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Abbas Khider
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Der Erinnerungsfälscher
Broschiertes Buch
»Abbas Khider beweist wieder einmal, dass er einer der besten deutschen Schriftsteller ist.« (Anna Prizkau, FAS) - SPIEGEL-Bestsellerautor
Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.…mehr
Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.…mehr
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Der Erinnerungsfälscher (eBook, ePUB)
eBook, ePUB
"Abbas Khider schreibt mit einer einzigartigen Mischung aus Gedankentiefe, genauer Beobachtung und Leichtigkeit." ARD ttt Said Al-Wahid hat seinen Reisepass überall dabei, auch wenn er in Berlin-Neukölln nur in den Supermarkt geht. Als er eines Tages die Nachricht erhält, seine Mutter liege im Sterben, reist er zum ersten Mal seit Jahren in das Land seiner Herkunft. Je näher er seiner in Bagdad verbliebenen Familie kommt, desto tiefer gehen die Erinnerungen zurück, an die Jahre des Ankommens in Deutschland, an die monatelange Flucht und schließlich an die Kindheit im Irak. Welche Erinnerungen fehlen, welche sind erfunden und welche verfälscht? Said weiß es nicht. Es ist seine Rettung bis heute. Eine Lebensgeschichte von enormer Wucht. In diesem bewegenden und poetischen Roman liegt der Klang eines ganzen Lebens.…mehr
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© Peter-Andreas Hassiepen
Abbas Khider
Khider, AbbasAbbas Khider wurde 1973 in Bagdad geboren. Mit 19 Jahren wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet. Nach der Entlassung floh er 1996 aus dem Irak und hielt sich als »illegaler« Flüchtling in verschiedenen Ländern auf, seit 2000 lebt er in Deutschland. 2008 erschien sein Debütroman Der falsche Inder, es folgten die Romane »Die Orangen des Präsidenten« (2011), »Brief in die Auberginenrepublik« (2013) und »Ohrfeige» (2016). Zuletzt wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis, dem Hilde-Domin-Preis und dem Adelbert-von-Chamisso-Preis geehrt. Abbas Khider lebt in Berlin.Kundenbewertungen
Palast der Miserablen
Shams Hussein wächst wohlbehütet in einfachen, bescheidenen Verhältnissen in einem Dorf im Irak auf.
Der Krieg mit dem Nachbarland Iran scheint in weiter Ferne, seine Familie kann einen normalen Alltag leben.
Als sein Vater verletzt und traumatisiert aus dem Krieg zurückkommt, beschließt die Familie nach Bagdad umzusiedeln, in der Hoffnung auf ein besseres Leben.
Aber sie finden keine Wohnung und sind deshalb gezwungen, eine Blechhütte nahe der Müllhalde, einem Slum, zu bauen.
Der Vater ergattert nur Gelegenheit-Jobs, so daß die ganze Familie, auch der kleine Shams mit arbeiten muß.
Trotz all dieser Widrigkeiten besuchen die Kinder eine Schule, seine Schwester absolviert anschließend eine Ausbildung und Shams selbst schafft unter erschwerten Umständen das Abitur und beginnt ein Studium.
Seine ganze Lebensfreude in dieser Zeit sind Bücher, die ihm aber noch zum Verhängnis werden sollen....
Der Roman erzählt das bewegende Leben des Shams Hussein in chronologischer Reihenfolge, seine Entwicklung als Kind, Jugendlicher und junger Erwachsener.
Dazwischen wird in immer kürzer werdenden Kapiteln das Leben eines politischen Gefangenen während der Ära Saddam Husseins geschildert.
Der Leser bekommt dadurch einen Einblick in die entsetzlichen Haftbedingungen und schrecklichen Verhörmethoden.
Zum Ende des Buchs erfährt man, obwohl schon vorhersehbar, um wen es sich bei dem Häftling handelt.
Mich persönlich haben die Charaktere der Familie Hussein stark beeindruckt.
Obwohl sie in einem Slumviertel in Bagdad leben, haben sie alle ihre Würde bewahrt und entwickeln durch ihren Familienzusammenhalt eine unwahrscheinliche Stärke.
Besonderst tragisch finde ich das Ende, daß gerade Bücher, die Shams so viel Positives in sein Leben gebracht haben, seinen Untergang bedeuten.
"Palast der Miserablen" ist ein gelungener Roman von Abbas Khidder, mit vielen autobiographischen Zügen, der ganz viele Denkanstöße bietet.
Palast der Miserablen
Ein Leben voller Entbehrungen im Irak
Der Junge Shams Hussein lebt mit seiner Schwester und seinen Eltern in einem kleinen Dorf im Südirak und bekommt dort die Auswirkungen des Saddam-Regimes bereits zu spüren. Nach einer gescheiterten Rebellion gegen den Diktator wird das Leben immer unerträglicher, so dass die Familie beschließt, alles aufzugeben und nach Bagdad zu ziehen, in der Hoffnung auf ein friedlicheres Leben. Doch sie kommen vom Regen in die Traufe, denn nachdem sie vorerst bei Bekannten unterkommen, was aber auf Dauer nicht in Frage kommt, bauen sie sich eine Blechhütte nahe der Müllkippe im 'Blechviertel'. Das Leben bleibt entbehrungsreich trotz ständiger Bemühungen der ganzen Familie, der Armut zu entkommen. Aber auch politisch wird die Lage immer bedrohlicher, und besonders Shams bekommt dies aus nächster Nähe mit. Er hat kaum Zeit für Hobbys, da er neben der Schule, die ihn vor dem Soldatwerden bewahren soll, auch ständig Geld verdienen muss. Sein einziger Lichtblick als junger Mensch sind Treffen mit literatur- und kunstbegeisterten jungen Leuten und die zahlreichen Bücher, die er verschlingt, um seiner eintönigen und grauen Welt zu entkommen. Die jungen Leute treffen sich im 'Palast der Miserablen', ein privater Salon, und hier bekommt Shams Einblicke politischer und kultureller Art, die vorher von ihm ferngehalten wurden und zu denen seine Familie keinen Zugang fand.
In einem zweiten Erzählstrang befindet sich ein Häftling zunächst in einer 6-Mann-Zelle unter schlimmsten Bedingungen, zieht dann um in eine Einzelzelle auf einer Krankenstation, wo es ihm zunächst relativ gut geht, da er genug zu essen bekommt, die Zelleneinrichtung komfortabler ist und er auch medizinisch behandelt wird, da er starke Beschwerden hat. Aber plötzlich fällt der Strom aus, die Versorgung wird reduziert und er vegetiert vor sich hin......
Das Buch hat mir tiefe Einblicke in das Leben im Irak unter Saddam gegeben, was ich mir so auch gewünscht hatte, so dass ich nach der Lektüre sehr zufrieden bin. Was für ein entbehrungsreiches Leben, und trotzdem immer wieder das ÜBERleben! In unserer westlichen Konsumgesellschaft kann man sich schwer vorstellen, welche beängstigenden und bedrohlichen Situationen ein Mensch durchstehen kann....für uns ist es unvorstellbar, unter solch ärmlichen Bedingungen und unter ständigem politischen Druck zu leben.
Die Atmosphäre des Buches ist niederdrückend und trotzdem keimt immer wieder Hoffnung auf, und in meinen Augen hat Abbas Khider dies in seinem Roman gut zum Ausdruck gebracht. Es war immer eine gewisse Spannung da, man fragte sich oft: wie geht es denn nun weiter? Auch im zweiten, deutlich knapperen Erzählstrang, war ich gespannt, was den Häftling als nächstes erwartet. Und am Ende schließt sich auch der Kreis der beiden Handlungsstränge.
Der Schreibstil ist flüssig und gut verständlich. Der Autor benutzt eine einfache Sprache, ohne Verschnörkelungen, was meiner Meinung nach aber gut zum Inhalt passt, denn auch das geschilderte Leben ist bescheiden, sogar armselig und auf jeden Fall schmucklos. Auch die grausamen Foltermethoden verdienen keine ausgeschmückte Sprache.
Shams Hussein ist mir sympathisch, denn er ist familienzugewandt, sensibel, ausdauernd, verantwortungsvoll und hilfsbereit, was unter den geschilderten Lebensumständen nicht selbstverständlich ist. Ganz besonders gefällt mir sein Mut, sich auch mal gegen die diktatorischen Gesellschaftsregeln zu stellen.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, es hat meine Erwartungen erfüllt und verdient aus meiner Sicht die volle Sternewertung.
Palast der Miserablen
Die Geschichte spielt zur Zeit Saddam Husseins. Hier wird ein Land porträtiert, dass noch immer nicht zur Ruhe gekommen ist. Ein Land, das von einem Krieg in den nächsten gerät. Die Familie von Shams flieht aus dem Süden des Iraks nach Bagdad. In der Hoffnung auf Sicherheit und ein besseres Leben. Die Enttäuschung lässt nicht lange auf sich warten. Hoffnungslosigkeit, Hunger, Armut, wenig Perspektive. Und doch schafft Shams es, sein Abitur zu erlangen. Entweder Schule oder Militär. Die Wahl fällt nicht schwer.
Abbas Khider war mir bislang unbekannt. Doch nun hat er einen Fan mehr. Natürlich hatte ich schon von Golfkrieg, Irak und Saddam Hussein gehört, doch was ich hier zu lesen bekam, hat mich doch erschreckt und sehr bewegt.
Auch wenn sein Roman fiktiv ist, beruht er doch auf autobiografischen Erlebnissen. Sein zuweilen aufkeimender Sarkasmus entlockte mir hin und wieder sogar ein Schmunzeln. Bei all der Gräuel muss man das wahrscheinlich auch.
Man muss immer aufpassen was man sagt, steht immer mit einem Bein im Gefängnis. Die Spitzel sind überall. Ein einziges Auf und Ab von Hoffnung und Angst. Erzählt wird das Ganze in zwei verschiedenen Handlungssträngen. Und das Ende des Romans ist einfach nur schockierend. Aber gelungen! Bravo!
Palast der Miserablen
Bewertung von yellowdog am 14.03.2020
Eine Jugend im Irak
Abbas Kider ist ein auf Deutsch schreibender Autor, der im Irak geboren wurde. Seine Romane haben mich stets berührt. Seine neues auch.
Palast der Miserablen ist meiner Meinung nach ein großer Wurf. Der Autor erzählt vom Aufwachsen und Leben im Irak.
Für die meisten von uns ist es eine fremde Welt. Dieses Buch erlaubt einen Einblick.
Zu so einer Jugend im Irak gehören auch die menschenfeindliche Diktatur eine Sadam Hussein und die Bomben des Bush.
Dann versucht die Familie von den Jungen Sham in Bagdad Fuß zu fassen. Das ist nicht einfach. Es wird auch ein gutes Portrait von Shams Vater und Mutter und seiner selbstbewussten Schwester.
Das Buch erzählt außerdem von leidvoller Gefangenschaft. Das sind düstere Abschnitte.
Die Handlung wechselt zwischen diesen beiden Eckpunkten.
Abbas Khider lässt sich Zeit beim Erzählen. Mit der Zeit entwickelt sich die Handlung und der Roman entfaltet sich. Man spürt, dass der Autor lange an dem Buch gearbeitet und alles gegeben hat.
Brief in die Auberginenrepublik
Salim ist ein ehemaliger Student, der wegen des Besitzes illegaler Bücher im Irak verhaftet wurde. Sein Onkel verhalf ihm zur Flucht aus dem Gefängnis und dem Land. Nach einigen Zwischenetappen ist er in Bengasi gestrandet und verdingt sich dort als Bauarbeiter, wie viele im Exil. Seit zwei Jahren hat er nichts mehr von seiner Familie gehört. Auf offiziellem Weg kann er wegen der Zensur keine Briefe in die Heimat schicken, da erfährt er zufällig von dem Netzwerk illegaler Briefboten. Er schreibt einen Brief an seine Geliebte Samia und übergibt ihn dem ersten Boten.
Der eigentliche Protagonist dieses Romans ist ein Brief, dessen abenteuerlichen Weg der Leser auf seiner Reise von Bengasi über Kairo und Amman bis hin nach Bagdad verfolgen kann. Jedes der 7 Kapitel ist der Person an dem Ort gewidmet, bei der sich der Brief gerade befindet. So lernt der Leser Menschen kennen, die dem Regime, wie der Absender, zum Opfer gefallen sind, aber auch die, die in dem Brieftransport eine Geschäftsidee sehen, mit der sie ihr Geld verdienen und dann gibt es noch die, die sich dem Regime unterworfen haben und für die Zensurbehörde arbeiten. Aber es gibt auch die Menschen, die vollkommen uneigennützig einem Heimatlosen einfach nur helfen wollen.
Man merkt diesem Roman an, dass sein Autor aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen konnte. Denn Parallelen zu dem Exil-Iraker Salim, dem Schreiber der des Briefes, sind kaum zu übersehen. Ob der Roman autobiografisch ist, lasse ich dahingestellt. Inspirationen fand Abbas Khider dazu in seiner eigenen Vergangenheit gewiss genügend. Gekonnt flicht er in seine Erzählung immer wieder Passagen ein, die über die Situation der im Exil lebenden Iraker und die politischen Gegebenheiten in deren Heimat Auskunft geben. Der Roman wirkt dadurch auf mich ungeheuer glaubhaft. Abbas Khider schreibt sehr wortgewaltig, mitunter auch sehr poetisch, nie nur bitterernst, vieles schmückt er mit einem Fünkchen Humor. Sehr gerne lese ich die richtig dicken Wälzer. Aber ein Autor wie Abbas Khider gibt mir dann wieder zu verstehen, es bedarf nicht der vielen Worte für einen wirklich guten Roman, auch 160 Seiten können einem eine ganz Welt nahe bringen, wenn man auch an manchem Ort gern etwas länger geblieben wäre.
Palast der Miserablen
Ein total schönes und tiefgründiges Buch, das die Geschichte von einer kleinen Familie im Irak erzählt, die um's überleben kämpft.
Abbas Khadir hat einen sehr angenehmen und flüssigen Schreibstil, wodurch man förmlich die einzelnen Seiten verschlungen hat.
Die Charaktere waren allesamt unglaublich realistisch und ich konnte mich in jede einzelnen Charakter hineinversetzen.
Ein Buch, was zum Nachdenken anregt! Wir müssen den Frieden waren, die Alternative wäre fatal.
Kein Mensch ist schuld am Wahnsinn manch anderer... doch meistens sind es immer die Unschuldigen, die der Abgrund aufsaugt, die ihre Familien verlieren, deren komplettes Leben zerstört wird.
Gerade in der momentanen Situation ist Aufklärung, Bildung, gegenseitiges Respektieren, Tolerieren und Akzeptieren von immenser Bedeutung.
Eine weltoffene, tolerante Gesellschaft ist hundertmal wertvoller und harmonischer als eine in sich gekehrte homogene Struktur.
Ohrfeige
Nachdem mich vor einigen Jahren „Die Orangen des Präsidenten“ von Abbas Khider sehr bewegt hat, lag sein Roman „Ohrfeige“ seit langem auf meinem SuB. Nun habe ich ihn endlich davon befreit.
Die Ohrfeige erhält die Mitarbeiterin einer Ausländerbehörde von Karim, einem abgelehnten Asylbewerber und dieser erzählt ihr auch, warum sie diese verdient habe. Er beginnt mit seiner Flucht aus dem Irak über viele Staaten bis nach Deutschland, wo für ihn der fragwürdige Asylmarathon beginnt und durch den Sturz Saddam Husseins und der deshalb folgenden Ablehnung jäh beendet wird.
Und genau das ist die Kernaussage dieses Buchs: Der Weg eines Flüchtlings in ein normales Leben in Deutschland ist eine Farce. Khider beschreibt die teilweise sehr irrsinnigen Vorschriften und Gesetze im Asylverfahren, das Leben in Langeweile und Tristesse, ohne Aufgabe, ohne Arbeit, die nichtexistierende Möglichkeit, sich in die Gesellschaft einzubringen, die Ausgrenzung von Flüchtlingen, Asylbewerbern u. ä.
Die Ohrfeige trifft damit auch uns. Ja, wir müssen uns auch an die eigene Nase fassen und unseren Umgang mit geflüchteten Menschen überdenken. Wenn ich angesichts der jüngsten Geschehnisse in Afghanistan sehe, was manche Leute fordern, dann wird mir schlecht. Und auch wenn viele sich dafür aussprechen, mehr Menschen aufzunehmen, wollen doch die meisten keine Flüchtlingsunterkunft in der Nachbarschaft. Allen voran sehe ich aber die Politik in der Pflicht, die Integration zu ermöglichen, was mit den momentan bestehenden Verfahren und Richtlinien definitiv nicht geschieht.
Auch wenn mich das Buch nicht ganz packen konnte, ist es dennoch sehr lesenswert und aktueller denn je. Hoffentlich bringt die neue Regierung Änderungen voran.
Palast der Miserablen
Dieser Roman ist toll. Dieser Roman reißt einen mit. Dieser Roman ist langweilig. Ich glaube, ich war bei einem Buch schon lange nicht mehr so hin und her gerissen. Die Geschichte bietet so ein großartiges und mitreißendes Abbild über das Leben zwischen Hoffnung nach Frieden, Unterdrückung, Zusammenhalt, Angst. Khider lässt den Leser durch seine sehr nahbaren Figuren zu einer Art Augenzeugen der Kriminalität, des Widerstands, des versuchten Lebens zwischen Wirtschaftsembargo und erhoffter Freiheit werden. Die Geschichte der Familie visualisiert den wirtschaftlichen Abstieg durch den Krieg und die ständigen Unruhen im Land, aber eben auch die Tatkraft und den Willen der Menschen sich unter den gegebenen Umständen eine bessere Zukunft aufzubauen. Khider porträtiert die einzelnen Familienmitglieder teilweise sehr intensiv, arbeitet beinahe für jeden einzelne Charakterzüge aus und lässt ihre Geschichte gerade dadurch so wahnsinnig lebendig werden. Zumindest diesen Teil der Geschichte. Der Roman beginnt nämlich an einem ganz anderen Ort. Ein Häftling erzählt von seinen Fluchtgedanken, vom Leben in seiner Gefängniszelle. Immer wieder durchbricht eben jener die doch recht spannende Geschichte über Shams Familie mit einzelnen Details zu seiner Gefangenschaft, seinen Schmerzen oder gar Beulen am Gesäß. Man weiß, dass irgendetwas geschehen sein muss, das den Protagonisten der Geschichte in die Zelle gebracht hat und so wartet man dann tatsächlich recht lange auf die Erklärung. Beinahe wirkte es dann für mich so, als wenn Khider gegen Ende des Romans noch schnell etwas Spannung aufbauen und die Verknüpfung mit den Gefangenschaftsabschnitten herstellen will. Ich persönlich hätte diese kurzen Kapitel auch nicht wirklich gebraucht, da sie in dieser Form (wenn überhaupt) nur einen kleinen Mehrwert bieten. Ähnlich erging es mir dann auch, als Khider den Fokus auf Shams Pubertät lenkt, sich auf ihn fokussiert und die ganze Familiensituation, die ich gerade in der ersten Hälfte so faszinierend und toll fand, beinahe vernachlässigt. Shams wird älter, ‘entdeckt’ das weibliche Geschlecht, geht in der Literatur förmlich auf, schreibt eigene Texte, trifft sich mit anderen und unterhält sich mit ihnen über einzelne literarische Texte und die Welt. An diesen Stellen habe ich mich dann oft gefragt, was denn nun mit seiner Schwester ist oder der Mutter und was der Vater gerade anstellen mag. Einige Seiten später weitet Khider seinen Blick wieder, aber vorher habe ich’s gänzlich vermisst und wurde mit anderen Informationen, der Literatur und anderen Charakteren ‘versorgt’. Und ja, diese zweite Hälfte war einfach nicht meins, ich mag keine Bücher in denen davon erzählt wird, wie Menschen Literatur vortragen oder wenn zahlreiche Charakter ausführlich vorgestellt werden, die bereits nach kurzer Zeit nicht mehr auftauchen. Khider hat für mich den Fokus verloren und wollte unbedingt noch von anderen Sachen erzählen und das fand ich in dieser Form irgendwie fehl am Platz. Ehrlich gesagt habe ich auch nicht erwartet, dass der “Palast der Miserablen” ein Name für einen Literaturclub darstellt und unter der Betrachtung, dass dieser Roman von dem ‘Palast’ handelt, ist gerade dieser Abschnitt dann doch recht kurz.
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Palast der Miserablen
Shams Hussein wohnt mit seinen Eltern und der älteren Schwester Qamer im Süden des Irak. Auch wenn jahrelang Krieg mit dem Nachbarn Iran herrscht, bekommen sie davon nicht viel mit; ihr kleines Dorf liegt zwar nahe der Grenze, bleibt aber von den Kriegshandlungen verschont. Auch Shams Vater hat es als Soldat gut getroffen, kann er doch täglich bei der Familie übernachten. Als die Zeiten schlechter werden, beschließt die Familie nach Bagdad zu ziehen. Sie kommen zunächst bei Verwandten unter, bevor sie sich aus dem, was andere weggeworfen haben, eine Hütte auf der Mülldeponie eröffnen. Das neu entstehende Blechviertel floriert und Shams kann auch wieder zur Schule gehen. Durch seinen Cousin entdeckt er als Jugendlicher die Literatur und die Gefahr, die von dieser ausgeht. Worte können schlimmer sein als Taten und werden ebenso hart bestraft.
Von Abbas Khider kenne ich bislang erst zwei autobiografische Bücher, „Der falsche Inder“, das seine Flucht nach Deutschland thematisiert und „Deutsch für alle“, in dem er seine Ankunft in der neuen Heimat und die Schwierigkeiten mit unserer Sprache amüsant in Anekdoten beschreibt. Mit „Palast der Miserablen“ kehrt er in seine Heimat zurück und zeigt das Land im Dauerkrieg aus der Perspektive eines Jungen, der das große Ganze nicht überblicken kann und so aus den einzelnen Mosaiksteinchen einen Sinn für sich konstruieren muss. Die Welt jenseits der Grenze seines Landes ist ihm fremd, doch plötzlich tun sich Türen auf und völlig neue Möglichkeiten scheinen sich zu eröffnen.
Es ist schwer, diesen Roman zu fassen zu bekommen. Es beginnt in langsamem Tempo, das zum Alter des Jungen Shams passt. Die Beschreibungen lassen das Leben in der abgeschiedenen Region vor dem inneren Auge erscheinen, man kann sich kaum vorstellen, dass dies die 80er Jahre gewesen sein sollen. Auch die Ankunft in Saddam City ist geradezu unwirklich aus europäischer Perspektive, aber gerade deshalb sehr spannend zu lesen. Das Leben und die Gesellschaft folgen gänzlich anderen Regeln als unser Alltag, trotz der Härte hat man jedoch nicht den Eindruck als wenn die Menschen daran verzweifeln würden. Sie haben sich arrangiert mit der Situation der Entbehrungen und der Diktatur.
Leider viel zu kurz kommen Shams literarische Initiierung und seine Treffen im „Palast der Miserablen“. Die Rolle der Literatur, auch gerade der Exilliteraten und die Unterwanderung des Regimes durch den heimlichen Verkauf von Büchern, das Erzählen von mehrdeutigen Geschichten – davon hätte ich gerne noch viel mehr gelesen. Schnell jedoch geht diese Episode zu Ende, brutal die Folter, kaum zu ertragen, auch wenn sich dies durch die Einschübe aus der Arrestzelle angekündigt hatte.
Abbas Khider steht in gewisser Weise in der Tradition der orientalischen Geschichtenerzähler. Vieles erinnert mich auch an Rafik Schami, der ebenfalls in Deutschland Zuflucht gefunden hat und doch mit seinen Romanen immer wieder nach Syrien zurückkehrt. Beide sind hervorragende Erzähler, bei denen man den Schmerz um den Verlust der Heimat in jeder Zeile spüren kann. Für mich hätte das Thema und vor allem der Protagonist des „Palast der Miserablen“ noch mehr Potenzial gehabt, das Ende kam mir zu abrupt, noch nicht alles Erzählenswerte erschien mir erzählt.
Palast der Miserablen
Bewertung von gaensebluemche am 09.04.2020
Abbas Khider erzählt die Geschichte eines Irakers, eines ganzen Dorfes, eines ganzen Landes. Für mich sind die Grenzen verschwommen, da der Ich-Erzähler so intensiv und lebendig erzählt, dass ich mich oft gefragt habe, wie viel von dem Autor selbst in ihm steckt. Viele Emotionen wurden in mir wachgerüttelt. Über den Großvater des Ich-Erzählers konnte ich schmunzeln, andere Szenen haben mich schockiert, erschreckt und auch ein wenig abgestoßen. Der Autor schreibt direkt, verschönert nichts, schmückt nichts aus, dichtet nichts hinzu. Es ist fast ein Tatsachenbericht, eine Biographie. Und für mich war sie vor allem ein Einblick in ein Land und in eine Zeit, über das und über die ich noch nicht allzu viel wusste.
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