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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 383 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

„Wenn es eins gibt, was wir in diesem Drecksloch von einem Land gelernt haben, dann das: wir sind der Armeeführung scheißegal.“
Nach der Schlacht von Crécy sind die Essex Dogs genauso abgekämpft und kaputt wie das restliche englische Heer. Zudem scheinen sie um ihren Sold geprellt zu werden, sodass ihnen kaum etwas anderes übrig bleibt, als sich der geplanten Eroberung von Calais anzuschließen. Doch die Mauern der Stadt sind stark, und der Winter naht.
Der Autor pickt sich mit der Belagerung von Calais einen ganz bestimmten Zeitpunkt im Hundertjährigen Krieg heraus, der in vielen Köpfen in Vergessenheit geraten ist: die Eroberung von Calais. Eine zermürbende, chaotische und von Verlusten geprägte Zeit. Dank Romford gelingt auch der Blick hinter die Mauern der Hafenstadt; das hat mir sehr gut gefallen, denn zum einen fand ich ihn als Figur im Mittelpunkt sehr spannend, zum anderen ist der „Alltag“ in der belagerten Stadt so viel besser greifbar. Es überrascht nicht, dass die einfachen Leute am meisten leiden unter dem was die Höhergestellten ihnen eingebrockt haben, aber dass im großen Stil noch Geschäfte mit dem Elend gemacht wurden, das fand ich dann doch unerwartet. Dass die Stadt fällt, weiß man aus der späteren Geschichte; dass dabei sogar Piraten eine Rolle gespielt haben, eher weniger. Jones zeigt einmal mehr, dass er penibel recherchiert hat, und dass in seiner vermeintlich fiktiven Geschichte viel mehr Wahres steckt als zunächst angenommen. Das merkt man erst recht, wenn man das Nachwort gelesen hat. Trotzdem wirkt der Roman nicht trocken und Geschichtsbuch-altbacken, sondern macht die Geschichte sehr modern lebendig und liest sich dabei noch wahnsinnig packend. Die Dogs sind per se kein grundsympathischer Haufen, das kann man nach ihren Erlebnissen sicherlich auch gar nicht mehr sein. Aber alle haben irgendwo das Herz am rechten Fleck behalten, trotz all der Zermürbungen und dem täglichen Tod vor Augen. Man kämpft und leidet mit ihnen mit, ist immer hautnah mit dabei und versteht so vielleicht ein kleines bisschen besser was ein Söldnerleben ausmachte.
Ein Band der Trilogie steht noch aus, ich bin gespannt welche Kämpfe die Dogs noch schlagen müssen, bevor sie hoffentlich endlich wieder dahin dürfen, wonach sie sich inzwischen alle sehnen: nach Hause.

Bewertung vom 21.09.2024
Du kennst sie
Jennett, Meagan

Du kennst sie


ausgezeichnet

Als ein rüpelhafter Barbesucher sich einfach mopst, einfach nimmt worauf Sophie stundenlang hingearbeitet hat, da bringt er das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen. Die Barkeeperin hat genug von pöbelnden Männern, die sie belästigen, herumschubsen und nicht ernst nehmen. Folgerichtig bringt sie ihn um. Klarer Fall von Ursache und Wirkung. Doch kann Polizistin Nora den Mordfall ebenso geschmeidig lösen?
Sophie dreht den Spieß einfach um: wo sonst Männer Frauen morden, weil diese sie „provoziert“ haben, da sorgt sie jetzt für ausgleichende Gerechtigkeit. Die Definition von provozierend wird bei ihr zunehmend weicher, auch Kleinigkeiten reichen irgendwann aus. Jennett hält hier der Gesellschaft sehr schön den Spiegel vor, geduldete Misshandlung oder auch Feminizide, die mit „Beziehungsdrama“ beschönigt werden, Frauen, die „schuld sind“ an dem was ihnen widerfahren ist, all das prangert sie durch Sophie an. So regt dieser Thriller bei aller Spannung und Unterhaltung auch oft zum Nachdenken an. Trotzdem wird die Geschichte nicht zu schwer, die Schilderungen aus Sophies Sicht haben auch leichte und viele schöne Momente, etwa wenn sie sich in der Betrachtung der Natur verliert. Diese entschleunigenden Szenen bringen der Handlung eine ganz besondere Dynamik, ebenso wenn die Perspektive zu Nora wechselt. Sie lernt man als Leser nicht ganz so gut kennen wie Sophie, trotzdem hat auch ihre Figur Tiefe. Die Ermittlungsarbeit hat in diesem Thriller sicher nicht einen ganz so großen Part wie in anderen des Genres, trotzdem fühlte ich mich sehr gut unterhalten und oftmals von der Story mitgerissen. Der Stil hat mir wahnsinnig gut gefallen. Die Autorin beschreibt alles sehr stimmungsvoll und pointiert, auch Brutales wird genau unter die Lupe genommen, was man als Leser schon vertragen können muss.
Jennetts Debut kann sich wirklich sehen lassen; ich bin sehr gespannt, was von dieser Autorin noch zu lesen sein wird.

Bewertung vom 18.08.2024
Der Ire
Mann, Peter

Der Ire


sehr gut

Adrian De Groot arbeitet für den deutschen Nachrichtendienst, konnte sich aber als Übersetzer nach Spanien versetzen lassen. Jetzt erreicht ihn ein neuer Auftrag, der ihn nach Hause ins Reich führt: er soll den Iren Frank Finn führen, der derzeit in einem spanischen Gefängnis sitzt, aber als verdeckter Spion die Invasion in England vorantreiben soll. Die beiden ungleichen Männer bindet bald nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern eine eigenwillige Kameradschaft.
Ich musste mich zunächst erst reinlesen. Das Buch spielt in drei Zeitsträngen, die sich z.T. überschneiden, Dinge wiederholen oder einen Rückblick darstellen. De Groots Tagebuch und seine Erzählungen der Geschehnisse heute/damals zeigen die eine Seite, Finn McCools Geschichten aus dem Teutonenland die andere Seite der Medaille. Das ist einerseits sehr trickreich gemacht, andererseits fällt es nicht immer leicht sich zu orientieren bzw. den Faden nicht zu verlieren. Der Stil ist eigenwillig, gerade Finns selbstgeschilderte Abenteuer erinnern an einen Heldenepos und lesen sich dadurch nicht ganz so süffig und oftmals etwas schwülstig. Seine Figur ist schwer zu fassen, da bis zuletzt unklar ist, wie viel „Wahrheit“ in seinen Schilderungen steckt. Adrian lernt man besser kennen, er zeigt offen seine Gefühle, seine Ablehnung der Nazis (obwohl selbst ein Rädchen im System), seine Zuneigung zu Finn, seine Verletzlichkeit. Obwohl er Frank führen soll, scheint er oft das Nachsehen zu haben und von diesem ausgetrickst worden zu sein. Das „scheinen“ sei betont, denn das Verwirrspiel kann man als Leser nicht immer entwirren; so darf auch nach Lektüreende gerätselt werden, was wirklich passiert ist, was den Thriller noch einmal interessanter und faszinierender macht.
Der Autor zeigt oft wie abstrus die Aktionen der Spionageabteilung sind, ebenso den Größenwahnsinn des Regimes. Seine Ausführungen sind historisch fundiert, man merkt die vielen Recherchestunden im Hintergrund. Gleichzeitig bringt er auch immer wieder komische Momente ein, die das schwere Thema auflockern und trotzdem nicht fehl am Platz wirken. Der Ire ist ein wirklich eigenwilliger historischer Thriller, der trotz seiner ungewöhnlichen Konstruktion sehr spannend ist. Einmal eingelesen, konnte ich ihn wirklich nur schwer zur Seite legen.

Bewertung vom 28.07.2024
Die unendliche Reise der Aubry Tourvel
Westerbeke, Douglas

Die unendliche Reise der Aubry Tourvel


gut

Seit Aubry ein Kind ist, ist sie auf Reisen. Nicht freiwillig, sondern von einer mysteriösen Krankheit getrieben, die verhindert, dass sie länger als drei oder vier Tage an einer Stelle bleiben kann. Sie reist um den ganzen Erdball, mehrfach; und erlebt dabei das ein oder andere Abenteuer.
Westerbekes Roman hat etwas von einem philosophischen Abenteuerroman. Aubry reist zu Fuß, zu Pferd, auf Schiffen, mit der Bahn, ein vielfältiger Urlaubstraum könnte man meinen. Doch sie kämpft immer ums Überleben, nicht in Schwierigkeiten zu geraten, nicht als Anders aufzufallen. Ich mochte die Figur gerne, ihre Entwicklung über die Jahre ist authentisch, auch ihre Zweifel und Sorgen. Obwohl sie immer an neue Orte kommt, ist ihr Handeln oft gleich: orientieren, eine sichere Unterkunft finden, vielleicht sogar Menschen, denen sie trauen kann; kaum hat sie das geschafft, muss sie wieder weiter. Es kommt auf diese Weise zu Wiederholungen, die für mich nicht so schlimm ins Gewicht gefallen sind, den ein oder anderen aber vermutlich stören könnten. Übersinnliches findet auch seinen Weg zwischen die Seiten, das klappt nicht immer ganz glatt. Westerbekes Stil hat mir sehr gut gefallen, er bringt dem Leser die exotischen oder nicht ganz so exotischen Gegenden sehr nahe, detailreich und bildgewaltig. Dabei ist die Handlung nicht streng chronologisch, einiges erfährt man in Rückblenden, manchmal weiß man nicht so recht wie Aubry überhaupt dort gelandet ist, wo man sie im nächsten Kapitel vorfindet. Das macht den Roman verwirrend und interessant zugleich. Das Ende passte dann für mich aber schlicht nicht mehr zur Geschichte; sicherlich ist es schwer hier eine allseits befriedigende Lösung zu präsentieren, aber für mich kam gegen Ende ein Bruch mit der sonst runden Story und ab da holperte es nur noch bis zum letzten Satz anstatt auf eine in sich stimmige Auflösung zuzulaufen. Das hat mich dann doch sehr enttäuscht und hat für mich den Roman etwas kaputtgemacht.

Bewertung vom 24.07.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Frie und Robert sind unzertrennliche Freunde, seit er für die Oberstufe an ihre Schule gekommen ist. Sie teilen Sorgen und Nöte, er in Angst um seine Mutter, sie in Angst vor ihrem tobsüchtigen Vater. Doch was zu Abizeiten gut zusammenpasst, muss sich jetzt im echten Leben bewahrheiten. Hält die Freundschaft dem stand?
Karnick verfolgt die Lebenswege der beiden Protagonisten über mehrere Jahrzehnte, wechselt immer wieder die Erzählperspektive. Dadurch lernt man beide sehr gut kennen, die jeweilige Sicht auf den anderen bzw. auf unterschiedliche Ereignisse; trotz dieses Kniffs konnte ich die Gedanken und Handlungen nicht immer nachvollziehen, manches blieb mir bis zum Schluss unverständlich. Der Stil gefiel mir gut, unaufgeregt und ruhig führt uns die Autorin durch die kleinen und großen Dramen des Lebens. Ab und an plätschert die Handlung dann aber doch zu ruhig über die Seiten. Das Lebensgefühl der jeweiligen Jahrzehnte wird gut wiedergegeben, die Autorin schildert authentisch, egal ob es sich um Roberts chaotische Jungs-WG oder Fries stressigen Staatsexamensmarathon handelt. Die Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten entwickelt sich glaubhaft, immer wieder scheint sich die große Liebe anzubahnen, doch nie scheint die Zeit richtig dafür. Der Roman driftet dabei aber nicht ins Kitschige ab, es schwingt höchstens mal ein melancholischer Zug mit. Ich habe den Roman ganz gerne gelesen, konnte aber die Intentionen der Figuren manchmal nicht nachvollziehen und war dann von den Längen etwas ausgebremst.

Bewertung vom 17.07.2024
Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4
McDonnell, C. K.

Relight My Fire / The Stranger Times Bd.4


ausgezeichnet

In Manchester fallen ja oft Regentropfen vom Himmel, doch dass einem ein Student nach meterhohem Flug vor die Füße fällt, das ist dann doch eher ungewöhnlich. Auch wenn Stella von ihrer Arbeit bei der Stranger Times einiges gewöhnt ist, ist dieser Vorfall für die frischgebackene Studentin nicht ohne. Wie gut, dass sie ihre Kollegen an ihrer Seite weis, die ihr bei der Aufklärung der Hintergründe helfen. Knallharte Recherche unter Zuhilfenahme von Grace‘ Keksen, Banecrofts Blunderbuss und nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Detective Sturgess aka Stielauge bringen die Mitglieder der Redaktionsfamilie an ganz neue Grenzen.
McDonnells Humor ist einfach großartig. Er pointiert haarscharf, ohne dabei gekünstelt zu wirken, und man kann beim Lesen oft nicht anders als laut zu lachen. Dieser Witz hat sich auch im nunmehr vierten Band nicht abgenutzt. Ebenso der Cast, denn auch an den Redaktionsmitgliedern lassen sich natürlich immer noch neue Seiten entdecken; Manny trägt beispielsweise neuerdings Hosen. Meistens zumindest. In diesem Band werden einige lose Fäden der vorherigen Teile wieder aufgenommen, man sollte diese also für den vollen Genuss kennen, auch wenn die eigentliche Kernhandlung abgeschlossen ist.
Die Handlung ist actionreich, fantasievoll, oft skurril, aber auf jeden Fall immer höchst unerwartet. Der Autor verbindet bekannte Fantasieelemente mit neuen Ideen, lässt aber gleichzeitig auch ein paar altbekannte Klischees in völlig neuem Licht erscheinen. Natürlich ist der Roman wieder gespickt mit einigen brandneuen Artikeln frisch aus der Druckerpresse, sodass man kein Abo der Stranger Times braucht, um zu wissen, dass Sarahs einfach die besten Leader abgeben. Der lockere Stil, die temporeichen und teils absurden Dialoge tun ihr übriges und so kann man einfach nicht anders als an den Seiten kleben zu bleiben. Ich habe jede Seite genossen, und kann nur hoffen, dass die Wartezeit bis zum nächsten Band nicht zu lange wird. Große, dicke Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.06.2024
Verräterisches Lavandou / Leon Ritter Bd.10
Eyssen, Remy

Verräterisches Lavandou / Leon Ritter Bd.10


sehr gut

Die heißen Sommertage bringen in Le Lavandou nicht nur Gutes hervor, denn die Leiche einer jungen Frau kommt ans Tageslicht. Geköpft. Während die Polizei unter dem Druck ihres Chefs Zerna in eine Richtung ermittelt, führen Ungereimtheiten Leon in eine ganz andere Richtung.
Eyssens Krimi verbindet Urlaubsfeeling mit Spannung. Obwohl schon der zehnte Teil der Reihe, lässt sich das Buch gut auch ohne Vorwissen lesen, die wichtigsten Beziehungen werden auch so klar. Der Cast ist weitgehend bekannt, an der ein oder anderen Stelle wirken die Figuren inzwischen etwas aufgewärmt, aber das fand ich zu verschmerzen. Der Fall hat mich dafür dieses Mal wirklich gepackt. Nicht nur ist die Mordmethode ziemlich brutal, sondern man hat durch eingestreute Perspektivwechsel immer mal wieder einen anderen Blick. Spannung wird auch dadurch erzeugt, dass einige Nebenhandlungsstränge eingeflochten werden, von denen lange nicht klar ist, ob und wie sie mit den Mordfällen in Zusammenhang stehen. Der lockere und flüssige Erzählstil des Autors sorgt auch dafür, dass sich das Buch sehr unterhaltsam liest. Fehlen darf es natürlich auch nicht an reichlich Provenceflair, was sich stimmig in die Handlung einfügt und nicht etwa nur abgearbeitet wirkt. Ich mochte diesen Ausflug nach Le Lavandou wirklich gerne, ein gelungener Band der Reihe.

Bewertung vom 05.06.2024
Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13
Carter, Chris

Der Totenarzt / Detective Robert Hunter Bd.13


gut

Ein vermeintliches Opfer einer Fahrerflucht landet auf dem Obduktionstisch und kurz darauf die Fallakte auf dem Schreibtisch der UV-Einheit. Denn der Tote starb nicht etwa durch einen Verkehrsunfall, sondern wurde ermordet; die Spuren dabei so geschickt vertuscht, dass ihm nur mit akribischer Sorgfalt auf die Schliche zu kommen war. Hunter und Garcia nehmen die Spurensuche auf, und schon bald wird klar: es könnte noch mehr Opfer geben.
Ich mag die Reihe mit Hunter und Garcia wirklich gerne, doch dieses Mal hat mich Carter nicht so mitgerissen wie sonst. Das Buch liest sich gewohnt süffig, der Fall ist spannend aufgebaut, aber nicht ganz so plastisch wie sonst. Es geht brutal zu, aber die Schilderungen erreichen den Leser nicht richtig. Mitreißend kann Carter eigentlich, aber dieses Mal hat es nicht so gut geklappt. Auch die Interaktion der Hauptfiguren wirkt schon mal hölzern, ohne den gewohnten Witz, alles etwas lau. Die Dialoge sind eher allgemein gehalten, man sollte nicht denken, dass die beiden seit nunmehr 13 Fällen ein gut funktionierendes Team und beste Freunde sind. Der Totenarzt ist insgesamt sicherlich kein schlechtes Buch, aber eben auch kein Highlight aus der Reihe. Die verflixte 13 eben.

Bewertung vom 03.06.2024
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


sehr gut

1850 kommt in Kentucky ein Fohlen zur Welt, das den Rennsport auf den Kopf stellen wird. Der junge Hengst geht als Lexington in die Geschichte ein, stellt mit seiner Kraft Rekorde auf und vererbt dieses Talent an seine unzähligen Nachkommen. An seiner Seite von Geburt an der Sklave Jarret, dessen Schicksal eng mit dem des Hengstes verbunden wird.
Geraldine Brooks widmet diesen Roman dem Ausnahmepferd Lexington, der in nur wenigen Rennen Weltruhm errungen hat. Man merkt zum einen die akribische Recherche zur Thematik, zum anderen die Liebe der Autorin zu Pferden. Trotzdem ist der Roman sicherlich nicht nur für Pferdemädchen interessant, denn er behandelt zudem die Thematik der Sklaverei damals und des Rassismus über die Zeiten. Hier trifft Brooks gerade mit der Handlung von heute einen Nerv; sie schildert einfühlsam, ohne den anklagenden Zeigefinger zu heben, aber sie zeigt auch Missstände und Missverständnisse auf. Ich mochte ihre Art gerne, sie verbindet leichte fiktive Unterhaltung mit ernster Thematik.
Das Zusammenspiel der verschiedenen Zeitebenen ergibt ein stimmiges Ganzes, trotzdem war ich beispielsweise mit den Szenen um Martha Jackson nicht ganz glücklich. Natürlich ist diese Zeitspanne das Bindeglied zwischen Jarret und Jess/Theo; aber es wirkt nicht komplett auserzählt, die Handlung ist eher dürftig, sodass der Eindruck bleibt, dass hier nur Lücken gefüllt wurden. Ich verstehe, warum Brooks gegen Ende noch einen dramatischen Höhepunkt setzt, trotzdem finde ich die Ausführung etwas plakativ und viel zu gewollt. Obwohl mir also das Ende nicht so sehr gefallen hat, fand ich den Roman im Ganzen unterhaltsam und interessant zu lesen.

Bewertung vom 19.05.2024
Treibgut
Brodeur, Adrienne

Treibgut


sehr gut

Die Geschwister Abby und Ken sind nahezu ohne Mutter aufgewachsen, sie starb bei Abbys Geburt. Ihr Vater, Adam, war oft mit sich selbst und seinem Job beschäftigt, sodass die beiden sich selbst genügen mussten. Mit den Jahren haben sie sich entfremdet und in völlig unterschiedliche Richtungen entwickelt: Abby ist Künstlerin, Ken liebäugelt mit einem Posten in der Politik. Adams 70ter Geburtstag zwingt die beiden wieder dazu sich anzunähern, noch bevor die junge Mutter Steph in ihrer aller Leben tritt und es gehörig durcheinander wirbelt.
Brodeurs Familienroman hat mir wirklich gut gefallen, er kommt zuerst ganz harmlos daher, hat es aber wirklich in sich und greift einige kritische Themen auf. Die Autorin hat einen tollen Erzählstil, sie kann die Dynamik innerhalb der Familie ebenso gut einfangen wie die Atmosphäre am Cape. Da Adam jahrzehntelang in der Meeresbiologie geforscht hat, spielt die Natur immer wieder eine tragende Rolle. Auch Abby arbeitet mit Treibgut vom Strand, Ken wiederum ist über die Erosion des Strands besorgt, sodass jedes Familienmitglied eine besondere Beziehung zur Natur hat.
Ken ist ein Narzisst, aber er kann seine negativen Seiten recht gut verbergen. Es ist sehr interessant seine Wirkung auf andere zu verfolgen, gleichzeitig zu sehen wie es in ihm aussieht, oder auch seine Reaktionen im engsten Familienkreis zu beobachten. Eine spannende Figur, wenn auch keine sympathische. Abby ist der Gegenpol, die Kreative, die Erfolglose, aber immer auch die einzige Frau in der Familie; die, die einst am Tod der Mutter Schuld war. Die Figurenzeichnung und deren Beziehungen untereinander waren für mich die größte Stärke des Romans.
Die Entwicklung der Heimlichkeiten und Geheimnisse innerhalb der Familie waren jetzt nicht allzu überraschend. Trotzdem hat Brodeur daraus etwas Eigenes gemacht und einen wirklich unterhaltsamen, aber auch berührenden Roman entworfen. Immer wieder zeichnen sich ihre Szenen bei all dem Drama auch durch einen gewissen Witz aus, sodass der Roman letztendlich nicht zu schwer wird, sondern das Gleichgewicht hält.