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mimitatis_buecherkiste
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Krefeld

Bewertungen

Insgesamt 562 Bewertungen
Bewertung vom 31.08.2024
Eine Leiche zum Frappé
Wälde, Tina

Eine Leiche zum Frappé


sehr gut

Panagiotis Polychroniadis, kurz Pana genannt, führt ein Café in Paphos, einer Stadt an der Südwestküste der Mittelmeerinsel Zypern. Ute ist kürzlich nach Paphos ausgewandert, hat eine Scheidung hinter sich und lernt Pana auf dessen Silvesterparty kennen. Als eines Tages ein Pick-up auf dem Bürgersteig vor dem Café mit einer Leiche auftaucht, ist die Aufregung groß. Hauptkommissar Yannis Polychroniadis, ein Cousin Patas, führt die Ermittlungen, ist dabei aber nicht sonderlich erfolgreich, sodass sich Pana selbst an die Aufklärung des Falles macht.

Der erste Zypern-Krimi von Tina Walde ist eine wunderbar leichte Sommerlektüre, bei der ich immer wieder das Gefühl hatte, selbst auf der Mittelmeerinsel zu sein. Der Cosy-Krimi glänzt durch humorvolle Momente, ein sommerliches Inselflair und enthält zur Abrundung eine Liebesgeschichte. Zu Beginn lernen wir die Akteure kennen, deswegen dauert es ein wenig, bis es kriminell wird. Da es sich beim vorliegenden Buch um den ersten Teil einer Reihe handelt, ist dies vonnöten, um ein Gespür für die Personen und das Leben auf der Insel zu entwickeln. Die Geschichte hat mir viel Spaß gemacht und ich freue mich auf ein Wiedersehen im sonnenverwöhnten Zypern.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.08.2024
Stalker - Er will dein Leben.
Strobel, Arno

Stalker - Er will dein Leben.


ausgezeichnet

Der Schauspieler Eric Sanders hat es endlich geschafft; mit seiner Rolle in dem Münchner Tatort erlebt er den lange ersehnten Durchbruch. Über Nacht steigen die Followerzahlen auf seinen Social Media Kanälen beträchtlich, die überwiegende Meinung ist positiv und die Kritiker überschlagen sich, voll des Lobes über seine schauspielerische Leistung. Umso größer der Schreck, als sich jemand plötzlich in sein Leben drängt, seine Profile kopiert und auf Kommentare der Fans an seiner Stelle beleidigend und anzüglich antwortet. Als er denkt, schlimmer kann es nicht kommen, erhält er eine Nachricht, in der er aufgefordert wird, einen Mord zu gestehen, sonst werde seiner Familie Leid angetan.

„Auch beim zweiten Lesen verloren die Wörter nicht die Bedrohung, die von ihnen ausging. Dort stand, mit einem Computer in Großbuchstaben geschrieben und ausgedruckt: DU BIST EINE ERFUNDENE PERSON! ICH WERDE ES DIR BEWEISEN!“ (Seite 70)

Ich gestehe, dass ich ein bisschen skeptisch war, als ich den Klappentext des vorliegenden Buches gelesen hatte, denn sowohl Social Media wie auch Stalking in unterschiedlicher Form wurden in letzter Zeit in einigen Büchern ausführlich thematisiert. Meine anfängliche Skepsis wich aber bald großer Begeisterung, denn die Geschichte, die Arno Strobel sich hier ausgedacht hat, hätte nicht raffinierter und spannender sein können.

Von Anfang an war eine unterschwellige Gefahr zu spüren und auch wenn ich zu Beginn an manchen Stellen ein wenig amüsiert war, wie ich zugeben muss, wich dieses Gefühl bald einem leichten Entsetzen, je weiter die Bedrohung voranschritt. Lustig war dann gar nichts mehr, im Gegenteil fieberte ich zusammen mit Eric der Lösung hinter dem Geheimnis entgegen. Die Richtung, die das Buch dann einschlug, kam unerwartet, genauso wie die vielen überraschenden und genialen Wendungen, die perfekt platziert zur Spannung beigetragen haben. Ich konnte nicht anders, als den Einfallsreichtum zu bewundern, denn es kommt selten vor, dass meine Aufregung gedanklich solche Purzelbäume schlägt. Die Auflösung war schlüssig, ein weiteres Ereignis verstörte mich zutiefst und das Ende verdient ein extra Sternchen von mir. Ein Psychothriller, der diese Bezeichnung mehr als verdient. Lesenswert!

7 von 8 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2024
Kaffee mit Milch
Nutti, Ella-Maria

Kaffee mit Milch


ausgezeichnet

Agneta fährt zu ihrer Tochter nach Stockholm, wo Tilda seit ein paar Jahren Jura studiert. Die Beziehung zwischen den Frauen ist schlecht, keine von ihnen war in den letzten Jahren zu einem Gespräch bereit, obwohl es genug zu klären gäbe. Nun aber gibt es etwas, was Agneta ihrer Tochter sagen muss, sie schiebt es seit Wochen vor sich her, ihr läuft die Zeit davon. An einem verlängerten Wochenende in Stockholm soll es soweit sein, aber als Agneta dort ankommt, stößt sie auf eine Mauer des Schweigens, die sie selbst auf einmal kaum noch überwinden kann und will.

„Irgendwas hatte sie wohl richtig gemacht bei ihrem Kind, dass Tilda so viel mehr Mut besaß und wegging. Sie redet es sich zumindest ein, dass es gut war . Diese Sanftheit in Tildas Stimme, die Verlegenheit. Agneta will diesen Moment in die Länge ziehen, während der weiche Ton ihren Gehörgängen schmeichelt und sie sich das Gehirn in Watte packen lässt.“ (Seite 130)

Kein leichtes Thema hat die Autorin sich da ausgesucht, die Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist eine spezielle, viele Zwischentöne spielen eine Rolle, es ist ein ständiges auf und ab der Gefühle, die regelmäßig zutage kommen zu den unpassendsten Zeiten. Agneta hat einen Auftrag, sie hat ein Ziel, und scheitert immer wieder daran, dass sie kleine Augenblicke trauter Zweisamkeit nicht zerstören will. Die seit Jahren achtsam gepflegte Sprachlosigkeit zwischen den Frauen wird ihnen zum Verhängnis, keine kann aussprechen, was sie eigentlich möchte. Gefühle werden totgeschwiegen, Empfindungen kaschiert, dabei könnte alles so einfach sein. Eigentlich.

Ein wunderbarer Roman, der melancholisch und traurig, aber auch brutal realistisch gewesen ist. Ich habe förmlich mitgelitten, habe gebangt, suchte nach Worten, war gerührt und berührt, verlor letztendlich die Fassung und klappte das Buch mit einem Lächeln zu, denn es war schön, dass ich dabei gewesen bin. Lesenswert!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.08.2024
Seltsame Sally Diamond
Nugent, Liz

Seltsame Sally Diamond


ausgezeichnet

Sally Diamond verbrennt ihren toten Adoptivvater Tom Diamond in der Tonne zur Entsorgung des Mülls, schließlich hat er sie selbst darum gebeten, bevor er an einer Krankheit starb. Nie hätte Sally sich träumen lassen, welche Konsequenzen diese Tat für sie haben würde, da sie jahrzehntelang zusammen mit Tom zurückgezogen gelebt hat, nachdem ihre Adoptivmutter verstorben ist. Sie fängt allmählich an, unter Menschen zu gehen, Freundschaften zu knüpfen und Vertrauen zu fassen, was ihr schwer fällt. Warum das so ist, hat sie nie hinterfragt, aber die Vergangenheit steht bereits vor der Tür und Sally wird lernen müssen, damit umzugehen.

„Ich begann, meine Gefühle und meine Eigenschaften zu erforschen. Ich stellte fest, dass ich wütend, nachtragend, verletzt und ängstlich war, aber auch dankbar, warmherzig, freundlich, rücksichtsvoll und einsam. Tina sagte, mangelndes Vertrauen sei mein größtes Problem, aber angesichts meiner Vergangenheit sei das vollkommen verständlich. Das gefiel mir. Ich war verständlich.“ (Seite 137)

Nach „Kleine Grausamkeiten“ sowie „Auf der Lauer liegen“ ist dies das dritte Buch der Autorin, das ich lesen durfte, und obwohl ich dachte, dass das zuerst genannte Buch nicht übertroffen werden könnte, wurde ich eines Besseren gelehrt. Man sollte sich von dem harmlosen Titel und dem fast schon unschuldigen Titelbild nicht täuschen lassen, denn auch wenn es fast insgesamt unblutig blieb, war die Geschichte reich an Gewalt und Perversität. Was Sally über ihre Kindheit erfuhr, zeigte mir die Richtung, in die es geht; Liz Nugent wäre aber nicht Liz Nugent, wenn sie nicht noch weitere Überraschungen in petto gehabt hätte.

Der erste Teil erklärte vergangene Ereignisse, im zweiten tauchte plötzlich ein weiterer Ich-Erzähler auf, der weit in die Vergangenheit zurück ging und Ungeheuerliches zu berichten hatte. Dies aber so raffiniert, dass ich eine lange Zeit nicht sicher war, was ich davon halten soll. War es gelogen oder steckte ein Fünkchen Wahrheit drin? Lange war mir dies überhaupt nicht klar. Die folgenden Enthüllungen entsetzten mich, wie grausam und perfide dies alles war! Als sich eine Kehrtwende abzeichnete, riss die Autorin das Ruder erneut herum und ich konnte nicht fassen, was dann geschah. Der dritte Teil, der Höhepunkt des Dramas in drei Akten, hat mir einiges abverlangt, denn natürlich stellte ich mir vor, wie es zu Ende gehen könnte. Letztendlich wurde ich auch da überrascht, denn nicht alles ist, wie es scheint und nichts bleibt, wie es immer war. Highlight!

11 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.08.2024
Wenn die Nacht endet / Die Halland-Krimis Bd.3
Carlsson, Christoffer

Wenn die Nacht endet / Die Halland-Krimis Bd.3


ausgezeichnet

Vor zwanzig Jahren ist im halländischen Skavböke der achtzehnjährige Mikael Söderström erschlagen aufgefunden worden. Auf einer Party in der Nacht davor gab es Streit, die Namen von zwei Freunden tauchen in diesem Zusammenhang immer wieder auf, denen aber beiden nichts nachzuweisen ist. Zwanzig Jahre später geschieht erneut ein Mord, der jüngere Bruder von Mikael ist das Opfer. Vidar Jörgensson von der Polizei Halmstadt übernimmt die Ermittlungen und findet bald eine Spur, die in die Vergangenheit führt.

„Die Geschichte schert sich nicht um Wünsche oder Erwartungen, um nichts dergleichen. Stattdessen: ein Sortiment von Personen, die reden und handeln, die Zeugenaussagen machen, verlogene wie der Wahrheit entsprechende, die einander ablehnen oder idealisieren. Einige entziehen sich, wollen nicht sichtbar in Erscheinung treten, wirken aber dennoch im Stillen; ihr Handeln erzeugt einen Widerschein in vollkommen anderen Lebensgeschichten.“ (Seite 20)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um den dritten Teil der Halland-Krimi-Reihe, folgend auf „Wenn die Nacht endet“ und „Unter dem Sturm“, in denen Vidar Jörgensson ermittelt. Man kann alle Bücher unabhängig voneinander lesen, die einzelnen Fälle stehen im Vordergrund, und wenn es etwas gibt, das der Leser wissen sollte, wird es wiederholend erzählt.

Dieser Teil der hervorragenden Buchreihe ist für mich der Höhepunkt der Serie, es ist für mich, als sei der Autor angekommen und seine Buchfiguren mit ihm mit. Anfangs springt er ein wenig durch die Zeiten, bedient einen Sprecher, der zu den Lesenden spricht, bald aber führt er durch die Geschichte und nimmt ganz routiniert mich als Beobachterin mit. Einzig die vielen ungewohnten Vor- und Nachnamen bereiten mir Schwierigkeiten; die Polizistin Gerd lässt mich permanent schmunzeln, weil mein Mann genauso heißt, allerdings stolpere ich beim Lesen genauso oft deswegen und stocke im Text. Die vielen schwedischen Familiennamen führen in der Fülle dazu, dass ich an manchen Stellen einfach nicht mehr weiß, wer gemeint ist. Natürlich ergibt sich im weiteren Verlauf die richtige Zuordnung, allerdings würde ich dafür nicht die Hand ins Feuer legen. Dies schmälert allerdings nicht im geringsten das Lesevergnügen!

Dieser komplexe und überaus spannende Kriminalfall lässt mich begeistert das Buch zuschlagen und mehr als zufrieden zurück. Viele falsche Fährten legte der Autor, deutete da etwas an, hinterließ dort einen Hinweis, lief im Kreis und kehrte wiederholt in die Vergangenheit zurück. Ich fand Verdächtige und Täter, verwarf meine Theorie, überlegte hier, kombinierte da, kam aber trotzdem nicht auf die Lösung, die mich verblüffte, weil sie eigentlich so naheliegend, aber trotzdem gut versteckt war. Ein großartiger Krimi, der mich sehnsüchtig auf eine Fortsetzung warten lässt. Uneingeschränkte Leseempfehlung gibt es dafür von mir.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.08.2024
Als wir Schwäne waren
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Diese Geschichte handelt von Reza, er selbst fungiert als Ich-Erzähler und nimmt die Leserschaft mit zurück in seine Kindheit, zurück nach Bochum, als er in den 1990er Jahren mit seiner Familie aus dem Iran ins Ruhrgebiet geflohen ist. Er berichtet darüber, wie es ist, in einem fremden Land aufzuwachsen, wo die Abschlüsse der Eltern nicht anerkannt werden, wo die Siedlung nach Armut riecht, aber auch nach Majoran und Etagenbetten. Wo das Recht des Stärkeren gilt und Wut ein Mittel zum Überleben ist.

„Rückblickend frage ich mich, wie es ist, wenn sich das Alte schließt und das Neue nicht öffnet. Wenn in der Fremde plötzlich auch Dinge nicht funktionieren, mit denen man bisher vertraut war und die immer funktioniert haben. Deren Gesetzmäßigkeiten man zu kennen glaubt. Dinge, die vielleicht nicht mal hierhergehören und selbst fremd sind.“ (Seite 28)

Selten hat mich ein Buch beim Lesen so begeistert, wie dieses hier. Ich wäre am liebsten permanent in Freudenschreie ausgebrochen, wollte auf jeder Seite eine Passage markieren oder las einen Absatz erneut, weil ich die Sätze so passend und brillant fand. Dennoch fällt es mir schwer, in Worte zu fassen, was dieses Werk in mir ausgelöst hat, ich habe Angst, der Geschichte nicht gerecht zu werden, indem ich darüber schreibe, meine Gedanken und Gefühle sortiere, während ich im Kopf eigentlich noch mittendrin bin. Das ist einfach nur phänomenal!

„Wir kommen aus dem Krieg, aus dem Elend. Wenn wir Armut sagen, meinen wir nicht Sozialhilfe, sondern Cholera. Aber dass das hier nicht oben ist, ist uns schon früh klar. Unser Ruhrgebiet ist dürr, verbittert. Kauft unentwegt Müll und kann ohne Fernseher nicht einschlafen. Ohne Schminke sein Antlitz nicht ertragen.“ (Seite 111)

In klaren Worten, mal poetisch, zärtlich, aber auch straßentauglich und im Gangster-Style, führte mich das Kind, der Junge, der Teenager, der einmal Schriftsteller werden wird, durch die Erzählung. Tragik wechselte sich mit Komik ab, die jedoch mehr einem Galgenhumor glich, denn dahinter verbargen sich Schicksale, die nicht immer glimpflich ausgegangen sind. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, denn die Magie des Buches liegt darin, dass sie vom Lesenden neu entdeckt werden will. Grandios!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.08.2024
Lieferdienst
Hillenbrand, Tom

Lieferdienst


sehr gut

Arkadi ist ein Bote, genauer gesagt ein Bringer, der auf einem Hoverboard durch die Lüfte saust und mit anderen Kurieren Waren zu Kunden bringt. Die Konkurrenz schläft nicht, es wird mit allen Mitteln gekämpft. Als ihn ein Kollege um einen Gefallen und die Übernahme seiner Lieferung bittet, ahnt Arkadi nicht, worauf er sich einlässt, muss aber kurz darauf mitansehen, wie besagter Kurier stirbt. Seltsame Aufträge folgen und bald wird es für Arkadi ungemütlich.

„Ich lasse den Blick schweifen, damit das Visor Kuriere der Konkurrenz und elektronische Counterdelivery-Maßnahmen identifizieren kann. Mithilfe des Additional Rear Scope Emulators (ARSE) schaue ich, wie es hinter mir aussieht. Laut ARSE-Cam ist die Luft rein. Also platziere ich die GameStation in dem Boxdrop.“ (Seite 22)

Das Buch hat mich gut unterhalten, es war witzig und voller Ideen, was die Zukunft angeht. Einige Hinweise auf lebende Personen und solche, die Lieferdienste und andere Unternehmen in unserer Zeit betreffen, entlockten mir wiederholt ein Lachen. Arkadis Abenteuer waren mitreißend, auch wenn die Geschichte nicht übermäßig spannend war. Dennoch fieberte ich zusammen mit Arkadi dem Ausgang entgegen, war neugierig, in welchen Schlamassel er da hineingeraten ist und wie er da wieder rauskommt.

Die Mischung aus Dystopie und Thriller gefiel mir gut, allerdings gibt es auch Kritik meinerseits, denn immer wieder musste ich pausieren und zum Übersetzungsprogramm wechseln, was ich irgendwann einfach nur lästig fand. Zwischen technischen Begriffen, echten und erfundenen, gab es solche in englischer, „denglischer“ und natürlich auch futuristischer Sprache. Das war mir persönlich zu viel des Guten. Natürlich klingt Counterdelivery Measures oder Recalculating cooler als Gegenlieferungsmaßnahmen oder Neuberechnung, aber die permanenten Pausen schmälerten mein Lesevergnügen erheblich, was ich schade und unnötig fand. Wen das nicht stört, wird hier allerdings rundum zufrieden sein.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.08.2024
Martha und die Ihren
Hartmann, Lukas

Martha und die Ihren


ausgezeichnet

Martha lebt mit ihren Eltern und den fünf Geschwistern in einem Dorf in der Nähe von Bern, Anfang des 20. Jahrhunderts. Als der Vater stirbt, kann die Mutter die Kinderschar nicht mehr ernähren, die sechs Kinder werden als sogenannte Verdingkinder auf verschiedene Bauernhöfe gebracht, wo sie unterschiedliche Arbeiten verrichten müssen. Martha ist die Zweitjüngste, aber die kleinste, intelligent und fleißig sowie folgsam und lieb. Mit einem eisernen Willen arbeitet sie sich kontinuierlich aus der Armut und geht ihren Weg. Der Preis, den sie dafür zahlt, ist hoch.

„Man holt sie ab, eines nach dem andern, auf freundliche Weise oder auf missmutige. Ein Mann von der Gemeinde ist jedes Mal dabei. Die Kinder müssen mitgehen, auch wenn sie die Leute nicht kennen, denn darunter sind solche aus anderen Dörfern, aber nur Männer. Die Kinder werden verdingt, auch das ist ein neues Wort für Martha. Später wird sie denken, dass das Wort ja stimmt, sie sind zu Dingen geworden.“ (Seite 17)

Lukas Hartmann hat die Geschichte seiner Familie aufgeschrieben, im Mittelpunkt steht Martha, seine Großmutter väterlicherseits. Unter Verdingung verstand man nichts anderes, als Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen zur Versorgung und Erziehung in der Schweiz. Oft wurden diese Kinder ausgenutzt und ausgebeutet, mussten schuften bis zur Erschöpfung und froh sein, wenn sie überhaupt etwas zu essen bekamen zusätzlich zum Schlafplatz. Dies darf nicht vergessen werden, dafür sorgt hoffentlich auch dieses Buch.

Das Schicksal von Martha und den Ihren lässt mich tief berührt zurück. Über drei Generationen, über viele Jahrzehnte, folgte ich ihrem Weg, aber auch dem ihrer Söhne, deren Frauen und Kindern. Die Kindheitsjahre prägten Martha und auch der Krieg, der dem Land erspart geblieben ist, hinterließ Wunden und wirkte sich auf sie, ihre Nachkommen und deren Familien aus. Dieser großartige Familienroman löste eine ganze Palette an Gefühlen bei mir aus, ließ mich hoffen und bangen, staunen und lachen, manchmal wütend werden und fluchen, aber auch weinen und traurig sein. Mit einem warmen Gefühl klappte ich das Buch zu und verabschiedete mich von Marthas Geschichte, die mich ein paar Stunden begleitete, aber für immer unvergesslich bleibt.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.08.2024
Der Feind in ihrem Haus
Marrs, John

Der Feind in ihrem Haus


ausgezeichnet

Connie zieht zurück in ihre Heimatstadt, um ihre Mutter Gwen zu pflegen, die an Demenz erkrankt ist. Als eine soziale Einrichtung den Handwerker Paul schickt, um den beiden Frauen bei Arbeiten rund ums und im Haus zu helfen, wird Connie schnell misstrauisch. Paul mischt sich in alles ein, drängt sich mit aller Macht in Gwens Leben und bald schon hat er sie auf seine Seite gezogen, weil diese ihn für ihren verstorbenen Mann Bill hält. Welcher Plan dahinter steckt, ahnt Connie allerdings nicht im geringsten.

„Aber ich kenne sein Motiv immer noch nicht. Denn soweit ich sehe, hat er damit nur erreicht, dass eine ohnehin schon verwirrte Frau noch unsicherer wurde. Ihre Stimmungen schwanken wie ein Pendel, seit er nicht mehr vorbeikommt.“ (Seite 101)

Connie fungiert als Ich-Erzählerin, daneben lässt John Marrs aber noch einige andere Personen zu Wort kommen. Bereits früh spüre ich unterschwellig eine negative Stimmung, die zwischen Connie und Paul entsteht, allerdings gibt es keine Beweise für ein Fehlverhalten, außer dem Wort von Connie, was vermutlich Absicht ist. Nach und nach passieren Dinge, die ich fast amüsant finde, weil ich nicht die Adressatin der entsprechenden Aktionen bin. Nach einem für alle Beteiligten unangenehmen Vorfall fange ich an, alles zu hinterfragen und merke, dass etwas seltsam ist. Benennen könnte ich es nicht, aber eine vage Ahnung befällt mich, die mich die Dinge plötzlich mit anderen Augen sehen lässt. Zuerst einmal lässt der Autor aber eine solche Bombe platzen, dass ich es nicht fassen kann. Habe ich mich geirrt und es war doch ganz anders? Gespannt lese ich weiter und werde von der kommenden Wendung komplett überrascht. Ungläubig lasse ich den Mund offen stehen und lache fast laut. Damit habe ich nicht gerechnet und frage mich, wie mir das entgehen konnte? Das kann doch wohl nicht wahr sein, denke ich mir, und rausche weiterhin durchs Buch.

Was danach folgt, ist gleichermaßen perfide wie genial, wieder einmal fährt John Marrs schwere Geschütze auf, um uns zu unterhalten, ich kann nicht anders, als seinen Einfallsreichtum zu bewundern. Ich ertappe mich dabei, wie ich schwanke, meine Sympathiepunkte neu verteile, und ein bestimmtes Ergebnis hoffnungsvoll erwarte. Dabei ist mir mittlerweile fast egal, was falsch und was richtig ist, was mich selbst wohl am meisten erschreckt. Ich kann nicht umhin, ein wenig Bewunderung zu spüren bei den Ereignissen, die folgen. Herrlich! Unerwartete Vorfälle lassen mein Herz schneller schlagen, dramatische Szenen schließen sich an und atemlos eile ich dem Ausgang entgegen, bin gespannt darauf, wie alles enden wird. Zuvor stockt mir aber der Atem, er würde doch nicht?! Oder doch? Mit einem bangen Gefühl blättere ich um und… Den Rest müsst ihr wohl selbst erleben; lest dieses Buch!

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.08.2024
VIEWS
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


ausgezeichnet

Drei Tage nach dem Verschwinden der sechzehnjährigen Lena Palmer taucht ein brutales Video im Internet auf, das sofort viral geht. Die BKA-Kommissarin Yasira Saad wird mit dem Fall betraut und sucht zusammen mit ihrem Team fieberhaft nach dem vermissten Mädchen sowie den Tätern. Währenddessen wächst in der Bevölkerung der Unmut, rechte Gruppierungen rufen zu Demonstrationen und Selbstjustiz auf, die Zeit drängt.

„Das Video hat bereits eine Welle der Empörung ausgelöst. Reaktion und Gegenreaktion sind irgendwie vorhersehbar, und trotzdem schockt es Yasira, wie extrem manche Wortmeldungen ausfallen und wie leise die Stimmen der Vernunft bleiben.“ (Seite 20)

Auf dem Buchdeckel steht ein Satz, wonach das vorliegende Buch Inhalte enthält, die manche Personen als verstörend empfinden könnten. Dies kann ich nach dem Lesen bestätigen, für sensible Leserinnen und Leser ist dieser Gegenwartsroman sicherlich nicht empfehlenswert, der Autor nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich war nach den ersten Kapiteln sicher, dass ich weiß, worauf die Geschichte hinausläuft, wurde aber eines Besseren belehrt und nicht nur das. Die Wendung in der Mitte des Buches verblüffte mich und als ich schon dachte, dass die Richtung nun klar vorgegeben ist, kam ein gänzlich anderer Ansatz hinzu, der mich staunen ließ. Es gehört schon viel Einfallsreichtum dazu, dass es dazu kommt. Das Ende erwischte mich noch einmal kalt, ich konnte nicht fassen, wie es ausgegangen ist. Insgesamt ein großartiger Thriller, der keine Wünsche offen lässt. Lesenswert!

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.