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Die Cardinals sind keine gewöhnliche Familie. Sie haben den Schneid und die Wildheit von Helden, sie haben Angst vor nichts und niemandem. Und sie sind ganze dreiundzwanzig. Als der Vater in der stillgelegten Mine eines kanadischen Dorfes Zink entdeckt, rechnet der Clan fest mit einem Anteil am Gewinn - und dem Ende eines kargen Daseins. Aber beides wird den Cardinals verwehrt, und so schmieden sie einen explosiven Plan, der, wenn schon nicht die Mine, so wenigstens die Ehre der Familie retten soll. Doch der Befreiungsschlag scheitert und zwingt die Geschwister zu einem Pakt des Schweigens, d...
Die Cardinals sind keine gewöhnliche Familie. Sie haben den Schneid und die Wildheit von Helden, sie haben Angst vor nichts und niemandem. Und sie sind ganze dreiundzwanzig. Als der Vater in der stillgelegten Mine eines kanadischen Dorfes Zink entdeckt, rechnet der Clan fest mit einem Anteil am Gewinn - und dem Ende eines kargen Daseins. Aber beides wird den Cardinals verwehrt, und so schmieden sie einen explosiven Plan, der, wenn schon nicht die Mine, so wenigstens die Ehre der Familie retten soll. Doch der Befreiungsschlag scheitert und zwingt die Geschwister zu einem Pakt des Schweigens, der zu einer Zerreißprobe für die ganze Familie wird.
Ein überwältigender und rührender Roman. In Niemals ohne sie schafft Jocelyne Saucier eine Welt, die aller Rauheit zum Trotz den Glauben an ein selbstbestimmtes, freies und gemeinschaftliches Leben feiert. So belebend und gewagt wie eine Utopie.
Ein überwältigender und rührender Roman. In Niemals ohne sie schafft Jocelyne Saucier eine Welt, die aller Rauheit zum Trotz den Glauben an ein selbstbestimmtes, freies und gemeinschaftliches Leben feiert. So belebend und gewagt wie eine Utopie.
Jocelyne Saucier, geboren 1948 in der kanadischen Provinz New Brunswick, arbeitete lange als Journalistin, bevor sie mit dem literarischen Schreiben begann. Ihr vierter Roman Ein Leben mehr, der 2015 bei Insel erschien, war ein Bestseller und wurde verfilmt. Saucier lebt heute in einem Zehn-Seelen-Ort im Wald, im nördlichen Québec.
Sonja Finck übersetzt aus dem Französischen und Englischen, darunter Bücher von Jocelyne Saucier, Kamel Daoud, Chinelo Okparanta und Wajdi Mouawad. Für ihre Ernaux-Übersetzungen wurde sie mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Sonja Finck übersetzt aus dem Französischen und Englischen, darunter Bücher von Jocelyne Saucier, Kamel Daoud, Chinelo Okparanta und Wajdi Mouawad. Für ihre Ernaux-Übersetzungen wurde sie mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Produktdetails
- Verlag: Insel Verlag
- Seitenzahl: 255
- Erscheinungstermin: 5. März 2019
- Deutsch
- Abmessung: 27mm x 136mm x 30mm
- Gewicht: 432g
- ISBN-13: 9783458178002
- ISBN-10: 3458178007
- Artikelnr.: 54344678
Herstellerkennzeichnung
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Nach Gold suchen und es ab und zu krachen lassen
Ein anarchischer Familienclan mischt die kanadische Wildnis auf: Jocelyne Sauciers Roman "Niemals ohne sie"
Das vorliegende Buch verhält sich zu einem gewöhnlichen Familienroman in etwa so wie eine Dynamitladung zu einem Feuerwerkskracher. Von Dynamit ist dort viel die Rede: Die erste Sprengung zum siebten Geburtstag ist das familiäre Aufnahmeritual und eine Einweisung in die Freuden des Lebens. Mit Dynamit kann man Fallen basteln, die Bären die Mäuler wegreißen oder lästige Mädels in der Schule zum Schweigen bringen, indem man ein dezentes Stängelchen aus der Hemdtasche lugen lässt. Die eigentliche Sprengkraft des Romans ist allerdings menschlicher Art: Es handelt
Ein anarchischer Familienclan mischt die kanadische Wildnis auf: Jocelyne Sauciers Roman "Niemals ohne sie"
Das vorliegende Buch verhält sich zu einem gewöhnlichen Familienroman in etwa so wie eine Dynamitladung zu einem Feuerwerkskracher. Von Dynamit ist dort viel die Rede: Die erste Sprengung zum siebten Geburtstag ist das familiäre Aufnahmeritual und eine Einweisung in die Freuden des Lebens. Mit Dynamit kann man Fallen basteln, die Bären die Mäuler wegreißen oder lästige Mädels in der Schule zum Schweigen bringen, indem man ein dezentes Stängelchen aus der Hemdtasche lugen lässt. Die eigentliche Sprengkraft des Romans ist allerdings menschlicher Art: Es handelt
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sich um die 21 Kinder der Cardinal-Familie, die das brenzlige Gemisch dieses Romans ausmachen.
Die wilde Bande haust in Norcoville, einer (wohl fiktiven) Stadt im Westen Québecs, in der die Northern Consolidated ein Zinkvorkommen abbaut. Während die Mutter vollauf in der Küche beschäftigt ist und der Vater nach Erzvorkommen sucht oder über Bodenproben im Keller grübelt, führen die Kinder einen ewigen Krieg gegen die "Landeier" der Umgebung. Auch wenn man ihr nie begegnen möchte: Schon die Schilderung dieses anarchischen Clans, seiner ausgefallenen Spitznamen, seines Feuerkriegs oder seiner inneren Hackordnung ist eine Freude. Wirklich spannend wird der Roman dann erstens durch das, was passiert, als die Bergbaugesellschaft abzieht. Zweitens trägt die raffinierte Erzählweise Sauciers dazu bei, dass der Leser in den Strudel der Ereignisse und Enthüllungen gezogen wird.
Zuerst zum Plot: Eigentlich ist das Zinkvorkommen der Fund des Vaters, der sich mit Anteilsscheinen der Bergwerksbetreiber auszahlen ließ. Nur: Als Folge einer Krise rauschen die Zinkpreise in den Keller, die Förderung lohnt nicht mehr, die Mine wird verlassen und Norco aufgegeben. Die Cardinal-Gören, die immer den Eindruck hatten, man habe ihren Vater betrogen, reißen die Herrschaft über die verwildernde Stadt an sich: "Die Stadt war eine Enklave, eine schmale Schneise im Wald, eine karge, baumlose Insel, auf der nichts wuchs als hohe Gräser, die träge zwischen den Häusern wogten, und so war sie der Glut des Himmels schutzlos ausgeliefert, die Stadt war eine riesige Kochplatte, die wir in alle Himmelsrichtungen durchstreiften, von morgens bis abends, verdreckt, sonnengebräunt, eroberungslustig." Der Vater entdeckt unterdessen eine Goldquarzader in der verlassenen Mine und baut sie mit dem machthungrigen Wildfang Geronimo - laut Vater: "Das Herz dieses Jungen pumpt Nitroglyzerin durch seinen Körper" - jahrelang heimlich ab. Als die Northern Consolidated dank Aerogeophysik begreift, dass in der Mine noch viel zu holen ist, stehen die Cardinals vor dem Problem, dass ihr Privatstollen entdeckt zu werden droht. Die Lösung: Dynamit natürlich, eine "gewaltige Detonation, die aus den Tiefen der Erde hochschoss, die kahle Kuppe unseres Bergs aufblähte, anhob und einstürzen ließ, sodass er mit ohrenbetäubendem Getöse in sich zusammenfiel".
Nur geht die Sache schief, bei der Sprengung stirbt Angèle. Die Siebzehnjährige hatte eine Sonderrolle in der Familie: Sie war das bravste und ehrgeizigste Kind - "das einzige mit einer Begabung zum Glück"; durch die McDougalls, kinderlose Wohltäter, war sie in den Genuss einer guten Erziehung und einer humanistischen Schulbildung gekommen. Ihre Extravaganz musste sie bei jeder Rückkehr teuer bezahlen, ihre feinen Kleider blieben nie hell und heil, die Leichen der Nachbarskatzen musste immer sie zählen. Warum sie zum Zeitpunkt der Explosion in der Mine war, weiß niemand. Ihren Tod kaschieren die Älteren auf Initiative von Jeanne d'Arc dadurch, dass sie Tommy, Angèles Zwillingsschwester, eine Abreise in die Großstadt vorspielen lassen.
Danach verstreuen sich die Cardinal-Kinder in alle Winde, von Australien bis Tschetschenien, damit die Mutter den Tod der Tochter nicht bemerkt. Die Ereignisse werden im Rückblick erzählt: Die Familie findet nämlich dreißig Jahre später auf einem Kongress wieder zusammen, auf dem der Vater zum "Erzsucher des Jahres 1995" gekürt wird. Das Wiedersehen ist spannungsgeladen: "In unserer Mitte klaffte ein Loch, wir hatten uns rings um Angèles Anwesenheit versammelt." Tommy weigert sich, ein weiteres Mal Angèle zu spielen. Ihr Tod wird daher erstmals angesprochen, und es kommt heraus, dass längst alle davon wussten.
Saucier, eine ehemalige Journalistin und 1948 in der Provinz New Brunswick geboren, beherrscht nicht nur das Was, sondern auch das Wie der Erzählung: Ihr narratives Vorgehen ist so subtil wie spannend. Sie lässt die Ereignisse durch sechs Cardinal-Kinder erzählen, Matz, Jeanne d'Arc, Tommy, El Toro, Émilien und Geronimo; am Ende darf Zwilling Tommy, die Angèle am nächsten stand, nochmals übernehmen und die Möglichkeit einer finalen Enthüllung skizzieren. Das Spiel mit den Perspektiven ist reizvoll: Figuren werden nach und nach eingeführt, Urteile sind nur provisorisch gültig, weil neue Informationen oder die Innensicht des Betroffenen Sachverhalte plötzlich in ein neues Licht setzen. So steht der Vater mal als idealistischer Waldschrat, mal als gewitzter Aktienspekulant da.
Sauciers Spiel mit wechselnden Linsen begnügt sich aber nicht mit einer statischen Draufsicht. Unaufhaltsam zieht es den Leser immer weiter in eine dreifache Dunkelheit hinein: die der Handlung, der Familie, der Mine. Die Abfolge der Erzähler führt zu einer schrittweisen Enthüllung, denn sie verfügen über wachsende Einsicht: Matz als jüngstes und schwächstes Familienmitglied markiert den äußeren Kreis, er berichtet bewundernd von der geliebten Sippe; Jeanne d'Arc als älteste Schwester hat bereits mehr Entscheidungsgewalt, kennt jedoch die Dynamik unter den Geschwistern nur teilweise; Tommy weiß um alle Vorgänge Angèle betreffend, hat aber keine Einsicht in die Vorgänge in der Mine; und so fort. Der Leser erfährt schrittweise von Angèles Tod, von den Sachverhalten in der Mine, von den Motivationen und Verantwortlichkeiten der Akteure. Am Ende wird auch das letzte Rätsel angesprochen: warum Angèle zum Zeitpunkt der Explosion überhaupt in der Grube war.
Sauciers Romane verlegt hierzulande Insel: Bisher wurde dort "Ein Leben mehr" (2011, deutsch 2015) publiziert, der vierte und vorerst letzte Roman der Autorin; er war ein Bestseller und wird verfilmt, hat aber in der deutschen Kritik keine besondere Aufnahme gefunden. "Niemals ohne sie" ist Sauciers zweiter Roman und in Kanada bereits 2000 erschienen: Flott übersetzt haben ihn Sonja Finck und Frank Weigand, die angesichts des Familien-Idioms Erfindergeist belegen. Auch wenn manche Passage etwas viel erklärt und die Autorin ordentlich dick aufträgt: Saucier gelingt es, dem Leser erst ein freches, freies Leben vorzugaukeln und ihn dann schrittweise in dessen finsteres Herz zu führen - ein grandioser Höllenritt, der Neugier auf mehr schürt.
NIKLAS BENDER
Jocelyne Saucier: "Niemals ohne sie". Roman.
Aus dem Französischen von Sonja Finck und Frank Weigand. Insel Verlag, Berlin 2019, 256 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die wilde Bande haust in Norcoville, einer (wohl fiktiven) Stadt im Westen Québecs, in der die Northern Consolidated ein Zinkvorkommen abbaut. Während die Mutter vollauf in der Küche beschäftigt ist und der Vater nach Erzvorkommen sucht oder über Bodenproben im Keller grübelt, führen die Kinder einen ewigen Krieg gegen die "Landeier" der Umgebung. Auch wenn man ihr nie begegnen möchte: Schon die Schilderung dieses anarchischen Clans, seiner ausgefallenen Spitznamen, seines Feuerkriegs oder seiner inneren Hackordnung ist eine Freude. Wirklich spannend wird der Roman dann erstens durch das, was passiert, als die Bergbaugesellschaft abzieht. Zweitens trägt die raffinierte Erzählweise Sauciers dazu bei, dass der Leser in den Strudel der Ereignisse und Enthüllungen gezogen wird.
Zuerst zum Plot: Eigentlich ist das Zinkvorkommen der Fund des Vaters, der sich mit Anteilsscheinen der Bergwerksbetreiber auszahlen ließ. Nur: Als Folge einer Krise rauschen die Zinkpreise in den Keller, die Förderung lohnt nicht mehr, die Mine wird verlassen und Norco aufgegeben. Die Cardinal-Gören, die immer den Eindruck hatten, man habe ihren Vater betrogen, reißen die Herrschaft über die verwildernde Stadt an sich: "Die Stadt war eine Enklave, eine schmale Schneise im Wald, eine karge, baumlose Insel, auf der nichts wuchs als hohe Gräser, die träge zwischen den Häusern wogten, und so war sie der Glut des Himmels schutzlos ausgeliefert, die Stadt war eine riesige Kochplatte, die wir in alle Himmelsrichtungen durchstreiften, von morgens bis abends, verdreckt, sonnengebräunt, eroberungslustig." Der Vater entdeckt unterdessen eine Goldquarzader in der verlassenen Mine und baut sie mit dem machthungrigen Wildfang Geronimo - laut Vater: "Das Herz dieses Jungen pumpt Nitroglyzerin durch seinen Körper" - jahrelang heimlich ab. Als die Northern Consolidated dank Aerogeophysik begreift, dass in der Mine noch viel zu holen ist, stehen die Cardinals vor dem Problem, dass ihr Privatstollen entdeckt zu werden droht. Die Lösung: Dynamit natürlich, eine "gewaltige Detonation, die aus den Tiefen der Erde hochschoss, die kahle Kuppe unseres Bergs aufblähte, anhob und einstürzen ließ, sodass er mit ohrenbetäubendem Getöse in sich zusammenfiel".
Nur geht die Sache schief, bei der Sprengung stirbt Angèle. Die Siebzehnjährige hatte eine Sonderrolle in der Familie: Sie war das bravste und ehrgeizigste Kind - "das einzige mit einer Begabung zum Glück"; durch die McDougalls, kinderlose Wohltäter, war sie in den Genuss einer guten Erziehung und einer humanistischen Schulbildung gekommen. Ihre Extravaganz musste sie bei jeder Rückkehr teuer bezahlen, ihre feinen Kleider blieben nie hell und heil, die Leichen der Nachbarskatzen musste immer sie zählen. Warum sie zum Zeitpunkt der Explosion in der Mine war, weiß niemand. Ihren Tod kaschieren die Älteren auf Initiative von Jeanne d'Arc dadurch, dass sie Tommy, Angèles Zwillingsschwester, eine Abreise in die Großstadt vorspielen lassen.
Danach verstreuen sich die Cardinal-Kinder in alle Winde, von Australien bis Tschetschenien, damit die Mutter den Tod der Tochter nicht bemerkt. Die Ereignisse werden im Rückblick erzählt: Die Familie findet nämlich dreißig Jahre später auf einem Kongress wieder zusammen, auf dem der Vater zum "Erzsucher des Jahres 1995" gekürt wird. Das Wiedersehen ist spannungsgeladen: "In unserer Mitte klaffte ein Loch, wir hatten uns rings um Angèles Anwesenheit versammelt." Tommy weigert sich, ein weiteres Mal Angèle zu spielen. Ihr Tod wird daher erstmals angesprochen, und es kommt heraus, dass längst alle davon wussten.
Saucier, eine ehemalige Journalistin und 1948 in der Provinz New Brunswick geboren, beherrscht nicht nur das Was, sondern auch das Wie der Erzählung: Ihr narratives Vorgehen ist so subtil wie spannend. Sie lässt die Ereignisse durch sechs Cardinal-Kinder erzählen, Matz, Jeanne d'Arc, Tommy, El Toro, Émilien und Geronimo; am Ende darf Zwilling Tommy, die Angèle am nächsten stand, nochmals übernehmen und die Möglichkeit einer finalen Enthüllung skizzieren. Das Spiel mit den Perspektiven ist reizvoll: Figuren werden nach und nach eingeführt, Urteile sind nur provisorisch gültig, weil neue Informationen oder die Innensicht des Betroffenen Sachverhalte plötzlich in ein neues Licht setzen. So steht der Vater mal als idealistischer Waldschrat, mal als gewitzter Aktienspekulant da.
Sauciers Spiel mit wechselnden Linsen begnügt sich aber nicht mit einer statischen Draufsicht. Unaufhaltsam zieht es den Leser immer weiter in eine dreifache Dunkelheit hinein: die der Handlung, der Familie, der Mine. Die Abfolge der Erzähler führt zu einer schrittweisen Enthüllung, denn sie verfügen über wachsende Einsicht: Matz als jüngstes und schwächstes Familienmitglied markiert den äußeren Kreis, er berichtet bewundernd von der geliebten Sippe; Jeanne d'Arc als älteste Schwester hat bereits mehr Entscheidungsgewalt, kennt jedoch die Dynamik unter den Geschwistern nur teilweise; Tommy weiß um alle Vorgänge Angèle betreffend, hat aber keine Einsicht in die Vorgänge in der Mine; und so fort. Der Leser erfährt schrittweise von Angèles Tod, von den Sachverhalten in der Mine, von den Motivationen und Verantwortlichkeiten der Akteure. Am Ende wird auch das letzte Rätsel angesprochen: warum Angèle zum Zeitpunkt der Explosion überhaupt in der Grube war.
Sauciers Romane verlegt hierzulande Insel: Bisher wurde dort "Ein Leben mehr" (2011, deutsch 2015) publiziert, der vierte und vorerst letzte Roman der Autorin; er war ein Bestseller und wird verfilmt, hat aber in der deutschen Kritik keine besondere Aufnahme gefunden. "Niemals ohne sie" ist Sauciers zweiter Roman und in Kanada bereits 2000 erschienen: Flott übersetzt haben ihn Sonja Finck und Frank Weigand, die angesichts des Familien-Idioms Erfindergeist belegen. Auch wenn manche Passage etwas viel erklärt und die Autorin ordentlich dick aufträgt: Saucier gelingt es, dem Leser erst ein freches, freies Leben vorzugaukeln und ihn dann schrittweise in dessen finsteres Herz zu führen - ein grandioser Höllenritt, der Neugier auf mehr schürt.
NIKLAS BENDER
Jocelyne Saucier: "Niemals ohne sie". Roman.
Aus dem Französischen von Sonja Finck und Frank Weigand. Insel Verlag, Berlin 2019, 256 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Saucier gelingt es, dem Leser erst ein freches, freies Leben vorzugaukeln und ihn dann schrittweise in dessen finsteres Herz zu führen - ein grandioser Höllenritt, der Neugier auf mehr schürt.« Niklas Bender Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190409
Die Cardinals ist keine gewöhnliche Familie. Sie sind genau 23 Personen und wohnen in der Bergbaustadt Norcoville in Quebec, dort entdeckt der Vater in einer stillgelegten Mine Zinkvorkommen. Das Ende ihrer Armut scheint nahe, jeder rechnet mit einem Anteil am Gewinn. Doch es kommt leider nicht …
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Die Cardinals ist keine gewöhnliche Familie. Sie sind genau 23 Personen und wohnen in der Bergbaustadt Norcoville in Quebec, dort entdeckt der Vater in einer stillgelegten Mine Zinkvorkommen. Das Ende ihrer Armut scheint nahe, jeder rechnet mit einem Anteil am Gewinn. Doch es kommt leider nicht zum finanziellen Erfolg für die Familie. Deshalb planen sie einen gewaltigen Befreiungsschlag, der jedoch zu einer Belastung für die ganze Familie wird.
Die Familie Cardinal ist groß und beeindruckt allein schon von ihrer Anzahl her, bei ihnen steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt. Dieser Roman zeigt aus der Sicht einzelner Geschwister eine Großfamilie, deren Kinder vom Freiheitsdrang erfüllt sind und wie ihre Hoffnung auf ein besseres Leben aussieht.
Die Charaktere werden mit Tauf- und Spitznamen vorgestellt, das macht es bei einer Kinderzahl von 21 ziemlich unüberschaubar. Doch man lernt die wesentlichen Figuren wie Geronimo, Matz, Angèle, Tommy und Magnum durch ihr Handeln ausführlich und genau kennen.
Die Autorin zeigt ihre Wünsche, ihre Lebensbedingungen, wie sie sich trotz der Armut in ihrer Familien wohlfühlen. Jedes Kind unterliegt untereinander einer Hierarchie, nicht jeder findet ein Bett und sucht sich irgendwo im Haus einen Schlafplatz. Die Mutter ist ständig in der Küche bei ihren Töpfen zu finden, ob alle am Tisch sitzen, zählt sie bei jeder Mahlzeit. Und der Vater hegt und pflegt seine Dynamitstangen und sucht in den Minen den Claim seines Lebens. Doch der gewünschte Erfolg bleibt aus. Als die Mine stillgelegt wird, zersteuen sich die Cardinals in alle Welt und erst dreißig Jahre später, zur Ehrung ihres Vaters auf einer Bergbaukonferenz, kommen sie wieder in Norco zusammen. Der Zeitpunkt für die Wahrheit ist gekommen.
Diese Geschichte wird sehr ruhig erzählt, doch die prägnanten Sätze drücken Stimmungen und Erlebnisse aus und verleihen jede Menge Atmosphäre und sorgen damit für Fesselung an diese ungewöhnliche Familie. Die Cardinals sind wild und fast schon unberechenbar, denn ihr Hobby führt in den Berg, Sprengungen und die donnernden Explosion in ihrer Mine erfüllen sie mit Stolz.
Einzig Angèle ist anders, sie entdeckt bei einer Pflegefamile, den McDougalls die große weite Welt. Welches Schicksal sie ereilt, wird im Roman zum inhaltgebenden Thema. Das ist das Ereignis, das die Familie auseinander reißt, ein unaussprechliches Unglück, das als Lüge über der Familie liegt wie ein gewaltiger Felsbrocken.
Schon früh lässt die Autorin das schlimme Schicksal durchblicken, das macht neugierig und man verfolgt das Buch gespannt, bis am Ende alles genau aufgeklärt wird.
Mich hat bei dieser Geschichte beeindruckt, wie diese Familie erst von ihrem dunklen Geheimnis auseinander gerissen wurde und einzelne Personen damit umgingen.
Der Schreibstil von Jocelyne Saucier ist teilweise poetisch, aber immer bildhaft und atmosphärisch dicht. Die Naturbeschreibungen führen hier unter die Erde und zeigen die wilde Schönheit von Goldquarzfunden im Berg und die Besonderheit von Sprengungen. Das ist Ehrfurcht gebietend und anschaulich, aber auch etwas bedrückend. Denn trotz der ganzen Plackerei bleibt der Familie nicht viel zum Leben.
Dieses Buch fesselt, es polarisiert und lässt einen nicht los.
Ein sehr beeindruckendes und atmosphärisches Buch, das eine ungewöhnliche Familie zeigt und wie sie mit ihrem persönlichen Familien-Unglück umgehen.
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Diese Familiengeschichte läßt mich nicht los. Ganz wunderbar geschrieben, hatte ich das Gefühl, auch in dem Haus mit den 21 Kindern zu wohnen, so sehr konnte ich mich mit der Familie identifizieren. Die Mutter so genau beschrieben, daß man sie förmlich vor sich sieht. Den …
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Diese Familiengeschichte läßt mich nicht los. Ganz wunderbar geschrieben, hatte ich das Gefühl, auch in dem Haus mit den 21 Kindern zu wohnen, so sehr konnte ich mich mit der Familie identifizieren. Die Mutter so genau beschrieben, daß man sie förmlich vor sich sieht. Den ganzen Tag in der Küche stehend und kochen, um die übergroße Familie zu versorgen. Die Kinder übergab sie immer wenige Tag nach der Geburt ihrer ältesten Tochter, die sich um ihre Geschwister kümmerte. Der Vater, ein verträumter Einzelgänger, der Tag für Tag durch den Wald streift, auf der Suche nach einem Erzvorkommen.
Die Carlingkinder sind eine eingeschworene Gemeinschaft. "Niemals ohne sie" ist ihre Leitlinie. Sie treten immer gemeinsam auf und sind in ihrer Überzahl nicht überall beliebt. Als eines Tages etwas Ungeheuerliches passiert, sprengt dies ihre Gemeinschaft, und über den Vorfall wird nicht geredet. Die Kinder suchen ihr eigenes Leben, jeder für sich, und erst 30 Jahre später treffen sie wieder aufeinander. Der Vater soll eine Ehrung erhalten und alle Kinder sind gekommen.
In dem Buch kommen die einzelnen Protagonisten zu Wort und geben ihren Blick auf die Familie wider. So lernt man die einzelnen Familienmitglieder besser kennen. Jeder hat in den vergangenen 30 Jahren ganz offensichtlich mit einer großen Schuld gelebt, die nicht aufgedeckt wurde, weil nicht miteinander geredet wurde. Jeder trug sein eigenes Bild in sich.
Wenn man sich auf das Buch erst einmal eingelassen hat, kann man es nicht mehr aus der Hand legen. Jeder der Protagonisten ist es wert, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Ganz besonders zu Herzen gehend, fand ich die Beziehung der Zwillingsschwestern zueinander, die sich zunächst sehr nahe waren, deren Bindung aber einer schweren Belastung ausgesetzt wurde. Bewundert habe ich die Mutter, die alle ihre Tage in der Küche verbracht hat, aber jeden Abend an das Bett ihrer Kinder ging, um ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Bei 21 Kindern. Und auch, wenn alle dachten, daß sie wesentliche Dinge gar nicht mitbekam, wußte sie immer über alles Bescheid. Für mich eine bewundernswerte, starke Frau.
Dies ist eine ganz und gar besondere Familiengeschichte, die eine absolute Leseempfehlung verdient.
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Familiendrama in atmosphärischer kanadischer Einöde
"Die Könige von Norco", so bezeichnen sich die Kinder der Familie Cardinal selbst. 21 Kinder sind sie, von den gleichen Eltern, die wenig Zeit für sie haben, da die Mutter nur mit ihrer Versorgung und dem Haushalt …
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Familiendrama in atmosphärischer kanadischer Einöde
"Die Könige von Norco", so bezeichnen sich die Kinder der Familie Cardinal selbst. 21 Kinder sind sie, von den gleichen Eltern, die wenig Zeit für sie haben, da die Mutter nur mit ihrer Versorgung und dem Haushalt beschäftigt ist und der Vater mit der Erzsuche, um die Familie finanziell zu ernähren. So wachsen die Kinder ziemlich wild, vernachlässigt, sich selbst überlassen und mit wenig Erziehung auf. Sie genießen große Freiheiten und wenig Regeln außer denen, die sich durch eine solch große Gruppe selbst ergeben, in der es andauernd zu Machtkämpfen und Schlägereien um Ressourcen (wie beispielsweise die besten Plätze auf dem Sofa) kommt. Schließlich ziehen sie durch das Bergbaustädtchen Norco in der kanadischen Einöde, die ihre Existenz alleinig einer ergiebigen Erzmine und dem Bergbauunternehmen Northern Consolidated verdankt, und tyrannisieren die Nachbarn, deren Haustiere, die anderen Schulkinder und eigentlich die ganze Umgebung. Als sich die Familie um ihre ergiebige Mine betrogen fühlt, fassen sie einen folgenschweren Entschluss, der einen langen Schatten auf die Familienmitglieder wirft.
"Niemals ohne sie" ist eine ungewöhnliche Geschichte. Allein aufgrund der Kinderzahl sind die Cardinals keine gewöhnliche Familie. Nun kommen sie alle nach Jahrzehnten wieder zusammen, weil der Vater eine Ehrung erhalten soll. Und die Familie muss sich schließlich dem stellen, weswegen sie sich alle seit Jahrzehnten aus dem Weg gehen. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Es kommt jeweils eins der Kinder (aber insgesamt nicht alle) zu Wort, das im vorangegangenen Kapitel eine Rolle gespielt hat und erzählt die Familiengeschichte und vor allem das Schlüsselereignis aus seiner eigenen Sicht, bis am Ende, mit einer für mich überraschenden Wendung, auch das letzte Puzzleteil an seinen Platz fällt. Das fand ich grandios konstruiert.
Auch wenn "Niemals ohne sie" eine Familiengeschichte ist, ist es kein Wohlfühlbuch und keine leichte Lektüre. Die Cardinals sind nicht gerade Sympathieträger. Die Kinder schüchtern alle anderen Menschen ein und schauen auf sie herab. Auch untereinander sind sie nicht gerade zimperlich. Doch das passt unglaublich gut zum Setting der Bergbaustadt, die nach einem Preissturz in der Bedeutungslosigkeit verschwindet und seine Bewohner bitterarm zurücklässt. Das Buch ist zudem eine sehr gelungene Studie zwischenmenschlicher Beziehungen und Dynamiken, was den Großteil der Spannung des Buches ausmachte, denn die grundlegenden Ereignisse kennt man nach dem dritten oder vierten Kapitel ganz gut, es kommen jeweils oft nur noch Details hinzu. Doch die Verstrickungen jedes einzelnen Beteiligten werden erst nach und nach aufgedeckt. Die Cardinals entwickeln einen Hass auf alle um sie herum und die Familie ist letztlich das Einzige, was zählt. Doch das Buch verlangt gar nicht, dass man die Figuren mag und so bietet es auch viele Denkansätze. Sicherlich gibt es auch die ein oder andere logische Schwäche, wie beispielsweise die Frage danach, ob und wie eine Frau wirklich 21 Kinder bekommen kann und auch, wie es möglich ist, dass viele der Kinder in nahe und ferne Städte ziehen, studieren, mitunter erfolgreich werden, wenn doch die Familie so bitterarm ist, dass die Übervorteilung durch die Bergbaugesellschaft einen solchen Hass auslöst. Doch darüber konnte ich wohlwollend hinwegsehen, weil mich das Buch einfach gefesselt und in diese oft dysfunktionale Familie hineingezogen hat. Für mich war das Buch ein großes Leseerlebnis.
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Nach „Ein Leben mehr“ war es für mich bereits beschlossene Sache, dass ich weitere Bücher von Jocelyne Saucier lesen würde. Mit ihrem Erstlingswerk hatte sie mich einkassiert. Umso größer war die Freude, als ich in der Verlagsvorschau auf „Niemals ohne …
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Nach „Ein Leben mehr“ war es für mich bereits beschlossene Sache, dass ich weitere Bücher von Jocelyne Saucier lesen würde. Mit ihrem Erstlingswerk hatte sie mich einkassiert. Umso größer war die Freude, als ich in der Verlagsvorschau auf „Niemals ohne sie“ stieß, ein Roman, der sich wieder in Kanada abspielen würde und mit den Themen Einsamkeit und Identitätsfindung spielte.
Worum geht es genau?
Die Cardinals sind eine Familie von Rebellen und Anti-Helden. Eine 23-köpfige Familie, die sich ihr eigenes Universum aufgebaut hat und für die kanadischen „Landeier“ nur Verachtung empfindet und sich wann immer es geht mit diesen reibt. Selber wachsen sie in Armut auf, sehen sich aber wortwörtlich als die Kardinäle ihres Dorfes Norco. Zentraler Punkt der Handlung ist ein Kongress, in dem der Vater, ein passionierter, aber nicht erfolgreicher Erzsucher, geehrt werden soll. Erstmals treffen alle Geschwister aufeinander und müssen sich ihren Dämonen der Kindheit stellen.
„Ich prügelte mich wegen der Dummheit der Landeier, wegen der viel zu langen Winter, wegen der unbarmherzigen Sonne und der Kriebelmücken im Sommer, wegen der unermesslichen Langeweile, ich prügelte mich, weil meine Träume zu groß für Norco waren, weil einem dort nichts geschenkt wurde, ich kämpfte, um nicht als Mädchen beschimpft zu werden, um nicht zur Zielscheibe von Geronimos Spott zu werden und damit niemand sich traute zu sagen, dass in Westmount ein Schloss auf mich wartete, damit niemand an mir zweifelte und damit du ihnen manchmal entwischen konntest, damit dein hübsches Kleid im Wind flattern und die Trostlosigkeit von Norco in schillerndem Tüll erstrahlen konnte.“ (S. 87)
Nacheinander erzählen einige der Geschwister ihre Perspektive auf ein ganz bestimmtes Ereignis in der Vergangenheit, das die Familie gleichzeitig entzweite und vereinte. Es geht um den Verlust eines der Geschwister Mädchen, um das sich für den Leser anfänglich ein großes Mysterium spinnt.
Sehr gekonnt wirft uns Jocelyne Saucier in die Köpfe der einzelnen Charaktere, die sich oberflächlich betrachtet sehr ähnlich sind, aber im Grunde genommen völlig unterschiedlich aus dieser teilweise sehr ungesunden Familiensituation entkommen sind.
Auch wenn ich zugegebenermaßen nicht so begeistert war wie bei ihrem Erstlingswerk, vermochte mich die Autorin dennoch wieder zu begeistern. Nicht jede Perspektive unterhielt mich gleichermaßen gut, aber letztendlich hat sich alles zu einem sehr tragisch-schönen Ende gesponnen, das mich stark berührt hat. Und meist ist es ja das Gefühl, mit dem man ein Buch verlässt, das sich einprägt.
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Eine bewegende Geschichte.
Der Roman 'Niemals ohne sie' der kanadischen Autorin Jocelyne Saucier ist im Original bereits im Jahre 2000 erschienen und liegt jetzt in der Übersetzung von Frank Weigand vor. Diese durchaus tragische Geschichte sollte man am allerbesten an einem verregneten …
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Eine bewegende Geschichte.
Der Roman 'Niemals ohne sie' der kanadischen Autorin Jocelyne Saucier ist im Original bereits im Jahre 2000 erschienen und liegt jetzt in der Übersetzung von Frank Weigand vor. Diese durchaus tragische Geschichte sollte man am allerbesten an einem verregneten Sonntagnachmittag und an einem Stück lesen. Was sich langsam ankündigt, das spitz sich schließlich zu bis zur letzten Seite. Es ist die Geschichte einer 23-köpfigen Familie, die ihren Lebensunterhalt in einem nordkanadischen Ort vom Erzbergbau bestreitet. In dieser Familie - für die der Zusammenhalt gegen eine nicht wohlgesonnene Umwelt alles ist - gibt es ein Geheimnis, den Tod einer Zwillingsschwester, über den allerdings nicht geprochen werden darf. Aus den unterschiedlichen Perspektiven einzlner Geschwister hat der Leser Teil an der Geschichte der Familie und kann sich wie in einem Puzzle nach und nach ein Bild über deren Tragik machen, bis sich dann am Ende alles zu einem Gesamtbild fügt. Schöne Dialoge / Gedanken:
"Wenn man nicht ständig nach Geld und Macht streben muss, kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren. Damit hat man wirklich genug zu tun, das füllt ein Leben aus." "Die Wahrheit ist aber nicht dort, wo man sie vermutet.
Leseempfehlung!!!
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Die Wahrnehmung der eigenen Familie aus dem sehr persönlichen Blickwinkel ist immer ein einzigartiger. Hat man nun viele Geschwister und wächst man in ärmlichen Verhältnissen auf, schweißt das sicherlich zusammen. In diesem Fall handelt es sich um die enorme Zahl von 21 …
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Die Wahrnehmung der eigenen Familie aus dem sehr persönlichen Blickwinkel ist immer ein einzigartiger. Hat man nun viele Geschwister und wächst man in ärmlichen Verhältnissen auf, schweißt das sicherlich zusammen. In diesem Fall handelt es sich um die enorme Zahl von 21 Kindern in einer Familie, die Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre in einem verlassenen Mienen-Ort in Kanada aufwuchsen. Arme Verhältnisse. Eine verlorene Mutter, die nur noch kocht und eigentlich nur noch physisch anwesend ist. Ein Vater, der obsessiv auf der Suche nach Zink ist und Dynamit sein Heiligtum. Dieses bizarre Bild der Kindheit zeichnen die Geschwister uns selbst. In jedem Kapitel kommt ein anderes Kind der Familie zu Wort und erzählt aus der vergangenen Kindheit, die 30 Jahre zurück liegt und wie ein Mosaik eine Art Wahrheit freilegt und bittere Ereignisse. Es fesselt ganz leise. Ein düsteres Geheimnis umgibt die Geschwister. Ein Ereignis das vom Kollektiv verdrängt wird, führt geradezu zu einer verklärten Wirklichkeit.
Die Autorin, Jocelyne Saucier, die sehr toll von Sonja Finck und Frank Weigand übersetzt wurde, schafft es unterschiedlichen Nuancen grandios auszuarbeiten. Die subtilen Wahrnehmungen der einzelnen Geschwister, getrieben durch die eigene Rolle in der Familie oder auch schlicht durch manchen enormen Altersunterschied. Ein dunkler ruhiger Roman, der imposante Kraft hat.
Diese franko-kanadische Geschichte, die bereits 2000 auf Französisch erschien (‚Les héritiers de la mine‘), ist nun bei uns unter dem Titel “Niemals ohne sie” publiziert worden. Da die erzählte Geschichte weit in der Vergangenheit spielt, macht dieser Publizierungsunterschied von 18 Jahren nichts aus.
Fazit: Literarisch wertvoll - spannend zu lesen und eine interessante fiktive Sozialstudie.
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Zerreißprobe
Der neue Roman der Franko-Kanadierin Jocelyne Saucier „Niemals ohne sie“ ist einfach wunderbar, und ich war, was mir selten passiert, ein bisschen traurig, als ich das Buch zuklappte. Es ist die ungewöhnliche Geschichte einer Großfamilie mit 21 Kindern, …
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Zerreißprobe
Der neue Roman der Franko-Kanadierin Jocelyne Saucier „Niemals ohne sie“ ist einfach wunderbar, und ich war, was mir selten passiert, ein bisschen traurig, als ich das Buch zuklappte. Es ist die ungewöhnliche Geschichte einer Großfamilie mit 21 Kindern, vielstimmig von den Kindern mäandernd erzählt, voller Wildheit, Leid, Geheimnisse und Zusammenhalt. Es ist kein Wohlfühlbuch, obwohl es viele Momente der Geborgenheit und Fürsorge gibt, treibt ein unglaubliches Geheimnis die 21 Geschwister in alle Welt auseinander, Schweigen und Ausweichen macht sich breit wo vorher Lärm und Lebenslust gewesen ist.
Die Cardinals nennen sich die Kings von Norco, einer Bergbaustadt im französischen Teil Kanadas. Die Geschwister, wild und nicht besonders zimperlich, keine Sympathieträger, wachsen ziemlich sich selbst überlassen freiheitsliebend und regellos in der verarmten Stadt auf. Der Vater versorgt die Familie als Erzsucher, und hatte einst der Stadt durch einen unglaublichen Zinkfund zu Reichtum und Wohlstand verholfen. Die Schürfrechte der Mine wurden an ein globales Bergbauunternehmen verkauft, das die Mine inzwischen stillgelegt hat. Die Bevölkerung verlässt den Ort inmitten der kanadischen Einöde oder verarmt hier so wie die Cardinals. Die ruppige Kindheit, erzählt am Beginn des Romans von Matz, dem Nachzügler, ist geprägt von Tyrannei gegen andere Kinder, Hauskatzen, schlimmen und weniger schlimmen Streichen gegen die Nachbarn. Doch als Jüngster bekommt Matz nichts mit von dem großen Familiengeheimnis einer dramatischen Entscheidung, die zur Rettung der Familie von den älteren Geschwistern ausgeheckt fürchterlich schief geht und die Geschwister zersplittert.
Die Spannung im Roman besteht unter anderem darin, dass man nach dem einführenden Erzählung von Matz ständig ein Damoklesschwert über den Erzählungen aus der Sicht der ändern Geschwister spürt, das diese zunächst zu verbergen suchen. Details werden gekonnt allmählich aus verschiedenem Blickwinkel gelüftet, und obwohl oftmals abschweifend ist es eine sehr gut verfolgbare Geschichte, die hier erzählt wird.
Überraschend und absolut grandios, wie sich aus immer größer werdenden Bruchstücken am Ende ein Bild ergibt, wenn das letzte Puzzleteil an seinen Platz gefallen ist.
Das Buch besitzt nicht nur durch die Geschichte selbst Dynamik, sondern auch als Studie zwischenmenschlicher Beziehungen und als Milieustudie verarmter Bergbaugebiete. Das Setting einer in Bedeutungslosigkeit versinkenden Stadt, die einst wegen des größten Zinkfundes in Nordamerika aus dem Boden gestampft wurde, im Zusammenhang mit sich selbst überlassenen Kindern, deren Hass auf die Nachbarn, die Suche nach Anerkennung durch den vielbeschäftigte Vater und das Verlangen nach der Liebe der vollkommen ausgelaugten Mutter sind sehr vielschichtig und absolut nachvollziehbar beschrieben. Man ist erstaunt, wie groß der Zusammenhalt der Geschwister in der Kindheit untereinander ist, trotz aller Konkurrenzkämpfe und Machtspiele, die nicht immer harmlos sind. Man mag sie alle, darum geht es in dem Roman aber auch nicht, genauso kann ich über kleine Ungereimtheiten sehr wohlwollend hinweg sehen.
Es ist einfach ein grandioses Leseerlebnis für mich gewesen. Mit hintersinnigem Witz, warmherzig und spannend erzählt Jocelyne Saucier diese wirklich mitreißende Familiengeschichte.
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bemerkenswerter Roman um eine große Familie
Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch bemerkenswert.
21 Kinder. …
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bemerkenswerter Roman um eine große Familie
Jocelyne Saucier ist eine kanadische Schriftstellerische französischer Sprache, bekannt für ihren Erfolgsroman Ein Leben mehr. Ihr neuer Roman Niemals ohne sie (Orig. Les héritiers de la mine) ist auch bemerkenswert.
21 Kinder. Eine so große Familie. Da kennt der jüngste seine ältesten Geschwister kaum, weil die schon Erwachsene und ausgezogen sind. Und es ist immer Leben im Haus der Familie.
Es wird zurück erinnernd von 1995 aus erzählt und beim Hörbuch gibt es wechselnde Sprecher für die unterschiedlichen Icherzähler.
Der Erzählton wechselt daher ebenfalls im Verlaufe der Handlung, von forsch und jugendlich zu nachdenklich, von humorvoll zu ernst, von männlich zu weiblich.
Gut gefällt mir auch, dass die Erzähler nur ihren Erfahrungsschatz einbringen. Der junge Mats z.B. weiß nicht alles. Das es auch Verluste in der Familie gab, darüber wird nur angedeutet. Es gefällt mir auch, wenn ein Text nicht gleich alle Rätsel verrät und stattdessen auch mal seine Geheimnisse eine Weile bewahrt.
Dann ist auch gut gemacht, wie durch die verschiedenen Perspektive Unterschiede in Innen- und Außensicht deutlich werden. Auch die Hoffnungen der einzelnen Familienmitglieder, aber auch ihre durch die Lebensumstände begrenzten Möglichkeiten werden erfahrbar. Sie entwickeln sich zum Teil sehr unterschiedlich.
Das auflösende Ende des Romans kann man dann als gelungen bezeichnen.
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Eine sehr große Familie und das Leben mit dem Unglück
Die Cardinals sind eine große Familie. 21 Kinder und ihre Eltern beherbergt das große einfache Haus am Rande der Minenstadt Norco, zu Beginn der 1950er Jahre. Herangewachsen ist Norco rund um ein großen …
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Eine sehr große Familie und das Leben mit dem Unglück
Die Cardinals sind eine große Familie. 21 Kinder und ihre Eltern beherbergt das große einfache Haus am Rande der Minenstadt Norco, zu Beginn der 1950er Jahre. Herangewachsen ist Norco rund um ein großen Zinkvorkommen, das der Vater der Cardinalfamilie, ein leidenschaftlicher und akribischer Erzsucher, entdeckt hat. Endlich etwas Wohlstand war nun greifbar nah, aber die Bergbaugesellschaft hat ihren Vater betrogen, ihn um seinen gerechten Anteil an dem florierenden Unternehmen gebracht. Und so leben die Cardinals weiter, einfach, rau und positiv chaotisch in ihrer Familienwelt, in der sich jeder seinen Platz erobern muss. Der Umgang ist robust und man schenkt sich gegenseitig nichts, aber als Familie hält man zusammen und der Hass auf die Anzugträger aus der Stadt, die den Vater über den Tisch gezogen haben, schwingt unterschwellig immer mit. Nach fast 30 Jahren, die Kinder sind inzwischen über die ganze Welt verstreut, soll es erstmals wieder zu einem Treffen aller kommen, bei einem Erzsucher-Kongress, bei dem ihr Vater für seine Verdienste geehrt werden soll. Und tatsächlich zwingen sich alle, anzureisen, trotz der schweren Last, die ihr aller Leben so sehr niederdrückt. Denn irgendwann in den Zeiten ihres Kindseins zuhause in Norco ist etwas passiert, das weggeschwiegen wird, ein Ereignis, das alles verändert hat, nicht so sehr vom äußeren Anschein her, dafür wurde gesorgt, sondern ganz tief in ihren Seelen.
Wie die Autorin Jocelyne Saucier sich diesem Ereignis in ihrer Geschichte langsam nähert, das ist echtes Können, mit Worten umzugehen. Am Anfang braucht es etwas Zeit, bis man versteht, was hier vor unseren Augen vorbereitet wird. Langsam ist die Annäherung, mit der man sich auf das Ereignis zubewegt, von Kind zu Kind wechselt die Perspektive, auch das langsam, so das jedes von ihnen genug Zeit hat, sich zu offenbaren, in seinem Handeln und seinem innersten Empfinden. Und dann wird der Kreis enger, ähnlich einem Strudel, der alle mitnimmt, hinein in den tiefen Abgrund der Tragödie. Und auf diesem Weg, ganz beiläufig, zeigt sich, das alles, was im Handeln der Cardinalkinder so rau und geradezu brutal erschien, ganz anders war und sehr gute Gründe hatte.
Ich war begeistert von diesem Buch. Irgendwann konnte man es nicht mehr aus der Hand legen. Man wird geradezu hineingezogen in diese Geschichte und an dessen Ende wartet die Wahrheit, auf die Familie und auf einen selbst auch.
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Meine Meinung zum Buch:
Wer einmal den Schreibstil und den daraus resultierenden Zauber einer Geschichte Jocelyne Saucier's erleben durfte, wird auch meine erneute Begeisterung über ihren neuen und innovativen Roman "Niemals ohne sie" verstehen können.
Nur selten …
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Meine Meinung zum Buch:
Wer einmal den Schreibstil und den daraus resultierenden Zauber einer Geschichte Jocelyne Saucier's erleben durfte, wird auch meine erneute Begeisterung über ihren neuen und innovativen Roman "Niemals ohne sie" verstehen können.
Nur selten kommt man als Leser in den Genuss einer Autorin oder eines Autors, die es verstehe auf wenigen Seiten so viel Inhalt und Geschichte zu erzählen, wie es die kanadische Schriftstellerin vermag!
Mit ihrem wortgewaltigen und dennoch so feinfühligen und zarten Schreibstil, entsteht eine Geschichte, die den Leser im tiefsten Innern bewegt und mit wunderschönen poetischen und zum Nachdenken anregenden Sätzen umspielt und verzaubert.
Die kraftvolle Poesie liegt in der Ruhe, die Saucier versteht zu vermitteln, ohne dabei die Kraft ihrer Worte und Aussagekraft zu verlieren.
Auch wenn die ständig wechselnde und wenig stringent erscheinende Erzählweise durchaus anspruchsvoll gewählt ist, bleiben alle Charaktere individuell, jedes Kind scheint ein eigenes Leid mit sich zu tragen und jedes erzählt uns als Leser seine Geschichte auf eine Art und Weise, die mir nicht nur einmal Gänsehaut bereiten konnte.
Es gibt so viele Sätze, Momente und Szenen, die die Schreibqualität der Autorin so famos unter Beweis stellen, dass man verblüfft und voller Emotionen, jedes Wort ein, zwei, ja sogar dreimal lesen muss, um die verborgene Tiefe greifen zu können und danach möchte man keinen der Sätze jemals aus dem Gedächtnis verlieren.
Fazit:
Eine Geschichte, wie ein melodisch komponierte Musikstück, mit allen Facetten, die ein literarischer Roman, von herausragender Erzählkunst benötigt.
Ein Buch über Schmerz, das Leid des Lebens und dennoch ist dieses Buch nie hoffnungslos, sondern stets emotional und von einer kraftvollen Authentizität geprägt.
Als Leser kann man sich hier nur noch verbeugen und der großartigen Erzählkunst Jocelyne Saucier's lauschen!
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