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Der Nummer 1-Bestsellerroman nun in einer illustrierten Geschenkausgabe in besonderer, wertiger Ausstattung.Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchte...
Der Nummer 1-Bestsellerroman nun in einer illustrierten Geschenkausgabe in besonderer, wertiger Ausstattung.
Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.
Klug und mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Wandel einer Inselwelt, von alten Gesetzen, die ihre Gültigkeit verlieren, und von Aufbruch und Befreiung. Der Nummer 1-Bestsellerroman nun in einer illustrierten Geschenkausgabe mit 14 schwarz-weißen Illustrationen in besonderer Ausstattung.
Ausstattung: 14 zweifarbige Abb.
Die Fähre braucht vom Festland eine Stunde auf die kleine Nordseeinsel, manchmal länger, je nach Wellengang. Hier lebt in einem der zwei Dörfer seit fast 300 Jahren die Familie Sander. Drei Kinder hat Hanne großgezogen, ihr Mann hat die Familie und die Seefahrt aufgegeben. Nun hat ihr Ältester sein Kapitänspatent verloren, ist gequält von Ahnungen und Flutstatistiken und wartet auf den schwersten aller Stürme. Tochter Eske, die im Seniorenheim Seeleute und Witwen pflegt, fürchtet die Touristenströme mehr als das Wasser, weil mit ihnen die Inselkultur längst zur Folklore verkommt. Nur Henrik, der Jüngste, ist mit sich im Reinen. Er ist der erste Mann in der Familie, den es nie auf ein Schiff gezogen hat, nur immer an den Strand, wo er Treibgut sammelt. Im Laufe eines Jahres verändert sich das Leben der Familie Sander von Grund auf, erst kaum spürbar, dann mit voller Wucht.
Klug und mit großer Wärme erzählt Dörte Hansen vom Wandel einer Inselwelt, von alten Gesetzen, die ihre Gültigkeit verlieren, und von Aufbruch und Befreiung. Der Nummer 1-Bestsellerroman nun in einer illustrierten Geschenkausgabe mit 14 schwarz-weißen Illustrationen in besonderer Ausstattung.
Ausstattung: 14 zweifarbige Abb.
Dörte Hansen, geboren 1964 in Husum, arbeitete nach ihrem Studium der Linguistik als NDR-Redakteurin und Autorin für Hörfunk und Print. Ihr Debüt "Altes Land" wurde 2015 zum "Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels" und zum Jahresbestseller 2015 der SPIEGEL-Bestsellerliste. Ihr zweiter Roman "Mittagsstunde" erschien 2018, wurde wieder zum SPIEGEL-Jahresbestseller und mit dem Rheingau Literatur Preis sowie dem Grimmelshausen Literaturpreis ausgezeichnet. 2022 erschien ihr dritter Roman "Zur See". Dörte Hansen, die mit ihrer Familie in Nordfriesland lebt, ist Mainzer Stadtschreiberin 2022.

© Sven Jaax
Produktdetails
- Verlag: Penguin Verlag München
- Originalausgabe
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 15. November 2023
- Deutsch
- Abmessung: 219mm x 144mm x 28mm
- Gewicht: 502g
- ISBN-13: 9783328603115
- ISBN-10: 3328603115
- Artikelnr.: 68503014
Herstellerkennzeichnung
Penguin Verlag
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Möglichkeiten einer Insel
Kann Dörte Hansen das Niveau ihres überragenden nordfriesischen Bestsellers "Mittagsstunde" halten? Diesmal geht es richtig zur See. Ein stürmisches Buch.
Beim ersten Durchgang ist man verwundert, vielleicht auch ein wenig enttäuscht: Was? Das soll jetzt der Nachfolger von "Mittagsstunde" sein, einem der besten, kürzlich auch noch verfilmten Romane der vergangenen zwanzig Jahre? Die Geschichte und der Ton, in dem sie vorgetragen wird, stammen eindeutig wieder von Dörte Hansen: das karge, insbesondere den Fährnissen des Trinkens, des Ertrinkens und des Frierens ausgesetzte Leben einer auf einer Nordseeinsel sesshaften Familie, in der Geschwätzigkeit nicht gerade Trumpf ist. Aber sonst? Etwas
Kann Dörte Hansen das Niveau ihres überragenden nordfriesischen Bestsellers "Mittagsstunde" halten? Diesmal geht es richtig zur See. Ein stürmisches Buch.
Beim ersten Durchgang ist man verwundert, vielleicht auch ein wenig enttäuscht: Was? Das soll jetzt der Nachfolger von "Mittagsstunde" sein, einem der besten, kürzlich auch noch verfilmten Romane der vergangenen zwanzig Jahre? Die Geschichte und der Ton, in dem sie vorgetragen wird, stammen eindeutig wieder von Dörte Hansen: das karge, insbesondere den Fährnissen des Trinkens, des Ertrinkens und des Frierens ausgesetzte Leben einer auf einer Nordseeinsel sesshaften Familie, in der Geschwätzigkeit nicht gerade Trumpf ist. Aber sonst? Etwas
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merkwürdig Rhapsodisches eignet "Zur See", zweifellos auch wieder ein Roman, dem aber die düster lastende Konzentration auf das Seelenleben der Protagonisten fehlt und an dessen Sprunghaftigkeit man sich erst gewöhnen muss.
Beim zweiten Durchgang merkt und bewundert man dann aber, wie genau auch dieses Buch gearbeitet ist, vom schlackenlos-knappen Stil über die subtilen, erst im Nachhinein in ihrer Bedrohlichkeit erkennbaren Vorausdeutungen auf kommendes Unglück bis hin zu den leitmotivisch wiederholten Alltagsbeschreibungen, wie sie eine maritime Existenz nahelegt. Mehrmals hebt die Erzählerin an und belässt das Geschehen doch im örtlich Ungefähren: "Auf einer Nordseeinsel irgendwo in Jütland, Friesland oder Zeeland." Es ist müßig, hier lange zu rätseln. Zwischen Holland und Dänemark ist viel Wasser, aber die Nordseeinseln sind ja nicht die Philippinen. Die Intensität der Stürme lässt eher an die Hochsee denken und nicht an Norderney, wobei andererseits von einer kleinen Stadt auf der Insel die Rede ist. So verleiht die relative Unbestimmtheit dem Geschehen etwas Gleichnishaftes.
Die Sanders - Mutter Hanne, Vater Jens und die Kinder Ryckmer, Eske und Henrik - bewohnen dort das schönste Haus, niedrige Decken unterm Reetdach, "malerisch" ist gar kein Ausdruck; die, wie man damals sagte, "Badegäste", die seit den Siebzigerjahren den Lebensunterhalt sichern, kommen jedes Jahr wieder. Dörte Hansen hat ein scharfes Auge für Vorgänge, die man landläufig unter "Strukturwandel" verbucht. In "Mittagsstunde" war es die Flurbereinigung, hier ist es der Fremdenverkehr, der dem auch diesmal wieder zur Statik neigenden Geschehen Dynamik verleiht.
Dass Hanne Sander sich mit ihren Feriengästen, die sie zwischen Ostern und Sommerende bei sich einquartiert, mehr Mühe gibt als mit ihrer eigenen Familie, wird seine Gründe haben; dass die Familie ihrerseits Anstoß an dieser Katzenfreundlichkeit nimmt, ist genauso begreiflich. Die Matriarchin scheint moralisch Oberwasser zu haben - über ihren Mann Jens sowieso, der einst Knall auf Fall ausgezogen ist und sich als Eremit dem Vogelschutz widmet; aber auch über die Kinder. Ryckmer, der Älteste, bekommt als abgetakelter Kapitän auf einem Fährschiff sein Gnadenbrot, wohnt wieder zu Hause, die Mutter holt ihn jeden Abend wortlos vom Hafen ab und teilt ihm seine tägliche Ration zu: "Sechs Flaschen Bier sind ein Witz für einen Mann, der sich betrinken will. Sie reichen allenfalls für eine Halbbetäubung zwischen Feierabend und dem frühen Morgen." Das stimmt natürlich, aber mehr gibt es nun mal nicht, es reicht, wenn der Kapitän a. D. an den Wochenenden im Delirium vor dem Elternhaus liegt. Eske, die Zweite, ist als Altenpflegerin mit ganzem Herzen dabei, bei ihrer blauhaarigen Festlandsfreundin Freya, von der sie sich Tattoos stechen lässt, aber nur mit halbem. An ihr wird die Steigerung des erzählerischen Härtegrades im Vergleich zur "Mittagsstunde", die auch nicht gerade verzärtelt war, sinnfällig: Sie drängt Touristen von der Straße und gibt sich nicht mit Neil-Young-Folkrock zufrieden, sondern lässt den Kopf zu knüppelharter Musik kreisen. Henrik schließlich, der Jüngste, hat das Sammeln von Strandgut zum Beruf gemacht und genießt als Produzent einer "Arte povera der Nordsee" achselzuckend die Wertschätzung kunstsinniger Insel-Gäste, eine vergleichsweise unbeschwerte Existenz unter lauter von Wind und Wetter gegerbten - "Liebling der See".
Dörte Hansen ist auch deshalb ein erzählerisches Schwergewicht, weil ihr Blick grundsätzlich auf Desillusion aus ist. Unerbittlich, zuweilen nur stichwortartig protokolliert sie Lebensenttäuschungen und sieht hinter alle Fassaden. Es ist ein nicht nur von Wortkargheit geprägtes Dasein, in dem es wenig zu lachen gibt und dessen Vorstellungen und Gewohnheiten tief in die Grönlandfahrer- und Walfängervergangenheit der Vorfahren zurückreichen. Dass das Leben nicht immer so verläuft, wie man sich das vorstellt, ist freilich keine insulare Spezialität. Aber hier, in unaufhebbarer Einsamkeit, herrschen noch andere Fatalitäten. Der Schutz vor den Elementen kann genauso überlebenswichtig sein wie die Frage, ob man dableibt oder wegzieht und, wenn man dableibt, ob man auch zur See fährt. Letzteres war einstmals fast so riskant, wie wenn man in den Krieg zog, und das Bewusstsein davon steckt den Menschen immer noch in den Knochen.
"Moby-Dick"- und Storm-Anspielungen verdichten sich zu einem See- und Seelendrama, in dem die Inselbewohner gleichsam von langer Hand mit einer eigentümlichen Naturfrömmigkeit imprägniert wurden, die sich aus Sehnsucht und Angst speist und in der die Grenze zwischen dem Belebten und dem Unbelebten durchlässig wird. Die Nordsee türmt sich in immer neuen Anläufen auf zur Metapher des Lebens an sich und bleibt ungerührt und mitleidlos. Einmal zu weit rausgeschwommen, es ist nicht wieder gutzumachen. Man könnte fast an den Beach Boy Dennis Wilson denken, wenn ausgerechnet der beste Schwimmer unter den Sanders am Ende ertrinkt.
Vor diesem Hintergrund entfaltet die schon die "Mittagsstunde" prägende Zivilisationskritik oder wenigstens -skepsis ihre Wucht. Wenn Festlandsbewohner, die hier generell unter latentem Feigheitsverdacht stehen, auf die Idee kommen, auf der Insel könnte man während einer Stippvisite irgendwie zur Ruhe kommen, wird selbst Dörte Hansen spöttisch, die Einfühlung ins Allgemeinmenschliche bekommt einen Stich ins Sarkastische: "Alle Inseln ziehen Menschen an, die Wunden haben, Ausschläge auf Haut und Seele. Die nicht mehr richtig atmen können oder nicht mehr glauben, die verlassen wurden oder jemanden verlassen haben. Und die See soll es dann richten, und der Wind soll pusten, bis es nicht mehr wehtut." Pustekuchen, kann man da nur sagen, die See richtet vielmehr über die Lebendigen und die Toten. Einer aus der seltsamen Sander-Familie opfert sich und vollendet ein "Schimmelreiter"-Schicksal: "Herr Gott, nimm mich; verschon' die Andern!"
Thomas Mann hat einst zu bedenken gegeben, dass die Theodor-Storm-Gegend nur oberflächlich christianisiert wurde; das merkt man hier. Anhand der wichtigen Nebenfigur des heuchlerisch-haltlosen Pastors Lehmann tritt das Brüchige der Glaubenswelt zutage, wobei der sonst so sicheren Erzählerin offenbar ein logischer Fehler unterlaufen ist: Lehmann macht sich Vorwürfe, das Winken eines Ertrinkenden aus großer Entfernung nicht richtig gedeutet zu haben. Viel näher dran war aber eine Gruppe Weißgekleideter, die bemerkt haben müssten, wenn jemand in Not ist. Das Unglück muss sich also anders zugetragen haben.
Abermals ist das Geschehen vor der Folie eines echten, unverfälschten, "authentischen" Lebens angesiedelt, in dem Sprache und Gebräuche aufbewahrt sind. Man kann das "Heimatliteratur" nennen, aber das heißt nicht viel. Jede gelungene Literatur ist Heimatliteratur, indem sie von dem handelt, wo der Erzähler sich am besten auskennt. Ein ganz so großer Wurf wie "Mittagsstunde" ist "Zur See" nicht geworden; aber ein Wurf allemal. EDO REENTS
Dörte Hansen: "Zur See". Roman.
Penguin Verlag, München 2022. 255 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beim zweiten Durchgang merkt und bewundert man dann aber, wie genau auch dieses Buch gearbeitet ist, vom schlackenlos-knappen Stil über die subtilen, erst im Nachhinein in ihrer Bedrohlichkeit erkennbaren Vorausdeutungen auf kommendes Unglück bis hin zu den leitmotivisch wiederholten Alltagsbeschreibungen, wie sie eine maritime Existenz nahelegt. Mehrmals hebt die Erzählerin an und belässt das Geschehen doch im örtlich Ungefähren: "Auf einer Nordseeinsel irgendwo in Jütland, Friesland oder Zeeland." Es ist müßig, hier lange zu rätseln. Zwischen Holland und Dänemark ist viel Wasser, aber die Nordseeinseln sind ja nicht die Philippinen. Die Intensität der Stürme lässt eher an die Hochsee denken und nicht an Norderney, wobei andererseits von einer kleinen Stadt auf der Insel die Rede ist. So verleiht die relative Unbestimmtheit dem Geschehen etwas Gleichnishaftes.
Die Sanders - Mutter Hanne, Vater Jens und die Kinder Ryckmer, Eske und Henrik - bewohnen dort das schönste Haus, niedrige Decken unterm Reetdach, "malerisch" ist gar kein Ausdruck; die, wie man damals sagte, "Badegäste", die seit den Siebzigerjahren den Lebensunterhalt sichern, kommen jedes Jahr wieder. Dörte Hansen hat ein scharfes Auge für Vorgänge, die man landläufig unter "Strukturwandel" verbucht. In "Mittagsstunde" war es die Flurbereinigung, hier ist es der Fremdenverkehr, der dem auch diesmal wieder zur Statik neigenden Geschehen Dynamik verleiht.
Dass Hanne Sander sich mit ihren Feriengästen, die sie zwischen Ostern und Sommerende bei sich einquartiert, mehr Mühe gibt als mit ihrer eigenen Familie, wird seine Gründe haben; dass die Familie ihrerseits Anstoß an dieser Katzenfreundlichkeit nimmt, ist genauso begreiflich. Die Matriarchin scheint moralisch Oberwasser zu haben - über ihren Mann Jens sowieso, der einst Knall auf Fall ausgezogen ist und sich als Eremit dem Vogelschutz widmet; aber auch über die Kinder. Ryckmer, der Älteste, bekommt als abgetakelter Kapitän auf einem Fährschiff sein Gnadenbrot, wohnt wieder zu Hause, die Mutter holt ihn jeden Abend wortlos vom Hafen ab und teilt ihm seine tägliche Ration zu: "Sechs Flaschen Bier sind ein Witz für einen Mann, der sich betrinken will. Sie reichen allenfalls für eine Halbbetäubung zwischen Feierabend und dem frühen Morgen." Das stimmt natürlich, aber mehr gibt es nun mal nicht, es reicht, wenn der Kapitän a. D. an den Wochenenden im Delirium vor dem Elternhaus liegt. Eske, die Zweite, ist als Altenpflegerin mit ganzem Herzen dabei, bei ihrer blauhaarigen Festlandsfreundin Freya, von der sie sich Tattoos stechen lässt, aber nur mit halbem. An ihr wird die Steigerung des erzählerischen Härtegrades im Vergleich zur "Mittagsstunde", die auch nicht gerade verzärtelt war, sinnfällig: Sie drängt Touristen von der Straße und gibt sich nicht mit Neil-Young-Folkrock zufrieden, sondern lässt den Kopf zu knüppelharter Musik kreisen. Henrik schließlich, der Jüngste, hat das Sammeln von Strandgut zum Beruf gemacht und genießt als Produzent einer "Arte povera der Nordsee" achselzuckend die Wertschätzung kunstsinniger Insel-Gäste, eine vergleichsweise unbeschwerte Existenz unter lauter von Wind und Wetter gegerbten - "Liebling der See".
Dörte Hansen ist auch deshalb ein erzählerisches Schwergewicht, weil ihr Blick grundsätzlich auf Desillusion aus ist. Unerbittlich, zuweilen nur stichwortartig protokolliert sie Lebensenttäuschungen und sieht hinter alle Fassaden. Es ist ein nicht nur von Wortkargheit geprägtes Dasein, in dem es wenig zu lachen gibt und dessen Vorstellungen und Gewohnheiten tief in die Grönlandfahrer- und Walfängervergangenheit der Vorfahren zurückreichen. Dass das Leben nicht immer so verläuft, wie man sich das vorstellt, ist freilich keine insulare Spezialität. Aber hier, in unaufhebbarer Einsamkeit, herrschen noch andere Fatalitäten. Der Schutz vor den Elementen kann genauso überlebenswichtig sein wie die Frage, ob man dableibt oder wegzieht und, wenn man dableibt, ob man auch zur See fährt. Letzteres war einstmals fast so riskant, wie wenn man in den Krieg zog, und das Bewusstsein davon steckt den Menschen immer noch in den Knochen.
"Moby-Dick"- und Storm-Anspielungen verdichten sich zu einem See- und Seelendrama, in dem die Inselbewohner gleichsam von langer Hand mit einer eigentümlichen Naturfrömmigkeit imprägniert wurden, die sich aus Sehnsucht und Angst speist und in der die Grenze zwischen dem Belebten und dem Unbelebten durchlässig wird. Die Nordsee türmt sich in immer neuen Anläufen auf zur Metapher des Lebens an sich und bleibt ungerührt und mitleidlos. Einmal zu weit rausgeschwommen, es ist nicht wieder gutzumachen. Man könnte fast an den Beach Boy Dennis Wilson denken, wenn ausgerechnet der beste Schwimmer unter den Sanders am Ende ertrinkt.
Vor diesem Hintergrund entfaltet die schon die "Mittagsstunde" prägende Zivilisationskritik oder wenigstens -skepsis ihre Wucht. Wenn Festlandsbewohner, die hier generell unter latentem Feigheitsverdacht stehen, auf die Idee kommen, auf der Insel könnte man während einer Stippvisite irgendwie zur Ruhe kommen, wird selbst Dörte Hansen spöttisch, die Einfühlung ins Allgemeinmenschliche bekommt einen Stich ins Sarkastische: "Alle Inseln ziehen Menschen an, die Wunden haben, Ausschläge auf Haut und Seele. Die nicht mehr richtig atmen können oder nicht mehr glauben, die verlassen wurden oder jemanden verlassen haben. Und die See soll es dann richten, und der Wind soll pusten, bis es nicht mehr wehtut." Pustekuchen, kann man da nur sagen, die See richtet vielmehr über die Lebendigen und die Toten. Einer aus der seltsamen Sander-Familie opfert sich und vollendet ein "Schimmelreiter"-Schicksal: "Herr Gott, nimm mich; verschon' die Andern!"
Thomas Mann hat einst zu bedenken gegeben, dass die Theodor-Storm-Gegend nur oberflächlich christianisiert wurde; das merkt man hier. Anhand der wichtigen Nebenfigur des heuchlerisch-haltlosen Pastors Lehmann tritt das Brüchige der Glaubenswelt zutage, wobei der sonst so sicheren Erzählerin offenbar ein logischer Fehler unterlaufen ist: Lehmann macht sich Vorwürfe, das Winken eines Ertrinkenden aus großer Entfernung nicht richtig gedeutet zu haben. Viel näher dran war aber eine Gruppe Weißgekleideter, die bemerkt haben müssten, wenn jemand in Not ist. Das Unglück muss sich also anders zugetragen haben.
Abermals ist das Geschehen vor der Folie eines echten, unverfälschten, "authentischen" Lebens angesiedelt, in dem Sprache und Gebräuche aufbewahrt sind. Man kann das "Heimatliteratur" nennen, aber das heißt nicht viel. Jede gelungene Literatur ist Heimatliteratur, indem sie von dem handelt, wo der Erzähler sich am besten auskennt. Ein ganz so großer Wurf wie "Mittagsstunde" ist "Zur See" nicht geworden; aber ein Wurf allemal. EDO REENTS
Dörte Hansen: "Zur See". Roman.
Penguin Verlag, München 2022. 255 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Praktisch seit Anbeginn lebt Familie Sander auf einer kleinen Nordseeinsel, verrät Katharina Granzin. Was auf den ersten Blick nach Ferien-Idyll aussieht, werde für die fünf Sanders aber zunehmend zur Belastung. Alle Charaktere tragen ihre individuellen Sorgen und Nöte mit sich, von Alkoholismus über ausbleibende Touristen bis hin zur Perspektivlosigkeit des Insellebens sei alles dabei, erklärt die Rezensentin, (fast) alle Perspektiven dürften von den Leser*innen im Laufe des Romans nachvollzogen werden. Manchmal ist das für Granzin etwas zu holzschnittartig, die Charaktere zu typenhaft. Doch das kann sie verschmerzen, geht es doch eigentlich um das sich verändernde Leben auf der Insel. Trotz der atmosphärischen Dichte, die dabei geschaffen werde, ist der Roman der Rezensentin manchmal zu klischeehaft pessimistisch. Die Insel sei schließlich nicht der einzige Ort, an dem die Probleme des modernen Zeitalters auftauchten.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»Dörte Hansen versteht es, so zu schreiben, dass thematischer Anspruch und literarische Zugänglichkeit Hand in Hand gehen. Das ist ein Glücksfall für die deutsche Literatur.« Frankfurter Allgemeine Zeitung, Andreas Platthaus
»Gedruckt genauso wie von Nina Hoss gesprochen ist ›Zur See‹ von Dörte Hansen ein absolutes Wunderwerk«
Gebundenes Buch
Die Familie Sander lebt seit fast 300 Jahren von der Seefahrt, weit in die Vergangenheit reicht ihre Spur. Hanne Sander arbeitet im Insel-Museum, das sich im ehemaligen Haus der Großeltern befindet, Jens Sander ist seit zwanzig Jahren nicht da. Die Kinder könnten nicht unterschiedlicher …
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Die Familie Sander lebt seit fast 300 Jahren von der Seefahrt, weit in die Vergangenheit reicht ihre Spur. Hanne Sander arbeitet im Insel-Museum, das sich im ehemaligen Haus der Großeltern befindet, Jens Sander ist seit zwanzig Jahren nicht da. Die Kinder könnten nicht unterschiedlicher sein, zwei Söhne und eine Tochter und nur der Älteste hat die Tradition fortgesetzt.
Aus verschiedenen Blickwinkeln näherte sich die Autorin dem Inselleben an. Im Vordergrund stand die Familie Sander, aber auch der Pfarrer, andere Fischer und die ein oder andere Person auf der Insel wurden vorgestellt. Durch die beiläufige, manchmal etwas lakonische Erzählweise entstand eine ungeheure Nähe zu den Charakteren, fast schon einer Intimität gleich. Ich habe bald schon die meisten Personen ins Herz geschlossen, fand es ungeheuer spannend, einem voyeuristischen Zuschauer gleich, durch ihr Leben zu wühlen und zu entdecken, welche Geheimnisse sich verbergen hinter den Fassaden und Mauern. Hierbei gab es oft keine Chronologie, manchmal ergab sich erst durch einen Hinweis, ob ein Ereignis in der Vergangenheit lag, oder es sich um die Gegenwart handelte. Dies klingt verwirrend, war es aber nicht. Es passte gut zu der Art und Weise der Erzählung und hat eine Spannung erzeugt, die mich ganz wunderbar unterhalten hat.
Familie, Tradition, Fortschritt und Wandel, zusammengefasst in einem großartigen Roman über die Liebe zur See. Wieder einmal hat die Autorin mich eintauchen lassen in eine mir fremde Welt, hat mit meinen Emotionen gespielt und mich gedanklich entführt auf eine Insel in der Nordsee. Dafür gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung von mir.
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Gebundenes Buch einfach wunderbar - eine klare Sprache wie norddeutsche Luft und ins Herz gehende Geschichten
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Gebundenes Buch
Zur See
Manchmal ist die See still. Zurückgezogen. Als hätte sie mit all dem Leben außer sich nichts zu tun. Wie ein Vater, der sich von seiner Familie entfernt. Manchmal ist sie wild und aufbrausend. Eine rebellierende Tochter, die ihren einzigen Ausweg im Tosen findet. Manchmal …
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Zur See
Manchmal ist die See still. Zurückgezogen. Als hätte sie mit all dem Leben außer sich nichts zu tun. Wie ein Vater, der sich von seiner Familie entfernt. Manchmal ist sie wild und aufbrausend. Eine rebellierende Tochter, die ihren einzigen Ausweg im Tosen findet. Manchmal fügt sie sich harmonisch ins Bild ein, ohne wirklich dazuzugehören. Der jüngste Sohn. Künstler des Schaffens neuer Gebilde. Manchmal begehrt sie auf und verhält sich wider aller Erwartungen. Prophezeiungen ausspeiend. Und immer kommt sie einer Mutter gleich. Tröstend in ihrem Anblick. Zuverlässig in ihrer Existenz. Mahnend. Immer da.
Dörte Hansen begleitet in ihrem langersehnten Roman "Zur See" die Biografien der Familie Sander, die seit 300 Jahren auf einer kleinen Nordseeinsel lebt. Einfühlsam zeigt sie auf, wie die See das Leben der Inselbewohner*innen beeinflusst und wie sich dieses vor dem Kontext wirtschaftlicher Veränderungen wandelt.
Hansens Sprache ist getragen von einer außerordentlichen Ästhetik, die ihren Ausdruck in überschäumender Metaphorik findet. Ihre Sätze wollen langsam gelesen und wie ein kostbarer Wein genossen werden. Typisch für die Autorin ist die sprachliche Ruhe im Sturm. Während das Geschehen menschliche Dramen und Tragödien durchläuft, lässt sie sich niemals von der thematischen Dynamik irritieren und folgt ihrem Erzählstil wie die See ihrem stetigen Ablauf von Ebbe und Flut.
Dörte Hansen gehört für mich zu den talentiertesten deutschen Autor*innen der Gegenwart. Ihre Fähigkeit der Mikroperspektive von Menschen in sterbenden Gemeinschaften ermöglicht den Leser*innen einen Einblick, der Außenstehenden verwehrt bliebe.
Unbedingte Leseempfehlung!
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Gebundenes Buch
Nordseebuch
Wir lesen die Geschichte einer Seemannsfamilie über ein Jahr auf einer Nordseefamilie. Es fängt an mit einem Sohn der Familie, der alkoholabhängig auf der Fähre das Halteseil im Hafen auswirft. Die Mutter, die früher auf den zur See fahrenden Mann hätte …
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Nordseebuch
Wir lesen die Geschichte einer Seemannsfamilie über ein Jahr auf einer Nordseefamilie. Es fängt an mit einem Sohn der Familie, der alkoholabhängig auf der Fähre das Halteseil im Hafen auswirft. Die Mutter, die früher auf den zur See fahrenden Mann hätte warten müssen, unterhält unterdessen die Gäste. Mehr als ein Jahr wird beschrieben durch Rückblenden, denn wir erfahren, dass die Frau keine Gäste mehr im Haus aufnimmt, weil die Ansprüche der Touristen wuchs und sie nicht mehr mit dem einen selbstgekochten Gericht zufrieden waren.
Wir hören vom zweiten Sohn, einem Vogelfreund, der die Fremden verjagen muss und deswegen kein Menschenfreund sein kann und von der Tochter, die auf dem Festland eine Ausbildung in der Pflege gemacht und nun auf die Insel zurückgekehrt ist.
Auch den Inselpfarrer lernen wir kennen, der den Sommer nur dank eines festen Tagesrhythmus überlebt und erst im Winter zur Ruhe kommt, wenn die Gäste die Insel verlassen haben. Wir erfahren aber auch, dass es um seine Ehe nicht gut steht. Seine Frau geht in der Woche aufs Festland und kehrt nur am Wochenende zum Pfarrer zurück.
Mir gefällt an diesem Buch, dass ich mir alle Personen wirklich vorstellen kann und ja, so ist das Leben auf einer Nordseeinsel. 5 Sterne
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Leben einer Inselfamilie
In diesem Hörbuch geht es um das Leben der Inselfamilie Sander, die schon seit Generationen auf der kleinen Nordseeinsel lebt, stellvertretend wohl für die meisten Heimischen. Im ruhigen, typischen, norddeutschen Sprachstil erfahre ich mehr über Mutter …
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Leben einer Inselfamilie
In diesem Hörbuch geht es um das Leben der Inselfamilie Sander, die schon seit Generationen auf der kleinen Nordseeinsel lebt, stellvertretend wohl für die meisten Heimischen. Im ruhigen, typischen, norddeutschen Sprachstil erfahre ich mehr über Mutter Hanne, ihre drei Kinder, den Pastor und seine Frau, usw.. Ich darf mir ihre Gedanken anhören, verstehe ihre Reaktionen und ertappe mich dabei, dass ich mir, obwohl nicht anwesend, wie ein Störenfried auf der Insel vorkomme. Wer auf ein Ziel wartet, auf das hingearbeitet wird, der wird enttäuscht. Es wird lediglich das Leben in Momentaufnahmen beschrieben. Wer geht, wer bleibt, wieso läuft denn der Pastor? Interessant, ja, aber für mich nichts, was ich mir nochmal anhören möchte. Frau Hoss als Erzählerin passt sich an, spricht betont und deutlich, aber ohne viele Gefühlsregungen, gut gemacht. Was deutlich wird ist, dass die Urlauber zwar verhasst sind, aber doch geduldet werden. Ob ich nochmal auf eine Nordseeinsel fahren werde, muss ich mir allerdings noch gut überlegen.
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Eine kleine Insel in der Nordsee. Es könnte jede sein - mal ist sie grösser, mal kleiner - je nach Wellenschlag. Generationen von Seefahrern hat sie hervorgebracht. Hochseefahrt, nicht nur Fischer.
Man kennt sich untereinander, seit Generationen, die Insulaner.
Im Mittelpunkt steht …
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Eine kleine Insel in der Nordsee. Es könnte jede sein - mal ist sie grösser, mal kleiner - je nach Wellenschlag. Generationen von Seefahrern hat sie hervorgebracht. Hochseefahrt, nicht nur Fischer.
Man kennt sich untereinander, seit Generationen, die Insulaner.
Im Mittelpunkt steht die Familie Sander, die hinter dem Zaun aus Walknochen wohnt.
Hanne, die Mutter, die Stunden damit zugebracht hat, wartend im Auto zu sitzen, um ihren Mann Sven abzuholen, der wochenlang zur See fuhr.
Sven, der die Seefahrt irgendwann aufgab, um lieber Vögel zu beobachten, der es nicht mochte, wenn Pensionsgäste mit Schlappen durch seine Küche schlurften und sich halbnackt an seinen Tisch setzten und er deshalb in die Hütte zog.
Der älteste Sohn Ryckmer, der ständig besoffen zur See fuhr und deshalb rausgeschmissen wurde und seitdem noch mehr säuft.
Tochter Eske, die im Pflegeheim arbeitet, von oben bis unten tätowiert ist und damals am Hafen gegen Touristen protestierte.
Und dann ist da noch Henrik, der jüngste Sohn, der mit sich im Reinen ist. Künstler wird er genannt, da er aus angespültem Treibholz Figuren zimmert. Schuhe hat er in seinem Leben noch nie getragen.
Aber es geht nicht nur um diese Familie, alle Geschichten werden erzählt: Die, des Pastors, der Nachbarn und der anderen Insulanern. Das Inselleben hat sich verändert. Fischer gibt es nicht mehr, vielmehr ziehen sich die Männer als Fischer an, das mögen die Touristen. Touristen, davon gibt es viele - Sie werden im Sommer angespült und das Wasser nimmt sie bei Saisonende wieder mit.
Zur See
Dörte Hansen
Ich konnte einfach nicht in die Geschichte finden. Dachte, irgendwann muss doch mal die Einleitung vorbei sein. Aber der Erzählstil änderte sich nicht.
Beim zweiten Versuch, als ich wusste, dass es ein anderer Roman, eine ruhige und melancholische Geschichte ist, konnte ich mich ganz hineinfallen lassen, konnte das Salz des Meeres schmecken, den Sand zwischen den Zehen spüren und den Geschichten, Leiden und Nöten der Inselbewohner lauschen.
Es ist kein Wohlfühlroman. Hansen geht ins Detail, bohrt mit ihren Fingern in angetrocknete Krusten herum, nichts wird verschönt, alles wird angesprochen und später aufgelöst.
Ein eindrucksvoller Roman - wundervoll, ruhig und melancholisch von Nina Hoss gesprochen. Eine grosse Lese/Hörempfehlung von mir.
4½/ 5
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Gebundenes Buch
Die Familie Sander lebt seit fast 300 Jahren auf einer Nordseeinsel. Immer sind die Männer zur See gefahren. Doch nun ist alles anders: Hanne Sanders Mann lebt als Vogelwart auf einer Vogelschutzinsel, ihr Sohn Ryckmer hat sein Kapitänspatent verloren und den zweiten Sohn Henrik hat es nie …
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Die Familie Sander lebt seit fast 300 Jahren auf einer Nordseeinsel. Immer sind die Männer zur See gefahren. Doch nun ist alles anders: Hanne Sanders Mann lebt als Vogelwart auf einer Vogelschutzinsel, ihr Sohn Ryckmer hat sein Kapitänspatent verloren und den zweiten Sohn Henrik hat es nie aufs Meer gezogen. Ihre Tochter Eske pflegt im Insel-Seniorenheim alte Seefahrer. Sie liebt laute Musik und hasst die Touristen, die die Insel in Beschlag nehmen. Doch dann dauert es nur ein Jahr und das Leben der Familie Sander gerät total aus den Fugen. Alles ändert sich und nichts wird wieder so, wie es einmal war.
Dörte Hansen räumt in ihrem Buch "Zur See" gründlich mit den Illusionen vom idyllischen Leben auf einer Nordseeinsel auf. Sie erzählt von einer Familie, in der rein gar nichts so ist, wie man sich die heile Welt dort vorstellt. Zudem geht sie mit dem Tourismus und besonders mit den Touristen hart ins Gericht. Es ist manchmal zum Lachen, wenn sie die Menschen beschreibt, die wie Heuschrecken über die Insel herfallen. Ich habe mir fest vorgenommen, nie so zu sein wie diese Typen.
Zuerst mußte ich mich an den etwas ungewöhnlichen Schreibstil gewöhnen. Die Sprache steckt voller Poesie - ich habe zu Beginn beinahe erwartet, daß sich die Zeilen reimen. Doch dann war ich von diesem Buch total begeistert. Die beschriebenen Personen wirken mit ihren Macken so lebendig, daß man glaubt, sie schon lange zu kennen und sich gut in sie hineinversetzen kann
Dieses Buch wird mir lange im Gedächtnis bleiben, so wie es besondere Bücher immer tun.
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eBook, ePUB Spitze geschrieben und zeigt detailliert die Menschlichkeit
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Verbunden mit ihrer Insel lebt die alteingesessene Familie Sander schon Jahrhunderte an der Nordsee. Jens fährt schon lange nicht mehr zur See und seine Frau Hanne mag keine Zimmer mehr an Feriengäste vermieten. Ihre drei erwachsenen Kinder fühlen jeder für sich den Verlust von …
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Verbunden mit ihrer Insel lebt die alteingesessene Familie Sander schon Jahrhunderte an der Nordsee. Jens fährt schon lange nicht mehr zur See und seine Frau Hanne mag keine Zimmer mehr an Feriengäste vermieten. Ihre drei erwachsenen Kinder fühlen jeder für sich den Verlust von Tradition und die Angst vor Veränderung, die auch Befreiung bedeuten kann. Nicht nur diese Familie ist im Aufbruch, durch die ganze Insel geht ein Ruck, bei dem am Ende das Meer das letzte Wort hat.
Dörte Hansen hat einen wundervoll ruhigen und gleichzeitig aufwühlenden Roman über den Wandel der Nordseeinseln geschrieben. Eine Seefahrer-Familie, wie es unzählige auf den Inseln gibt, bildet den Rahmen für eine intensive Betrachtung des Unaufhaltsamen, dem Verlust von alten Traditionen, aussterbenden Dialekten und dem Suchen von neuen Werten.
Die Charaktere werden so intensiv und kraftvoll mit ihren Ecken und Kanten beschrieben, dass sie fast greifbar und spürbar werden. Wenn Eske Sander morgens nackt mit all ihren Tätowierungen zum Schwimmen ins Meer geht, kann man das nachspüren. Man hört die harten Bässe, wenn sie mit ihrem Auto über die Insel fährt und keinem Touristen den Weg freimacht. Man kann sich die Treibholzwesen von Henrik Sander vorstellen, die in seiner Werkstatt auf das eine, vollendende Stück Treibgut warten. Dieser unruhige Mann, der vom Meer lebt und ohne es nicht sein kann. Die Last und Angst, die den ehemaligen Kapitän Rykmer Sander treibt und die er nur im Vollrausch erträgt, legt sich wie ein dunkler Schleier um einen.
Dabei gibt es kaum Dialoge, sondern nur Schweigen und Handeln. Besonders glaubwürdig und erlebbar wird dies von Nina Hoss mit Leidenschaft gelesen.
Es gibt so viele kleine Dinge, die ich gar nicht alle erwähnen kann. So detailliert beschriebene traurige und düstere Szenen, bei denen man einen Moment innehalten muss. Eine einsame Frau, die nach und nach ihre ganze Familie beerdigen musste und nur noch ihren altersschwachen Dackel durch den Ort trägt und selbst der Inselpastor sich beim Aufeinandertreffen still abwendet, weil er ihr keinen Trost mehr spenden kann.
Die zwei Gesichter der Mutter, die während die Feriengäste im Haus sind, freundlich und gelöst ist und nach der Saison wieder zu schweigen beginnt.
"Und Hanne hängt an diesem Brocken Land, sie weiß nur manchmal nicht, ob dies noch ihre Insel ist. Vielleicht gehört sie längst den Wellenreitern und den Wolkenmalern, den Nacktbadern und Muschelsuchern - oder den Eintagsfliegen, die in Schwärmen jeden Tag vom Festland kommen, eine Inselrunde mit der Pferdekutsche drehen, Kaffee trinken in der Leuchtturmstube, weiterzuckeln Richtung Inselkirche, Vogelkoje und Museum, einmal kurz die Promenade rauf und runter, Abendessen im Klabautermann und mit der letzten Fähre wieder auf das Festland, wo die Reisebusse auf sie warten."
Inselbewohner führen in Trachten und Seemansskluft für Inselgäste tagein, tagaus ein Stück auf, an das sie selbst nicht mehr glauben und selbst der Inselpastor Matthias Lehmann inszeniert seine leidenschaftlichen Predigten mit goldbestäubten Muscheln, bis die Saison zu Ende ist und seine Kirchenbänke sich wieder leeren.
Trotz meiner Liebe zum Meer und deren Inseln werde ich wohl nie wieder eine Insel betreten, ohne an die Menschen zu denken, die uns Gäste ertragen müssen und deren Welt eine andere geworden ist.
Es ist ein düsterer Roman, der wenig Licht zulässt. Aber die Intensität der Worte, die Beschreibung der Natur und die Kraft des Meeres und die wundervollen kantigen Charaktere haben mich einfach begeistert. Für mich eine klare Hörempfehlung.
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Was macht das Leben auf einer Insel aus? Dörte Hansens erzählt in ihrem Roman „Zur See“ die Geschichte der Familie Sander, die mit ihrer Insel seit jeher fest verwoben ist.
Hanne bewirtet im Sommer Feriengäste, deren Ansprüche sich im Lauf der Jahre wandeln. …
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Was macht das Leben auf einer Insel aus? Dörte Hansens erzählt in ihrem Roman „Zur See“ die Geschichte der Familie Sander, die mit ihrer Insel seit jeher fest verwoben ist.
Hanne bewirtet im Sommer Feriengäste, deren Ansprüche sich im Lauf der Jahre wandeln. Tochter Eske sind die Touristen dagegen seit jeher ein Graus und Sohn Ryckmer, der traditionsgemäß zur See fuhr, verlor sein Kapitänspatent, was er durch Alkoholkonsum zu verdrängen versucht.
Dörte Hansens Roman lebt weniger durch eine besonders ereignisreiche Handlung, sondern vielmehr durch die ruhige und dennoch interessante Schilderung des Insellebens und wie sich dieses im Lauf der Jahre gewandelt hat und vor allem durch ihre Charaktere, die alle eine Entwicklung durchmachen. Ich habe selten eine so gelungene Figurenzusammenstellung gesehen. Die Charaktere sind authentisch, haben ihre Eigenheiten und zeigen das Leben auf der Insel aus verschiedenen Blickwinkeln.
Ich bin völlig begeistert von dieser ruhigen und dennoch intensiven Erzählung. Definitiv ein Herzensbuch!
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