Ruhig erzählter, durch seine unheimliche Atmosphäre bestechender Thriller über die Abgründe in einem malerischen Küstenort
Zum Inhalt: Der an der britischen Küste gelegene Ort Hithechurch birgt mehr als nur ein dunkles Geheimnis, nachdem erst vor wenigen Monaten die Teenagerin Cherryl spurlos vom
Strand verschwunden ist. Sie hatte sich am helllichten Tag nur ein wenig von ihrer Familie…mehrRuhig erzählter, durch seine unheimliche Atmosphäre bestechender Thriller über die Abgründe in einem malerischen Küstenort
Zum Inhalt: Der an der britischen Küste gelegene Ort Hithechurch birgt mehr als nur ein dunkles Geheimnis, nachdem erst vor wenigen Monaten die Teenagerin Cherryl spurlos vom Strand verschwunden ist. Sie hatte sich am helllichten Tag nur ein wenig von ihrer Familie entfernt, um Ruhe vor ihren jüngeren Cousins und Cousinen zu haben. Auf dessen Campingplatz kehrt Charlotte Watts, die Charlie genannt wird, nach jahrzehntelanger Abwesenheit zurück. Denn in ihrer Kindheit und damit längst vergangenen Zeiten hat sie dort den Sommer mit ihrer großen Familie verbracht, bis ein schreckliches Ereignis ihr Leben für immer verändert hat.
Abwechslungsreiche Erzählweise auf verschiedenen Zeitebenen
Abwechslungsreich wird “Die Totenbraut”, die im englischen Original den passenderen Titel "Games for Dead Girls" trägt, von Jen Williams aus mehr als einer Perspektive auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Dazu zählen neben der Sichtweise von Hauptfigur Charlie, die in der Vergangenheit und Gegenwart wiedergegeben wird, in der sie sich Sarah nennt, damit sie unerkannt nach Hithechurch zurückkehren kann, auch die Lebensgeschichte von Derek, der der Sohn eines angesehenen Chirurgen ist. Ursprünglich hatte Charlie für Sarah als Vorwand für ihren Aufenthalt dort ersonnen, dass sie Schriftstellerin ist, die ein Buch über die Volkssagen von Hithechurch verfassen will. Dass Charlies Recherchen in diesem Zusammenhang im weiteren Verlauf des Romans jedoch mehr und mehr Raum einnehmen, hat diesem Thriller gut getan. Denn Jen Williams hat dabei die Gelegenheit genutzt, eine Vielzahl von unerwarteten alten und modernen Legenden zu erzählen, die sich in diesem Küstenort zugetragen haben sollen. Diese reichen von Geister- und Piratengeschichten über Mafia-Morde im Stil der Sopranos bis hin zu einem Höhlensystem, in dem Einwohner, die dort im Krieg Schutz und Zuflucht gesucht haben, verschüttet und lebendig begraben worden sein sollen.
Von der düsteren Legende um Stitch Face Sue
“Die Totenbraut” ist erst über weite Strecken durch die ruhige Erzählweise der Autorin geprägt, wenn für lange Zeit recht wenig passiert. Intensität wird dabei jedoch durch die Integration der Abgründe, die sich in der Vergangenheit des malerischen Ortes Hithechurch auftun konnten, durch Charlies eigene Ängste und ihre sie belastende Vergangenheit erzeugt, mit der sie zu kämpfen hat. Auf diese Weise wird eine unheilvolle Atmosphäre aufgebaut, die Ungutes erahnen lässt und die im weiteren Verlauf dieses Thrillers immer unheimlicher wird. Dabei stellt die Legende um Susan Cartwright eines der Highlights in diesem Roman dar. Für diese sagenhafte Gestalt, die auch als Stitch Face Sue bekannt ist und deren Jahrestag im Sommer mit großen Feierlichkeiten begangen wird, konnte Charlie sich als Kind begeistern und dabei ihre Leidenschaft ausleben, Geschichten zu erzählen, wenn sie Legenden in freier Variation weitergesponnen hat.
Inspiriert von einem wahren Verbrechen aus dem Jahr 2015
Im Finale “Der Totenbraut” zieht Jen Williams deutlich die Spannungsschrauben an, wenn sich die Ereignisse überschlagen und der Blutzoll steigt. Damit ist dieser Thriller nicht gut für Zartbesaitete geeignet, die dessen ruhiger Beginn darüber hinwegtäuschen kann. Zwar wartete die Autorin zum Schluss mit einer schlüssigen Auflösung auf, die sich zuvor schon von mir erahnen ließ. Jedoch habe ich den Übergang zwischen atmosphärischen Psychothriller, der von der Frage nach Wahn und Wirklichkeit dominiert wird und damit spielt, welche der Schrecken sich nur in den Köpfen der beteiligten Personen abspielen, bzw. der um die Vielzahl von modernen Legenden kreist, die in Hithechurch hinter vorgehaltener Hand weitererzählt werden und bei denen lange von der Autorin in der Schwebe gelassen wird, welche nur Gerüchte und welche tatsächlich begangene, nie aufgeklärte Verbrechen darstellen, und dem spannenden Showdown, den Jen Williams dafür als Abschluss findet, als nicht besonders harmonisch empfunden. Da hätte ich mir gewünscht, dass sich die Autorin für nur eine Art, ihre Geschichte zu erzählen, entschieden und diese dann konsequent in ihrem Thriller umgesetzt hätte. Möglicherweise liegt dieser Schwachpunkt in den verschiedenen Teilen dieses Romans, die von mir primär aufgrund ihrer Tonalität, aber auch der darin geschilderten Ereignisse als nicht zueinander passend angesehen worden sind, in dem Korsett begründet, dass sich Jen Williams dadurch auferlegt, dass einer ihrer zentralen Handlungsstränge von einem realen Verbrechen aus dem Jahr 2015 inspiriert worden ist. Vor diesem Hintergrund hätte “Die Totenbraut” wohl stärker ausfallen können, wenn die Autorin sich nicht dieser Einschränkung unterworfen hätte, um die von ihr erzählte Geschichte zu einem stimmigen Ganzen zusammenzuführen.