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kaffeeelse

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Insgesamt 564 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2024
Unschärfen der Liebe
Overath, Angelika

Unschärfen der Liebe


sehr gut

Ménage à trois
Beziehungsarbeit während einer Zugfahrt, Nachdenken über die Beziehungsmuster, über Ängste, Ängste vor dem eigenen Tun, Ängste vor dem Tun des Partners.

Und während dieser Gedanken tuckert der Protagonist Baran von Chur nach Istanbul zu seinem Mann Cla. Während dieser Fahrt ermöglicht Angelika Overath immer wieder kurze Blicke in die bereisten Länder, so dass dieses Buch auch ein Reiseroman wird.

Nun ist dieses Buch aber nicht nur ein Blick in eine Beziehung, sondern eigentlich ist dieses Buch auch eine kleine Ménage à trois, denn Baran kommt aus Chur und hat dort Clas ehemalige Freundin, die Bündnerin Alva und Clas Tochter Florinda besucht. Und natürlich hat er nicht nur einen Besuch abgestattet, denn irgendwie ist zwischen Alva und Baran etwas passiert, was Baran natürlich zusetzt.

Und so blickt Baran nicht nur auf das bereiste Land, sondern auch auf die Mitreisenden und lenkt sich mit Spekulationen über diese Menschen, mit Spekulationen zu ihren Lebenssituationen etwas vor der eigenen, im Dreieck springenden, Gedankenwelt ab.

Über diese Blicke auf verschiedene Menschen philosophiert Angelika Overath etwas über die Unschärfen der Liebe, ein interessantes Buch, auch ein gutes Buch, ebenso ein interessanter Schreibstil und auch ein schöner Sprachklang. Alles ganz gut. Ja. Durchaus. Aber was vermittelt mir dieses Buch? Dass Menschen Menschen sind und manchmal unergründlich. Nun gut. Das ist mir nicht unbedingt neu.

Das Buch endet in Istanbul und zeigt ein mögliches Ende.

Was schön ist.

Aber was passiert dann? Alva ist Florindas Mutter, der Kontakt zu Cla wird also bestehen, wie wird dann Baran damit umgehen. ?!?! Mein Kopfschütteln seht ihr ja gerade nicht.

Aber auch dies bleibt offen, Menschen sind ja Menschen, ich weiß.

Das mögliche Ende lässt aber eigentlich alles offen. Denn obwohl die Geschichte ja durchaus nachvollziehbar ist, gerät das Buch am Ende doch etwas phantastisch und lässt die Leserschaft etwas verwundert zurück, mich zumindest. Trotzdem ein gut gewähltes Ende. Vielleicht sogar etwas hoffnungsvoll und verträumt. Trotz der dramatischen Situation. Die nach dem Geplätscher vorher doch mit einem gewaltigen Knall einhergeht.

Bewertung vom 14.07.2024
Chrysalis
Metcalfe, Anna

Chrysalis


sehr gut

Veränderung
„Chrysalis“ ist ein richtig interessantes Buch. Denn es könnte zu einem Nachdenken anregen, wenn man denn will. Eine Frau sucht nach einer traumatischen Erfahrung nach einer Veränderung. Sie geht einen neuen Weg. Sie will stärker werden, will unabhängiger werden, sie will sich stärken und schützen. Dies macht sie recht rigoros. Und schürt damit nicht unbedingt nur empathische Gefühle in der Leserschaft. Doch warum ist das so? Würden wir genauso reagieren, wenn der Hauptcharakter ein Mann wäre? Denn so etwas direkt zu Verurteilendes macht der Hauptcharakter in „Chrysalis“ nicht. Sie geht nicht allzu nett mit ihrer Umwelt um. Auch mit ihrer Mutter nicht. Was für mich das Schlimmste war.

Durch die Aktion des weiblichen Hauptcharakters wird indirekt/direkt ein Blick auf weibliche Rollenmodelle geworfen und die Leserschaft reagiert darauf. Doch warum ist das so? Wäre der Hauptcharakter in diesem Buch ein Mann, würde die Leserschaft garantiert anders reagieren. Dort wäre so eine Aktion legitimer.

Doch hier ist es eine Frau und sofort urteilen wir anders. Ich würde mich durchaus eine feministisch geprägte Frau nennen, aber auch bei mir stößt dieses Handeln der Frau in Chrysalis an gewisse Grenzen. Nicht völlig und stringent. Denn ich kann diesen Wunsch der Frau verstehen, ich agiere im Leben ähnlich. Ich brauche meine Freiräume und ich verteidige sie auch, ich genieße und brauche meine Autarkie, ich kann mir etwas anderes nicht mehr vorstellen. Kompromisse einzugehen ist notwendig und auch schön, aber in gewissen Momenten gibt es keine Kompromisse mehr, da geht es nur noch nach meinem Gusto und das ist gut so.

Aber das Handeln des Hauptcharakters mit der eigenen Mutter wirft in mir Fragen und auch Abscheu auf. Ich bin garantiert nicht heilig und mache Fehler, auch im Umgang mit meiner Mutter, betrachte mein Tun dann kritisch und versuche mich zu entschuldigen, was mir nicht leichtfällt. Vor allem aber, ich versuche mich zu verändern, versuche mich zu bessern. Denn Mama ist nun mal Mama!

Von daher falle auch ich in diese Erwartungen an weibliches Handeln und reagiere dementsprechend. Doch dieses Buch versucht genau diese altbekannten Betrachtungen weiblichen Tuns zu hinterfragen. Nachdenklich zu machen. Die Möglichkeit zur Chrysalis, ein Insekt im Zustand der Verpuppung, ein Übergang zu etwas Anderem, näher zu betrachten. Denn Verletzungen haben wir doch alle, was also tun zur Verbesserung der eigenen Situation. Ähnlich reagieren. Sich vollkommen rausnehmen. Kann nicht jeder, können die wenigsten. Was auch gut so ist. Denn wenn dies alle tun, gerät unsere Gesellschaft ins Wanken. Was in dem Buch in der Menge der Nachahmer kurz betrachtet wird und auch in einer gewissen Angst vor dem Tun dieser Menschen. Aber man muss dies ja auch nicht so vollkommen durchziehen, ein Überdenken des eigenen Tuns reicht hier völlig und eine Bereitschaft zur Veränderung in den eigens für sich gesetzten Rahmen. So dass es guttut und man gestärkt aus dieser Aktion rausgeht.

Was auch etwas Gutes hätte, am Ende würde die Erde sich freuen! Sie wäre ihren größten Aggressor endlich los!

Denn die Frage, die in diesem Buch zu kurz kommt, ist folgende, warum ist man denn gezwungen sich rauszunehmen und kann man nicht an den triggernden Faktoren etwas verändern, kann nicht unsere patriarchale Welt endlich verschwinden und die ewige Ungleichheit gleich mit?!?!

„Chrysalis“ von Anna Metcalfe ist ein sehr gutes Buch, dem nur die kühl verfasste Art, den letzten Stern nimmt. Denn dieses Kühle dringt nicht so sehr zu mir durch. Die Thematik ist aber wunderbar gewählt. Das Buch hat Spannung und ich kann es allen nur wärmstens ans Herz legen. Auch wenn ich denke, dass dieses Buch polarisiert. Lest es selbst und schaut was Anna Metcalfe hier mit euch macht.

Bewertung vom 14.07.2024
Die Schönheit der Rosalind Bone
McCarthy, Alex

Die Schönheit der Rosalind Bone


ausgezeichnet

Wahrheiten?!?!

Dieses Buch hier kam genau zur richtigen Zeit zu mir. Ich habe dringend eine richtig gute Geschichte gebraucht. Und zack, da tauchte „Die Schönheit der Rosalind Bone“ auf meinem Reader auf und ich dachte, klingt gut. Tja und dieses Buch klingt nicht nur vom Plot her gut, nein, dieses Buch ist im Gesamtpaket einfach der Hammer. Nun ist dieses Buch nicht vollkommen so der Burner durch seinen Überraschungseffekt, nein, einiges vom Tun ist der Leserschaft schon früh klar, anderes wieder kommt so nach und nach zum Vorschein. So dass immer ein Spannungsfeld da ist. Dieses Buch ist der Hammer, weil es so menschelt.

Alex McCarthy lässt die Leserschaft auf eine Reise nach Wales gehen, in das verschlafene Nest Cwmddu / Cwmcysgod. Herrlich diese walisisch/keltischen Namen. Das sind garantiert wunderschön klingende Sprachen, dazu fand ich die Ausspracheerklärungen im Buch übrigens sehr gut, sehr erhellend und absolut interessant. Wahrscheinlich aber auch schwer zu lernende Sprachen.

Nun gut, zurück zum Buch, zur Handlung. Alex McCarthy blickt in ihrem Buch in die enge und erdrückende Welt eines Dorfes. Sie blickt auf die Beurteilungen der Menschen, auf das Denken, was diese Menschen übereinander haben. Sie blickt auf die Größe und die zerstörerische Kraft, die in so einer Beurteilung/Verurteilung liegt. Sie blickt auf die Folgen. Und sie blickt auf dieses Heiliggetue. Man selbst ist unschuldig und gut, während die Anderen oder manche Anderen direkt der Hölle entsprungen sind. Dabei gibt es dieses strikte Schwarz-Weiß-Denken ja nicht und jeder Mensch hat beide Anteile in sich. Was dieses Buch ebenso zeigt. Gerade in diesen Bewertungen und Verurteilungen zeigt man ja das eigene negative Denken. Aber nicht in der Welt der Oberheiligen. Klarer Fall. Ebenso zeigt dieses Buch, dass es selbst in einer Welt, wo vermeintlich jeder jeden in- und auswendig kennt, viele unkenntliche Stellen in den Seelen der Anderen gibt. Was gleichzeitig dieses Denken über diese enge Welt in Frage stellt, denn manches will der Mensch sehen und manches eben nicht. Denn dieses Böse macht ja nicht der nette Nachbar, dieses Böse zelebrieren die Anderen, die Unbekannten, die Fremden, die Ungeliebten, die Unverstandenen. Und wenn man dann meint, dass es dieses Gefüge nur in diesen engen Dörfern gibt, nun denn, Augen auf ihr Lieben. Dieses Denken ist ungemein menschlich und dieses Denken gibt es auch in der größten Stadt. Jeder Kriminalkommissar wird dies bestätigen. Denn diese enge Welt gibt es in jeder menschlichen Gruppierung, ob dies nun die Freundesgruppen oder die Nachbarschaft oder das Kollegium ist.

Alex McCarthy lässt in „Die Schönheit der Rosalind Bone“ auf diese menschlichen Empfindungen, auf diese menschlichen Eigenschaften blicken und begeistert mich damit ungemein. Und damit ist dem Goya-Verlag ein erneuter großer Wurf gelungen, das Augenmerk der Leserschaft sollte meiner Meinung nach mal mehr auf diesen kleinen Verlag gerichtet sein. Ich habe in letzter Zeit so einiges von Goya gelesen, was mich begeistert hat, wenn ich da an „Der große Nordwesten“, Das Summen“ oder „Nach einem Traum“ denke. Auch „Die Schönheit der Rosalind Bone“ reiht sich hier hervorragend mit ein und ich kann alle diese Bücher nur wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 14.07.2024
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


sehr gut

Rückschau in einer destruktiven Zeit
„Memoria“ ist mein erstes Buch von Zoë Beck, wird aber sicher nicht mein letztes Buch sein, denn diese Verbindung von Thriller und Dystopie hat mir sehr gut gefallen. Es hat mich nur noch nicht vollkommen angezündet, wie ich es immer nenne, dieses Gefühl bei einem sehr guten Buch, wenn dich diese Geschichte nicht mehr loslässt, wenn du nicht aufhören kannst zu lesen, egal, ob du früh raus musst oder was auch immer noch zu tun ist. Das hat „Memoria“ nicht geschafft, aber ich war wirklich kurz davor. Denn „Memoria“ hat ein sehr hohes Spannungslevel, nur die Hauptfigur Harriet erreicht mich nicht vollkommen, sie bringt mich nicht zum Zünden, was aber kein Manko ist. Denn dieses Brennen in mir ist letztlich nur noch eine gewisse Krönung.

Die junge Frau Harriet lebt in einem etwas düster und dystopisch gezeichneten Land, einem Land, welches sich verändert hat. Eine Veränderung, die nachdenklich und auch wütend macht. Denn diese Veränderung ist nachvollziehbar und dieses ewige Wegschauen aus dieser bescheuerten Gier heraus macht wütend, besonders wenn diese reaktionären Kräfte durch ihre Polemik genau diese Menschen beeinflussen, die später in dieser düsteren Zukunft am meisten betroffen sein werden. Aber hier wird munter nach einem Sündenbock gesucht, dieser wird natürlich auch gefunden und dann wird lustvoll auf diesen vermeintlichen Schuldigen herumgehackt. Kommt mir übrigens sehr bekannt vor, hatten wir alles schon mal, war überhaupt nicht gut. Hat die Deutschen in der Welt nicht gut dastehen lassen. Wie sie auch jetzt wieder nicht gut dastehen. Wieso nur?!

Aber zurück zum Buch, Harriet lebt in eben dieser neuen Welt, schlägt sich mehr oder minder gut durch und überlebt halt. Sie rettet eine Frau vor einem Feuer und diese Aktion bringt Harriets Welt noch mehr durcheinander. Denn es kommen immer mehr Träume und Sequenzen aus einem anderen Leben in ihren Träumen und Tagträumen vor. Dies verunsichert Harriet, ihr wurde erzählt, dass eine Operation an ihrer Hand sie von ihrer Karriere zu einer sehr bekannten Konzertpianistin trennte. Doch war das wirklich so? Die Rettung der Frau wird zu einem Triggerpunkt für Harriet und sie versucht der Vergangenheit nachzuspüren. Eine absolut spannende Geschichte entsteht vor den Augen der Leserschaft, eine Geschichte, der wirklich nur noch ein kleines Quäntchen zum letzten fünften Stern fehlt.

Zoë Beck ist eine Entdeckung für mich, ihr Schreibstil begeistert mich und besonders hat mich diese dystopische Welt fasziniert, passt genau so eine Geschichte doch hervorragend in diese Zeit. Nun muss man nur noch hoffen, dass dieses Buch sehr viele Leser findet und zum Nachdenken anregt.

Krimis und Thriller erreichen vielleicht noch mehr Menschen als diese literarischen Kunstwerke, die ich sonst so konsumiere. Aber Zoë Beck wird man in meinem Tun wiederfinden, gekauft sind die Bücher schon, jetzt brauche ich nur noch die Lesezeit. Und das wird das Schwierige.

Bewertung vom 09.07.2024
Die Reisgöttin
Dörrie, Doris

Die Reisgöttin


sehr gut

Einblicke

Doris Dörrie wirft hier sehr interessante und empathisch-kluge Blicke auf das Leben, Doris Dörrie verzaubert nicht nur mit ihren Filmen, nein, dies gelingt ihr mühelos in ihrem Buch „Die Reisgöttin“. Schön, warm und erhellend blickt die Autorin und Regisseurin hier auf das Leben, auf ihre Reisen. Denn sie hat einen Tic, sie muss immer etwas mitbringen. Ein schöner Tic, denn so umgibt sie sich mit Erinnerungen. Sehr schöne Erinnerungen. So ohne Banalität. Denn Doris Dörrie blickt interessant auf ihre Umgebung, auf das Fremde, lässt damit die Leserschaft ebenso interessant und träumerisch auf das Andere schauen. Lässt dabei ein eigenes Sinnieren zu und ermöglicht dieses Sinnieren ebenso der Leserschaft. Leicht plätschern diese Anekdoten an der Leserschaft vorbei, aber sie sind alles andere als leicht und plätschernd. Sie ermöglichen Einblicke in andere Welten, in anderes Denken und sie ermöglicht auch sehr persönliche Einblicke. Einblicke, die die Autorin sofort sympathisch machen. Erinnern diese Einblicke doch an die eigenen Blicke, Empfindungen, Ecken und Tics. Und ebenso ermöglichen diese Anekdoten Einblicke in andere Welten, in anderes Denken, Anekdoten, die andere Wichtigkeiten zeigen. Es sind Einblicke, die unsere hektische Welt kurz zum Stillstand bringen und vielleicht, so der Leser will und kann, auch gewisse Veränderungen bewirken. Denn das Schöne ist wichtig, es ist nicht die Angst und das Böse, was uns bewegen sollten, sondern das Schöne. Denn diese Reise hier auf Erden ist endlich und Doris Dörrie scheint um die Wichtigkeit des Schönen zu wissen, der in anderen Kulturen doch gefrönt wird. Anmerkung an uns alle.

Mit diesem Buch hier bin ich auf die Tapir-Reihe von Diogenes aufmerksam geworden. Eine Reihe, die sich mit unserer Menschlichkeit befasst, uns zum Nachdenken bringen soll, uns an das Schöne in uns erinnern soll, eine Reihe, die einen großen Nachhall in mir findet. Denn unsere westliche Welt verliert meines Erachtens nach den Anschluss zu unseren Wurzeln und Tapir ermöglicht ein Sinnieren darüber. Eine wunderschöne Idee. Bitte mehr davon.

Bewertung vom 09.07.2024
Reykjavík
Jónasson, Ragnar;Jakobsdóttir, Katrín

Reykjavík


sehr gut

Ungelöste Vergangenheit´

Im Jahr 1956 verschwindet die fünfzehnjährige Lára spurlos. Damals lässt dieses Verschwinden eines Menschen die Polizei von Reykjavík ermitteln. Allerdings ohne Erfolg. Jetzt, 30 Jahre später, erhält der Journalist Valur Hinweise zu Lára und beginnt erneut zu ermitteln, denn so richtig losgelassen hat dieser Fall die Einwohner Reykjavíks nie. Doch Valur begibt sich damit in Gefahr, denn wenn Lára damals ermordet wurde, wird der Täter doch alles tun, um sich zu schützen. Dann ist Valur ein Journalist und kein Polizist und er ist jung und damit geht er vielleicht etwas zu unbedarft an diesen Fall heran.

Damit ist doch eine hervorragende Ausgangssituation erschaffen worden, aus der die beiden Autoren doch etwas zaubern können. Der erfolgreiche Autor Ragnar Jónasson und der isländischen Premierministerin Katrín Jakobsdóttir haben sich für dieses Buch hier zusammengetan, weil sie etwas verbindet, eine gewisse Liebe zur Krimigöttin Agatha Christie. Dies kann ich nur zu gut verstehen. War doch Agatha Christie vor vielen Jahren, neben P. D. James, Raymond Chandler, Dashiell Hammett und Georges Simenon mein inspirierender Einstieg in die Welt der Kriminalliteratur.

Diese Liebe zu Christie führt die beiden Autoren nun zu diesem Buch hier. Ein interessanter Plot ist hier schon einmal gezeichnet, Landschaft und Personal überzeugen auch, doch das Feuer von „Dunkel“ wird nicht erreicht, dem Buch, welches ich von Ragnar Jónasson schon kenne. Dazu plätschert „Reykjavík“ in meinen Augen zu sehr. Das Buch ist nicht direkt langweilig, hat nur manchmal einige Längen, überzeugt mich aber dennoch. 4 Sterne sind ja auch eine Ansage von mir. Aber man darf auch nicht vergessen, ich bin keine Leserin, deren Fokus völlig auf Krimis und Thriller ausgerichtet ist. Ich lese Krimis zwischendurch, wenn ich mal eine Auszeit vom Anspruch/von der Literatur brauche, mich etwas treiben lassen möchte und für diesen Anspruch reicht „Reykjavík“ völlig aus. Denn „Reykjavík“ ist spannend und interessant, dennoch bin ich der Meinung, dass Ragnar Jónasson in „Dunkel“ deutlich besser war. „Reykjavík“ ist ein spannendes Buch um einen zurückliegenden Fall um ein vermisstes Mädchen, an dem polizeifremde Ermittler arbeiten, die Klarheit um das Verschwinden von Lára schaffen möchten. Von daher bekommt der Fall auch noch einige Sympathiepunkte von mir.

Bewertung vom 02.07.2024
Kanadische Wälder
Blunt, Giles

Kanadische Wälder


sehr gut

Die Vergangenheit kommt zurück
Der erste Teil der Krimi-Reihe um die Ermittler John Cardinal und Lise Delorne hatte mir schon sehr gefallen. Wieder ermitteln die beiden sympathischen Ermittler an einem spannenden Fall im fiktiven Algonquin Bay in Ontario. Es werden Leichenteile im Wald gefunden, schnell sind die Bären der Gegend im Verdacht, aber dann erscheint der Geheimdienst auf dem Plan und alles geht in eine völlig andere Richtung. Wieder ist dieses Buch eine erstklassige Unterhaltung, die nach dem intensiven Vorgängerbuch auch dringend nötig war. Aber „Kanadische Wälder“ von Giles Blunt ist nicht nur spannende Unterhaltung, denn dieser Fall hier zieht Kreise in die Vergangenheit. Und diese Schau in die Vergangenheit zeigt Interessantes aus der Geschichte Quebecs auf. Nach einigem Googlen merkt man dann auch, dass man in diesem Buch mit interessanten Wahrheiten konfrontiert wird. Wahrheiten, die an dem Saubermann-Image von Kanada nagen. Ein Saubermann-Image, welches man wahrscheinlich in keinem Land finden wird. Es wird sicher überall dunkle Wahrheiten geben. Schon das Geschehen, welches um die Residential Schools bekannt wurde, erschütterte die kanadische Öffentlichkeit. Aber mal ehrlich, Leute, die mit Indianern in Kanada Kontakt hatten, werden doch schon davon gewusst haben, warum kam dies dann nicht schon eher raus. Weil sich auch die Sichten zu den kanadischen Indigenen geändert haben. Denn das Geschehen in diesen Schulen, die Wegnahme der Kinder, das Herausreißen der Kinder aus ihren familiären Gefügen wird wahrscheinlich für viel Leid in den indigenen Familien gesorgt haben und wenn man dann mal über den Alkoholkonsum unter den Indigenen nachdenkt, bekommt dieses Tun gleich einen ganz anderen Klang.



Nun gut, zurück zum Buch, die Polizisten John Cardinal und Lise Delorne in ihrem Tun wachsen mir ans Herz. Ich finde die Gestaltung der Bücher sehr interessant, denn diese Bücher sind nicht nur ein Krimi, sondern gleichzeitig sind diese Bücher auch eine kanadische Reise. Mir gefallen sie sehr. Auch in ihrem Gewand bei Kampa.



Denn wie schon eine andere Leserin bei meiner vorigen Rezension bemerkte, diese Bücher wurden neu aufgelegt. Die Reihe um John Cardinal kam schon einmal unter anderen Titeln bei einem anderen Verlag heraus. Ich mag die Ausgaben bei Kampa aber sehr und da ich die vorigen Bücher nicht kenne, werde ich weiter bei Kampa bleiben und hab auch gerade gesehen, dass in diesem Jahr Teil 3 folgt. Herrlich!

Bewertung vom 02.07.2024
Unlearn Patriarchy 2
Amojo, Ireti;Borcak, Melina;Boussaoud, Yassamin-Sophia

Unlearn Patriarchy 2


ausgezeichnet

Gelebte Ungerechtigkeiten
Schon der erste Teil dieses Buches hat mir sehr gut gefallen, dass ich von daher das zweite Buch auch sehr gern lesen wollte, dürfte jedem klar sein, der mein Account schon etwas kennt. Feminstische Themen sind mir ein Herzensprojekt, ich finde unser patriarchal tickendes System furchtbar und gerade, wenn ich mir die Themen Gerechtigkeit ansehe und den Umgang mit unseren Ressourcen, wird mir und vielen anderen durchaus klar, dass dieses Höher-Schneller-Weiter an seine Grenzen kommt. Nur wird das denen nicht klar, die munter an uns allen verdienen, sich fein ihr Säckle füllen, nach dem Motto, nach mir die Sintflut. Und dieser Spruch ist nicht vollkommen nur eine verbale Ausdrucksmöglichkeit, wie uns die Natur zeigt, und dennoch werden weiter munter Flusstäler bebaut und nicht dafür gesorgt, dass ökologisches Denken Einzug hält und unser bisheriges Tun überdacht wird. Nein, immer weiter so und uns wird es ja nicht treffen. Denn alles andere ist zu teuer und diejenigen, die warnen. Nun ja, die spinnen halt, sagen sich die Herren und Damen der Reaktionären und ihre Wähler fallen darauf herein. Weil 1 + 1 ist nicht immer 2 ist und der Klimawandel ja gar nicht existiert. Nu. Ich könnte im Strahl kotzen! Und nach dieser EU-Wahl noch viel mehr! Anderes Thema könnte man meinen. Aber ich ziehe durchaus Parallelen. Man braucht sich ja nur ansehen, wie hoch der Frauenanteil in den Parteien ist. Und dieser ist nun mal bei den Grünen und den Linken am höchsten. Wieso nur? Unlearn Politik sage ich da nur! Wieso wählen Mädels eigentlich Parteien, die die Frauenrechte beschränken wollen? Nur mal so ne Frage. Interessehalber. Was ist, wenn gewisse Parteien hier an die Macht kommen und unsere Rechte zum Beispiel, wie in Polen gerade geschehen, komplett aushebeln wollen. Reagiert ihr dann? Wenigstens dann. Oder duckt ihr weiter ab?



Nun gut. Zurück zum Buch. Hier in diesem zweiten Teil der Unlearn Patriarchy schauen verschiedene Autorinnen auf die Themen Körper, Architektur, Erziehung, Sport, Ableismus, Recht, Mental Health, Klasse, Gender Pay Gap, Krieg und Genozid, Kirche, Medizin und Literatur. Wieder wird auf eine Fülle von Ungerechtigkeiten geschaut. Und wieder macht dieses Buch wütend. Das unsägliche Thema Medizin wieder. Ich arbeite seit vielen Jahren im Krankenhaus, irgendwann wurde es privatisiert, was dies für das Personal bedeutete, ist eigentlich für jeden, den das Schicksal in die Medizin führt ersichtlich. Aber nicht, dass hier irgendjemand denkt, dass sich da bei den Richtigen beschwert wird. Immer noch sind die Mitarbeiter das Angriffsziel. Warum soll es uns in der Medizin auch anders gehen als den Mädels in den Läden, in den Friseursalons, in den Bäckereien, in den Fleischereien usw. usf.?!?! Hier fällt mir wieder dieser Klassiker ein, Der Untertan. Und schon wieder ist die Wut da. Die Mädels in Island in den 70ern, die haben es richtig gemacht. Bin neugierig ob die deutschen Mädels das irgendwann auch so tun. Vielleicht erlebe ich es noch. 😊))



Solche Bücher wie „Unlearn Patriarchy 1 + 2“ sind zumindest der richtige Weg. Nun müssen diese Bücher nur noch ganz viele Leser errreichen, wütend machen und zur Aktion bringen!

Bewertung vom 01.07.2024
Schwestern
Korbik, Julia

Schwestern


ausgezeichnet

Blicke auf weibliches Miteinander

Julia Korbik gelingt hier in „Schwestern“ ein interessanter und wachrüttelnder Blick auf feministisches Denken, auf feministische Sichten, auf die Schwesternschaft. Denn propagieren wir Frauen wirklich diese Schwesternschaft? Meines Erachtens viel zu wenig. Wo Männer Allianzen bilden, sind wir eher gegeneinander eingestellt. Wir funktionieren wunderbar in diesem Patriarchat. Anstatt uns zusammenzuschließen und eine Macht zu bilden, reagieren wir weiterhin nach altbekannten Mustern und funktionieren damit prächtig für dieses Patriarchat und merken darüber nicht, dass dieses Patriarchat uns zerstört, uns klein hält. Genauso könnte man sich fragen, warum reagiert das Patriarchat so? Warum agieren reaktionäre Kräfte vermehrt frauenfeindlich, warum möchten sie uns beschränken? Auch das sollte man sich einmal fragen. Hat das nicht auch etwas mit einer Angst zu tun? Denn wenn Frauen sich zusammenschließen und revoltieren knicken die Herren der Schöpfung dann auch schnell ein. Man blicke da nur nach Island und den Streik der Frauen da in den 70ern.



Nun meckert Julia Korbik hier nicht nur rum, wie ich gerade, sorry. Sondern sie zeigt in ihrem Buch auch Möglichkeiten auf. Und sie transportiert in ihrem Buch „Schwestern“ eine große Hoffnung. Hoffnung auf Besserung. Und diese Hoffnung tut gut. Sie zieht nicht runter wie diese Meckerei. Huch, sorry. Sondern diese Hoffnung, diese Blicke auf ein Vielleicht spenden Kraft. Hier wird kein weltentrücktes, auf einer Wolke schwebendes weibliches Kollektiv präsentiert. Sondern hier wird eine Schwesternschaft ermöglicht, in der nicht jede Schwester gleich ticken muss. Hier wird eine Schwesternschaft beschrieben, die natürlich auch Unterschiede und darin begründete Reibungspunkte enthält. Aber maybe. Gibt es ja bei Schwestern in der Familie auch. Und manche Reibung ermöglicht schlussendlich eine Veränderung. Veränderungen, die wir dringend nötig haben und die auch im politischen Kontext eine immer größere Bedeutung bekommen. Wenn ich an die Rückkehr der nationalistisch tickenden Reaktionären denke. Mädels, wacht auf. Denkt an Polen und diese so starke Beschneidung weiblicher Selbstbestimmtheit. Nichts anderes wollen diese feinen Herren und Damen nämlich, wenn sie an der Macht sind, wird der dünne Schafspelz abgeworfen und darunter kommt das eigentliche machtbesessene und patriarchal denkende Ungetüm zum Vorschein. Ich habe bewusst keinen Wolf als Bild benutzt. Was soll auch dieses wunderschöne Tier mit diesen Reaktionären zu tun haben?



„Schwestern“ von Julia Korbik ist ein richtig erhellendes und absolut positives Buch, ein wichtiges Buch und ein Buch, welches genau zur richtigen Zeit kommt. Ein Buch, dem ich viele Leser wünsche. Denn eine Veränderung zu einer dualen und wirklich gleichberechtigten Gesellschaft haben wir mehr als nötig. Und etwas positive Klänge tun in diesen dunklen Zeiten sehr gut. Also Mädels, ran an die „Schwestern“. Hmpf. Ihr Jungs natürlich auch. 😊

Bewertung vom 01.07.2024
Lil
Gasser, Markus

Lil


sehr gut

Rache und noch etwas mehr

Das Buch „Lil“ von Markus Gasser ist eine Geschichte einer weiblichen Rache. Von dieser Thematik erinnert es mich an „Die Farben des Feuers“ von Pierre Lemaitre. Nur zündet es mich nicht derartig an. Was meines Erachtens nicht an der Geschichte von Lil liegt. Diese ist mitreißend erzählt und wühlt auf. Ich kann nicht genau benennen warum dieses Buch bei mir nicht so wie „Die Farben des Feuers“ einschlug. Ich kann hier nur vermuten. Und da drängen sich mir diese zwei Vermutungen auf. Einerseits bringt hier dieser Aufbau in zwei Erzählstränge vielleicht die aufwallenden Gefühle in mir etwas zum Versiegen, denn diese Sarah und die mit ihr verbandelte Dobermannhündin Miss Brontë bringt eine andere Struktur in die Geschichte der Lillian Cutting. Sarah erzählt zwar die Geschichte ihrer Urahnin, aber in der Kommunikation zwischen Sarah und ihrer Hündin verschwindet leider auch mancher Zauber der Geschichte von Lil. Dass Markus Gasser in dieser Struktur eine Verbindung ins Jetzt zieht, ist ein stimmiger und auch wichtiger Fakt, nur leider verliert in meinen Augen die Geschichte der Lillian Cutting dadurch etwas an ihrer Intensität. Und für mich verschwindet dadurch vielleicht dieses Lodern. Was schade wäre. Aber dennoch ist dieser Gedankengang nur eine Vermutung von mir. Er drängte sich mir nicht beim Lesen auf. Der Humor des Markus Gasser ist mir schon in seinem Vorgängerbuch über Daniel Defoe aufgefallen und dort hatte mir dieser etwas böse Humor sehr gefallen. Auch hier in „Lil“ erscheint diese etwas böse Sicht auf das Geschehen und auch hier gefällt sie mir. Genau deswegen ist auch das Miteinander zwischen Miss Brontë und Sarah sehr erfrischend. Aber vielleicht nimmt diese Geschichte dann der Figur Lillian Cutting etwas von ihrem Feuer. Dennoch ist diese leichte Kritik nicht besonders aussagekräftig. Denn ich setze sie ja in Klammern. Ich hatte oben von zwei Vermutungen gesprochen. Die zweite Vermutung, warum dieses Buch nicht das Feuer in mir auslöst, betrifft mich selbst. Kann sein, dass meine eigene Gedankenwelt momentan das Lesevergnügen etwas schmälert.

Dennoch darf man nicht vergessen. 4 Sterne sind eine sehr gute Bewertung von mir. Letztlich bedeuten 4 Sterne in meinen Bewertungsrichtlinien, dass diese Bücher sehr gute Bücher sind, wo letztlich nur noch mein eigenes Brennen fehlt. Und dieses Brennen stellt sich ja bei anderen von mir sehr geschätzten Rezensenten ein. Die Geschichte der Lillian Cutting hat es echt in sich, ist spannend und lesenswert, transportiert in einem gehörigen Maße eine Gesellschaftskritik. Eine Gesellschaftskritik, die sich in der Geschichte der Lillian auf eine vergangene Zeit bezieht. Dennoch gibt es auch im Jetzt diese verachtenswerte Misogynie und auch dies verdeutlicht Markus Gasser in „Lil“. Und dafür gehört dieses Buch definitiv gewürdigt. Und Markus Gasser Literatur kann ich nur empfehlen. Ich liebe dieses Dunkle in seiner Sprache, seinen dunklen Humor, der mich auch schon beim Vorgängerbuch sehr begeisterte. Markus Gasser ist für mich eine Entdeckung. Ich liebe seine Sprache. Lesen!