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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 364 Bewertungen
Bewertung vom 09.06.2023
Der Morgen
Raabe, Marc

Der Morgen


ausgezeichnet

Auf der Ladefläche eines verunfallten Kleinlasters stößt eine Zeugin durch Zufall auf die Leiche einer Frau, auf deren nackten Körper die private Adresse des Bundeskanzlers geschrieben steht. Die Kommissaranwärterin Nele Tschaikowski wird dem Ermittler Artur (Art) Mayer zur Seite gestellt, der darüber nur mäßig begeistert zu sein scheint. Als kurz darauf Videos auftauchen, die eine Beteiligung des Kanzlers vermuten lassen, wird es kompliziert, denn gleichzeitig stellt dieser Forderungen an Art Mayer, die an eine frühere Verbindung geknüpft sind, von der niemand etwas wissen darf.

Dies ist der erste Teil einer Buchreihe um den Ermittler Art Mayer und für mich ein sehr überzeugender Reihenauftakt. Obwohl ich Bücher über Politik oder politische Themen überhaupt nicht mag, war die Dosierung hier genau richtig. Auch die Verbindung zwischen Fakten und Fiktion war perfekt gewählt, die Geschichte spielt in der Gegenwart, und zwar in der unseren, sodass natürlich genug Hinweise auf wichtige Ereignisse erfolgen. Bereits früh baut Marc Raabe eine gewisse Spannung auf, die er kontinuierlich steigert. Natürlich half dabei der Umstand, dass beide Hauptpersonen, also Artur und Nele, für mich als Leserin absolut fremd waren, sodass ich nach jeder noch so kleinen Information lechzte.

Man nehme das knifflige Verbrechen, ein paar falsche Fährten und die ein oder andere Wendung, fertig ist ein großartiger Thriller, der trotz der hohen Seitenzahl bis zuletzt keine Längen hatte. Beide Ermittler fand ich authentisch und freue mich auf viele weitere Fälle, die hoffentlich genauso ausgeklügelt sein werden, wie im vorliegenden Buch. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.06.2023
Haus der Stimmen
Carrisi, Donato

Haus der Stimmen


ausgezeichnet

Der italienische Psychologe Pietro Gerber wird von einer australischen Kollegin gebeten, eine Patientin von ihr zu übernehmen. Obwohl Gerber sich auf Kinder spezialisiert hat, macht ihn der Fall sehr neugierig und er lässt sich auf die Patientin Hanna Hall ein, die in den Hypnosesitzungen verstörende und beunruhigende Einzelheiten zu ihrer Kindheit zutage fördert. Als die Patientin sich in Gerbers Leben einmischt und Sachen anspricht, von denen nicht mal dessen Frau etwas weiß, ahnt Gerber, dass die weitere Behandlung ihn in große Gefahr bringen könnte. Die Anziehungskraft von Hanna Hall aber ist stärker, als jede Vernunft.

Bereits der Anfang der Geschichte, der vergangene Ereignisse beschreibt, was kenntlich gemacht wurde durch eine Datumsangabe, lässt mich am Buch kleben, denn das dramatische Geschehen verrät vieles, aber schlauer bin ich dadurch nicht. Erst nach und nach begreife ich, was da passiert ist und trotzdem tappe ich weiterhin überwiegend im Dunkeln. Die Erinnerungen von Hanna Hall lassen mich die abenteuerlichsten Vermutungen anstellen, manchmal denke ich sogar, dass da unnatürliche Kräfte im Spiel sind, was ich in Büchern eigentlich nicht so mag, aber die Lösung ist ganz anders, als gedacht. Die vielen Andeutungen und Hinweise führen dazu, dass ich bald ahne, worauf es hinauslaufen könnte, um kurz darauf festzustellen, wie weit ich von der Lösung entfernt liege. Die Spannung steigt ins Unermessliche und ich fiebere dem Finale entgegen. Die kommende Wendung habe ich überhaupt nicht kommen sehen und gerade als ich denke, dass ich nun alles weiß, setzt der Autor noch einen drauf. Großartig! Ich freue mich auf eine Fortsetzung.

Wer wendungsreiche, psychologisch ausgefeilte und voller Überraschungen steckende Thriller mag, wird hier auf seine Kosten kommen. Wieder einmal hat Donato Carrisi es geschafft, mich zu verblüffen, hat aus einem alten Thema etwas außergewöhnlich Neues erschaffen und es spannend verpackt. Volle Punktzahl gibt es dafür von mir und natürlich eine Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.06.2023
Es war einmal in Brooklyn
Atlas, Syd

Es war einmal in Brooklyn


ausgezeichnet

Juliette und David sind siebzehn Jahre alt, Nachbarn und beste Freunde seit zehn Jahren. Juliette ist lebenshungrig, will alles erleben und das am besten sofort; insbesondere eine Sache gibt es, die sie hinter sich bringen will. Mangels Alternativen schließen Juliette und David den Pakt, dass sie ihre Unschuld gemeinsam verlieren wollen. Erschwert wird dies durch den Umstand, dass David todkrank ist und sterben wird. Als Juliette den Pizzaboten Rico kennenlernt und auf Wolke sieben schwebt, ist plötzlich alles anders und David merkt, dass er selbst in Juliette verliebt ist.

Liebesgeschichten lese ich sehr selten, hier sprachen mich Titel sowie Cover an und der Klappentext klang interessant, sodass klar war, dass das Buch bei mir einziehen wird. Wie froh bin ich darüber, dass in meinem Fall das Marketing funktioniert hat, wie erstaunt, dass es ganz anders war, als ich dachte und dafür genauso, wie ich es mir wünschte! Aber der Reihe nach. Ein namenloser Erzähler nimmt mich mit auf die Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1977, das bunt, laut, vor allem aber sehr heiss gewesen ist. Nach und nach lerne ich die Familienmitglieder und andere Personen kennen, in ungewöhnlicher Weise erfahre ich so auch einiges, das noch in der Zukunft liegt. Durch diese Erzählweise habe ich Fragen, bekomme Antworten, werde aber auch sehr neugierig gemacht auf alles, was noch folgen wird und das ist einiges.

Ich konnte mich immer wieder in die Charaktere versetzen, lachte, weinte und hoffte mit. Die überraschende Wendung hat mich erschüttert, damit habe ich wirklich nicht gerechnet, meine Sympathie schwand zwar nicht, bekam aber Risse. Erst nach und nach verstand ich die Hintergründe, begriff so manches und versöhnte mich. Das letzte Drittel war bewegend, so viel habe ich lange nicht mehr geweint. Der Ausgang konnte mich erneut überraschen, ich habe es nicht kommen sehen, auch die geniale Auflösung nicht. Liebesgeschichte, Drama, Tragödie, eine Prise Crime und ein feiner Humor, diese unwiderstehliche Mischung lässt mich begeistert zurück. Ein wunderbares Buch, das mir das Gefühl gibt, ich hätte alles miterlebt. Von mir gibt es fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.05.2023
Durch das große Feuer
Winn, Alice

Durch das große Feuer


gut

Im England des Jahres 1914 ist in dem ländlich gelegenen Eliteinternat Preshute der Erste Weltkrieg noch kein Thema. Die beiden Schüler Sidney Ellwood und Heinrich (Harry) Gaunt haben mit ihren Freunden eine unbeschwerte Zeit. Das größte Drama im Leben von Gaunt sind seine Gefühle für Ellwood, der diese Liebe seiner Meinung nach nicht erwidert. Aus familiären Gründen meldet Gaunt sich bereits früh an die Front, was Ellwood dazu bringt, sich ebenfalls frühzeitig zu verpflichten.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich ins Buch hineingefunden habe. Die ersten hundert Seiten lang konnte ich die Geschichte überhaupt nicht fühlen, fand keinen Zugang zu den Figuren. Das lag unter anderem auch daran, dass die Erzählung für mich nicht authentisch rüberkam. Man darf nicht vergessen, dass die Geschichte im Jahr 1914 beginnt, und dennoch lässt die Autorin es für mich so klingen, als ob das halbe Internat, in dem Ellwood und Gaunt wohnen, sich miteinander vergnügt. Ein Jungeninternat, wohlgemerkt. Es ist fast ein offenes Geheimnis, alle wissen es, nur erwischen lassen darf man sich nicht. Das fand ich schon ein wenig befremdlich; nicht wegen der Sache an sich, daran sehe ich nichts anstößiges, aber im historischen Kontext ist dies mehr als unglaubwürdig. Es gab immer wieder Situationen, die verklärt, ja, fast schon romantisch dargestellt wurden, und wir wissen doch alle, dass es das nicht gewesen ist. Im Gegenteil!

Erst als es ernst wurde, der Krieg begann und das Grauen in Form von Vermissten- und Todeslisten, perfider Propaganda (ich sage nur weiße Feder) sowie der wiederholten Rekrutierung der viel zu jungen Männer endgültig da war, fing die Geschichte an, mich in ihren Bann zu ziehen. Die Freundschaft und Liebe zwischen den beiden Freunden geriet in den Hintergrund, es ging jetzt vorrangig nur noch um das nackte Überleben. Die Gräuel des Krieges, die sinnlose Vergeudung von Menschenleben, die unaussprechlichen Taten, die man sich gegenseitig angetan hat, historische Fakten und daneben zwei Freunde, die sich beide ihrer Sache sicher, aber der Liebe des jeweils anderen unsicher fühlen; all das ergab eine Story, die mich gleichermaßen fasziniert, wie abgestoßen hat. Die Naivität der jungen Männer, was den Krieg angeht, fand ich entsetzlich, die brutale Realität machte diesen Phantasien schnell einen Strich durch die Rechnung; falls sie überhaupt lange genug überlebt haben, um dies zu realisieren. Ich habe vieles gewusst, aber auch einiges dazugelernt, die Vermischung von Fakt und Fiktion fand ich außergewöhnlich gut gelungen. Ein Highlight ist es nicht geworden, aber ein interessanter und durchaus sehr unterhaltsamer Roman mit historischem Hintergrund, den ich lesenswert finde. Macht euch ein eigenes Bild.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.05.2023
22 Bahnen
Wahl, Caroline

22 Bahnen


ausgezeichnet

Tilda hat kein leichtes Leben, denn neben dem Mathestudium und einem Nebenjob an einer Supermarktkasse muss sie sich um ihre kleine Schwester Ida kümmern, weil ihre alkoholkranke Mutter dazu nicht in der Lage ist und selbst Hilfe benötigt. Ihr einziger Lichtblick ist dabei das abendliche Schwimmen im Freibad der Kleinstadt, wo sie regelmäßig ihre 22 Bahnen zieht. Eines Tages taucht Viktor auf und mit ihm Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit, die tragisch endete.

„Ich bin traurig und glücklich und weiß nicht, ob ich mehr traurig als glücklich oder mehr glücklich als traurig bin. Aber das kann ich auch nicht wissen, weil die beiden Gefühle sich in einem schönen, schmerzhaften und hochprozentigen Cocktail mischen und meinen ganzen Körper ausfüllen.“ (Seite 117)

Dieses Buch hat mich überrascht, denn nach den ersten Seiten war mir gar nicht so richtig klar, worauf die Geschichte hinausläuft. Natürlich geht es um Liebe, aber auch um Trauer, Verantwortung, das Erwachsenwerden und Freiheit. Tilda hat ihr Päckchen zu tragen, aber im Vergleich dazu hat Viktor ein ganzes Paketlager. Diese zwei jungen Menschen, die sich anziehen und abstoßen, wie ein sich um sich selbst drehender Magnet, haben erst langsam, dann aber gänzlich mein Herz erobert. Besonders Tilda, die hin und her gerissen ist zwischen Verantwortung und der unbändigen Lust auf die Erfüllung eigener Wünsche, die sie hintangestellt hat, hat es mir angetan. Ich hätte sie oft gerne in den Arm genommen und ihr versichert, dass alles gut wird. So funktioniert Leben aber leider nicht.

Ein großartiger Roman, mal laut und mal leise, mal lustig, mal traurig, melancholisch und still. Nach einem holprigen Anfang wurde ich in die Geschichte hineingezogen und es war, als ob die Autorin sich freischreibt, wie Tilda beim schwimmen, es wurde besser und besser und ich legte das Buch nicht mehr weg bis ich wusste, wie es ausgeht. Volle Punktzahl und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

8 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.05.2023
Koller
Büsing, Annika

Koller


ausgezeichnet

„Dieses Lachen, das du nur so selten lachst, es ist weich, und es lässt mich glauben, dass du keine Herzen brichst. (Seite 27)

Der Klappentext verrät nicht viel und dabei möchte ich es belassen, denn wenn man so unbedarft ins Buch stolpert wie ich, wird man wahrscheinlich und hoffentlich genauso überrascht werden, wie ich es war. Chris lernt Koller kennen und anfangs habe ich beide verwechselt, wusste nicht, wer da mit mir spricht. Mit mir oder mit Chris, dabei hat Koller Chris angesprochen, meinte aber mich. Alles klar bis hierhin? Es wird noch besser, versprochen!

Das Verwirrspiel und die sehr ungewöhnliche Erzählweise führten dazu, dass ich zu Beginn etwas überfordert und sehr gespannt darauf war, worauf die Geschichte zusteuert. Die erste Überraschung war das Geschlecht der Hauptpersonen, die zweite das Ziel ihrer Reise, die im Klappentext mit einem Trip an die Ostsee bezeichnet worden ist. Erwartet habe ich nach den ersten Kapiteln also eine seichte 08/15 Story, bekommen habe ich eine grandiose Liebesgeschichte mit Tiefgang, Schmerz und Herz. Dazwischen gab es Kapitel, die einiges erklärten, vieles ergab erst danach einen Sinn. Je mehr Zeit ich mit den Figuren verbrachte, desto mehr schloss ich beide ins Herz. Tragisch, skurril und liebenswert fand ich beide, die Geschichte grandios. Viel zu schnell ging die Zeit vorbei, kam das Finale, der Ausgang, das Ende. Ich hätte sehr gerne mehr Zeit mit ihnen verbracht, aber wenn es am schönsten ist, ist bekanntlich Schluss. Danke für dieses großartige Buch, ein Highlight für mich. Dafür gibt es von mir fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.05.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Joe McGrady ist Detective beim Honolulu PD und wird im Dezember 1941 von seinem Vorgesetzten mit einer Mordermittlung beauftragt, die sich als eine heikle Angelegenheit herausstellt, weil der Tote der Neffe des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte ist. Als Joe einem Verdächtigen bis nach Hongkong folgt, wird er dort als Spion gefangen genommen und nach Japan verschleppt. Erst Jahre später kehrt er nach Hawaii zurück und rollt den Fall wieder auf. Dies gefällt nicht jedem.

Es gibt Bücher, die fesseln mich ab dem ersten Satz, saugen mich in die Geschichte und lassen nicht mehr los. Dieses Buch gehört nicht dazu. Ich musste mich hier zuerst ein wenig mit der damaligen Zeit vertraut machen, mich auf die Gegebenheiten einstellen und die Atmosphäre fühlen, um ins Setting einzutauchen, was ein wenig gedauert hat. Ich habe zu Beginn auch ein wenig gefremdelt mit Detective Joe McGrady, der ein außergewöhnlicher Charakter ist. Ein harter Hund, der mit Ja, Sir und Nein, Sir (der Einfluss der Army war hier ganz stark) zuerst den Eindruck erweckt hat, er meint das ernst, um dann doch sein Ding durchzuziehen und zu machen, was er sich vorgenommen hat. Das hat mir imponiert; das und der Umstand, dass er was auf dem Kasten und dennoch kein Problem damit hat, dazuzulernen, wann immer sich die Gelegenheit dazu ergibt. Ein paar Kapitel nur und schon war es soweit, mir wurde klar, dass dies der Beginn einer wunderbaren Lesereise sein könnte und so kam es dann auch.

Die Geschichte ging fast sofort los, es gab kein Vorgeplänkel und keine Eingewöhnungszeit. Grausame Morde, eine Verfolgungsjagd über Kontinente hinweg, Gefangenschaft, Liebe und daneben der Krieg. Ein Buch wie ein Blockbuster, spannend und wendungsreich, mal sanft und mal hart, dabei aus der Zeit gefallen und sprachlich auf hohem Niveau. Verwicklungen, Hinterhalte, Spionage und falsches Spiel; nichts hat der Autor ausgelassen und trotzdem keinen der Fäden aus den Augen gelassen, sondern letztendlich alle miteinander verwoben und zufriedenstellend verpackt. Ein großartiges Buch und ein weiteres Highlight für mich. Fünf Sterne mit Sternchen und eine Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.05.2023
Der heutige Tag
Schubert, Helga

Der heutige Tag


ausgezeichnet

„Das Absurde, das Erbarmungswürdige, das Rührende, das Furchterregende, das Komische, das Egoistische, das unmaskiert in mein Leben einbrach.“ (Seite 238)

In diesem Buch beschreibt Helga Helm unter ihrem Pseudonym Schubert den Alltag mit ihrem schwerkranken Mann. Über fünfzig Jahre sind die beiden verheiratet, kennen sich aber viel länger. Siebzehn Jahre alt war die Schriftstellerin, als sie ihre Lebensliebe traf. Ganze dreizehn Jahre älter ist ihr Mann und die große Liebe ihres Lebens. Die Pflege zu Hause durch Angehörige ist ein Thema, das uns immer wieder begegnet. Was es aber wirklich heißt, sich um einen kranken Menschen zu kümmern, der zudem allmählich den Bezug zur Realität verliert durch Krankheit und Medikamente, das wissen nur die Betroffenen selbst.

Zu Beginn war ich so gerührt über die Liebe, Hingabe und Zärtlichkeit, die aus jedem Satz, jeder Seite des Buches sickert, dass es mich erschüttert hat. Ich war so bewegt, dass ich das Buch kurz an die Seite legen und darüber nachdenken musste, ob ich es lesen kann und will. Ich konnte und wollte, bin im Nachhinein glücklich darüber, diesem Stundenbuch der Liebe, wie der Zusatz zum Titel so schön sagt, beigewohnt, fühle mich bereichert, es gelesen zu haben. In vielen Zeilen war die Last der Verantwortung, die Verzweiflung und der Kummer zu spüren, da war aber auch viel Mut, Hoffnung, Zuversicht und so viel Liebe, dass ich große Hochachtung und größten Respekt vor der Leistung der Autorin kundtun möchte.

„Manchmal trauere ich nur um mich, diese Traurigkeit ist einsam und kalt. Sie ist voll Vorwurf und Enttäuschung und Bitterkeit.“ (Seite 56)

Die Rückblicke auf das Leben des Paares, die schriftstellerische Tätigkeit der Autorin, der Werdegang ihres Mannes als Maler, die Patchworksituation mit den Kindern und vieles mehr fand in dieser Geschichte Platz. Ich bin dankbar für diesen Einblick, dankbar dafür, dass ich dieses wunderbare Buch lesen durfte, so intim und persönlich, tragisch schön und berührend. Eine Lösung bietet das Buch nicht, aber es ist sicherlich tröstlich, macht Hoffnung und Mut, es zeigt, das das Leben immer noch lebenswert ist, wenn nach den guten die schweren Zeiten kommen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.05.2023
Das Schweigen in mir
AlAmmar, Layla

Das Schweigen in mir


sehr gut

Eine junge Frau lebt allein in ihrer Wohnung, nachdem sie vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen ist. Traumatisiert und auf sich allein gestellt, ist sie verstummt und beobachtet aus dem Fenster in ihrer Wohnung die Nachbarschaft. Sie analysiert und seziert, stellt Vermutungen an und denkt nach. Sie fängt an, Texte zu verfassen und schreibt eine Kolumne in einem Online-Magazin, wo sie nicht immer verstanden wird, aber immerhin ihre Stimme wiederfindet.

„Niemand ist gern ein Opfer.“ (Seite 118)

Mit scharfem Blick und in eindringlicher Sprache nimmt uns die Autorin auf eine ungewöhnliche Reise mit. Die Protagonistin verfügt über eine außergewöhnlich hohe soziale und emotionale Intelligenz, mit deren Hilfe sie ihre Umgebung regelrecht seziert. Ihre Traumata mögen sie zur Sprachlosigkeit verdammt haben, aber ihre Beobachtungs- und Auffassungsgabe wurden dadurch nur noch geschärft. Ihre Beobachtungen werden unterbrochen durch die täglichen Ereignisse, die sie mit uns teilt, aber auch durch Erinnerungen an vergangene Zeiten, besonders ihre Erfahrungen während der Flucht. Diese sind schwer auszuhalten, fast kaum zu glauben, dass ein Mensch durch eine solche Hölle geht und überlebt.

Die Gedanken und Überlegungen führten bei mir zur großen Empathie, die lediglich in der Mitte einen kleinen Riss bekam. Einer Entgleisung gleich wurde dort verglichen, aufgerechnet gar, was mir nicht gefiel. Für mich ist jedes Leben gleich viel wert, ob eines oder fünfhundert, macht da keinen Unterschied und kann nicht gegeneinander aufgewogen werden. Vielleicht stumpft man aber auch ab, das kann ich nicht beurteilen, zu weit bin ich von solchen Erfahrungen entfernt, um das beurteilen zu können. Und dennoch. So viel Kritik muss erlaubt sein.

Ich habe das Buch gerne gelesen, wenn auch das Thema traurig, schwer und äußerst tragisch ist. Hier wurde einer Flüchtenden eine Stimme gegeben, die mich zum nachdenken und hinterfragen gebracht hat, was falsch und was richtig ist. Es gibt keine Antwort, jeder muss für sich herausfinden, was er damit macht. Ich bedanke mich für diesen Einblick, der meinen Horizont erweitert hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.05.2023
Hinter Liebfrauen
Bekeschus, Mario

Hinter Liebfrauen


ausgezeichnet

Kommissar Wim Schneider erholt sich in einer Klinik im Harz von seiner Tumoroperation, als er vom tragischen Unfall seiner Yogalehrerin erfährt. Dieser erscheint merkwürdig, weil die Frau kurz vorher auf dem Parkplatz der Klinik beobachtet wurde, wie sie mit einer unbekannten Person in heftigen Streit geriet, sodass Wim inkognito anfängt zu ermitteln. Seine Kollegin in Braunschweig, die Kommissarin Rosalie Helmer, untersucht indessen einen Selbstmord, als sich die Anzeichen mehren, dass Wims Nachforschungen ebenfalls nach Braunschweig führen. Dies nutzt Wim, um Rosalie auf dem kleinen Dienstweg um Hilfe zu bitten, die diese ihm aufgrund des letzten Falles nicht verwehren kann und will.

Es handelt sich beim vorliegenden Buch um den zweiten Teil der Niedersachsen-Krimis mit Kommissar Wim Schneider. Man muss den ersten Teil nicht zwingend gelesen haben, um ins Buch zu finden, denn im Laufe der Geschichte erklären sich die meisten privaten Dinge von selbst. Da der vorherige Fall hier aber sehr oft Erwähnung fand, hätte ich mir eine knappe Zusammenfassung gewünscht, obwohl ich den Reihenauftakt gelesen habe, einfach deswegen, weil ich mir bei der Fülle der Bücher, die ich lese, nicht alles merken und behalten kann.

Im Buch haben mir die vielen Wechsel zwischen den Personen sehr gefallen, der Fokus wurde nicht allein auf die Ermittlung gelegt. Der Fall selbst war nicht spektakulär neu, aber durch die vielen Abzweigungen und verschlungenen Wege zur Lösung unterhaltsam, spannend und abwechslungsreich genug, um mir wieder tolle Lesestunden zu bescheren. Ich mochte die Diversität bei den Charakteren, den wirklich feinen Humor und auch die Gesellschaftskritik ohne den erhobenen Zeigefinger sehr. Die Auflösung war schlüssig und die Andeutungen am Ende Grund genug, dass ich eine Fortsetzung kaum noch erwarten kann. Ich bin sehr gespannt darauf, wo die Reise hingeht, folge Wim aber gerne dahin, wo es ihn hin verschlägt. Gerne vergebe ich viereinhalb Punkte und empfehle diesen Regionalkrimi weiter.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.