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dem Vormarsch
Philip Reeves berühmte
„Mortal Engines“-Serie
Es wird eng für die Traktionsstadt London, die mühsam zu einer Hochebene hinaufkriecht, wo „die von Städten zerwühlte Erde mit einer dünnen Schneeschicht überzogen“ ist: „Weit dahinter, aber nicht annähernd weit genug weg, folgte Panzerstadt Bayreuth: nicht länger ein bedrohlicher Fleck am Horizont, sondern eine gewaltige dunkle Masse aus Ketten und eisernen Stockwerken. Über dem Rauch der Fabriken und den Abgaswolken war die goldene Filigranarbeit des kunstvollen Oberdecks deutlich zu erkennen.“
Es scheint, als werde London ein Opfer jener Taktik werden, mithilfe derer es sich selbst lange bereichert und ernährt hat. Vertikal angeordnete Städte verschiedener Größe bewegen sich auf gigantischen Ketten durch die Landschaft und „fressen“ kleinere oder schwächere Siedlungen auf – das heißt, sie schlucken sie durch eine Rampe, schlachten sie aus und versklaven ihre Bewohner. „Städtedarwinismus“ heißt dieses Prinzip des stärkeren urbanen Kolosses, nach dem die Welt funktioniert, seit vor Jahrhunderten der sogenannte 60-Minuten-Krieg die gesamte globale Zivilisation zerstörte. Amerika wurde vollkommen unbewohnbar, der Rest der Welt ist aufgeteilt in Traktionsstädte, statische Siedlungen, und radikale Splittergruppen, die das ganze technische Ökosystem bekämpfen, das auf Ausbeutung der Ressourcen anderer und der verbleibenden Natur beruht.
Das ist das postapokalyptische Steampunk-Universum der „Predator Cities“Reihe, 2001 erdacht vom britischen Autor Philip Reeve. Gerade ist der erste Band, „Krieg der Städte“, von Christian Rivers verfilmt worden. Das Ergebnis ist optisch extrem aufwendig, aber atmosphärisch eher mau (SZ vom 17.12.). Die Verfilmung hat allerdings den erfreulichen Nebeneffekt, dass Reeves Bücher neu aufgelegt worden sind. Nach 2003 und 2008 ist es der dritte Anlauf, Reeves Parallelwelt voller machiavellistischer Gestalten, gnadenloser Cyborgs und grandioser, mobiler Monsterbauten ins Deutsche zu übertragen. In einer Neuübersetzung von Nadine Püschel und Gesine Schröder hat der Tor – Imprint des Fischer-Verlages – die ersten beiden Bände, „Krieg der Städte“ und „Jagd durchs Eis“, bereits publiziert; die beiden übrigen, „Der Grüne Sturm“ und „Die verlorene Stadt“, werden im Februar und Mai 2019 erscheinen.
Philip Reeve, ein gelernter Illustrator, ist ein Fan altertümlichen Hightechs, einer Mischung aus futuristischer und viktorianischer Maschinerie. Im Zentrum der Erzählung „Mortal Engines – Krieg der Städte“ stehen der naive, gutherzige Tom Natsworthy, ein junger Geselle der Historikergilde von London, und Hester Shaw, ein Mädchen, das vor allem von seinen Rachegelüsten am Leben erhalten und angetrieben wird. Hesters Familie wurde ermordet, und ihr einziges Ziel ist es, den Verantwortlichen, Londons Chefarchäologen Thaddeus Valentine, zu bestrafen. Dass sie mit Valentine enger verbunden ist, als sie ahnt, und wie diese Entdeckung ihr eigenes Schicksal und das der Traktionsstadt beeinflussen wird, steht im Zentrum des ersten Bandes. Es wird viel gekämpft und viel gestorben in diesen Büchern, aber die Gewalt ist nie Selbstzweck. Sie betont die Fragilität des Lebens in einer existenzfeindlichen, zugleich aber konzeptionell faszinierenden und in Reeves erzählerischer Umsetzung seltsam attraktiven Welt.
Dass die grässliche Gesichtsnarbe, die in den Büchern Hesters halbes Gesicht bedeckt, in der Filmversion zu einer Art Kratzer reduziert wurde, hat viele Fans aufgebracht. Tatsächlich ist diese Entstellung ein bedeutender Aspekt der komplexen, starken und zugleich verunsicherten Heldin. Sie wird im Laufe der Serie Dinge tun, die man von einem einfacher gestrickten Protagonisten nicht erwarten würde. Doch das ist es, was Reeves Bücher, der nebenbei auch sprachlich ein bemerkenswerter Stilist ist, von anderen Science-Fiction-Geschichten für Jugendliche und junge Erwachsene unterscheidet: Ähnlich wie George Martin im „Lied von Eis und Feuer“ bewegen sich die Gestalten seines geradezu dickensischen Panoptikums in einem Spektrum von Graustufen – nur wenige sind ganz böse, wie Londons Oberbürgermeister Magnus Crome, oder vollständig gut, wie Tom.
„Mortal Engines“ hat, was der Autor immer wieder betont, keine ausdrückliche Botschaft. „Um interessant zu sein, muss Literatur Fragen aufwerfen, sie aber nicht unbedingt beantworten“, sagte Philip Reeve einmal. Angesichts des Kampfes um begrenzte Ressourcen als Triebfeder der Existenz, kann man unschwer einen ökologischen Subtext aus all dem filtern. Der Fluch der Menschheit, alte Fehler immer wieder zu begehen, lastet auch auf diesem postapokalyptischen Kosmos. Vor allem aber sind die Mortal-Engines-Bücher eine extrem unterhaltsame, kinetische Lektüre.
ALEXANDER MENDEN
Philip Reeve: Mortal Engines – Krieg der Städte. Aus dem Englischen von Nadine Püschel und Gesine Schröder. Fischer Tor, Frankfurt am Main, 2018. 336 Seiten, 12 Euro.
Philip Reeve, ein gelernter
Illustrator, ist ein Fan
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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