Versandet leider als Schmonzette – bis dahin durchaus spannend-gruselig, dabei eher Gothic Novel denn Psychothriller
Zuerst ein Pageturner – die Handlung fesselt, ist spannend und mitreißend, leider mit enttäuschender Auflösung.
London und Cornwall: junge arme Frau verliebt sich in etwas
älteren wohlhabenden Mann, dessen erste Frau unter mysteriösen Umständen starb, zieht in sein altes…mehrVersandet leider als Schmonzette – bis dahin durchaus spannend-gruselig, dabei eher Gothic Novel denn Psychothriller
Zuerst ein Pageturner – die Handlung fesselt, ist spannend und mitreißend, leider mit enttäuschender Auflösung.
London und Cornwall: junge arme Frau verliebt sich in etwas älteren wohlhabenden Mann, dessen erste Frau unter mysteriösen Umständen starb, zieht in sein altes Gemäuer, in dem die erste Frau bereits einen deutlichen Eindruck hinterlassen hat. Das kommt bekannt vor… Gestern Nacht träumte ich, ich sei wieder in…Carnhallow. S.K. Tremayne spielt sehr eindeutig damit, plus einem Hauch von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ zu Grusel und Mystik (daher Einordnung eher zu Gothic Novel). Dazu gibt's eine nette Schwiegermutter mit Alzheimer-Aussetzern – und gruselige frühere Minenanlagen nahe und unterhalb des Hauses.
Die Variation des Themas beginnt damit, dass Rachel nicht nur David heiratet, sondern auch Stiefmutter des achtjährigen Jamie wird, der sehr unter dem Tod der Mutter vor rund zwei Jahren leidet. Von da an folgt ein Spinnennetz von Andeutungen und Ereignissen, in dessen Falle ich durchaus tappte: Jamie macht Andeutungen zu Vergangenheit und Zukunft – David will bestimmte Geheimnisse nicht ans Licht kommen lassen – Rachels Heranwachsen birgt traumatische Erinnerungen …und tageweise zählen die Kapitel die Zeit bis Weihnachten wie ein Countdown herunter, man lernt bald, was da droht. Jamie und Rachel sind viel allein, da David die Woche über als erfolgreicher Anwalt in London arbeitet – sein Hauptziel ist der Erhalt des kostenintensiven Familienbesitzes. Was ahnt Jamie? Verliert Rachel den Verstand – oder will man sie das nur glauben machen? Was geschah mit Davids erster Frau? Und welche Geheimnisse hat David? Die ersten 40 Seiten sind aus der Sicht von Rachel als Ich-Erzählerin, ab dann tritt auch Davids Sicht in der dritten Person ans Licht – so wird geschickt mit den Sympathien des Lesers jongliert. Soweit positiv.
Die Auflösung lässt das Niveau stark abfallen:
Es spielt eine LANGE Botschaft eine Rolle, an ein beschlagenes Autofenster geschrieben –vermutlich ein Busfenster und von einem wirklich SEHR geduldigen Kind (S. 124).
David hat kaum Zeit für sein Kind - solches stößt oft Lesern auf, daher wohl lässt ihn der Autor das sehr episch bedauern. „Das war es, woran man sich auf dem Sterbebett erinnern würde.“ S. 108, schön rosarot, aber der Mann HATTE einen abwesenden Vater mit Alkoholproblemen und trinkt nun mehr als gelegentlich und schuftet sich selbst kaputt für – natürlich, den Erhalt eines alten Gemäuers.
Das ach so geliebte Kind leidet, darf aber nach Wunsch des Vaters mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit diesem – wegen etwas, bei dem der Geheimnisbedarf doch sehr fragwürdig erscheint – vor allem, da zumindest David zu Jamie doch ein-eindeutig steht.
David sieht in Rachel immer noch die Erlösung, als parallel seine Pläne recht anders laufen. Und der verstorbene Freund von David war schon ein spezieller Spaßvogel, der ausgerechnet diese beiden als Paar zusammenbrachte.
Und Nina – sie liebt so sehr, dass sie zu illegalen Handlungen bereit ist – und ist dann bindungsunfähig?
Einige der Grundkonzepte zu Vererbung und Elternbindung sind etwas…märchenhaft.
Fazit: Stark geschrieben und richtig gut auf dem Weg zum Höhepunkt (5 Sterne) – dann aber komplett verpuffend, da nicht nachvollziehbar abgesackt auf das konstruiert wirkende Niveau einer Vorabend-Privat-TV-Schmonzette. Schade.
Spoilergefahr: zum Geheimnis in der Vergangenheit: juristisch ist die vertragliche Handlung in Großbritannien sehr wohl erlaubt – allerdings darf keine Bezahlung erfolgen. Wozu also nach so vielen Jahren noch diese Geheimhaltung betrieben wird, wenn es doch einerseits kaum Quittungen geben dürfte, andererseits aus Behördensicht keine einleuchtende Gefährdung des Wohls des Betroffenen (zumindest vor dem ganzen Drama im Buch), leuchtet mir nicht ein.