Freundschaft, Liebe und Mut sind die wahren Koordinaten des Lebens
Tooly Zylberberg liebt Tee, lange Spaziergänge und den Buchladen 'World's End' in einem kleinen walisischen Städtchen, dessen stolze, wenn auch nicht gewinnbringende Besitzerin sie ist. Tooly hütet nicht nur tausende Bücher, sondern auch eine Fülle von Geheimnissen, ihre eigene Vergangenheit betreffend, die sie selbst nicht alle kennt. Als sie klein war, hatte ihr Vater sie entführt und war mit ihr durch die Welt gezogen, während ihre Mutter Chaos verbreitete, wo immer sie auftauchte.
Doch waren da noch Humphrey, der griesgrämige Russe, der Bücher über alles liebte, und Venn, Sarahs Liebhaber, ebenso charismatisch wie egozentrisch, dessen Weltsicht Tooly für immer prägen sollte. Ein Dreieck, in dem Tooly versuchte, Grund unter die Füße zu bekommen, während das Leben sie durch die Luft wirbelte. Tooly fiel durch alle Netze und Raster - und doch wird sie am Ende ankommen in einem Leben, das das ihre ist. Ein großartig verdichteter Roman, in dem der Mut, sich seiner Vergangenheit zu stellen, leuchtet wie ein helles Licht.
Tooly Zylberberg liebt Tee, lange Spaziergänge und den Buchladen 'World's End' in einem kleinen walisischen Städtchen, dessen stolze, wenn auch nicht gewinnbringende Besitzerin sie ist. Tooly hütet nicht nur tausende Bücher, sondern auch eine Fülle von Geheimnissen, ihre eigene Vergangenheit betreffend, die sie selbst nicht alle kennt. Als sie klein war, hatte ihr Vater sie entführt und war mit ihr durch die Welt gezogen, während ihre Mutter Chaos verbreitete, wo immer sie auftauchte.
Doch waren da noch Humphrey, der griesgrämige Russe, der Bücher über alles liebte, und Venn, Sarahs Liebhaber, ebenso charismatisch wie egozentrisch, dessen Weltsicht Tooly für immer prägen sollte. Ein Dreieck, in dem Tooly versuchte, Grund unter die Füße zu bekommen, während das Leben sie durch die Luft wirbelte. Tooly fiel durch alle Netze und Raster - und doch wird sie am Ende ankommen in einem Leben, das das ihre ist. Ein großartig verdichteter Roman, in dem der Mut, sich seiner Vergangenheit zu stellen, leuchtet wie ein helles Licht.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2014Herumtreiberin ohne Trieb
Tom Rachmans enttäuschender neuer Roman
Superhelden ohne Superkräfte, das sind Leute, die einfach genau so leben, wie es ihnen passt. Kein Zwang zum Ego-Design, kein Stress durch Studium oder ständige Erreichbarkeit, keine Sucht nach digitaler Beliebtheit. Die vollkommene romantische Lebensweise, sie besteht aus Entsagung ohne Not, Reisen ohne Zweck, Leben ohne Prüfung. Und zwar am besten mit ein paar Heldengefährten, denen man bedingungslos vertraut. So jedenfalls erlebt Tooly, die Heldin in Tom Rachmans neuem Roman, ihre Jugend, nachdem sie als Schulmädchen in Bangkok an einer Gruppe von Menschen kleben blieb, von denen eine Frau behauptet, ihre Mutter zu sein. Die anderen zwei sind einfach schräge Typen: Venn, ein glänzender junger Alleskönner mit Vollbart, und Humphrey, ein radebrechender älterer Exilrusse, der Bücher mehr liebt als Menschen.
Ohne besonders schlechtes Gewissen und ohne Abschied verlässt das Kind seinen Ex-Pat-Vater, der in den Achtzigern den US-Botschaften moderne Kommunikationssysteme installiert, und begleitet als Mitbringsel die Familie, die sie sich selbst ausgesucht hat. Diese Wanderschaft führt über Kontinente – Jakarta, Amsterdam, Prag, Budapest, Hamburg, Mailand, Athen und schließlich New York heißen einige ihrer kurzen Lebens-Stationen. Als eher genügsam denn glamourös beschreibt Tom Rachman in „Aufstieg und Fall großer Mächte“ diese paradiesische Kindheit ohne Schule, Grenzen und Ansprüche. Eine Art globales Landstreichertum mit nie versiegender Kreditkarte, aber auch nicht extravagant, dabei irgendwie ziellos, vielleicht auch substanzlos, jedenfalls ziemlich frei von Anstrengungen und Ängsten.
Mit Anfang dreißig macht dieses Leben aus Tooly allerdings eine emotional und intellektuell eher limitierte Person, die durch das Leben ohne Aufgabe in einer sorglosen Heile-Welt-Blase der Vorstellungen lebt. Und in diesem Status kauft sie sich eine Buchhandlung in einem walisischen Dorf. Als Bücherheldin ohne literarische Kräfte lebt sie hier ihren naiven Glauben an das große Behütetsein, pflegt ihre Erinnerungen an die strahlenden Gefährten, die sich in der Mitte ihres Lebens verflüchtigt haben – und das ist natürlich der klassische Beginn einer Hero’s Journey in die Vergangenheit, an deren Ende nichts so gewesen ist, wie es zu sein schien.
Auf drei sich abwechselnden Zeitebenen erzählt Rachman vom Vagabundenleben seiner Heldin. Und wie schon bei seinem gefeierten Roman-Debüt „Die Unperfekten“, in dem der Ex-Journalist Rachman die Geschichte einer fiktiven römischen Qualitätszeitung aus zahlreichen Erlebnissen einzelner Mitarbeiter zusammensetzte, ist auch sein zweiter Roman alles andere als actionreich. Rachman ist verliebt in die detailgetreue Beschreibung von Situationen, in denen es weniger um den handlungsführenden Moment als um die Schönheit des Alltäglichen geht. Und das wird hier zunehmend zum Problem.
Denn gewährte das Episodenhafte der „Unperfekten“ noch jedem Kapitel einen persönlichen Charakter und schuf das Sammelsurium echter Typen ein eigenwilliges Panorama des Journalisten-Daseins, so führt die Begrenzung auf eine einzige Individualgeschichte über 500 Seiten zu einer etwas aufgedunsenen Form. Nicht jedes Kinderhüpfen auf dem Bett, nicht jeder Dialog über die neue Brille, nicht jeder Spaziergang durch Manhattan ist eine fesselnde Perspektiverweiterung, zumal wenn das alles von einer Person erlebt wird, die so wenige Abgründe hat wie eine Fußgängerzone. Im Glück verplemperter Zeit ist Tooly so gelassen geworden, dass sie sich ihrer Blauäugigkeit überhaupt erst durch ihre etwas zufällig verlaufende Recherchereise bewusst wird.
Rachman ist zweifellos ein suggestiver Erzähler, der Interesse für scheinbar belanglose Dinge zu wecken weiß, der differenziert beobachtet, ohne ständig seine Figuren mit Deutungen zu drangsalieren. Aber seine Superheldin ist leider eine etwas fade Person, die nie ihre Umwelt in Frage stellt und deren zentrales Geständnis lautet: „Leute berühren meine Gefühle nicht so sehr.“ Obwohl ein Produkt besonderer Umstände erlebt sie ihre Geschichte, ohne dass diese auf sie abfärbt. Das Abenteuerliche ihrer Reisen hat bei dieser unberührbaren, von nichts getriebenen Person keinerlei Spuren hinterlassen.
Ausführlich malt Tom Rachman die letztlich recht undramatischen Enttäuschungen seiner Tooly aus, deren Geschichte dem Leser lediglich dazu verhilft, die Bekanntschaft einer gewöhnlichen Globetrotterin ohne Geldsorgen zu machen. Ein wenig mehr Superkräfte hätten dieser Figur gut zu Gesicht gestanden und außerdem vielleicht der Enttäuschung bei der Lektüre vorgebeugt, dass die versprochenen „großen Mächte“ sich am Ende vor allem als kleine niederträchtige Motive erweisen.
TILL BRIEGLEB
Rachman erzählt allzu breit
die Geschichte einer Streunerin
mit nie versiegendem Kredit
Tom Rachman: Aufstieg und Fall großer Mächte. Roman. dtv, München 2014.
496 Seiten, 21,90 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Tom Rachmans enttäuschender neuer Roman
Superhelden ohne Superkräfte, das sind Leute, die einfach genau so leben, wie es ihnen passt. Kein Zwang zum Ego-Design, kein Stress durch Studium oder ständige Erreichbarkeit, keine Sucht nach digitaler Beliebtheit. Die vollkommene romantische Lebensweise, sie besteht aus Entsagung ohne Not, Reisen ohne Zweck, Leben ohne Prüfung. Und zwar am besten mit ein paar Heldengefährten, denen man bedingungslos vertraut. So jedenfalls erlebt Tooly, die Heldin in Tom Rachmans neuem Roman, ihre Jugend, nachdem sie als Schulmädchen in Bangkok an einer Gruppe von Menschen kleben blieb, von denen eine Frau behauptet, ihre Mutter zu sein. Die anderen zwei sind einfach schräge Typen: Venn, ein glänzender junger Alleskönner mit Vollbart, und Humphrey, ein radebrechender älterer Exilrusse, der Bücher mehr liebt als Menschen.
Ohne besonders schlechtes Gewissen und ohne Abschied verlässt das Kind seinen Ex-Pat-Vater, der in den Achtzigern den US-Botschaften moderne Kommunikationssysteme installiert, und begleitet als Mitbringsel die Familie, die sie sich selbst ausgesucht hat. Diese Wanderschaft führt über Kontinente – Jakarta, Amsterdam, Prag, Budapest, Hamburg, Mailand, Athen und schließlich New York heißen einige ihrer kurzen Lebens-Stationen. Als eher genügsam denn glamourös beschreibt Tom Rachman in „Aufstieg und Fall großer Mächte“ diese paradiesische Kindheit ohne Schule, Grenzen und Ansprüche. Eine Art globales Landstreichertum mit nie versiegender Kreditkarte, aber auch nicht extravagant, dabei irgendwie ziellos, vielleicht auch substanzlos, jedenfalls ziemlich frei von Anstrengungen und Ängsten.
Mit Anfang dreißig macht dieses Leben aus Tooly allerdings eine emotional und intellektuell eher limitierte Person, die durch das Leben ohne Aufgabe in einer sorglosen Heile-Welt-Blase der Vorstellungen lebt. Und in diesem Status kauft sie sich eine Buchhandlung in einem walisischen Dorf. Als Bücherheldin ohne literarische Kräfte lebt sie hier ihren naiven Glauben an das große Behütetsein, pflegt ihre Erinnerungen an die strahlenden Gefährten, die sich in der Mitte ihres Lebens verflüchtigt haben – und das ist natürlich der klassische Beginn einer Hero’s Journey in die Vergangenheit, an deren Ende nichts so gewesen ist, wie es zu sein schien.
Auf drei sich abwechselnden Zeitebenen erzählt Rachman vom Vagabundenleben seiner Heldin. Und wie schon bei seinem gefeierten Roman-Debüt „Die Unperfekten“, in dem der Ex-Journalist Rachman die Geschichte einer fiktiven römischen Qualitätszeitung aus zahlreichen Erlebnissen einzelner Mitarbeiter zusammensetzte, ist auch sein zweiter Roman alles andere als actionreich. Rachman ist verliebt in die detailgetreue Beschreibung von Situationen, in denen es weniger um den handlungsführenden Moment als um die Schönheit des Alltäglichen geht. Und das wird hier zunehmend zum Problem.
Denn gewährte das Episodenhafte der „Unperfekten“ noch jedem Kapitel einen persönlichen Charakter und schuf das Sammelsurium echter Typen ein eigenwilliges Panorama des Journalisten-Daseins, so führt die Begrenzung auf eine einzige Individualgeschichte über 500 Seiten zu einer etwas aufgedunsenen Form. Nicht jedes Kinderhüpfen auf dem Bett, nicht jeder Dialog über die neue Brille, nicht jeder Spaziergang durch Manhattan ist eine fesselnde Perspektiverweiterung, zumal wenn das alles von einer Person erlebt wird, die so wenige Abgründe hat wie eine Fußgängerzone. Im Glück verplemperter Zeit ist Tooly so gelassen geworden, dass sie sich ihrer Blauäugigkeit überhaupt erst durch ihre etwas zufällig verlaufende Recherchereise bewusst wird.
Rachman ist zweifellos ein suggestiver Erzähler, der Interesse für scheinbar belanglose Dinge zu wecken weiß, der differenziert beobachtet, ohne ständig seine Figuren mit Deutungen zu drangsalieren. Aber seine Superheldin ist leider eine etwas fade Person, die nie ihre Umwelt in Frage stellt und deren zentrales Geständnis lautet: „Leute berühren meine Gefühle nicht so sehr.“ Obwohl ein Produkt besonderer Umstände erlebt sie ihre Geschichte, ohne dass diese auf sie abfärbt. Das Abenteuerliche ihrer Reisen hat bei dieser unberührbaren, von nichts getriebenen Person keinerlei Spuren hinterlassen.
Ausführlich malt Tom Rachman die letztlich recht undramatischen Enttäuschungen seiner Tooly aus, deren Geschichte dem Leser lediglich dazu verhilft, die Bekanntschaft einer gewöhnlichen Globetrotterin ohne Geldsorgen zu machen. Ein wenig mehr Superkräfte hätten dieser Figur gut zu Gesicht gestanden und außerdem vielleicht der Enttäuschung bei der Lektüre vorgebeugt, dass die versprochenen „großen Mächte“ sich am Ende vor allem als kleine niederträchtige Motive erweisen.
TILL BRIEGLEB
Rachman erzählt allzu breit
die Geschichte einer Streunerin
mit nie versiegendem Kredit
Tom Rachman: Aufstieg und Fall großer Mächte. Roman. dtv, München 2014.
496 Seiten, 21,90 Euro. E-Book 18,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Till Briegleb ist enttäuscht von Tom Rachmans neuem Roman. Rachman könne zwar differenziert beobachten und suggestiv erzählen, sein Dreh, der Schönheit des Alltäglichen in detaillierten Beschreibungen zu huldigen, anstatt Action zu liefern, funktioniere in diesem Text aber leider nicht, erklärt der Rezensent. Für Briegleb liegt das an der Konzentration des Autors auf eine einzige Perspektive und an einer Heldin, die der Rezensent weder besonders ab- oder tiefgründig noch sonstwie interessant findet. Emotional und intellektuell begrenzt, nennt er sie. Und daher scheinen ihm die Erlebnisse Toolys, so der Name der Protagonistin, recht fade, auch wenn Rachman sie die halbe Welt bereisen lässt.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Ja, das ist wirklich ein tolles Buch - aus vielen Gründen."
Lina Kokaly, Funkhaus Europa 02.10.2014
Lina Kokaly, Funkhaus Europa 02.10.2014