung, denn diese innere Zufriedenheit, die sie ersehnt, kann sie nicht kaufen. So trifft sie sich wahllos mit vielen Männern, um brutalen Sex zu haben, immer auf der Suche nach dem Hochgefühl, das sie so herbeisehnt. Dabei trampelt sie auf den Gefühlen anderer Menschen herum, rücksichtslos und ohne Gewissensbisse. Sie verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen und Mitwissern, so dass ein Eklat droht, durch den sie alles verlieren könnte.....
Das Buch hat mich fasziniert, es enthüllt das Schicksal einer Frau, deren Grundproblem die Einsamkeit ist, der sie nicht entkommen kann, obwohl sie von Menschen umgeben ist. Sie lässt niemanden an ihr Inneres und ist nicht in der Lage, Vertrauen zu schenken. Dementsprechend kann auch ihr niemand vertrauen, denn sie benutzt die anderen nur für ihre Zwecke. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin gegenüber ist sie ehrlich.
Der Erzählstil gefällt mir sehr gut, die Sprache ist klar und ohne Missverständnisse, sie enthüllt erbarmungslos die innere Not der Protagonistin. Das hatte mir bereits in 'Dann schlaf auch du' sehr gut gefallen, und ich wurde nicht enttäuscht. Die Autorin schreibt in meist kurzen, jedoch ausdrucksstarken Sätzen. Es handelt sich um kurze Kapitel, die einen raschen Situationswechsel beschreiben und somit eine gewisse Ruhelosigkeit ausdrücken, die Adèles Seelenleben entspricht. Am liebsten hätte ich ohne Pause immer weitergelesen, um mehr über die Ursachen dieser Perspektivlosigkeit zu erfahren. Es war eine ständige Spannung im Hintergrund.
Und damit komme ich auch zu meinem einzigen Kritikpunkt: die Ursachen werden nicht wirklich klar. Es bleiben viele Fragen offen. Gut, es muss sich nicht alles restlos klären, und es ist schön, wenn man seinen eigenen Gedanken Raum einräumen kann. Jedoch hätte ich mir bei dieser extremen Gefühlskälte der Protagonistin ein paar Hinweise mehr gewünscht. Ich tippe, dass es aus der Kindheit, speziell dem Mutter-Tochter-Verhältnis, herrührt, aber über diese Zeit erfährt der Leser recht wenig. Auch Richards Charakter ist kindheitsgeprägt, und hier bekommen wir ebenso nur ein paar Andeutungen, obwohl diese Seite sicherlich für die Beziehung zwischen Adèle und Richard bedeutsam ist. Besonders hätte ich gern eine Antwort darauf, warum Richard so an Adèle hängt, warum diese unbefriedigende Beziehung für ihn eine wegweisende Option ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich ein beeindruckendes Buch gelesen habe, das mich einiges Nachdenken kostete und in Lesepausen noch nachwirkte. Nur hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht, was die Ursachen der seelischen Disharmonie betrifft.
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Gebundenes Buch
Frau im Taumel
All das zu verlieren ist der neue Roman von der französischen Schriftstellerin Leila Slimani, Autorin des bedeutenden Romans Nun schlaf auch du. Aber eigentlich ist dieser Roman älter, nur jetzt erst auf Deutsch erschienen.
Adele ist eine getriebene und in einer Art …
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Frau im Taumel
All das zu verlieren ist der neue Roman von der französischen Schriftstellerin Leila Slimani, Autorin des bedeutenden Romans Nun schlaf auch du. Aber eigentlich ist dieser Roman älter, nur jetzt erst auf Deutsch erschienen.
Adele ist eine getriebene und in einer Art Midlife-crisis. Verheiratet, junge Mutter und Journalistin denkt sie doch nur an ihre Affären und einem unbestimmten Verlangen. Trotz Ehe fühlt sie sich mit ihrem Mann Richard nicht sehr verbunden, das 3jährige Kind ist mehr störend.
Es ist ein selbstzerstörerische Weg, den sie geht.
All das zu verlieren hat nicht ganz die Kraft von Nun schlaf auch du, obwohl auch literarisch gut gemacht und mit dem Mut, über ein Tabu zu schreiben.
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Gebundenes Buch
Inhalt:
Adéle führt nach außen hin, das perfekte Leben, einer zurückhaltenden jungen Frau, die unabhängig ist und das Eheleben mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn zu genießen scheint. Doch hinter der Fassade des schicken Pariser Viertels, gibt es eine ganz …
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Inhalt:
Adéle führt nach außen hin, das perfekte Leben, einer zurückhaltenden jungen Frau, die unabhängig ist und das Eheleben mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn zu genießen scheint. Doch hinter der Fassade des schicken Pariser Viertels, gibt es eine ganz andere Adéle, eine Frau die jedes Tabu bricht, immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer.
Während sie an ihrer inneren Leere und Gefühllosigkeit zu zerbrechen droht, versucht sie auszubrechen und ihren Schmerz zu betäuben, tagtäglich trifft sie sich mit Männern, durchbricht Grenzen und schaut wissentlich dabei zu, wie ihr alles zu entgleiten droht. Schon bald befindet sie sich in einem Strudel aus Angst, Nervenkitzel und dem verzweifelten Versuch, immer höhere Regionen zu erreichen, um den Schmerz der Einsamkeit und der Suche nach Erfüllung zu entfliehen.
Meine Meinung zum Buch :
Seit dem ersten Buch, welches ich aus der Feder, der französisch-marokkanischen Schriftstellerin Leïla Slimani gelesen habe, bewundere ich ihre Art auf sozialkritische Themen hinzuweisen, ohne dabei ihr literarisches Können in den Hintergrund zu Stelle oder ihre Intensität des Schreibens und der Unterhaltung zu verlieren. Umso gespannter, war ich auf das neue Buch "All das zu verlieren" , welches ein höchst brisantes Thema zu beinhalten scheint.
Und bereits nach wenigen Seiten, stellte sich das schriftstellerische Können Slimanis ein und zog mich sofort in seinen Bann. Sowohl der kernige und ohne Umschweife erzählte Schreibstil, der dennoch auf so vielen Ebenen zu funktionieren weiß und der den Interpretationsspielraum des Lesers, bis in die Tiefe weckt ohne zu viel zu erzählen, ließ mich innerlich den Hut ziehen.
Wie furchtloch ohne Scheu und ohne jegliche Tabus, Slimani einen Charakter zeichnet, der polarisiert, der kein Blatt vor den Mund nimmt und so stark erzählt ist, dass dieser zu einem Paradebeispiel in der Literatur wird, für was ?
Für Authentizität, Mut, Eigensinn und absoluten Tiefgang.
Slimani erschafft einen Charakter, der ebenso geheimnisvoll erzählt ist, der einem in vielen Facetten ein Mysterium bleibt und gerade hier liegt die unangepasste Stärke, einer Charakterentwicklung.
Adéle ist kein Stereotyp, der sich dem Leser auf den ersten Seiten voll und ganz erschließt, sondern sie ist vielschichtig, eigen und verschnörkelt komplex und dabei so unangepasst authentisch, dass sie zu einer perfekten Protagonistin, eines parabelhaften Romans wird.
Eines Romans, der aufzeigt, wie uns die Eitelkeit und Oberflächlichkeit der Gesellschaft in eine erschreckende innere Leere führen kann, aus der wir die seltsamsten Möglichkeiten ersuchen, um uns selbst spüren zu können.
Natürlich ist Adéle´s Variante und Zuflucht überspitzt dargestellt und einige Szenen übersteigen den normalen Raum, sind sogar in ihrer Intensität nicht immer glaubwürdig, doch liegen sie im Bereich des Möglichen und was wichtiger ist, sie zeigen Kritik auf, und das ist es worum es geht.
Mein Fazit:
Ein grandioser, polarisierender Roman, der einiges zu sagen hat. Natürlich kann man sich an dieser Stelle fragen: Was darf ein Roman und wie überspitzt dürfen einzelne Szenen dargestellt werden? In meinen Augen darf Literatur alles, solange sie etwas zu sagen hat und zu unterhalten weiß. Beides kann Leïla Slimani, wie kaum eine andere Schriftstellerin unserer Zeit, in einer Intensität, wie ich es selten erlebt habe!
Ein berührender Roman, der uns Leser nachdenken lässt und dem Leser Raum lässt für Interpretationen.
Für mich ein großes Stück, bedeutender Literatur:
Chapeau!
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Gebundenes Buch
EIN VERSTÖRENDER, SOGHAFTER ROMAN
Mit „All das zu verlieren“ (Originaltitel: Dans le jardin de l'ogre) stellt Leïla Slimani dem Leser eine junge Frau vor, die dem Anschein nach alles besitzt und ein glückliches Leben führen müsste.
Adèle ist …
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EIN VERSTÖRENDER, SOGHAFTER ROMAN
Mit „All das zu verlieren“ (Originaltitel: Dans le jardin de l'ogre) stellt Leïla Slimani dem Leser eine junge Frau vor, die dem Anschein nach alles besitzt und ein glückliches Leben führen müsste.
Adèle ist jung, schön, verheiratet mit einem wohlhabenden, fleißigen, ebenfalls jungen Chirurgen, arbeitet selbst als Journalistin. Sie haben einen dreijährigen Sohn und wohnen in einem noblen Pariser Vorort. Trotzdem empfindet sie eine selbstzerstörerische Leere, die sie immer öfter mit sexuellen Eskapaden mit sogar vollkommen fremden Männern zu lindern versucht. Adèle ist rast- und ruhelos. Warum? Was will diese Frau eigentlich? Was stimmt mit ihr nicht? Sie scheint für nichts im Leben einen triftigen Grund zu haben - nicht für die Heirat mit Richard, nicht für das Kind, nicht für ihre sexuellen Abenteuer... Ihr ist es lediglich wichtig dazuzugehören und auf die Frage ihrer einzigen Freundin Lauren, warum sie geheiratet hat, antwortete sie folgendermaßen.
[S. 51] „Ich habe ihn geheiratet, weil er mich gefragt hat. Er war der Erste und bisher der Einzige. Er hatte mir was zu bieten. Und außerdem war meine Mutter so glücklich. Ein Arzt, stell dir vor!“
Ich las aus den Zeilen Überdruss für fast alles, keinerlei Linderung für ihr sexuelles Verlangen, eine große Gleichgültigkeit, Desinteresse für das, was über den Augenblick hinausgeht. Adèle ist eine Getriebene ihrer eigenen Vorstellungen, ohne irgendeine Erfüllung zu finden, ohne Bindungen an oder für etwas/jemanden. Die Zerrissenheit A. kommt sehr gut zum Ausdruck. Da gibt es sehr viele selbstzerstörerische Szenen, die das mehr als verdeutlichen.
Der Schreibstil Leïla Slimanis und die kurzen Kapitel machten mir das Lesen leicht, weniger die Verhaltensweisen der Protagonistin. Sie hat so viele Störungen, dass es eigentlich für einen Menschen zu viel ist. Neben ihrer Sexsucht und ihren zahlreichen Ängsten (AIDS, Schwangerschaft, vor Überfällen...) entwickelte und kultivierte sie eine Magersucht.
[S. 72] „Sie hat es immer gemocht, Hunger zu haben. Zu spüren, wie man schwächer wird, schwankt,... Sie hat ihre Magerkeit kultiviert wie eine Lebenskunst.“
Es ist für mich schwierig zu verstehen, wie weit Adèle geht, wie weit sie sich als Persönlichkeit verliert. Erklärungen für das Verhalten beider Protagonisten (Adèle und ihr Ehemann Richard) liefert dieser Roman nicht. Hier noch ein Zitat für die Sichtweise Richards:
[S. 152] "Adèle hat die Welt zerrissen...Die Erinnerungen, die Versprechen, all das ist wertlos. Ihr Leben ist nur trügerischer Schein...Vielleicht, wenn er schwieg, würde es trotzdem halten..."
Für mich warf dieses Buch mehr Fragen auf als es beantwortete.
Fazit:
· Es ist eine Geschichte, die nicht gefällig schön ist. Nein, sie deprimiert, sie verstört, sie bietet keine Alternativen, keine Perspektiven und hat eine dermaßen widersprüchliche Protagonistin in Adèle, die jenseits der gängigen Moralvorstellungen agiert. Im Gegensatz dazu, möchte sie, dass ihre Werte nach außen hin für alle Welt stimmig sind.
· Es ist eine Geschichte, die sprachlich brillant daherkommt, aber inhaltlich keine Ursachen aufzeigt und mich etwas ratlos zurückließ, vor allem mit dem Ende
· Es ist eine Geschichte, die sicher polarisiert.
Evtl. habe ich zuviel hineininterpretiert. Ich empfehle „All das zu verlieren“ sehr gern. Jeder soll seine eigene Erfahrungen mit dem Roman machen. Auf Grund des herausragenden Schreibstils, des offensichtlichen Schreibtalents werde ich auch das nächste Buch der Autorin lesen. Doch mehr als drei von fünf Lesesternen möchte ich nicht vergeben.
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Gebundenes Buch
Macron, derzeitiger Präsident der Grand Nation Frankreich, hat die Schriftstellerin Leïla Slimani zu seiner Botschafterin der Frankofonie auserkoren. Dann hat sie noch mit ihrem zweiten Roman den Prix Goncourt abgeräumt. Spricht für diese Frau, marokkanischer Herkunft, geboren …
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Macron, derzeitiger Präsident der Grand Nation Frankreich, hat die Schriftstellerin Leïla Slimani zu seiner Botschafterin der Frankofonie auserkoren. Dann hat sie noch mit ihrem zweiten Roman den Prix Goncourt abgeräumt. Spricht für diese Frau, marokkanischer Herkunft, geboren 1981 in Rabat, die in Paris studierte. Und nicht nur das, als Verfechterin der Gleichberechtigung tritt sie öffentlich meinungsstark auf.
Ihr Debüt ist, im Original bereits 2015, nun auch auf Deutsch erschienen mit dem Titel „All das zu verlieren“. Diesen Roman kann man mit diesem Vorwissen kaum unbedarft in die Hand nehmen.
Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: Die Protagonistin, eine Pariser Journalistin, versucht ihre innere Leere mit Sex zu füllen. Zudem ist sie verheiratet und hat einen Sohn im Kleinkindalter. Sie plagt nun erwischt zu werden und hat eben Angst „all das zu verlieren“. Nun kann man sich natürlich die naheliegende Fragen stellen warum Madame sich nicht scheiden lässt in einer modernen Gesellschaft wie Frankreich. Aber das ist zu kurz gegriffen, denn aus meiner Sicht will die Autorin mittels dieser drastischen Konstellation und einer sehr plastischen Sucht das gängige Glücksmodell in Frage stellen und fordert den Leser heraus: Macht jeden die Ehe mit Kindern gleichermaßen glücklich? Die herkömmliche Norm wird ausgehebelt.
Natürlich provoziert die maghrebinische Autorin auch in dem das Thema Fremdgehen/Ehebruch seitens einer Frau im Fokus steht. Der Roman war ein Bestseller in Marokko und führe zu hitzigen Debatten. Eine weitere Ebene der Auseinandersetzung im lokalen kulturellen Kontext.
Hervorragend übersetzt von Amelie Thoma, liest sich dieses sehr französische Werk trotz teils harter Kost sehr gut. Nur sollte der Leser darauf eingestellt sein, dass es auch verstörende Passgen gibt.
In der Härte liegt zugleich auch sprachlich die Stärke des Romans. Selten finde ich ein solch emotional aufgeladenes Thema so nüchtern und zugleich poetisch in Szene gesetzt. Leïla Slimani kann wunderbar schreiben.
Mir fällt in der Tat keine andere so moderne wie richtungsweisende Schriftsteller*in ein, die Frankofonie-Botschafter*in sein sollte!
Fazit: Lesen und wirken lassen. Nicht bewerten.
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Gebundenes Buch
Adèle arbeitet für eine Pariser Tageszeitung, hat einen fleißigen Ehemann, einen kleinen Sohn. Alles könnte bestens sein – wenn Adèle damit zufrieden wäre. Aber das ist sie nicht. Immer wieder muss sie sich sexuell neu erfinden, neu empfinden, stärker …
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Adèle arbeitet für eine Pariser Tageszeitung, hat einen fleißigen Ehemann, einen kleinen Sohn. Alles könnte bestens sein – wenn Adèle damit zufrieden wäre. Aber das ist sie nicht. Immer wieder muss sie sich sexuell neu erfinden, neu empfinden, stärker empfinden und schreckt dabei auch vor Selbstzerstörung nicht zurück.
Das Buch habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Meine Empfindungen dabei waren sehr wiegespalten gegenüber Adèle. Ich habe mich immer wieder gefragt, warum macht sie das? Warum tut sie sich und ihrer Familie das alles an? Bis ich akzeptiert habe, dass sie krank, besser gesagt süchtig ist. Nicht nach Drogen, sondern nach der Befriedigung durch Sex in allen nur denkbaren Ausprägungen. War ich anfangs über Adèle noch entsetzt, tat sie mir später irgendwie auch leid. Besonders als ihr Mann hinter ihr Geheimnis gekommen ist und sie auf den neu erworbenen Anwesen isoliert, versucht hat heile Familie zu spielen. Der gehörnte Ehemann, Richard Robinson, hat mir nicht wirklich leidgetan. Denn in meinen Augen hat er seiner Frau und seiner Familie viel zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Sonst hätte es nicht so weit kommen können. Geld ist halt nicht alles. Der Arzt Richard empfindet seine Frau als Kranke ohne Symptome. Ich denke, das trifft es ziemlich genau.
Der Erzählstil der Autorin lag mir sehr. Es wechselten in den Kapiteln Rückblenden mit Gegenwart sprunghaft hin und her, was ich als äußerst passend zu dem sprunghaften (im wahrsten Sinne des Wortes) Leben von Adèle fand. Wer dieses Buch liest, sollte allerdings nicht allzu prüde sein. Denn Begriffe wie gekaufter Stecher bringen im Buch die Vulgarität Adèles gepaart mit Einzelheiten zu ihren Ausschweifungen sehr anschaulich und treffend zum Ausdruck. Ich habe mich mit diesem Buch wunderbar unterhalten gefühlt und somit gibt’s von mir 5 Lese-Sterne und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.
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Adéle lebt ein Leben wovon viele Frauen nur träumen – sie hat einen gesunden Sohn, ist verheiratet mit Richard der als Arzt tätig ist, kann als Journalistin arbeiten, ans Meer fahren, gehobener leben und wohnen und doch ist sie unglücklich, unzufrieden und fühlt sich …
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Adéle lebt ein Leben wovon viele Frauen nur träumen – sie hat einen gesunden Sohn, ist verheiratet mit Richard der als Arzt tätig ist, kann als Journalistin arbeiten, ans Meer fahren, gehobener leben und wohnen und doch ist sie unglücklich, unzufrieden und fühlt sich alleine.
Darum sucht sie Kontakte zu anderen Männern mit denen sie ihr sexuellen Wünsche und Geheimnisse umsetzen kann, um ihre innere Leere zu füllen und merkt nicht wie ihr die ganze Situation langsam entgleitet....
Ich habe das Buch „Dann schlaf auch du“ von der Autorin gelesen und war von ihrer Art des Erzählens und Schreiben sehr angetan.
Dies kann ich auch über ihr Buch „All das zu verlieren“ ummünzen, der Schreistil ist offen, in vielen Situationen schonungslos und ehrlich, aber genau so nimmt einen das Buch, die Protagonistin Adéle mit auf ihre innere Reise.
Adéle wird in diesem Buch wohl viel Hass auslösen, man wird ihr Egoismus vorwerfen weil sie nicht nur ein gutes Leben wegwirft sondern auch ihrem Mann und Sohn damit schadet.
Aber genau hier liegt die Stärke des Buches, der ganzen Geschichte, denn nur so kann man als Leser, in meinen Augen, diese Leere, dieses Suchen nach Anerkennung, nach „da muss doch mehr sein“, nachvollziehen.
Auch wenn Adéle innerlich mit ihren Entscheidungen zerrissen ist und doch ständig die „Gefahr“ sucht indem sie sich auf fremde Männer einlässt, so weiß sie auch ihren Mann und Sohn zu schätzen, das gehobene Leben welches sie führen kann und darf, aber es füllt sie eben nicht so aus wie ihren Mann.
Denn Adéle weiß um ihre Vorzüge, dass sie bei den Männern begehrt ist, dass man sich nach ihr umdreht, sie sehen und hören möchte, Zeit mit ihr verbringen will, nur in diesem Momenten fühlt sie sich akzeptiert, schön, beachtet und voller Energie.
Während ihr Mann Richard sich überlegt ein Haus auf dem Land zu kaufen, mehr Zeit für die Familie zu haben, dass sie noch ein zweites Kind bekommen sollen ist Adéle nicht sicher was sie genau möchte... auf der einen Seite will sie ausreißen und leben, sich lebendig fühlen, auf der anderen Seite den sicheren Hafen der Ehe mit Richard nicht verlassen.
Wirkliches Mitspracherecht hat Adéle nicht.
Ich empfand für Adéle, die meiste Zeit, Mitgefühl und konnte viele Ansichten und Gedanken verstehen oder, ansatzweise, nachvollziehen.
Richard hat zwar einen harten Job als Arzt aber auch Adéle geht arbeiten, kümmert sich um Sohn und Haushalt und hält alles zusammen, aber es ist in erster Linie Richard der bestimmt, den Weg vorgibt und sich erholen muss.
Als Frau hat sie sich nicht so anzustellen, denn hier wird die Realität fassbar – als Frau arbeitet man eh nicht so wirklich und überhaupt haben es Männer viel schwerer.
Der Autorin gelingt es mehr als gekonnt diese Ansätze, die ja oft Realität sind, anzusprechen, zu erwähnen und in dieser Story umzusetzen.
Schonungslos und ohne Umschweife zeigt Leila Slimani auf was Einsamkeit in der heutigen Gesellschaft bedeuten kann.
Das offene Ende wird auch hier nicht jedem gefallen, ich finde es aber sehr gut da man sich so eine eigenen Gedanken machen kann, es regt zum nachdenken und austauschen an und jeder Leser kann selbst entscheiden was mit Adéle und Richard passiert.
Ich kann dieses Buch nur empfehlen!
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