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"Eine Liebe, in Gedanken" erzählt von Liebe und Lebenslügen, von den Hoffnungen und Träumen der im Krieg geborenen Generation, vom Gefühl des Aufbruchs und Umbruchs der Sechziger Jahre. Kristine Bilkau hält uns einen Spiegel vor: Wie viel Intensität, Risiko und Schmerz lassen wir zu, wenn es um unsere Gefühle und Beziehungen geht?
Hamburg, 1964. Antonia und Edgar scheinen wie füreinander gemacht. Sie teilen den Traum von einer Zukunft fern von ihrer Herkunft. Im Krieg geboren und mit Härte und Verdrängung aufgewachsen, wollen die Welt kennenlernen, anders leben und lieben als ihre Eltern.
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Produktbeschreibung
"Eine Liebe, in Gedanken" erzählt von Liebe und Lebenslügen, von den Hoffnungen und Träumen der im Krieg geborenen Generation, vom Gefühl des Aufbruchs und Umbruchs der Sechziger Jahre. Kristine Bilkau hält uns einen Spiegel vor: Wie viel Intensität, Risiko und Schmerz lassen wir zu, wenn es um unsere Gefühle und Beziehungen geht?

Hamburg, 1964. Antonia und Edgar scheinen wie füreinander gemacht. Sie teilen den Traum von einer Zukunft fern von ihrer Herkunft. Im Krieg geboren und mit Härte und Verdrängung aufgewachsen, wollen die Welt kennenlernen, anders leben und lieben als ihre Eltern. Edgar ergreift die Chance, für eine Außenhandelsfirma ein Büro in Hongkong aufzubauen. Toni soll folgen, sobald er Fuß gefasst hat. Nach einem Jahr der Vertröstungen löst Toni die Verlobung. Sie will nicht mehr warten und hoffen, sondern endlich weiterleben.

Tonis und Edgars Leben entwickeln sich auseinander, doch der Trennungsschmerz zieht sich wie ein roter Faden durch beide Biographien. Toni lebt in dem Konflikt zwischen ihren Idealen von Freiheit und Unabhängigkeit und dem Wunsch, sich zu binden, um Edgar zu vergessen. Fünfzig Jahre später, nach dem Tod ihrer Mutter fragt sich Tonis Tochter: War ihre Mutter gescheitert oder lebte sie, wie sie es sich gewünscht hat: selbstbestimmt und frei? Wer war dieser Mann, den sie nie vergessen konnte? Die Tochter will ihm begegnen, ein einziges Mal.
Autorenporträt
Kristine Bilkau, 1974 geboren, zählt zu den wichtigen Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur. Sie studierte Geschichte und Amerikanistik in Hamburg und New Orleans. Bereits ihr Romandebüt 'Die Glücklichen' fand ein begeistertes Medienecho, wurde mit dem Franz-Tumler-Preis, dem Klaus-Michael-Kühne-Preis und dem Hamburger Förderpreis für Literatur ausgezeichnet und in mehrere Sprachen übersetzt. Mit ihrem Rman 'Nebenan' stand sie 2022 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Kristine Bilkau lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.06.2018

Aus Hongkong führt
kein Weg zurück
Kristine Bilkaus raffinierter Roman über eine Liebe, die
ein ganzes Leben trägt, obwohl sie sich nie erfüllt hat
VON MARTIN EBEL
Und wenn ich dich lieb habe, was geht’s dich an?“ Mit diesem Satz, einem der berühmtesten der deutschen Literatur, antwortet Philine auf Wilhelm Meisters Verlangen, ihn in Ruhe zu lassen. Liebe, die ihre Erfüllung in sich selbst findet, die gewissermaßen nur im Pfeil lebt, ohne ihr Ziel je zu erreichen: Das ist ein revolutionäres Konzept. Meist allerdings ein unfreiwillig ertragenes, weil der oder die Geliebte sich den Gefühlen und Forderungen des Liebenden schlicht verweigert. Im Normalfall begreift man das irgendwann, geht selbst auf Distanz zum unerwiderten Gefühl und wendet sich aussichtsreicheren Objekten zu.
Das versucht auch Antonia, die Heldin von Kristine Bilkaus zweitem Roman
„Eine Liebe, in Gedanken“. Das Komma im Titel ist so traumwandlerisch sicher gesetzt – als Zäsur, die beide Satzteile im Gleichgewicht hält – wie alles in diesem Buch. Es bestätigt die hohen Erwartungen, die der Erstling der Hamburger Autorin geweckt hatte: „Die Glücklichen“ (2015) schilderte ein Mittelklassepaar auf dem abschüssigen Weg ins Prekariat und zeigte, was beim Verlust des gewohnten Lebensstandards und auch noch ins Rutschen gerät.
„Geld ist ein Kulturgut“, sagt jetzt auch Edgar, der Mann, den Antonia liebt, und er meint damit: Ohne Geld ist alles nichts. Und er hat kein Geld, jedenfalls nicht genug, um eine Frau und eine Familie zu ernähren – wir befinden uns in den 1960er-Jahren. Edgar lässt sich von seiner Firma nach Hongkong schicken, um sich eine Existenz aufzubauen, und verspricht Antonia, sie bald nachzuholen. Die kündigt ihre Stelle, löst ihren Hausstand auf, zieht zu Bekannten und wartet. Und wartet. Von Edgar kommen Briefe, bündelweise, durchnummerierte Briefe, aber nicht der ersehnte Flugschein. Und so endet diese Liebe – jedenfalls nach bürgerlichen Maßstäben. Antonia kündigt die Verlobung, ignoriert das zeittypische Etikett „gescheiterte Frau“, nimmt eine neue Arbeit auf, heiratet zwei-, beinahe dreimal, verlässt ihre Männer wieder und zieht ihre Tochter allein auf. Diese Tochter ist die Ich-Erzählerin des Romans.
Sie entsorgt nach dem Tod der Mutter deren Hinterlassenschaft und denkt sich dabei immer mehr in deren Leben, deren Liebe hinein. Den faszinierenden Prozess geglückter Literatur, die Leser in eine vorgestellte Welt hineinzuziehen, so wirklich wie unser Alltag, nur viel farbiger und intensiver: diesen Prozess inszeniert Kristine Bilkau mit ihrer Erzählerin. Die betrachtet das Fenster einer Dachwohnung, in der die Mutter einst die ersten Schritte in die Selbständigkeit gemacht hatte, und plötzlich ist sie drin, in deren Leben und Erleben, Jahrzehnte vorher, aber in einem Präsens, das unmittelbar packt und festhält, während die Existenz der Tochter im nüchternen Imperfekt verbleibt.
Um die zögernde, ja zaghafte Annäherung Edgars und Antonias zu begreifen, muss man den Vorhang 1968 beiseiteziehen. Die Liebesgeschichte spielt kurz davor: Es gibt eine Zimmerwirtin, der man den „Männerbesuch“ verheimlichen muss – notwendig, umständlich, aber auch kichernd und verschwörerisch. Es gibt eine demütigende Szene beim Frauenarzt, der der 23-Jährigen die Pille verweigert; es gibt unendlich mühsame, sprachlose, vom Amt bald getrennte Ferngespräche. Und natürlich gibt es Rollen, denen man nicht gerecht wird (Edgar) oder aus denen man ausbrechen will (Antonia will nicht „ausgehalten“ werden müssen). Dazu Prägungen, denen man noch weniger entkommt. Antonias eigene Mutter war von ihrem Mann verlassen worden und strahlt Misstrauen, Kleingeistigkeit und Lebensunlust aus. Antonia selbst setzt nach der großen Enttäuschung die Selbstbestimmung an die oberste Stelle und beschert dadurch ihrer Tochter, der Erzählerin, eine höchst instabile Kindheit – der gerade neu „gelernte“ Stiefvater wird alsbald wieder verstoßen.
Dadurch geprägt, baut die Erzählerin ihr eigenes Leben auf den Fels „Stabilität“ auf und provoziert wiederum bei ihrer eigenen Tochter Hanna einen unbändigen Unabhängigkeitsdrang. Die Uni, auf die Hanna gehen will, muss mindestens 500 Kilometer vom Elternhaus entfernt liegen. Zu dieser Dialektik der Generationenfolge gehört ein wachsendes Bewusstsein der Erzählerin dafür, was ihr in ihrem Lebensmodell fehlt – und was die Mutter im Übermaß gewählt und erlitten hat: Intensität, in Gestalt der Sehnsucht.
Ein gemeinsames Leben in Hongkong, das schwebte Antonia als Ziel vor, und dafür ist Edgar der falsche Partner. Er ist lebensängstlich und verantwortungsscheu, steif und ein bisschen fade. Antonia hat alles auf eine Karte gesetzt, aber diese Karte sticht nicht.
Als Leser erkennt man an klug eingestreuten Indizien viel schneller als die Heldin, eine wie taube Nuss dieser Edgar letztlich ist. Wenn Antonia aber einen „Unwürdigen“ geliebt hat, dann ist diese Liebe selbst noch lange nicht unwürdig. Sie bezieht ihre Würde aus sich selbst. Antonia lässt sie sich bis zum Schluss von niemandem abwerten, „ihre angeblich so unheilbare, zwecklose, vergebliche und verschwendete Liebe“. Das große Gefühl, das ihre Jugend erfüllt hat, will sie aufbewahren, bis zum Tod. Und so gewinnt die Mutter, nach konventioneller Lesart eine Verliererin, in den Augen der Tochter (und der Leser) immer mehr an Format. Fast macht sie die Tochter posthum ein bisschen klein, aber das ist auch nur ein subtiler Trick einer Autorin, deren feine Beobachtungsgabe nur noch von der Gabe übertroffen wird, diese Beobachtungen in genau dosierte Formulierungen zu überführen. Wie sich die Erzählerin schmerzlich klarmacht, dass die Tochter Hanna ihr nie geben kann, was sie an Zuwendung braucht; wie sie sich eine Masturbationsszene der Mutter vorstellt – und delicatissime schildert, das sind literarische Wagnisse, die krachend scheitern könnten, hier aber glänzend gelingen.
In einem besonderen Kunstgriff lässt Kristine Bilkau ihre beiden Frauenfiguren schließlich über ein Kunstwerk begreifen, wofür ihnen die Worte fehlen. Die Mutter fand in einem Roman von Marcelle Sauvageot den passenden Ausdruck für ihren Verlust, der Tochter hilft eine Ausstellung der finnischen Malerin Helene Schjerfbeck, die ihr eigenes Verschwinden ins Bild setzte, die Einsamkeit und triumphale Autonomie der alternden Mutter zu verstehen. „Wurde ich geliebt? Wurde ich nicht genug geliebt?“ Von dieser „drängendsten aller Fragen“, auf die Antonia im Leben keine Antwort bekommen konnte, hat sie sich „am Ende allein, ganz allein befreit“.
In Kunstwerken finden Tochter
und Mutter ihr Leben ausgedrückt
Kristine Bilkau: Eine Liebe, in Gedanken. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2018.
254 Seiten, 20 Euro.
Im Blick auf die Figuren der finnischen Malerin Helene Schjerfbeck (hier: „Meine Mutter“, 1909) beginnt die Erzählerin in Kristine Bilkaus Roman die Einsamkeit ihrer Mutter zu verstehen.
Foto: Mauritius images
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als schwermütige Sehnsuchtsgeschichte gefällt Carsten Otte dieser Roman der Hamburger Autorin Kristine Bilkau sehr gut. Eine Ich-Erzählerin kontrastiert darin ihre eigene Vorstellungen von Beständigkeit mit der unerfüllten Freiheitssehnsucht der Mutter, die sich nach einer unglücklichen Liebe von einer Ehe zur nächsten hangelt. Überzeugend findet der Rezensent die Tochter-Perspektive, weil Bilkau so sehr feinfühlig und geschickt eine eigentlich "unfassbar pathetische Geschichte" erzählen könne. "Stimmig und berührend" sind für Otte auch das anfängliche sechzigerJahre-Setting und die Figuren, die melancholische Mutter und die empathisch-dezente Tochter.

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»Es liegt eine Magie über diesem Roman, jene Magie, die von großartigen Bildern ausgeht, die einen nicht loslassen.« Tanja Jeschke / Stuttgarter Zeitung