„Unschuldslamm“ ist ein Krimi der besonderen Art. Die Autorin Judith Arendt setzt bei ihrem ersten Kriminalroman rund um die Schöffin Ruth Holländer auf ein brisantes Thema. Es geht um Eingliederung, fremde Kulturen und Ehrenmord. Ein Blick in die Zeitungen zeigt, dass sie aktueller hätte nicht sein
können. Damit trifft die Autorin nicht nur den Nerv der Zeit, sondern auch noch meinen Geschmack.…mehr„Unschuldslamm“ ist ein Krimi der besonderen Art. Die Autorin Judith Arendt setzt bei ihrem ersten Kriminalroman rund um die Schöffin Ruth Holländer auf ein brisantes Thema. Es geht um Eingliederung, fremde Kulturen und Ehrenmord. Ein Blick in die Zeitungen zeigt, dass sie aktueller hätte nicht sein können. Damit trifft die Autorin nicht nur den Nerv der Zeit, sondern auch noch meinen Geschmack. Zumindest in der Theorie.
Der Einstieg beginnt mit einem Tag mitten in den Sommerferien. Der Leser lernt eine selbstbewusste und doch naive, junge Frau kennen, die mit ihren Eltern in der Türkei ist, und trotz vieler Hinweise nicht versteht, das sie verheiratet werden soll. Der Leser gewinnt durch diesen Einstieg den Eindruck, dass hier eine Familie zu erwarten ist, die noch an alten Traditionen festhält und für die ein solcher Ehrenmord ein Selbstläufer wäre. Eigentlich ein guter Einstieg für einen Prolog, der durch den Wechsel zu Ruth Holländer noch gelungener wirkte. Nach einem kurzen Kennenlernen, der doch etwas chaotischen Mutter, geht es auch schon zum Gericht. Doch anstatt konsequent die Gerichtsverhandlung aus Sicht von Ruth zu verfolgen, muss der Leser immer wieder Sprünge in Kauf nehmen. Neue Kapitel werden zwar sichtbar gekennzeichnet, sodass man zumindest Ort und Zeitpunkt erkennt, allerdings trifft dies nicht auf die Figuren zu. Mal begleitet der Leser Vali, Ruth oder eine Freundin der Toten. Manchmal geht es auch zurück in die Vergangenheit und der Leser darf die lebendige Kurdin auf ihren letzten Minuten begleiten. Besser gekennzeichnet wäre dies auch kein Problem. So empfand ich es jedoch wie die Hauptfigur – chaotisch. Man kommt zwar hinein, aber eine klarere Trennung hätte das Lesen ungemein erleichtert.
Durch diese Umsetzung wurde dem Buch in meinen Augen eine große Portion an Spannung genommen. Erwartet hatte ich an Hand des Klappentextes eine spannende Gerichtsverhandlung, die einen Fall verhandelt, und durch eine unkonventionelle Schöffin den wahren Täter zur Strecke bringt. Obwohl Ruth mit Sicherheit nicht unsympathisch ist, kommt sie in meinen Augen nicht so zur Geltung, wie es der Klappentext erhoffen lässt. Zusätzlich sind die nebensächlichen Erzählungen rund um die gescheiterten Beziehungen ihres Mannes, ihre Arbeit im Bistro oder ähnliches alles andere als erheiternd oder spannungsaufbauend, sondern irgendwie langatmig. Gerade dieser private Anteil ist bei vielen Kriminalromanen das A und O, und sorgt für Lesevergnügen. Doch hier hat er eher das Gefühl hervorgerufen, das ich umblättern wollte, und ehrlich gesagt hätte man an den meisten Stellen auch nichts verpasst.
Nimmt man nun einmal den Kriminalroman und betrachtet lediglich den Fall, dann hat die Autorin es theoretisch nicht schlecht gemacht. Das liegt aber nicht an der Ermittlung, sondern am Schluss, denn die Autorin wählt eine Auflösung, die für meinen Geschmack überraschend kam und mich befriedigt hat. Die Ermittlung selbst ist jedoch eine kleine Katastrophe. Geschmäcker gehen hier auseinander, aber in diesem Fall hat es wenig mit Ermittlung zu tun, sondern im Grunde nur mit Zufällen. Ein Sohn, der bei seiner Aussage lügt; eine Freundin, die ein schlechtes Gewissen hat und vieles mehr. Bei einem Krimi will ich für meinen Teil keine Zufälle, sondern zum Beispiel ein schlampiges Detail entdecken oder Widersprüche beim Verhör. Außerdem hatte ich mir persönlich mehr Ermittlungsarbeit seitens der Schöffin gewünscht. Ich habe keine vergleichbare Lektüre, die ich in all meinen Jahren gelesen habe, aber irgendwie hatte ich erwartet, dass sie zur Hobbydetektivin wird.
Einziger Pluspunkt, der mich auch ans Buch gefesselt hat, war eben die Suche nach dem wahren Täter. Alles in allem ist der Autorin sicherlich kein schlechtes Buch gelungen, und mit ihrer Umsetzung wird sie so manchen Leser gewinnen.