Sasha Filipenko
Audio-CD
Rote Kreuze
300 Min.. Lesung. Ungekürzte Ausgabe
Übersetzung: Altenhofer, Ruth;Gesprochen: Stadlober, Robert
Nicht lieferbar
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Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzweigerissen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.
Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satireshow und als Fernsehmoderator. Sein Roman 'Die Jagd' war ein 'Spiegel'-Bestseller. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fußballfan und wohnte bis 2020 in St. Petersburg. Er musste mit seiner Familie Russland verlassen und lebt in der Schweiz.
Produktdetails
- Verlag: Diogenes
- Gesamtlaufzeit: 300 Min.
- Erscheinungstermin: 2. März 2020
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783257804164
- Artikelnr.: 58122510
Herstellerkennzeichnung
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Gnadenlose Geschichte
Sasha Filipenkos Roman "Rote Kreuze"
Minsk zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Zwei Menschen begegnen sich auf dem Hausflur eines Mietshauses: der dreißigjährige Alexander, der gerade neu einzieht, und seine Nachbarin Tatjana, über neunzig Jahre alt und von den Anfängen der Alzheimer-Krankheit erfasst. Der junge Mann wehrt sich zunächst gegen die Aufdringlichkeit seiner Mitmieterin, aber dann wird er doch in die persönliche und politische Geschichte der Sowjetunion im 20. Jahrhundert hineingezogen.
"Man darf kein neues Leben anfangen und dabei das alte vergessen" heißt es programmatisch im Roman. Der weißrussische Autor Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, schreibt auf Russisch und
Sasha Filipenkos Roman "Rote Kreuze"
Minsk zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Zwei Menschen begegnen sich auf dem Hausflur eines Mietshauses: der dreißigjährige Alexander, der gerade neu einzieht, und seine Nachbarin Tatjana, über neunzig Jahre alt und von den Anfängen der Alzheimer-Krankheit erfasst. Der junge Mann wehrt sich zunächst gegen die Aufdringlichkeit seiner Mitmieterin, aber dann wird er doch in die persönliche und politische Geschichte der Sowjetunion im 20. Jahrhundert hineingezogen.
"Man darf kein neues Leben anfangen und dabei das alte vergessen" heißt es programmatisch im Roman. Der weißrussische Autor Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, schreibt auf Russisch und
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lebt heute mit seiner Familie in Sankt Petersburg. Die Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch zollt ihm gewichtiges Lob: "Wenn Sie wissen wollen, was das moderne, junge Russland denkt, lesen Sie Filipenko." Vier Romane des Autors sind bisher erschienen, nun ist der erste aus dem Jahr 2017 von Ruth Altenhofer in eindringlicher und klarer Sprache ins Deutsche übertragen worden.
Die alte Dame Tatjana erzählt dem jungen Alexander ihre Lebensgeschichte, die sich wie eine Blaupause auf die Geschichte der Verfolgten im sowjetischen Russland liest. Woran die Menschenrechtsorganisation ,Memorial' seit über dreißig Jahren arbeitet, die Unterdrückungsgeschichte des Landes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und eine Erinnerungskultur zu pflegen, das ist auch das Thema dieses ungewöhnlichen Dialogs oder besser gesagt Monologs einer Gezeichneten, die den Jungen erzählen will, welche Stempel das Leben ihrer Generation aufgedrückt hat. Ausgangspunkt ist eine Geschichte, auf die der Autor durch Zufall durch einen Archivar aufmerksam gemacht wurde: Briefe des Genfer Roten Kreuzes während des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion, in denen das Menschenrechtskomitee versucht, Gefangenenlisten mit Moskau auszutauschen, um die Schicksale der Kriegsgefangenen zu erleichtern. Moskau antwortet nicht, verweigert jede Auskunft. Außenminister Molotow ist zu keinerlei Kompromiss oder Erleichterung der Häftlingsbedingungen bereit.
Diese Dokumente findet der Autor nicht in Moskau, wo solche Papiere seit Wladimir Putin längst wieder unter Verschluss sind, sondern in Genf, wo das damalige Rote Kreuz von jeder Korrespondenz eine Art Protokoll der Moskauer Reaktionen auf jedes nach Moskau geschickte Dokument angelegt hat. Dieses Material war der Ausgangspunkt für Filipenkos Roman über den Umgang mit der Vergangenheit und das Nachdenken, warum so viele Schicksale zerstört worden sind.
Die Romanfigur Tatjana wird während des Krieges Sekretärin beim Außenministerium und bearbeitet in dieser Funktion die Genfer Gefangenenlisten. Auf einer dieser Listen aus Rumänien steht auch der Name ihres Mannes. Da in der Sowjetunion alle russischen Kriegsgefangenen als Verräter gelten, löscht sie den Namen ihres Gatten und wiederholt den Namen des Gefangenen, der davor auf der Liste steht. Tatjana weiß wohl, welche Konsequenzen diese Fälschung zur Folge haben wird; sie wartet darauf, dass sie festgenommen wird, es passiert nichts. Erst nach Ende des Kriegs wird sie inhaftiert und muss zehn Jahre im Lager einsitzen. Das Denken an ihre Tochter, der sie entrissen wurde, als diese neun Jahre alt war, hält sie am Leben. Als Tatjana schließlich entlassen wird und sich auf die Suche nach ihrer Tochter macht, erfährt sie, dass bereits 1946, ein Jahr nach ihrer Inhaftierung, die Tochter im Lager verhungert ist.
Die Geschichte kennt keine Gnade. Bei ihren Recherchen erfährt sie auch, warum und wie ihr Mann als gefangener Soldat von den Sowjets ums Leben gebracht wurde. Auf der Suche nach ihm kommt Tatjana zweimal durch eine Kleinstadt in der Nähe von Perm, auf dem Marktplatz steht eine ramponierte Stalinstatue mit einem proportional viel zu kleinen Kopf - eine bittere Satire auf den großen Diktator. Ein Einheimischer erklärt, sie hätten keinen anderen Ersatzkopf bekommen, also mussten sie mit der Miniatur vorlieb nehmen. Beim nächsten Mal trägt die Statue einen viel zu großen Kopf, jetzt ist Stalin aufgeblasen wie eh und je.
Geschickt verknüpft der Autor die fiktive Geschichte mit den Originaldokumenten und transponiert das Geschehen in die Gegenwart. Zwei Menschen kommen sich über die Vergangenheit näher; sie werden immer vertrauter miteinander. Die Schicksale so vieler Hingerichteter und in den Tod Getriebener verknüpft das Leben der unterschiedlichen Generationen.
Das rote Kreuz symbolisiert Tatjanas Geschichte mehrfach. Zuerst taucht es auf, ins Holz des nachbarlichen Türrahmens gekratzt. Die alte Dame erklärt, das habe sie angebracht, damit sie nicht vergesse, wo sie wohne. Dann taucht in ihrem Lebensbericht das Genfer Rote Kreuz auf, das sie auf die Fährte ihres verschollenen Mannes bringt. Wie ein Menetekel steht mitten auf einem Feld im Niemandsland ein Kreuz, windschief aus verrosteten Rohren gebastelt, der Wind pfeift durch das Gestänge: "Das Kreuz sang von Vergangenheit und Zukunft, von Tod und Verzweiflung, von Erinnerung und Versöhnung." Eine Wegmarke durch die wilden Pfade einer Existenz in der Diktatur. Ein Jahr nach Tatjanas Tod lässt Alexander einen roten Granitstein fertigen und bittet den Bildhauer um folgende Inschrift: "Geht mir bitte nicht auf den Geist" - das waren Tatjanas letzte Worte vor ihrem Tod, ein lakonischer, bitter-ironischer Abschied. Sie wollte kein Mitleid.
LERKE VON SAALFELD
Sasha Filipenko: "Rote Kreuze". Roman.
Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer. Diogenes Verlag, Zürich 2020. 288 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die alte Dame Tatjana erzählt dem jungen Alexander ihre Lebensgeschichte, die sich wie eine Blaupause auf die Geschichte der Verfolgten im sowjetischen Russland liest. Woran die Menschenrechtsorganisation ,Memorial' seit über dreißig Jahren arbeitet, die Unterdrückungsgeschichte des Landes nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und eine Erinnerungskultur zu pflegen, das ist auch das Thema dieses ungewöhnlichen Dialogs oder besser gesagt Monologs einer Gezeichneten, die den Jungen erzählen will, welche Stempel das Leben ihrer Generation aufgedrückt hat. Ausgangspunkt ist eine Geschichte, auf die der Autor durch Zufall durch einen Archivar aufmerksam gemacht wurde: Briefe des Genfer Roten Kreuzes während des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion, in denen das Menschenrechtskomitee versucht, Gefangenenlisten mit Moskau auszutauschen, um die Schicksale der Kriegsgefangenen zu erleichtern. Moskau antwortet nicht, verweigert jede Auskunft. Außenminister Molotow ist zu keinerlei Kompromiss oder Erleichterung der Häftlingsbedingungen bereit.
Diese Dokumente findet der Autor nicht in Moskau, wo solche Papiere seit Wladimir Putin längst wieder unter Verschluss sind, sondern in Genf, wo das damalige Rote Kreuz von jeder Korrespondenz eine Art Protokoll der Moskauer Reaktionen auf jedes nach Moskau geschickte Dokument angelegt hat. Dieses Material war der Ausgangspunkt für Filipenkos Roman über den Umgang mit der Vergangenheit und das Nachdenken, warum so viele Schicksale zerstört worden sind.
Die Romanfigur Tatjana wird während des Krieges Sekretärin beim Außenministerium und bearbeitet in dieser Funktion die Genfer Gefangenenlisten. Auf einer dieser Listen aus Rumänien steht auch der Name ihres Mannes. Da in der Sowjetunion alle russischen Kriegsgefangenen als Verräter gelten, löscht sie den Namen ihres Gatten und wiederholt den Namen des Gefangenen, der davor auf der Liste steht. Tatjana weiß wohl, welche Konsequenzen diese Fälschung zur Folge haben wird; sie wartet darauf, dass sie festgenommen wird, es passiert nichts. Erst nach Ende des Kriegs wird sie inhaftiert und muss zehn Jahre im Lager einsitzen. Das Denken an ihre Tochter, der sie entrissen wurde, als diese neun Jahre alt war, hält sie am Leben. Als Tatjana schließlich entlassen wird und sich auf die Suche nach ihrer Tochter macht, erfährt sie, dass bereits 1946, ein Jahr nach ihrer Inhaftierung, die Tochter im Lager verhungert ist.
Die Geschichte kennt keine Gnade. Bei ihren Recherchen erfährt sie auch, warum und wie ihr Mann als gefangener Soldat von den Sowjets ums Leben gebracht wurde. Auf der Suche nach ihm kommt Tatjana zweimal durch eine Kleinstadt in der Nähe von Perm, auf dem Marktplatz steht eine ramponierte Stalinstatue mit einem proportional viel zu kleinen Kopf - eine bittere Satire auf den großen Diktator. Ein Einheimischer erklärt, sie hätten keinen anderen Ersatzkopf bekommen, also mussten sie mit der Miniatur vorlieb nehmen. Beim nächsten Mal trägt die Statue einen viel zu großen Kopf, jetzt ist Stalin aufgeblasen wie eh und je.
Geschickt verknüpft der Autor die fiktive Geschichte mit den Originaldokumenten und transponiert das Geschehen in die Gegenwart. Zwei Menschen kommen sich über die Vergangenheit näher; sie werden immer vertrauter miteinander. Die Schicksale so vieler Hingerichteter und in den Tod Getriebener verknüpft das Leben der unterschiedlichen Generationen.
Das rote Kreuz symbolisiert Tatjanas Geschichte mehrfach. Zuerst taucht es auf, ins Holz des nachbarlichen Türrahmens gekratzt. Die alte Dame erklärt, das habe sie angebracht, damit sie nicht vergesse, wo sie wohne. Dann taucht in ihrem Lebensbericht das Genfer Rote Kreuz auf, das sie auf die Fährte ihres verschollenen Mannes bringt. Wie ein Menetekel steht mitten auf einem Feld im Niemandsland ein Kreuz, windschief aus verrosteten Rohren gebastelt, der Wind pfeift durch das Gestänge: "Das Kreuz sang von Vergangenheit und Zukunft, von Tod und Verzweiflung, von Erinnerung und Versöhnung." Eine Wegmarke durch die wilden Pfade einer Existenz in der Diktatur. Ein Jahr nach Tatjanas Tod lässt Alexander einen roten Granitstein fertigen und bittet den Bildhauer um folgende Inschrift: "Geht mir bitte nicht auf den Geist" - das waren Tatjanas letzte Worte vor ihrem Tod, ein lakonischer, bitter-ironischer Abschied. Sie wollte kein Mitleid.
LERKE VON SAALFELD
Sasha Filipenko: "Rote Kreuze". Roman.
Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer. Diogenes Verlag, Zürich 2020. 288 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensent Marko Martin hält dieses Buch für "unverzichtbar": Die Geschichte über die 90-jährige Tatjana Alexejewna, die ihre grausamen Erfahrungen im Stalinismus mit ihrem jungen Nachbarn Alexander teilt, vermittelt in seinen Augen auf nur 280 Seiten sehr gut, was heute von vielen als zu komplex abgetan wird: Die menschenverachtenden Praktiken unter Stalin und ihre bis heute andauernden Folgen. Ein gleichermaßen schockierendes und wertvolles Buch, schließt Martin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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In einem Mietshaus in Minsk treffen der junge Alexander und die über neunzigjährige Tatjana Alexejewna aufeinander. Die alte Dame hat ein rotes Kreuz auf seine Tür gemalt, mit Hilfe dessen sie sich im Haus orientiert. Tatjana Alexejewna hat Alzheimer und möchte ihrem Nachbarn …
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In einem Mietshaus in Minsk treffen der junge Alexander und die über neunzigjährige Tatjana Alexejewna aufeinander. Die alte Dame hat ein rotes Kreuz auf seine Tür gemalt, mit Hilfe dessen sie sich im Haus orientiert. Tatjana Alexejewna hat Alzheimer und möchte ihrem Nachbarn ihre Geschichte erzählen, solange sie sich noch an diese erinnern kann.
Alexander, Vater einer kleinen Tochter, folgt seiner Nachbarin zunächst widerwillig in deren Wohnung, hört ihr dann aber doch mit zunehmendem Interesse zu, während diese ihm die unsagbaren Schrecken schildert, die ihr unter Stalin widerfahren sind.
Doch auch Alexander hat eine Vorgeschichte, die er Tatjana Alexejewna allmählich offenbart...
Der Autor Sasha Filipenko ist ein umtriebiger Mensch. Er arbeitete bereits als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satire-Show und als Fernsehmoderator. Nun liegt mit "Rote Kreuze" der erste von vier Romanen erstmals auch auf deutsch vor und ich habe mich gefragt, warum ich mit dieser Geschichte, die so vielversprechend begann, eigentlich nicht warm geworden bin.
Vielleicht liegt es ja gerade an dieser Vielseitigkeit des Autors, dem es meiner Meinung nach nicht so recht gelingt, seine Figuren mit echten Gefühlen auszustatten. Ich konnte mich in die Personen nicht einfühlen, zu stark die Distanz und der Anspruch des Autors, die recherchierten historischen Dokumente lückenlos in die Geschichte einzufügen. Briefe und Telegramme lesen sich in etwa so spannend wie eine x-beliebige Gebrauchsanweisung, weshalb ich sie auch einfach überlesen habe.
Alles in allem fand ich die Geschichte um Tatjana Alexejewna gelungener als die um ihren Nachbarn Alexander, doch obwohl das Thema "Leben unter Stalin" eigentlich sehr interessant und zweifellos wichtig ist, hat mich die Geschichte nicht berühren können. Ich glaube, um ein richtig guter Schriftsteller zu sein, braucht es eben doch etwas mehr als nur eine "gute story".
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Gegen das Vergessen und ein Gedenken für die Opfer!
Es gibt einige russische Autoren, die mich durch die schiere Seitenzahlen erschlagen, gut und gerne werde da mehr als 1000 Seiten gefüllt. Nun kommt Sasha Filipenkos Roman „Rote Kreuze“ (im Original: „Krasny …
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Gegen das Vergessen und ein Gedenken für die Opfer!
Es gibt einige russische Autoren, die mich durch die schiere Seitenzahlen erschlagen, gut und gerne werde da mehr als 1000 Seiten gefüllt. Nun kommt Sasha Filipenkos Roman „Rote Kreuze“ (im Original: „Krasny Krest“/2017) auf Deutsch im Verlagshaus Diogenes raus und siehe da: Exzellent geht auch auf rund 280 Seiten!
Dieser Roman erzählt die Lebensgeschichte der über 90jährigen Tajana Alexejewna, die an Alzheimer erkrankt ist. Sie erzählt ihre Geschichte dem neunen jungen Nachbarn Alexander, der soeben nach Minsk zog, weil er seine Frau verlor und ein Baby bekam. Die beiden nähern sich auf ihre Weise an. Der Kern des Romans ist das grausame Sowjetregime und wie sie mit dem eigenen Volk nach Kriegsende umgegangen sind. Ein perfides Regime -dieser Roman erhebt die Stimme für viele die es nicht mehr können. Mit voller Wucht, aber ohne Pathos, wird einem am Einzelschicksal deutlich gemacht was für eine Maschinerie der Absurdität die Sowjetunion war.
Der Roman ist sprachlich toll geschrieben und durchzogen mit vereinzelten Gedichten. Hier zwei Zitate, die den Ton des Romans wunderbar wiedergeben: “Genau wie die Sowjetunion war ich in meiner Hässlichkeit stabil.” (S. 38) oder auch „Alle hatten es schwer, aber wir gewöhnten uns daran, weil die Tragödie zur Norm geworden war.“ (S. 69)
Bisher sind vier Romanen von Sasha Filipenko erschienen. Dies ist der erstes ins Deutsche übersetzte und das sehr hervorragend von Ruth Altenhofer. Ich hoffe nun das die anderen 3 auch in Kürze im Diogenes Verlag erscheinen für den deutschsprachigen Raum.
Fazit: Für alle die sich kritisch mit der Sowjetunion in literarischer Form auseinandersetzen wollen.
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So hat Alexander sich den Einzug in seine neue Wohnung nicht vorgestellt. Nach dem Tod seiner Frau und der ungewöhnlichen Geburt seiner Tochter wollte er nur noch alleine sein und zurückgezogen leben. Nun aber entdeckt er rote Kreuze an seiner Wohnungstür, die er entfernen will und …
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So hat Alexander sich den Einzug in seine neue Wohnung nicht vorgestellt. Nach dem Tod seiner Frau und der ungewöhnlichen Geburt seiner Tochter wollte er nur noch alleine sein und zurückgezogen leben. Nun aber entdeckt er rote Kreuze an seiner Wohnungstür, die er entfernen will und damit den Unmut seiner Nachbarin auf sich zieht. Sie leidet an einer beginnenden Demenz und braucht die roten Kreuze als Wegweiser, um wieder in ihre Wohnung zu finden. Nach dieser Erklärung nimmt sie Alexander mit in ihre Wohnung und beginnt, ihm aus ihrem Leben zu erzählen. Tatjana Alexejewena ist über neunzig Jahre alt und hat ein leidvolles Leben unter der russischen Machtherrschaft hinter sich. Ihr Mann kam in in Straflager und ihre kleine Tochter wurde ihr weggenommen. Auch sie selbst kam später in ein Straflager, ohne daß man ihr hätte etwas vorwerfen können. Ihren Mann und ihre Tochter hat sie nie wiedergesehen. Nach und nach nähern Alexander und Tatjana sich an und in immer wieder neuen Gesprächen erzählen sie einander von ihrer Trauer und ihrem Schmerz.
Ich empfinde ein tiefes Mitgefühl mit Alexander, der den Mittelpunkt seines Lebens verloren hat, aber er ist jung und vielleicht gelingt es ihm, sich ein neues Leben aufzubauen. Mit Tajana möchte ich weinen. Sie ist eine alte Frau, der nach und nach die Erinnerungen verloren gehen. Eine Hoffnung auf eine Wendung zum Guten besteht in ihrem Leben nicht mehr. Sie mußte die ganze Härte der russischen Gewaltherrschaft erleben und mit ansehen, wie ihre kleine Tochter auf einen Lastwagen verladen wurde und sie sie nie mehr wiedersah. Wie hält ein Mensch das aus?
Der Autor schreibt in seinem Buch über ein düsteres Kapitel der russischen Geschichte, in der die Menschen in ständiger Angst vor Verfolgung, Verhaftung und Abschiebung in ein Strafgefangenenlager lebten. Dies ist ein wichtiges und gut geschriebenes Buch gegen das Vergessen russischer Gewaltherrschaft, aber auch ein Buch über die Freundschaft zweier Menschen, die sich viel zu erzählen haben.
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Während Deutschland wieder einmal vom rechten Terror überzogen wird und die rechtsradikalen Brandstifter-Ideen, die dieses Land schon einmal in den Abgrund getrieben haben, es sogar wieder in die Parlamente geschafft haben, muss auch in anderen Ländern leider wieder einmal gegen das …
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Während Deutschland wieder einmal vom rechten Terror überzogen wird und die rechtsradikalen Brandstifter-Ideen, die dieses Land schon einmal in den Abgrund getrieben haben, es sogar wieder in die Parlamente geschafft haben, muss auch in anderen Ländern leider wieder einmal gegen das Vergessen angeschrieben werden … Das scheint zumindest ein wichtiger Beweggrund Filipenkos zu sein, wie in dem Interview im hinteren Teil des Buchs zu erfahren ist.
Dabei steht in diesem Roman, der in mir einen Sturm der Gefühle ausgelöst hat, keineswegs nur Stalins Terrorherrschaft im Mittelpunkt, auch wenn sie und ihre Folgen zwangsläufig den größten und grauenvollsten Eindruck hinterlassen. Es geht vielmehr um eine Begegnung zwischen zwei Menschen verschiedener Generationen, die in ihrem Leben auf unterschiedliche Weise sehr großes Leid erfahren mussten, und – so interpretiere ich diesen Roman – um das Überleben und das Weiterleben, trotz all des Schrecklichen.
Durch die Geschichte der einundneunzigjährigen Tatjana, die mit ihrem Galgenhumor und ihrer Selbstironie schnell einen Platz in meinem Herzen fand, wird ein düsterer Blick auf die russische Geschichte geworfen und ich erfuhr auch von einem für mich neuen, so völlig absurden wie grausamen Aspekt des Zweiten Weltkriegs – der Haltung der russischen Regierung gegenüber den eigenen Soldaten, die das „Verbrechen“ begangen hatten, in Kriegsgefangenschaft zu geraten, und ihren Familien, die für dieses „Verbrechen“ gleich mitbestraft wurden.
Der junge Alexander war mir aufgrund all seiner Vorurteile, mit denen er Tatjana zunächst (und generell seinem Stiefvater Grischa) begegnet, weniger sympathisch. Allerdings steht er auch unter einem enormen Druck – er ringt mit Trauer und Verlust und muss doch bald eine wichtige Verantwortung übernehmen … Sicher ist es kein Zufall, dass er denselben Vornamen wie der Autor trägt (Sascha/Sasha ist eine Kurzform von Alexander) und wie der Autor ein Fußballfan ist, umso mehr beeindruckt mich, dass Filipenko Tatjana so weise darstellt, während Alexander ein paar Ecken und Kanten mehr hat.
Ich hätte mir noch etwas mehr Einblick in die Freundschaft der beiden gewünscht, aber natürlich ist leider von Anfang an klar, dass Tatjana, die an Alzheimer erkrankt ist, immer mehr verschwindet und ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt …
Sehr gekonnt fand ich in der Erzählung Tatjanas die Darstellung des Drucks, der auf Menschen lastet, die in einem Terrorregime leben. Auch wird gut vermittelt, wie problematisch es ist, wenn das Individuum, wenn Einzelschicksale nicht zählen. Und dieser Gedanke, dass Tatjana Alexejewna sogar für sehr viele Einzelschicksale steht, macht mich über alle Maßen traurig.
Meine anfänglich große Begeisterung für diesen Roman wurde allerdings durch die einseitige, karikaturistische Darstellung von Saschas Stiefvaters Grischa, der Stalins Taten verharmlost oder schlicht leugnet, gebremst. Sicher, solche Verharmlosungen sind unerträglich und lassen auch meinen Blutdruck in die Höhe schnellen. Aber Grischa wird nur von außen betrachtet und verurteilt, das ist für einen Schriftsteller ein bisschen schwach.
Verständlicher, aber mir zu weit gehend fand ich die Verurteilung eines besonders grausamen Vertreters des Regimes („dass dieses ganze System, diese riesige Maschinerie, auf komplexbeladenen Nullen wie ihm beruht“, S. 161). Natürlich drängt sich beispielsweise beim Anblick der AfD-Wähler, die das Erbe von Stalins Freund Hitler weitertragen, ein solches Bild von Extremisten auf – das sind keine glücklichen, geliebten oder erfolgreichen Menschen. Aber Beleidigungen sind meiner Meinung nach der falsche Weg. Es ist natürlich schwer, angesichts dieser Thematik ein versöhnliches Buch zu schreiben, dennoch habe ich das Gefühl, dass der Autor in diesem Punkt versagt hat und dass sein Buch zur Spaltung beiträgt.
Dennoch: ein wichtiges Buch gegen das Vergessen, in einem brillanten Schreibstil verfasst.
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Buch mit Leinen-Einband
Der dreissigjährige Alexander ist nach einem schweren Schicksalsschlag mit seiner kleinen Tochter nach Minsk gezogen. Direkt beim Einzug lernt er seine Nachbarin kennen, die über 90jährige Tatjana, die ihm ungefragt ihre Lebensgeschichte aufdrängt. Widerwillig hört er ihr zu …
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Der dreissigjährige Alexander ist nach einem schweren Schicksalsschlag mit seiner kleinen Tochter nach Minsk gezogen. Direkt beim Einzug lernt er seine Nachbarin kennen, die über 90jährige Tatjana, die ihm ungefragt ihre Lebensgeschichte aufdrängt. Widerwillig hört er ihr zu und ist doch völlig gefesselt von ihren dramatischen, schmerzlichen Erlebnissen, die sogar sein eigenes Leid etwas in den Hintergrund rücken lassen.
Dass die Zeit unter Stalin für viele Menschen eine Tragödie war, ist zwar bekannt, aber mehr oder weniger verdrängt bzw. vergessen. Stattdessen wird er in Russland wieder zu einer Kultfigur - der starke Mann, der Erlöser - und die Zahl seiner AnhängerInnen wächst. Gegen dieses Vergessen schreibt Sasha Filipenko an mit seinem Buch 'Rote Kreuze'. Glaubhaft und überzeugend zeigt er am Schicksal der mittlerweile an Alzheimer erkrankten Tatjana, wie völlig Unschuldige während des II. Weltkriegs wegen Nichts in Lager und Gefängnisse geschickt oder getötet wurden.
Die fiktive Geschichte dieser alten Dame, die vermutlich für die vieler anderer 'echter' Menschen steht, wird mit dokumentarischen Belegen wie den Briefen des Roten Kreuzes ergänzt, die versuchten, die russische Regierung zum Austausch von Kriegsgefangenen zu bewegen. Doch diese lehnte stets ab oder reagierte überhaupt nicht, denn für sie waren russische Kriegsgefangene Verräter, sonst wären sie nicht gefangen genommen worden - und was zählt schon ein Menschenleben?
Dass der junge Alexander, das Gegenüber im Heute von Tatjana, ebenfalls ein Schicksal aufweist, das für ein ganzes Buch reichen würde, ist mir fast zuviel des Guten (oder Schlechten). Ob der Autor damit zeigen wollte, dass kein Leid das einzige ist? Oder dass es immer noch Schlimmeres gibt? Was auch immer, es wäre nicht nötig gewesen.
Ungeachtet des traurigen Themas gibt es dank der unkonventionellen alten Dame immer wieder Stellen, die mich grinsen ließen. "Mademoiselle hat zu lange im vorsintflutlichen Russland gelebt, das als einzige Leistung für sich beanspruchen kann, die Zahl der Finger beim Bekreuzigen von zwei auf drei erhöht zu haben." Oder als Tatjana mit zehn Jahren 1920 nach Russland kommt: "Wie hätte es einem Kind im Land des zunehmenden Infantilismus auch nicht gefallen sollen?".
Ein schnörkelloser, sehr direkter Sprachstil und eine tragische Geschichte - auch wenn es etwas zu viel Dramatik gibt, ist dieses Buch sehr zu empfehlen.
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Buch mit Leinen-Einband
Gegen das Vergessen
Als Alexander kurz nach dem Bezug seiner neuen Wohnung in Minsk ein rotes Kreuz an der Tür findet, glaubt er an Vandalismus. Doch seine Nachbarin, die über neunzig Jahre alte Tatjana erklärt ihm, dass sie unter Alzheimer leidet und die Kreuze gemalt habe, um …
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Gegen das Vergessen
Als Alexander kurz nach dem Bezug seiner neuen Wohnung in Minsk ein rotes Kreuz an der Tür findet, glaubt er an Vandalismus. Doch seine Nachbarin, die über neunzig Jahre alte Tatjana erklärt ihm, dass sie unter Alzheimer leidet und die Kreuze gemalt habe, um sich an den Weg zu ihrer eigenen Wohnung zu erinnern. Weil Tatjana den jungen Mann in ihre Wohnung bittet und ihm ein Gespräch aufdrängt, empfindet er sie zunächst als aufdringlich und lästig, dabei hat er dennoch genügend Manieren, um Tatjana trotz seiner Erschöpfung zu folgen und zuzuhören. Mit dem Beginn ihrer Lebensgeschichte gelingt es der alten Dame dann endlich, Alexanders Interesse zu wecken und so erfährt er von ihrem Leben während der Stalin-Ära. 1910 in England geboren, zieht sie bereits im Kindesalter mit dem Vater nach Russland, denn dieser glaubt, dass in seiner alten Heimat eine glorreiche Zukunft liegt. In jungen Jahren ist Tatjana noch in vielen Ländern unterwegs, doch mit dem Tod des Vaters kehrt sie nach Moskau zurück. Mit dem Beginn des zweiten Weltkrieges ändert sich ihr Leben radikal, ihr Ehemann wird an die Front einberufen und Tatjana bleibt mit der kleinen Tochter zurück.
Da sie über gute Sprachkenntnisse verfügt, wird die junge Mutter aufgefordert, für den NKID, das spätere Außenministerium, zu arbeiten. Dabei wird sie mit der alltäglichen Grausamkeit des Krieges konfrontiert, zum Beispiel geht ein Dokument durch ihre Hände, das besagt, dass ein guter Soldat nicht in Gefangenschaft gerät, somit seien alle Kriegsgefangenen als Verräter und Deserteure zu behandeln, ebenso deren Angehörige. Unzählige Briefe und Telegramme vom internationalen roten Kreuz muss Tatjana übersetzen, keiner der Vorschläge zur humanitären Unterstützung russischer Kriegesgefangener wird jemals beantwortet. Als sie auf einer Liste der im Ausland gefangenen russichen Soldaten den name ihres Mannes entdeckt, fürchtet die junge Mutter um sich selbst und ihre Tochter, deshalb lässt sie in der Übersetzung den Namen verschwinden und schreibt dafür den eines Mithäftlings doppelt auf. Die folgenden Jahre lebt Tatjana in ständiger Angst vor einer Verhaftung, doch erst nach Ende des Krieges, im Juli 1945 wird sie abgeholt und muss von da an das Grauen des Gulags erleben....
Mit "Rote Kreuze" hat der weissrussische Autor Sasha Filipenko einen eindringlichen Roman geschaffen, der sich mit einem düsteren Kapitel der russischen Geschichte befasst. Dabei lässt er das Grauen während der Zeit des Stalinismus auf bedrückende Weise lebendig werden, an Tatjanas Seite erlebt der Leser die finstere Vergangenheit mit. Wie Alexander wollte auch ich beim Lesen immer mehr von ihrem Leben und dem damit verknüpften geschichtlichen Hintergund erfahren, die Erzählung hatte mich schnell gepackt und bis zur letzten Seite nicht mehr los gelassen. Nachdenklich bin ich nach dem Ende der Lektüre zurück geblieben, Sasha Filipenkos Botschaft ist deutlich. In einem Interwiew auf den letzen Buchseiten sagt er: "Der Staat tut alles, damit die Menschen die Grausamkeiten des Sowjetregimes vergessen und unsere Aufgabe ist es, das nicht zuzulassen." Dem beeindruckenden Roman gebe ich eine unbedingte Leseempfehlung.
Fazit: Eindringlich vermittelt der Autor ein wichtiges Thema, an Tatjanas Seite erlebt der Leser die düstere Geschichte Russlands hautnah mit. Der fesselnde Schreibstil lässt den Leser schnell durch die 280 Seiten gleiten und lässt ihn nachdenklich zurück.
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Buch mit Leinen-Einband
Oft habe ich es mit den Großen der russischen Literatur versucht: Tolstoi, Pasternak, Solschenizyn. Doch selten haben mich deren Werke wirklich gepackt. Ich fand die Lektüre mühsam, brachte die für meine westlich geprägten Ohren zu sperrig klingenden Namen durcheinander udn …
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Oft habe ich es mit den Großen der russischen Literatur versucht: Tolstoi, Pasternak, Solschenizyn. Doch selten haben mich deren Werke wirklich gepackt. Ich fand die Lektüre mühsam, brachte die für meine westlich geprägten Ohren zu sperrig klingenden Namen durcheinander udn fand nicht den rechten Zugang zur schwermütigen, dramatischen russischen Seele.
Dies hat Sasha Filipenko geändert. (Zwar ist er als gebürtiger Minsker eigentlich Weißrusse, da er aber seine Romane auf Russisch schreibt, zähle ich ihn zu den russischen Literaten.) "Rote Kreuze" machte es mir schon nach wenigen Seiten leicht. Die Erzählung wechselt gekonnt großes Drama mit humorvollen Szenen ab.
Die Rahmenhandlung ist banal, so banal wie das Leben eben oft ist: Ein junger Familienvater zieht in ein großes Mietshaus und macht - eher ungewollt - Bekanntschaft mit einer alten, an Alzheimer erkrankten Nachbarin. In langen Gesprächen erzählt sie ihm ihr abenteuerliches Leben, oder besser gesagt: In mitreißenden Szenen beschreibt Filipenko dem Leser das 20. Jahrhundert aus russischer Sicht. Stalins blutiges Terrorregime verbreitet unfassbares Leid und Schrecken in der Bevölkerung, Menschen verschwinden einfach, das gegenseitige Misstrauen wächst.
Als Rot-Kreuz-Mitarbeiterin war es für mich besonders faszinierend, einen russischen Blick auf die Arbeit des IKRK (Internationales Komitee des Roten Kreuzes) vor und zu Beginn des zweiten Weltkrieges werfen zu dürfen. Denn Filipenko zitiert oft und ausführlich Originaldokumente, deren Kopien er im Archiv des Roten Kreuzes in Genf einsehen durfte. (Der Zutritt zu den russischen Archiven blieb dem Autor verwehrt.)
Auch sprachlich hat der Roman einiges zu bieten. Er ist stilistisch gelungen, bietet viele Perspektivwechsel und zitiert zahlreiche russische Gedichte und Lieder, deren Übersetzung Ruth Altenhofer äußerst gelungen ist.
Fazit: Ein großartiger Roman, der in nicht einmal 300 Seiten dafür sorgt, dass Vergangenes nicht vergessen wird. Eine berührende, eindringliche Geschichte, die an menschliches Leid erinnert, länder- und generationsübergreifend.
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Buch mit Leinen-Einband
Gegen das Vergessen
Der Roman Rote Kreuze ist ein kleines schmales Buch mit gewaltigem Inhalt.
Der junge Alexander kauft sich in Minsk nach dem tragischen Tod seiner Frau für sich und seine kleine Tochter eine Wohnung. Bereits beim Kauf legt ihm die Maklerin nahe, dass er eine Nachbarin hat, …
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Gegen das Vergessen
Der Roman Rote Kreuze ist ein kleines schmales Buch mit gewaltigem Inhalt.
Der junge Alexander kauft sich in Minsk nach dem tragischen Tod seiner Frau für sich und seine kleine Tochter eine Wohnung. Bereits beim Kauf legt ihm die Maklerin nahe, dass er eine Nachbarin hat, die er vielleicht beerben kann. Was wohl eher ironisch gemeint war. Es entsteht ein Austausch zwischen den Beiden. Die 94 jährige Tatjana Alexejewna die unter Alzheimer leidet, erzählt im gegen das Vergessen, ihre Lebensgeschichte. Erst war ihm das zuviel, dann zieht diese ihn und uns Leser doch in den Bann. Was für ein Leben. Da ist Alzheimer wohl fast eine Gnade. Auch das die alte Dane meint, Gott hat es so gewollt das sie an Alzheimer erkrankt, damit er sich nicht für die vielen Ungerechtigkeiten und das schwere Leben rechtfertigen muss.
Eine beeindruckende Zeitgeschichte aus einem schrecklichen Russland.
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Buch mit Leinen-Einband
Rote Kreuze von Sasha Filipenko ist vom Cover ein typisches Diogenes Buch.
Alexander zieht um, seine neue Nachbarin ist Tatjana Alexejewna, eine 91 jährige Russin die an Alzheimer erkrankt ist. Alexander ist beim ersten Zusammentreffen nicht begeistert von der mitteilungsbedürftigen …
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Rote Kreuze von Sasha Filipenko ist vom Cover ein typisches Diogenes Buch.
Alexander zieht um, seine neue Nachbarin ist Tatjana Alexejewna, eine 91 jährige Russin die an Alzheimer erkrankt ist. Alexander ist beim ersten Zusammentreffen nicht begeistert von der mitteilungsbedürftigen Nachbarin, will er doch nur seine Ruhe für einen Neuanfang in der neuen Stadt haben.
Sie bedrängt ihn quasi zu einem Besuch in ihre Wohnung und beginnt schonungslos ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Hört Alexander am Anfang eher rudimentär zu, so zieht ihn ihre Geschchte sehr schnell in ihren Bann.
Langsam nähern sich die beiden Protagonisten an und auch Sasha öffnet sich Tatjana und erzählt seine bewegende Lebensgeschichte.
Sasha Filipenko hat mit Rote Kreuze einen gesellschaftlichen Roman mit dem Hintergrund der Sowjetunion in den letzten 100 Jahren geschrieben, der tiefe Einblicke in ein Regime gibt in dem viele grausame Taten geschehen sind, ohne dabei zu sehr ins Rührselige abzudriften. Die roten Kreuze des Titels finden sich mit unterschiedlicher Bedeutung wie ein roter Faden beständig im Buch wieder.
Der Schreibstil des Autors ist für das berührende Thema sehr distanziert, was es mir erschwerte eine engere Bindung zu den Protagonisten aufzubauen.
Nach der Lektüre des Buches habe ich einiges mir Unbekanntes über die Sowjetunion gelernt und zwei berührende Lebensgeschichten kennen gelernt.
Da die nächsten Bücher schon in Planung sind, bin ich schon sehr gespannt welche Themen diese beeinhalten.
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Buch mit Leinen-Einband
Mit einer sehr ausdrucksstarken, etwas distanzierten Schreibweise nimmt uns der Autor mit in eine schlimme Zeit.
Sasha Filipenko schafft es auf nur 280 Seiten ein ganzes Leben zu beschreiben. In Kurzen, klaren
Sätzen wird durch die Figur Tatjana das ganze Grauen des Stalinismus …
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Mit einer sehr ausdrucksstarken, etwas distanzierten Schreibweise nimmt uns der Autor mit in eine schlimme Zeit.
Sasha Filipenko schafft es auf nur 280 Seiten ein ganzes Leben zu beschreiben. In Kurzen, klaren
Sätzen wird durch die Figur Tatjana das ganze Grauen des Stalinismus deutlich.
Eine spannender und sehr berührender Roman. Dokumentarisch belegt und durch die zitierten Originaldokumente
wird das Grauen noch untermauert. Dokumente an das Rote Kreuz verzweifelte Appelle an die Menschlichkeit.
Diese nüchternen Aufzählungen gehen unter die Haut, machen das Böse greifbar.
Erzählt durch zwei Charakteren, die so echt und kompliziert wirken wie das Leben selbst.
Zwei Welten, zwei Menschen treffen aufeinander. Die eine muss sich alles von der Seele
reden, kämpft gegen das Vergessen und der andere muss sich der Gegenwart stellen. Sein Leben wieder in den Griff
bekommen.
Die Charaktere und der Aufbau sind sehr überzeugend und authentisch. Die beiden Figuren sind wunderbar
gezeichnet und ergänzen sich perfekt. Hier wird die russische Seele perfekt eingefangen.
Z.b. mit den eingefügten Gedichten.
Ich finde es sehr gut, das dieses Thema aufgegriffen wurde. Gerade die Korrespondenz aus den Archiven macht
dieses Buch so interessant. Vor allem jetzt wo Putin alles unter Verschluss hält.
Es wurde Zeit das darüber berichtet wird.
Ein sehr wichtiger Roman. Eine Leseempfehlung.
Diese wunderbaren Sätze sollen noch genannt werden:
Ich frage: "Warum hat Stalin so einen kleinen Kopf?" Den alten hat jemand abgehauen. Wir haben bei der
Behörde einen neuen bestellt, aber mit der Größe ist etwas schiefgegangen.
Das Bild, ein dunkelgraues Quadrat. Was stellt es dar? Mein Leben!
Gott hat Angst vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.
Stalins Experiment war geglückt, gefangen war der Mensch nicht länger in einem Anstaltsgebäude,
sondern in seinem eigenen Schicksal.
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