Jennifer Egan
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Manhattan Beach
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Tauchen Sie ein in das vibrierende New York der 30er und 40er Jahre, folgen Sie einer unvergesslichen Heldin in eine Zeit, in der alles auf dem Spiel steht.New York - von der Marinewerft in Brooklyn zu den schillernden Nachtclubs in Manhattan, von den Villen auf Long Island zu den Absteigen in der Bronx. 1942 sind die Männer an der Front, die Frauen stehen in der Fabrik. Aber Anna möchte ein besseres Leben. Seitdem der Vater verschwunden ist, sorgt sie für ihre Mutter und die pflegebedürftige Schwester. Während Anna den Vater nicht vergessen kann, verfolgt sie bestimmt ihren großen Traum...
Tauchen Sie ein in das vibrierende New York der 30er und 40er Jahre, folgen Sie einer unvergesslichen Heldin in eine Zeit, in der alles auf dem Spiel steht.
New York - von der Marinewerft in Brooklyn zu den schillernden Nachtclubs in Manhattan, von den Villen auf Long Island zu den Absteigen in der Bronx. 1942 sind die Männer an der Front, die Frauen stehen in der Fabrik. Aber Anna möchte ein besseres Leben. Seitdem der Vater verschwunden ist, sorgt sie für ihre Mutter und die pflegebedürftige Schwester. Während Anna den Vater nicht vergessen kann, verfolgt sie bestimmt ihren großen Traum: Unter die gigantischen Kriegsschiffe an den Docks möchte sie tauchen, um sie zu reparieren. Ein Beruf zu gefährlich für eine Frau - genauso wie die New Yorker Unterwelt, in der sich die Spur ihres Vaters verlor.
Der Pulitzer-Preisträgerin und New York Times-Bestsellerautorin Jennifer Egan ist ein Meisterwerk mit erzählerischem Sog, mitreißender Atmosphäre und unvergesslichen Figuren gelungen - ein großes Zeitpanorama!
»Meisterhaft und voller Zauber, ein Pageturner!« The New York Times
»Bahnbrechend! Helden, mit denen man unweigerlich mitfühlt.« Chicago Tribune
»Mitreißend, bewegend und nicht aus der Hand zu legen.« The Bookseller
»'Manhattan Beach' wird Sie hineinziehen und auf seinen Wogen hinwegtragen.« The Guardian
»Dieser Roman erschafft eine Welt, die mit all ihren Geheimnissen, Schattierungen und Sehnsüchten glänzend wahr erscheint.« Booklist
New York - von der Marinewerft in Brooklyn zu den schillernden Nachtclubs in Manhattan, von den Villen auf Long Island zu den Absteigen in der Bronx. 1942 sind die Männer an der Front, die Frauen stehen in der Fabrik. Aber Anna möchte ein besseres Leben. Seitdem der Vater verschwunden ist, sorgt sie für ihre Mutter und die pflegebedürftige Schwester. Während Anna den Vater nicht vergessen kann, verfolgt sie bestimmt ihren großen Traum: Unter die gigantischen Kriegsschiffe an den Docks möchte sie tauchen, um sie zu reparieren. Ein Beruf zu gefährlich für eine Frau - genauso wie die New Yorker Unterwelt, in der sich die Spur ihres Vaters verlor.
Der Pulitzer-Preisträgerin und New York Times-Bestsellerautorin Jennifer Egan ist ein Meisterwerk mit erzählerischem Sog, mitreißender Atmosphäre und unvergesslichen Figuren gelungen - ein großes Zeitpanorama!
»Meisterhaft und voller Zauber, ein Pageturner!« The New York Times
»Bahnbrechend! Helden, mit denen man unweigerlich mitfühlt.« Chicago Tribune
»Mitreißend, bewegend und nicht aus der Hand zu legen.« The Bookseller
»'Manhattan Beach' wird Sie hineinziehen und auf seinen Wogen hinwegtragen.« The Guardian
»Dieser Roman erschafft eine Welt, die mit all ihren Geheimnissen, Schattierungen und Sehnsüchten glänzend wahr erscheint.« Booklist
Jennifer Egan wurde 1962 in Chicago geboren und wuchs in San Francisco auf. Sie lebt heute mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Brooklyn, New York. Neben ihren Romanen und Kurzgeschichten schreibt sie für den »New Yorker« sowie das »New York Times Magazine« und lehrt an der Columbia University Creative Writing. Für ihren Roman »Der größere Teil der Welt« erhielt sie 2011 den Pulitzer Prize, den National Book Critics Circle Award und den Los Angeles Times Book Prize. Zuletzt erschien ihr Roman »Manhattan Beach« (2017), der wochenlang auf der »New York Times«-Bestsellerliste stand. Henning Ahrens lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt am Main. Er veröffentlichte diverse Lyrikbände sowie die Romane »Lauf Jäger lauf«, »Langsamer Walzer«, »Tiertage« und »Glantz und Gloria«. Für S. Fischer übersetzte er Romane von Richard Powers, Kevin Powers, Khaled Hosseini. Zuletzt erschien sein Roman »Mitgift«.
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Originaltitel: Manhattan Beach
- Artikelnr. des Verlages: 1022826
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 494
- Erscheinungstermin: 29. August 2018
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 144mm x 40mm
- Gewicht: 725g
- ISBN-13: 9783103973587
- ISBN-10: 3103973586
- Artikelnr.: 52461189
Herstellerkennzeichnung
S. FISCHER Verlag GmbH
Hedderichstr. 114
60596 Frankfurt am Main
www.fischerverlage.de
+49 (069) 6062-0
Wahrheit unter Wasser
Eine Taucherin, ein Gangster und eine uralte Metapher: "Manhattan Beach" , der neue Roman der großen Jennifer Egan
Gibt es eine größere Metapher für das Leben als das Meer? Oder eine, die verbrauchter wäre? Jedenfalls weiß man nicht, wo man anfangen soll, wollte man aufzählen, wie viele Künstlerinnen und Künstler schon vom Meer erzählt haben, es ins Bild setzten oder besangen.
Und wie gut kann man das verstehen: Wie oft steht man selbst da, am Strand, und denkt sich seinen Teil, während die Wellen heranrollen, immer anders, mal Drama, mal Frieden, mal Trost, mal Bedrohung - oder ist dieses Schauspiel doch nur ein einziger Zufall, ohne Bedeutung?
Stanislaw Lem, der große
Eine Taucherin, ein Gangster und eine uralte Metapher: "Manhattan Beach" , der neue Roman der großen Jennifer Egan
Gibt es eine größere Metapher für das Leben als das Meer? Oder eine, die verbrauchter wäre? Jedenfalls weiß man nicht, wo man anfangen soll, wollte man aufzählen, wie viele Künstlerinnen und Künstler schon vom Meer erzählt haben, es ins Bild setzten oder besangen.
Und wie gut kann man das verstehen: Wie oft steht man selbst da, am Strand, und denkt sich seinen Teil, während die Wellen heranrollen, immer anders, mal Drama, mal Frieden, mal Trost, mal Bedrohung - oder ist dieses Schauspiel doch nur ein einziger Zufall, ohne Bedeutung?
Stanislaw Lem, der große
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Futurologe, hat die menschliche Sinnsuche im Meer in seinem Roman "Solaris" in Science-Fiction verwandelt. Da erforschen Astronauten auf einem fernen Planeten einen Ozean, der ihre Ängste und Wünsche zum Leben erweckt, so dass die wie Gespenster in der Raumstation auftauchen: falsche Hoffnungen auf Erlösung aus einem Trauma. Sinnsuche endet ja selten gut. Auch Ahab hat zwar seinen weißen Wal gefunden, ging aber trotzdem mit diesem Moby Dick und seiner "Pequod" unter. Und spukt jetzt schon seit hundertsiebzig Jahren durch die Kunst und die Einbildungskraft all jener, die Kunst machen.
Wie Jennifer Egan, die wichtigste amerikanische Schriftstellerin ihrer Generation. Sie hat jetzt einen neuen Roman geschrieben und ihm ein Zitat aus Herman Melville vorangestellt. Sie ist nicht die Erste, die so was tut, aber es wirkt trotzdem jedes Mal: "Ja, wie jeder weiß, sind Besinnlichkeit und Wasser auf ewig vermählt."
"Manhattan Beach" heißt dieser neue, historische Roman von Jennifer Egan, den auf fünfhundert Seiten die See durchfließt: "Die See sehen die See die See die See", ein lautmalerisches Flüstern in Egans glasklarer Prosa, ein Leitmotiv, kursiv gesetzt. Wo Egan in "Der größere Teil der Welt" noch ihren Plot in Perspektiven zersplitterte, holt sie jetzt weit aus - und scheut dabei auch stilistische Esoterik nicht. "Manhattan Beach" ist mit aller Kraft darauf angelegt, ein großer Roman zu sein. So wie vielleicht "Das Geisterhaus" einer war oder "Freiheit" von Jonathan Franzen. Ein ewig langer Roman, der von seiner eigenen epischen Gestaltungskraft zehrt. Und sie inszeniert.
Die Geschichte spielt Anfang der vierziger Jahre in New York, als Amerika in den Krieg gegen Hitlerdeutschland und die Achsenmächte zieht. Erzählt wird von der jungen Anna Kerrigan, die auf der Marinewerft von Brooklyn arbeitet, wo das Schlachtschiff "Missouri" zum Einsatz vorbereitet wird. Dort beobachtet Anna eines Tages, wie ein Taucher sich fertig macht, um im Hafen zu arbeiten, unter Wasser.
Anna ist elektrisiert. Sie will das auch. Sie will nicht mehr in der Materialprüfung arbeiten und Teil um Teil vermessen, das verbaut werden soll, sie will raus aus der Werkstatt und Taucherin werden. Und obwohl damals dringend Freiwillige für diesen gefährlichen Job gesucht werden, weil die Männer in Scharen in den Krieg ziehen, ist das für eine Frau erst mal undenkbar: Tauchen. In zentnerschwerer Ausrüstung. Und dann, unter Wasser, womöglich auch noch Schweißen mit schwerem Gerät. Aber Anna setzt alles daran. Als würde sie, dort unten, auf dem Boden des Meeres, das finden, wonach sie immer schon gesucht hat.
Also bewirbt sie sich. Und sie setzt sich auch durch. Gegen den Vorgesetzten bei der Navy, der sie erst schikaniert, wo er nur kann, dann aber als leuchtendes Beispiel hinhält, um ihre männlichen Mitbewerber unter Druck zu setzen. Aber Anna setzt sich auch gegen das Bild durch, dem sie und ihre Kolleginnen aus der Werkstatt begegnen, wenn sie nur das Werftgelände betreten. Wenn sie, in Overall und Stiefeln, über die Piers laufen. Und die Männer ihnen hinterherpfeifen oder sie verhöhnen. Arbeitende Frauen: An Sekretärinnen hat man sich damals schon gewöhnt in der westlichen Welt, Sekretärinnen haben die Ordnung der Männerwelt im Grunde ja nur weiter gefestigt. Aber Schweißerinnen? Mechanikerinnen? Taucherinnen?
Annas Vorgesetzter, Mr. Voss, will deswegen eigentlich auch, dass seine Mitarbeiterinnen ihr Lunch in der Werkstatt essen, um kein Aufsehen zu erregen. Aber Anna zieht es hinaus, auf die Werft, zu den Schiffen. Zu Hause warten ihre Mutter und ihre behinderte kleine Schwester, der Vater ist seit fünf Jahren verschwunden, von einem Tag auf den anderen war er weg. Und jetzt will auch Anna raus, und wenn es nur der Grund des East Rivers ist.
"Manhattan Beach" ist der Roman einer weiblichen Emanzipation. Insofern erzählt er, trotz des historisch verbürgten Stoffes (Egan hat für ihr Buch die erste amerikanische Marinetaucherin, Andrea Motley Crabtree, mehrmals getroffen), eine Geschichte, die man bis heute so erzählen könnte: ein männlich dominierter Beruf, den auch Frauen ergreifen wollen, die aber erst einmal an den Verhältnissen scheitern. An Besitzstandswahrung, an Tradition, an der Bequemlichkeit, an der Furcht vor dem Ungewohnten - und sie scheitern auch am Mangel an eigenem Zutrauen, was wiederum an einem Mangel an weiblichen Vorbildern liegt.
Anna überwindet das. Und wird zum Vorbild, auch für ihre Kollegen. Man könnte die Anlage dieses Romans deswegen für Kalkül halten. Für eine modische Entscheidung: ein packender Stoff, der einerseits alles hat, was Leute, die amerikanische Literatur lieben, in heftiges Fieber versetzt, andererseits aber eine intensive Debatte von heute streift, so dass sich der Roman wie ein Kommentar dazu liest. Es gibt dann auch noch eine Nebenfigur in "Manhattan Beach", die diesen Verdacht verstärkt, einen schwarzen Marinetaucher namens Marle, der noch einmal anders als Anna ausgeschlossen ist aus der Welt, in der er sich bewegt.
Nur passt das mit dem Kalkül allein schon deshalb nicht, weil Jennifer Egan ihren Stoff vor fast fünfzehn Jahren zu recherchieren begann, wie sie im Nachwort erklärt: #MeToo wird sie da nicht im Auge gehabt haben. Außerdem erzählt die Autorin eben nicht nur die Geschichte der Berufstaucherin Anna, sondern die eines Mafiagangsters: Dexter Styles. Der in eine sehr gute New Yorker Familie eingeheiratet hat und jetzt ehrlich werden und ins Bankgeschäft seines Schwiegervaters wechseln will. Und der eine Zeitlang Annas Vater beschäftigte, bis der verschwand.
Und dank dieser etwas unwahrscheinlichen Konstruktion wird aus dem historischen Roman einer Pionierin des Marinetauchens dann auch noch ein Mafiathriller, fahren im Roman große, dunkle Limousinen vor, gesteuert von Jungs mit heißen Eisen in Nadelstreifen.
Annas Vater hatte seine Tochter einmal mit zu Styles' Anwesen in Manhattan Beach genommen, als sie elf war, mit dieser Szene beginnt Egan ihren Roman. Damit, wie die kleine Anna am Strand steht, die nackten Füße im eisig kalten Wasser, und der gigantisch große Mann sich zu ihr beugt: "Wie fühlt es sich an", fragt er. "Tut nur am Anfang weh", sagt sie. "Nach einer Weile spürt man nichts mehr." Das ist, schon früh, wohl der Reim, den man sich auf die Geschichte dieser Emanzipation machen soll.
Jahre später treffen Anna und Styles sich dann wieder, in einem Nachtclub in Manhattan, den Styles betreibt: Er ahnt nichts, sie nimmt die ferne Erinnerung der Begegnung wahr, sucht seine Nähe, auch weil sie spürt, dass Styles etwas mit dem Verschwinden ihres Vaters zu tun hat. Aber genauso, weil er sie anzieht. Und sie ihn, auch wenn er das erst nicht versteht. Dexter hilft Anna, ihre behinderte kleine Schwester Lydia aus dem kleinen Zimmer in Brooklyn, in dem sie lebt, an den Strand zu tragen, dorthin, wo Anna selbst mit nackten Füßen stand, damit Lydia endlich das Meer sieht und aus ihrer stummen Erstarrung erwacht: "Die See sehen die See die See die See" - was da als Echo ständig in Egans Roman auftaucht, ist die innere Stimme Lydias, zum Leben erweckt vom Ozean.
"Manhattan Beach" erfüllt, wie schon gesagt, alle Wünsche, die man an einen amerikanischen Roman hat: Da ist der Eigensinn einer Figur gegen die Verhältnisse, die Poesie der großen Stadt vor dem Panorama unergründlicher Natur, eine Gesellschaft, die noch immer an ihren Regeln schreibt, auch wenn die längst wirken, der unerschöpfliche Mut zum neuen Anfang, und all das in einer fabelhaften Prosa. Wer Egans neuen Roman liest, wird mitgerissen - und doch bleibt da ein gar nicht so kleiner Rest an Enttäuschung.
Weil Jennifer Egan in "Manhattan Beach" das Risiko scheut. Und das tut sie zum ersten Mal seit ihrem Debüt, dem Erzählungsband "Emerald City" von 1993. Entweder waren bislang ihre Stoffe spektakulär, wie in "Look at Me" (2001), die Geschichte eines Fotomodels, das nach einem Unfall mit einem neuen Gesicht in ihr altes Leben zurückkehrt, oder Egan spielte mit der Form. Wie in "Der größere Teil der Welt" (2010), einem Roman, den man erstens gar nicht genug bewundern kann, der zweitens seine Figuren aus den Epochen der amerikanischen Geschichte seit dem kalifornischen Punk der Siebziger bis in die nahe Zukunft aufeinander zubewegt und der, drittens, ein ganzes Kapitel als Power-Point-Präsentation anlegt.
Was erst mal klingt wie eine künstlich aufgeblasene Idee, dann aber in seiner strengen Form vollkommen logisch wirkt. Zum Glück erzählte Egan die Geschichte dieses Romans dann noch einmal weiter, in der Erzählung "Black Box" (2013), jeder Satz 140 Zeichen lang wie früher auf Twitter, ein Beweis für die stilistische Perfektion, die ein solches Format verlangt. Das las sich alles so leicht und souverän und neu, wie es kaum ein anderer ihrer Kollegen wagte, von George Saunders vielleicht abgesehen.
"Manhattan Beach" wirkt dagegen - konventionell. Als habe Egan einen historischen Roman probieren wollen, und vielleicht ist das ja wirklich das Projekt für dieses neue Buch gewesen. Damals, als "Der größere Teil der Welt" erschien, erzählte sie im Gespräch, dass sie beim Lesen selbst nach "Immersion" sucht: nach dem Eintauchen in einen Stoff, der einen davonträgt, bis man glücklich wieder daraus auftaucht. Das ist Jennifer Egan in "Manhattan Beach" gelungen. Und doch bleibt ihr neuer Roman hinter den Erwartungen zurück, die man an diese große amerikanische Autorin hat: dass sie die ewige Form des Romans weiterentwickelt. Vielleicht ist es aber auch so: Man wird verwöhnt davon, Jennifer Egan zu lesen.
TOBIAS RÜTHER
Jennifer Egan, "Manhattan Beach". Aus dem Englischen von Henning Ahrens. S. Fischer, 496 Seiten, 22 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie Jennifer Egan, die wichtigste amerikanische Schriftstellerin ihrer Generation. Sie hat jetzt einen neuen Roman geschrieben und ihm ein Zitat aus Herman Melville vorangestellt. Sie ist nicht die Erste, die so was tut, aber es wirkt trotzdem jedes Mal: "Ja, wie jeder weiß, sind Besinnlichkeit und Wasser auf ewig vermählt."
"Manhattan Beach" heißt dieser neue, historische Roman von Jennifer Egan, den auf fünfhundert Seiten die See durchfließt: "Die See sehen die See die See die See", ein lautmalerisches Flüstern in Egans glasklarer Prosa, ein Leitmotiv, kursiv gesetzt. Wo Egan in "Der größere Teil der Welt" noch ihren Plot in Perspektiven zersplitterte, holt sie jetzt weit aus - und scheut dabei auch stilistische Esoterik nicht. "Manhattan Beach" ist mit aller Kraft darauf angelegt, ein großer Roman zu sein. So wie vielleicht "Das Geisterhaus" einer war oder "Freiheit" von Jonathan Franzen. Ein ewig langer Roman, der von seiner eigenen epischen Gestaltungskraft zehrt. Und sie inszeniert.
Die Geschichte spielt Anfang der vierziger Jahre in New York, als Amerika in den Krieg gegen Hitlerdeutschland und die Achsenmächte zieht. Erzählt wird von der jungen Anna Kerrigan, die auf der Marinewerft von Brooklyn arbeitet, wo das Schlachtschiff "Missouri" zum Einsatz vorbereitet wird. Dort beobachtet Anna eines Tages, wie ein Taucher sich fertig macht, um im Hafen zu arbeiten, unter Wasser.
Anna ist elektrisiert. Sie will das auch. Sie will nicht mehr in der Materialprüfung arbeiten und Teil um Teil vermessen, das verbaut werden soll, sie will raus aus der Werkstatt und Taucherin werden. Und obwohl damals dringend Freiwillige für diesen gefährlichen Job gesucht werden, weil die Männer in Scharen in den Krieg ziehen, ist das für eine Frau erst mal undenkbar: Tauchen. In zentnerschwerer Ausrüstung. Und dann, unter Wasser, womöglich auch noch Schweißen mit schwerem Gerät. Aber Anna setzt alles daran. Als würde sie, dort unten, auf dem Boden des Meeres, das finden, wonach sie immer schon gesucht hat.
Also bewirbt sie sich. Und sie setzt sich auch durch. Gegen den Vorgesetzten bei der Navy, der sie erst schikaniert, wo er nur kann, dann aber als leuchtendes Beispiel hinhält, um ihre männlichen Mitbewerber unter Druck zu setzen. Aber Anna setzt sich auch gegen das Bild durch, dem sie und ihre Kolleginnen aus der Werkstatt begegnen, wenn sie nur das Werftgelände betreten. Wenn sie, in Overall und Stiefeln, über die Piers laufen. Und die Männer ihnen hinterherpfeifen oder sie verhöhnen. Arbeitende Frauen: An Sekretärinnen hat man sich damals schon gewöhnt in der westlichen Welt, Sekretärinnen haben die Ordnung der Männerwelt im Grunde ja nur weiter gefestigt. Aber Schweißerinnen? Mechanikerinnen? Taucherinnen?
Annas Vorgesetzter, Mr. Voss, will deswegen eigentlich auch, dass seine Mitarbeiterinnen ihr Lunch in der Werkstatt essen, um kein Aufsehen zu erregen. Aber Anna zieht es hinaus, auf die Werft, zu den Schiffen. Zu Hause warten ihre Mutter und ihre behinderte kleine Schwester, der Vater ist seit fünf Jahren verschwunden, von einem Tag auf den anderen war er weg. Und jetzt will auch Anna raus, und wenn es nur der Grund des East Rivers ist.
"Manhattan Beach" ist der Roman einer weiblichen Emanzipation. Insofern erzählt er, trotz des historisch verbürgten Stoffes (Egan hat für ihr Buch die erste amerikanische Marinetaucherin, Andrea Motley Crabtree, mehrmals getroffen), eine Geschichte, die man bis heute so erzählen könnte: ein männlich dominierter Beruf, den auch Frauen ergreifen wollen, die aber erst einmal an den Verhältnissen scheitern. An Besitzstandswahrung, an Tradition, an der Bequemlichkeit, an der Furcht vor dem Ungewohnten - und sie scheitern auch am Mangel an eigenem Zutrauen, was wiederum an einem Mangel an weiblichen Vorbildern liegt.
Anna überwindet das. Und wird zum Vorbild, auch für ihre Kollegen. Man könnte die Anlage dieses Romans deswegen für Kalkül halten. Für eine modische Entscheidung: ein packender Stoff, der einerseits alles hat, was Leute, die amerikanische Literatur lieben, in heftiges Fieber versetzt, andererseits aber eine intensive Debatte von heute streift, so dass sich der Roman wie ein Kommentar dazu liest. Es gibt dann auch noch eine Nebenfigur in "Manhattan Beach", die diesen Verdacht verstärkt, einen schwarzen Marinetaucher namens Marle, der noch einmal anders als Anna ausgeschlossen ist aus der Welt, in der er sich bewegt.
Nur passt das mit dem Kalkül allein schon deshalb nicht, weil Jennifer Egan ihren Stoff vor fast fünfzehn Jahren zu recherchieren begann, wie sie im Nachwort erklärt: #MeToo wird sie da nicht im Auge gehabt haben. Außerdem erzählt die Autorin eben nicht nur die Geschichte der Berufstaucherin Anna, sondern die eines Mafiagangsters: Dexter Styles. Der in eine sehr gute New Yorker Familie eingeheiratet hat und jetzt ehrlich werden und ins Bankgeschäft seines Schwiegervaters wechseln will. Und der eine Zeitlang Annas Vater beschäftigte, bis der verschwand.
Und dank dieser etwas unwahrscheinlichen Konstruktion wird aus dem historischen Roman einer Pionierin des Marinetauchens dann auch noch ein Mafiathriller, fahren im Roman große, dunkle Limousinen vor, gesteuert von Jungs mit heißen Eisen in Nadelstreifen.
Annas Vater hatte seine Tochter einmal mit zu Styles' Anwesen in Manhattan Beach genommen, als sie elf war, mit dieser Szene beginnt Egan ihren Roman. Damit, wie die kleine Anna am Strand steht, die nackten Füße im eisig kalten Wasser, und der gigantisch große Mann sich zu ihr beugt: "Wie fühlt es sich an", fragt er. "Tut nur am Anfang weh", sagt sie. "Nach einer Weile spürt man nichts mehr." Das ist, schon früh, wohl der Reim, den man sich auf die Geschichte dieser Emanzipation machen soll.
Jahre später treffen Anna und Styles sich dann wieder, in einem Nachtclub in Manhattan, den Styles betreibt: Er ahnt nichts, sie nimmt die ferne Erinnerung der Begegnung wahr, sucht seine Nähe, auch weil sie spürt, dass Styles etwas mit dem Verschwinden ihres Vaters zu tun hat. Aber genauso, weil er sie anzieht. Und sie ihn, auch wenn er das erst nicht versteht. Dexter hilft Anna, ihre behinderte kleine Schwester Lydia aus dem kleinen Zimmer in Brooklyn, in dem sie lebt, an den Strand zu tragen, dorthin, wo Anna selbst mit nackten Füßen stand, damit Lydia endlich das Meer sieht und aus ihrer stummen Erstarrung erwacht: "Die See sehen die See die See die See" - was da als Echo ständig in Egans Roman auftaucht, ist die innere Stimme Lydias, zum Leben erweckt vom Ozean.
"Manhattan Beach" erfüllt, wie schon gesagt, alle Wünsche, die man an einen amerikanischen Roman hat: Da ist der Eigensinn einer Figur gegen die Verhältnisse, die Poesie der großen Stadt vor dem Panorama unergründlicher Natur, eine Gesellschaft, die noch immer an ihren Regeln schreibt, auch wenn die längst wirken, der unerschöpfliche Mut zum neuen Anfang, und all das in einer fabelhaften Prosa. Wer Egans neuen Roman liest, wird mitgerissen - und doch bleibt da ein gar nicht so kleiner Rest an Enttäuschung.
Weil Jennifer Egan in "Manhattan Beach" das Risiko scheut. Und das tut sie zum ersten Mal seit ihrem Debüt, dem Erzählungsband "Emerald City" von 1993. Entweder waren bislang ihre Stoffe spektakulär, wie in "Look at Me" (2001), die Geschichte eines Fotomodels, das nach einem Unfall mit einem neuen Gesicht in ihr altes Leben zurückkehrt, oder Egan spielte mit der Form. Wie in "Der größere Teil der Welt" (2010), einem Roman, den man erstens gar nicht genug bewundern kann, der zweitens seine Figuren aus den Epochen der amerikanischen Geschichte seit dem kalifornischen Punk der Siebziger bis in die nahe Zukunft aufeinander zubewegt und der, drittens, ein ganzes Kapitel als Power-Point-Präsentation anlegt.
Was erst mal klingt wie eine künstlich aufgeblasene Idee, dann aber in seiner strengen Form vollkommen logisch wirkt. Zum Glück erzählte Egan die Geschichte dieses Romans dann noch einmal weiter, in der Erzählung "Black Box" (2013), jeder Satz 140 Zeichen lang wie früher auf Twitter, ein Beweis für die stilistische Perfektion, die ein solches Format verlangt. Das las sich alles so leicht und souverän und neu, wie es kaum ein anderer ihrer Kollegen wagte, von George Saunders vielleicht abgesehen.
"Manhattan Beach" wirkt dagegen - konventionell. Als habe Egan einen historischen Roman probieren wollen, und vielleicht ist das ja wirklich das Projekt für dieses neue Buch gewesen. Damals, als "Der größere Teil der Welt" erschien, erzählte sie im Gespräch, dass sie beim Lesen selbst nach "Immersion" sucht: nach dem Eintauchen in einen Stoff, der einen davonträgt, bis man glücklich wieder daraus auftaucht. Das ist Jennifer Egan in "Manhattan Beach" gelungen. Und doch bleibt ihr neuer Roman hinter den Erwartungen zurück, die man an diese große amerikanische Autorin hat: dass sie die ewige Form des Romans weiterentwickelt. Vielleicht ist es aber auch so: Man wird verwöhnt davon, Jennifer Egan zu lesen.
TOBIAS RÜTHER
Jennifer Egan, "Manhattan Beach". Aus dem Englischen von Henning Ahrens. S. Fischer, 496 Seiten, 22 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Jennifer Egans neuer Roman "Manhattan Beach" spielt vor und während des Zweiten Weltkriegs in New York, wo die Haupfigur Anna Kerrigan beschlossen hat, die "erste Marinetaucherin der USA" zu werden, fasst Rezensent Dirk Knipphals zusammen. Zwar findet er das Zeitporträt mit Oldtimern, Nachtclubs, organisiertem Verbrechen und reichen Kriegsprofiteuren ziemlich konventionell, dafür hat er aber die "waghalsigen" Momente des Buches - unter anderem unglaubliche Rettungsaktionen - sehr genossen. Außerdem bewundert er, wie Egan im Verlauf des Romans das Meer in all seinen Zuständen und mit all seinen Auswirkungen auf die Menschen schildert. Nach der Lektüre weiß Knipphals: Er "bleibt Fan" der Autorin.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Der Roman - und wie er die Kraft und den Trost des Erzählens behauptet - kann einen doch ziemlich beschäftigen. Ich bleibe Fan. Dirk Knipphals taz 20180901
Heimatroman
für Großstädter
Gut geschrieben, aber nicht gut: Was hatte Jennifer
Egan mit dem Roman „Manhattan Beach“ nur vor?
VON BIRTHE MÜHLHOFF
Hörst du die Stille?“, fragt der Vater seine elfjährige Tochter Anna. „So hört sich ein Hafen während einer Wirtschaftskrise an.“ Aber die Stille kommt bekanntlich vor dem Sturm. Als Anna volljährig wird, ist der Vater verschwunden, die USA treten in den Weltkrieg ein und im Hafen von New York wird es lauter und lebendiger denn je. Für die Flüchtlinge aus Europa ist der Hafen das Symbol der Freiheit, für die Kriegsschiffe der Alliierten ist der Brooklyn Navy Yard die wichtigste Werft. Anna, die eigenwillige Protagonistin des neuen Romans der preisgekrönten
für Großstädter
Gut geschrieben, aber nicht gut: Was hatte Jennifer
Egan mit dem Roman „Manhattan Beach“ nur vor?
VON BIRTHE MÜHLHOFF
Hörst du die Stille?“, fragt der Vater seine elfjährige Tochter Anna. „So hört sich ein Hafen während einer Wirtschaftskrise an.“ Aber die Stille kommt bekanntlich vor dem Sturm. Als Anna volljährig wird, ist der Vater verschwunden, die USA treten in den Weltkrieg ein und im Hafen von New York wird es lauter und lebendiger denn je. Für die Flüchtlinge aus Europa ist der Hafen das Symbol der Freiheit, für die Kriegsschiffe der Alliierten ist der Brooklyn Navy Yard die wichtigste Werft. Anna, die eigenwillige Protagonistin des neuen Romans der preisgekrönten
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amerikanischen Schriftstellerin Jennifer Egan, beginnt in einem Bürogebäude auf dem Werftgelände zu arbeiten. Mit vielen weiteren Frauen muss sie Metallteile prüfen, weil die Männer fehlen. Diese stumpfsinnige Tätigkeit hält sie nicht lange aus, und als sie eines Tages beobachtet, wie Taucher in schweren Anzügen und kugelrunden Metallhelmen in die Bucht hinabgelassen werden, ist ihre Sehnsucht geweckt, auch Taucherin zu werden. Sie beginnt, dafür zu kämpfen, für die Tauchausbildung zugelassen zu werden. Eine Frau, die taucht, das scheint undenkbar zu sein. Gleichzeitig verkompliziert sich auch ihr Privatleben, denn das Hafenviertel ist in Zeiten der Prohibition tief verflochten mit der Unterwelt des illegalen Alkoholhandels und des organisierten Verbrechens. Die Verwicklungen führen sie schließlich, wer hätte das gedacht, zu einem waghalsigen nächtlichen Tauchgang.
Dass Jennifer Egan lebendig erzählen kann, beweist sie auch mit diesem Roman. Was sie aber erzählt, erinnert ein wenig an die Beschreibung eines Tauchgangs selbst. Unter Krächzen und Stöhnen wird die Protagonistin Anna an einem Seil ins Wasser gelassen, nur um nach einigen Hundert Seiten mühselig wieder herausgezogen zu werden. Der Plot verläuft, gelinde gesagt, ziemlich gradlinig, und ist wirklich mitreißend wohl nur dann, wenn man New York immer schon einmal von einer anderen Seite erleben wollte und sich seine Buntstifte der Marke Lokalkolorit bereitgelegt hat. Der Roman ist ein Porträt von New York als Hafenstadt, ein Heimatroman für Großstädter.
Und ähnlich wie in Heimatromanen, die vor allem eine weibliche Leserschaft adressieren, gibt sich die Geschichte über weite Strecken feministisch, ist aber eigentlich eher Erbauungsliteratur. Die Figur der nonkonformen Frau, die als Kind nicht mit Puppen spielt, sondern mit Jungs im Dreck rangelt, das ist Anna. Sie ist nicht naiv, nicht schüchtern, nicht schön und nicht blond. Schön und blond sind hingegen nahezu alle anderen, von der etwas jüngeren und sehr mädchenhaften Tochter des Gangsters Dexter Styles, bis hin zu Annas blonder Freundin aus der Werft, die sich von einem furchtbaren reichen Mann aushalten lässt. Auf die Spitze getrieben ist dieses Frauenbild in Annas Schwester, die umwerfend schön ist – und blond –, aber leider geistig und körperlich behindert. Das ist nicht nur ein merkwürdiges Feminismusverständnis nach Haarfarbe, es bewirkt außerdem, dass die Hauptfigur Anna erstaunlich vage bleibt. Als Leser muss man sich mit der Beschreibung begnügen, dass Anna eben immer schon „anders“ war als die anderen Mädchen.
Nur warum sollte man sich für Annas Geschichte interessieren? Man könnte, frei nach der besten Ausrede schlechter Schriftsteller, vermuten, die Geschichte beruhe auf wahren Begebenheiten. Doch das ist nicht einmal der Fall: Taucherinnen gab es nicht bei der US Navy. Dabei wäre die Frage, warum die Frau und das Meer in vielen Kulturen eine Unvereinbarkeit darstellen, selbst eine Untersuchung, und wer weiß, vielleicht auch einen Roman wert. Der französische Anthropologe Alain Testart ging in seinem letzten, 2014 posthum erschienenen Buch der Frage nach, wie und warum verschiedene Tätigkeiten von den verschiedenen Geschlechtern ausgeführt werden. Diese geschlechtliche Arbeitsteilung – meist in Form eines Verbots für die Frau – ist kaum in einem Bereich so stark ausgeprägt wie in der Seefahrt. Auch in Egans Brooklyn Navy Yard dürfen Frauen, selbst wenn sie in der Werft Arbeiten verrichten, die vor dem Krieg reine Männersache war, selbstverständlich nicht die Schiffe betreten.
Sollte es in diesem Roman eine Meta-Ebene geben, dann ist sie sehr gut versteckt. Dass Weltkriege gut für den Feminismus sind, weil es zu einem Mangel an männlichen Arbeitskräften kommt, wäre als Grundgedanke etwas morbide. Man beginnt sich während des Lesens zu fragen, ob dieses Buch vielleicht als Absage an die durchdachten, mehrschichtigen amerikanischen Konzeptromane gemeint ist, wie es zum Beispiel Jennifer Egans 2011 erschienener Roman „A Visit from the Goon Squad“ gewesen war, der im Deutschen den skurrilen Titel „Der größere Teil der Welt“ bekam. Das ist ein Roman über den Niedergang der Musikindustrie, über die Digitalisierung, über das Älterwerden von Musikern, Assistenten und Managern, und das, was das Ticken der Zeit mit allem anstellt, was ihr in den Weg kommt. Das macht auch vor der Sprache nicht halt. Ein ganzes Kapitel des Buches besteht aus einer Powerpoint-Präsentation. Pfeile, Kästchen, Stichworte sind alles, was Jennifer Egan braucht, um ein voll funktionstüchtiges Romankapitel zu verfassen.
Ähnlich interessant ist das Konzept von Egans Erzählung „Black Box“ von 2013. Der schmale Science-Fiction-Roman besteht nur aus einzelnen, auf 140 Zeichen beschränkte Tweets, die auch zunächst auf Twitter veröffentlicht wurden. Es ist bei Weitem nicht der erste Twitterroman gewesen, aber er ist eben so geschrieben, dass auch jemand, der mit Twitter nichts anfangen kann, sehr viel Freude daran haben kann. Eine 31-jährige Spionin ist da auf einen Verbrecher angesetzt, den sie auf einer einsamen Insel umgarnt, um an Informationen zu gelangen. Wie mit der Black Box eines Flugzeugs zeichnet sie auf einem in ihre Stirn transplantierten Chip auf, was sie erlebt, und kommentiert es. Auf diese Weise sollen auch im Falle ihres Todes ihre Beobachtungen, persönlichen Einschätzungen und Lebensweisheiten an spätere Agentinnen übermittelt werden können. Der Roman bedient sich also nicht nur der Tweets als Format, sondern besteht auch inhaltlich aus dem, was einem so auf Twitter entgegenkommt.
Das ist in den vergangenen Jahren das Besondere an der Schriftstellerin Jennifer Egan gewesen: Sie schaffte es, den klassischen Roman formal so weit aufzubrechen, dass es literarisch interessant war und zugleich für ein großes Publikum unterhaltsam. „Goon Squad“ war ein Bestseller und brachte ihr den Pulitzer-Preis ein. Es war ein postmoderner Roman, den man mit Genuss lesen konnte, auch wenn man nicht weiß, was mit Postmoderne eigentlich gemeint ist.
Aber was für ein Buch sie mit „Manhattan Beach“ schreiben wollte, ist unklar. Einen Bestsellerroman, zusammengesetzt aus den Elementen, aus denen Bestsellerliteratur eh immer schon besteht? Oder sollte damit bewiesen werden, dass ein Buch gut geschrieben sein kann, ohne ein gutes Buch zu sein?
Es gibt Romane, deren Genialität gerade aus ihrer Ambivalenz erwächst. Ihre Brillanz besteht darin, dass sich nicht eindeutig festmachen lässt, ob es sich um einfache Unterhaltungsliteratur handelt oder um einen komplexen Metakommentar auf den Literaturbetrieb. „Alle Pferde des Königs“ von Michèle Bernstein ist so ein Roman. Bernstein war mit dem Avantgarde-Künstler Guy Debord zusammen, brauchte Geld und schrieb dann 1960 diesen kleinen Roman, der 2015 in der Edition Nautilus auf Deutsch erschien. Sie erzählt darin eine so archetypische, südfranzösische Sommer-Lovestory, dass die Literaturkritiker damals nicht wussten, ob er ironisch gemeint war oder nicht. Man weiß es eigentlich bis heute nicht.
Michèle Bernstein macht sich mit ihrem Buch über die Literaturkritiker lustig, die immer fein säuberlich zwischen U und E, zwischen Bahnhofsbelletristik und ernster Literatur zu unterscheiden versuchen. (Ganz abgesehen davon, dass sie sich natürlich auch über die Unterhaltungsliteratur und, gleichermaßen, über die avantgardistische Literatur der Situationisten lustig macht). Das ist hohe Kunst: Ein ganzes Milieu, eine ganze Branche zu parodieren, ohne dass die Parodierten sich düpiert fühlen, sondern sich fleißig sogleich daran machen, den Zirkus, der parodiert wird, quasi „live“ noch einmal aufzuführen, wenn sich die Kritiker über das Buch den Kopf zerbrechen. Eine gute Absage an das Genre Konzeptroman ist „Manhattan Beach“ aber leider aber schon deshalb nicht, weil man das Buch zu gerne aus der Hand legen und stattdessen einen dieser Konzeptromane lesen will.
Hatte Jennifer Egan ihrem Roman über Zeitlichkeit ein Zitat aus Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ vorangestellt – auch das kann man prätentiös finden, zumindest aber ist es wagemutig – so stellt sie „Manhattan Beach“ ein Zitat aus Moby Dick voran: „Ja, wie jeder weiß, sind Besinnlichkeit und Wasser auf ewig vermählt“. Ein Zitat könnte nichtssagender kaum sein, wäre damit nicht eigentlich alles gesagt. Besinnlichkeit und Wasser, das sind wirklich die einzigen Dinge, die in diesem Buch zur Genüge betrachtet werden.
Jennifer Egan: Manhattan Beach. Aus dem amerikanischen Englisch von Henning Ahrens. S. Fischer, Frankfurt am Main, 2018. 508 Seiten, 22 Euro.
Dass Jennifer Egan lebendig
erzählen kann, das
zeigt sie auch in diesem Buch
Ist es eine Bestseller-Parodie,
zusammengesetzt aus
den typischen Elementen?
Das größte Kriegsschiff der Welt: Die Iowa verlässt am 27. August 1942 den Brooklyn Navy Yard.
Foto: Associated Press
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Dass Jennifer Egan lebendig erzählen kann, beweist sie auch mit diesem Roman. Was sie aber erzählt, erinnert ein wenig an die Beschreibung eines Tauchgangs selbst. Unter Krächzen und Stöhnen wird die Protagonistin Anna an einem Seil ins Wasser gelassen, nur um nach einigen Hundert Seiten mühselig wieder herausgezogen zu werden. Der Plot verläuft, gelinde gesagt, ziemlich gradlinig, und ist wirklich mitreißend wohl nur dann, wenn man New York immer schon einmal von einer anderen Seite erleben wollte und sich seine Buntstifte der Marke Lokalkolorit bereitgelegt hat. Der Roman ist ein Porträt von New York als Hafenstadt, ein Heimatroman für Großstädter.
Und ähnlich wie in Heimatromanen, die vor allem eine weibliche Leserschaft adressieren, gibt sich die Geschichte über weite Strecken feministisch, ist aber eigentlich eher Erbauungsliteratur. Die Figur der nonkonformen Frau, die als Kind nicht mit Puppen spielt, sondern mit Jungs im Dreck rangelt, das ist Anna. Sie ist nicht naiv, nicht schüchtern, nicht schön und nicht blond. Schön und blond sind hingegen nahezu alle anderen, von der etwas jüngeren und sehr mädchenhaften Tochter des Gangsters Dexter Styles, bis hin zu Annas blonder Freundin aus der Werft, die sich von einem furchtbaren reichen Mann aushalten lässt. Auf die Spitze getrieben ist dieses Frauenbild in Annas Schwester, die umwerfend schön ist – und blond –, aber leider geistig und körperlich behindert. Das ist nicht nur ein merkwürdiges Feminismusverständnis nach Haarfarbe, es bewirkt außerdem, dass die Hauptfigur Anna erstaunlich vage bleibt. Als Leser muss man sich mit der Beschreibung begnügen, dass Anna eben immer schon „anders“ war als die anderen Mädchen.
Nur warum sollte man sich für Annas Geschichte interessieren? Man könnte, frei nach der besten Ausrede schlechter Schriftsteller, vermuten, die Geschichte beruhe auf wahren Begebenheiten. Doch das ist nicht einmal der Fall: Taucherinnen gab es nicht bei der US Navy. Dabei wäre die Frage, warum die Frau und das Meer in vielen Kulturen eine Unvereinbarkeit darstellen, selbst eine Untersuchung, und wer weiß, vielleicht auch einen Roman wert. Der französische Anthropologe Alain Testart ging in seinem letzten, 2014 posthum erschienenen Buch der Frage nach, wie und warum verschiedene Tätigkeiten von den verschiedenen Geschlechtern ausgeführt werden. Diese geschlechtliche Arbeitsteilung – meist in Form eines Verbots für die Frau – ist kaum in einem Bereich so stark ausgeprägt wie in der Seefahrt. Auch in Egans Brooklyn Navy Yard dürfen Frauen, selbst wenn sie in der Werft Arbeiten verrichten, die vor dem Krieg reine Männersache war, selbstverständlich nicht die Schiffe betreten.
Sollte es in diesem Roman eine Meta-Ebene geben, dann ist sie sehr gut versteckt. Dass Weltkriege gut für den Feminismus sind, weil es zu einem Mangel an männlichen Arbeitskräften kommt, wäre als Grundgedanke etwas morbide. Man beginnt sich während des Lesens zu fragen, ob dieses Buch vielleicht als Absage an die durchdachten, mehrschichtigen amerikanischen Konzeptromane gemeint ist, wie es zum Beispiel Jennifer Egans 2011 erschienener Roman „A Visit from the Goon Squad“ gewesen war, der im Deutschen den skurrilen Titel „Der größere Teil der Welt“ bekam. Das ist ein Roman über den Niedergang der Musikindustrie, über die Digitalisierung, über das Älterwerden von Musikern, Assistenten und Managern, und das, was das Ticken der Zeit mit allem anstellt, was ihr in den Weg kommt. Das macht auch vor der Sprache nicht halt. Ein ganzes Kapitel des Buches besteht aus einer Powerpoint-Präsentation. Pfeile, Kästchen, Stichworte sind alles, was Jennifer Egan braucht, um ein voll funktionstüchtiges Romankapitel zu verfassen.
Ähnlich interessant ist das Konzept von Egans Erzählung „Black Box“ von 2013. Der schmale Science-Fiction-Roman besteht nur aus einzelnen, auf 140 Zeichen beschränkte Tweets, die auch zunächst auf Twitter veröffentlicht wurden. Es ist bei Weitem nicht der erste Twitterroman gewesen, aber er ist eben so geschrieben, dass auch jemand, der mit Twitter nichts anfangen kann, sehr viel Freude daran haben kann. Eine 31-jährige Spionin ist da auf einen Verbrecher angesetzt, den sie auf einer einsamen Insel umgarnt, um an Informationen zu gelangen. Wie mit der Black Box eines Flugzeugs zeichnet sie auf einem in ihre Stirn transplantierten Chip auf, was sie erlebt, und kommentiert es. Auf diese Weise sollen auch im Falle ihres Todes ihre Beobachtungen, persönlichen Einschätzungen und Lebensweisheiten an spätere Agentinnen übermittelt werden können. Der Roman bedient sich also nicht nur der Tweets als Format, sondern besteht auch inhaltlich aus dem, was einem so auf Twitter entgegenkommt.
Das ist in den vergangenen Jahren das Besondere an der Schriftstellerin Jennifer Egan gewesen: Sie schaffte es, den klassischen Roman formal so weit aufzubrechen, dass es literarisch interessant war und zugleich für ein großes Publikum unterhaltsam. „Goon Squad“ war ein Bestseller und brachte ihr den Pulitzer-Preis ein. Es war ein postmoderner Roman, den man mit Genuss lesen konnte, auch wenn man nicht weiß, was mit Postmoderne eigentlich gemeint ist.
Aber was für ein Buch sie mit „Manhattan Beach“ schreiben wollte, ist unklar. Einen Bestsellerroman, zusammengesetzt aus den Elementen, aus denen Bestsellerliteratur eh immer schon besteht? Oder sollte damit bewiesen werden, dass ein Buch gut geschrieben sein kann, ohne ein gutes Buch zu sein?
Es gibt Romane, deren Genialität gerade aus ihrer Ambivalenz erwächst. Ihre Brillanz besteht darin, dass sich nicht eindeutig festmachen lässt, ob es sich um einfache Unterhaltungsliteratur handelt oder um einen komplexen Metakommentar auf den Literaturbetrieb. „Alle Pferde des Königs“ von Michèle Bernstein ist so ein Roman. Bernstein war mit dem Avantgarde-Künstler Guy Debord zusammen, brauchte Geld und schrieb dann 1960 diesen kleinen Roman, der 2015 in der Edition Nautilus auf Deutsch erschien. Sie erzählt darin eine so archetypische, südfranzösische Sommer-Lovestory, dass die Literaturkritiker damals nicht wussten, ob er ironisch gemeint war oder nicht. Man weiß es eigentlich bis heute nicht.
Michèle Bernstein macht sich mit ihrem Buch über die Literaturkritiker lustig, die immer fein säuberlich zwischen U und E, zwischen Bahnhofsbelletristik und ernster Literatur zu unterscheiden versuchen. (Ganz abgesehen davon, dass sie sich natürlich auch über die Unterhaltungsliteratur und, gleichermaßen, über die avantgardistische Literatur der Situationisten lustig macht). Das ist hohe Kunst: Ein ganzes Milieu, eine ganze Branche zu parodieren, ohne dass die Parodierten sich düpiert fühlen, sondern sich fleißig sogleich daran machen, den Zirkus, der parodiert wird, quasi „live“ noch einmal aufzuführen, wenn sich die Kritiker über das Buch den Kopf zerbrechen. Eine gute Absage an das Genre Konzeptroman ist „Manhattan Beach“ aber leider aber schon deshalb nicht, weil man das Buch zu gerne aus der Hand legen und stattdessen einen dieser Konzeptromane lesen will.
Hatte Jennifer Egan ihrem Roman über Zeitlichkeit ein Zitat aus Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ vorangestellt – auch das kann man prätentiös finden, zumindest aber ist es wagemutig – so stellt sie „Manhattan Beach“ ein Zitat aus Moby Dick voran: „Ja, wie jeder weiß, sind Besinnlichkeit und Wasser auf ewig vermählt“. Ein Zitat könnte nichtssagender kaum sein, wäre damit nicht eigentlich alles gesagt. Besinnlichkeit und Wasser, das sind wirklich die einzigen Dinge, die in diesem Buch zur Genüge betrachtet werden.
Jennifer Egan: Manhattan Beach. Aus dem amerikanischen Englisch von Henning Ahrens. S. Fischer, Frankfurt am Main, 2018. 508 Seiten, 22 Euro.
Dass Jennifer Egan lebendig
erzählen kann, das
zeigt sie auch in diesem Buch
Ist es eine Bestseller-Parodie,
zusammengesetzt aus
den typischen Elementen?
Das größte Kriegsschiff der Welt: Die Iowa verlässt am 27. August 1942 den Brooklyn Navy Yard.
Foto: Associated Press
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Das wunderschöne Cover und der Titel haben meine Aufmerksamkeit auf das Buch gelenkt. Lassen sie doch beide auf einen tollen Roman hoffen. Von der Autorin habe ich bis jetzt noch nichts gelesen.
Der Schreibstil ist flüssig, jedoch erschwert das ständige Wechseln zwischen …
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Das wunderschöne Cover und der Titel haben meine Aufmerksamkeit auf das Buch gelenkt. Lassen sie doch beide auf einen tollen Roman hoffen. Von der Autorin habe ich bis jetzt noch nichts gelesen.
Der Schreibstil ist flüssig, jedoch erschwert das ständige Wechseln zwischen verschiedenen Zeiten und Erzählsträngen das Lesevergnügen erheblich. Man kommt nicht so richtig in Schwung. Auch gibt es irgendwie keinen so richtigen roten Faden im Buch. So dass es oft sehr langweilig und zäh wirkt.
Die einzelnen Personen sind recht oberflächlich gewählt und man bekommt nicht wirklich einen Bezug zu ihnen. Schade, ich hätte mir irgendwie mehr von dem Buch erwartet.
Zur Geschichte, in New York zu Kriegszeiten, sind die Männer an der Front und die Frauen übernehmen in den Fabriken ihre Arbeit. Anna träumt davon, einmal als Taucherin zu arbeiten. Dafür setzt sie so einiges ein.
Doch mehr möchte ich von der Handlung nicht verraten.
Ein Buch, das ich leider nicht wirklich empfehlen kann. Ich hatte mir mehr erwartet und habe mich mehr oder weniger durch das Buch durchgearbeitet.
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Im New York der Vorkriegs- und Kriegszeit des 2. Weltkrieges wächst Anna Kerrigan auf. Ihr Vater arbeitet für den zwielichtigen Dexter Styles, der legale wie illegale Spielsalons und diverse andere Aktivitäten ausführt. Anna wächst sehr liebevoll auf auch wenn die …
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Im New York der Vorkriegs- und Kriegszeit des 2. Weltkrieges wächst Anna Kerrigan auf. Ihr Vater arbeitet für den zwielichtigen Dexter Styles, der legale wie illegale Spielsalons und diverse andere Aktivitäten ausführt. Anna wächst sehr liebevoll auf auch wenn die Aufmerksamkeit der Mutter hauptsächlich ihrer behinderten Schwester gilt. In Annas Teenagerzeit verschwindet ihr Vater urplötzlich, ist wie vom Erdboden verschwunden. Durch ihre Fürsorge an ihrer Schwester ist Anna zu einer physisch wie psychisch starken jungen Frau herangewachsen und möchte in den Kriegszeiten da immer mehr junge Männer eingezogen werden ihren Wunsch, Taucherin zu werden, verwirklichen. Viele Hindernisse stehen ihr bevor, bis sie es schafft, als erste Frau diese körperlich sehr anstrengende Arbeit zu verrichten. Anfeindungen bestimmen zu Beginn ihr Leben bis sie den Respekt ihrer Kollegen und des Chefs erlangt. Das Verschwinden ihres Vater hingegen lässt ihr keine Ruhe und als sie Dexter Styles trifft sieht sie eine Chance, mehr über ihren Vater herauszufinden.
Der Roman ist sprachlich ganz hervorragend geschrieben, die Arbeiten als Marinetaucher werden sachlich interessant näher gebracht und das Leben und die Beweggründe Annas sind nachvollziehbar. Einzig beim Lebenslauf Eddies, Annas Vater, wird extrem dick aufgetragen. Hier scheinen mehrere Lebensläufe, die so während des 2. Weltkrieges möglich waren, in einem vereint.
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Inhalt :
Als die Weltwirtschaftskrise kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs über die Familie der jungen Anna hereinbricht verändert sich ihr ganzes Leben.
Anna wächst im Schatten der großen und beeindruckenden Marinewerften von New York zu einer jungen Frau …
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Inhalt :
Als die Weltwirtschaftskrise kurz vor und während des Zweiten Weltkriegs über die Familie der jungen Anna hereinbricht verändert sich ihr ganzes Leben.
Anna wächst im Schatten der großen und beeindruckenden Marinewerften von New York zu einer jungen Frau heran, als sich die wirtschaftlich brenzlige Situation immer enger um ihre Familie zieht. Während sich ihre Mutter Zuhause um ihre wunderschöne, aber behinderte Schwester kümmert, gerät ihr Vater immer mehr in die illegalen Botengänge und Machenschaften der Mafia und ihrer Gangster. Als kurze Zeit später, der Vater spurlos verschwindet und die Familie im Stich lässt, verfolgt Anna als Versorgerin der Familie einen Traum, den vor ihr, keine Frau zu träumen wagte.
Sie sehnt sich danach Marinetaucherin zu werden, doch während der Schatten ihres Vaters weiterhin über der Familie schwebt, erlebt Anna einige Turbulenzen ihres Lebens und kreuzt Wege von Menschen, die ihr Leben für immer verändern sollen. .
Meinung :
Dies ist mein erstes Buch, der hochgelobten und mit Preisen überhäufen amerikanischen Schriftstellerin Jennifer Egan.
Bereits auf den ersten Kapitel war ich vollkommen im Bann der Geschichte versunken, selten hatte ich ein solch starkes Gefühl, eine solch starke emotionale Bindung zu der erzählten Geschichte, dass ich beinahe vergaß, dass ich ein Buch in der Hand hielt. Und genau hier liegt das Talent von Jennifer Egan, ihr unverwechselbarer Schreibstil, der mich von Seite eins an in seinen Bann zog und mir ein wohlwollendes und sehr heimisches Gefühl während des Lesens vermittelte.
Was mich ganz besonders an diesem Buch faszinierte, war der neue Blickwinkel, welchen wir geboten bekamen. Zwar spielt diese Geschichte, in einer, in der Literatur oft behandelten Zeit, dem zweiten Weltkrieg, dennoch bekommen wir durch die junge Frau Anna, andere Einblicke, die sehr emotional und interessant sind. Auch wenn ich mir an der ein oder anderen Stelle, intensivere Einblicke in genau dieses Leben, als Marinetaucherin gewünscht hätte, für mich verlegte sich der Fokus zu häufig auf Annas private Verstrickungen und Probleme, wodurch die Geschichte etwas zu viele triviale Aspekte bekam.
Dennoch ist die Zeit und deren Begebenheiten sehr gut, sehr authentisch geschildert, wodurch der Leser sich unsagbar gut mit den Charakteren identifizieren kann und gerade die Charaktere sind wirklich sehr sehr schön ausgearbeitet.
Trotz der großen erzählerischen Stärke der Autorin, begann die Geschichte als "literarisch sehr hochwertiges Werk", entwickelte sich in meinen Augen allerdings leider zu einem sehr schönen und dennoch sehr trivialen Werk.
Fazit :
Für mich ein sehr guter Unterhaltungsroman, dessen Stärken sicherlich im Schreibstil der Autorin und in ihren Charakteren liegt. Dennoch hatte ich mir einen literarischeren Aufbau der Handlung gewünscht, bekam allerdings nur einen sehr dem Mainstream folgenden, trivialen Stoff.
Dennoch ein Roman, der mir unsagbar viel Freunde bereitet hat und den ich auch nur weiterempfehlen kann, 4 Sterne !
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Eine Geschichte inmitten der New Yorker Verbrecherszene: das klingt wie etwas, das schon oft dagewesen ist. Aber hier geht es vor allem um Anna, die Tochter von Eddie, der, ursprünglich aus der Gewerkschaftsbewegung kommend, in die kriminelle Szene seiner Stadt hineingerät und nicht mehr …
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Eine Geschichte inmitten der New Yorker Verbrecherszene: das klingt wie etwas, das schon oft dagewesen ist. Aber hier geht es vor allem um Anna, die Tochter von Eddie, der, ursprünglich aus der Gewerkschaftsbewegung kommend, in die kriminelle Szene seiner Stadt hineingerät und nicht mehr rauskommt. Zudem belastet ihn seine häusliche Situation, auch wenn Tochter Anna ihm nur Freude macht - doch Lydia, die zweite Tochter ist schwerstbehindert und seine Frau Agnes widmet dieser ihr ganzes Leben - wobei sie eigentlich keine andere Wahl hat, erfährt sie doch so gut wie keine Unterstützung von Eddie. Und mehr noch, eines Tages ist er einfach weg. Die drei Frauen müssen nun allein klar kommen und das schaffen sie auch bis zu Lydias Tod.
Danach bricht auch die Restfamilie auseinander - Agnes zieht zurück zu ihrer Familie, Anna hingegen widmet sich ihrer Arbeit und verfolgt einen schon länger gehegten Traum: sie wird Marinetaucherin. Leicht ist es nicht, als einzige Frau zwischen den Männern klar zu kommen und sie erlebt Rückschläge noch und nöcher, wobei die eigentlich nie etwas mit ihren Fähigkeiten - sie hält allen Herausforderungen stand - zu tun haben, sondern immer nur mit der Benachteiligung durch Vorgesetzte oder Kollegen.
Und die ganzen Jahre hinweg ist sie auf der Suche nach ihrem Vater, denn sie ist überzeugt, dass er die Familie nicht freiwillig verlassen hat.
Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan ist mit diesem Roman tief in die Vergangenheit getaucht - auf jeder Seite des Buches kann man ihre gründlichen Recherchen nachverfolgen. Doch sie schildert die Vergangenheit nicht so, wie sie war, sie hat sich die schriftstellerische Freiheit genommen, etwas dazuzuerfinden. Und zwar die Taucherin als Frauenberuf. In der US-Marine gab es nämlich im zweiten Weltkrieg keine einzige Taucherin. Damit befindet sie sich in der Nachbarschaft ihres Schriftstellerkollegen Colson Whitehead, der der "Underground Railroad" ein völlig neues Gesicht gab, das es in der Realität nicht gegeben hatte.
Egans Darstellung einer Frau, die ihren Berufswunsch realisiert, ist ebenso eindringlich wie ihre Schilderung von New York vor und während des zweiten Weltkriegs - es ist nicht schwer, die Situationen als Leser bildhaft nachzuempfinden. Zudem ist ihr Stil ebenso gekonnt wie fesselnd.
Dennoch hatte ich gelegentlich bei der Lektüre dieses vielschichtigen Romans ein wenig Schwierigkeiten mit den Übergängen, den Szenenwechseln, denn Egan springt in ihrem Roman öfter mal von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück. Aber das ist Kritik auf sehr hohem Niveau an einem ungewöhnlichen Roman, den ich so schnell nicht vergessen werde.
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Ich bin ehrlich, dieses Buch hat mich zeitweise etwas erschlagen. Ausgehende vom Klappentext und der Leseprobe hatte ich etwas ganz anders erwartet – Annas Geschichte und die Suche nach ihrem Vater.
Aber alles beginnt viel früher. Mit Eddies Leben als Laufbursche im Restaurant seines …
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Ich bin ehrlich, dieses Buch hat mich zeitweise etwas erschlagen. Ausgehende vom Klappentext und der Leseprobe hatte ich etwas ganz anders erwartet – Annas Geschichte und die Suche nach ihrem Vater.
Aber alles beginnt viel früher. Mit Eddies Leben als Laufbursche im Restaurant seines Vaters, wie er seine Frau fand, eine Familie gründete, groß herauskam und beim Börsencrash alles verlor. Auch Dexter hat sich vom Handlanger zum Boss hochgearbeitet, die Tochter eines reichen Bankiers geheiratet und dient als Mittler zwischen beiden Welten (Legalität und Illegalität) – das haben er und Eddie gemeinsam.
Annas Kampf gegen Vorgesetzte und Vorurteile darum, Tauchen zu dürfen, ist nur ein winziger Teil des Buches. Eigentlich geht es ums große Ganze. Den Krieg, das Lebensgefühl, Einzelschicksale.
Trotzdem habe ich mir Anna als Hauptperson ausgesucht, weil sie mich am meisten beeindruckt, ihr Schicksal mich gefesselt hat. Sie will mehr aus ihrem Leben machen. Nicht nur einen Mann finden der sie aushält oder heiratet, wie es sich die anderen Mädchen in der Werft wünschen. Nicht nur Sekretärin sein. Und Anderssein macht einsam. Sie ahnte, wie leicht sie in eine Ritze der verdunkelten Stadt gleiten und darin verschwinden konnte.“ (S. 228)
Vor allem in der zweiten Hälfte gab es Passagen, die mir leider zu weitschweifig und langatmig waren, seitenlange Rückblenden und Gespräche zum Beispiel. Hier hat die Autorin m.E. zu viel von dem reingepackt, was sie bei ihren Nachforschungen entdeckt hat und manchmal ist weniger dann doch mehr.
Fazit: Obwohl ich eigentlich etwas anderes erwartet hatte und mich das Buch nicht durchgehende fesseln konnte, hat mich Annas Leben tief beeindruckt. Ein komplexes, umfassend recherchiertes Werk über Manhattan in den 30er und 40er Jahren.
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Welche Bilder prasseln einem ins Hirn wenn man an die 40er Jahre denkt? Krieg, genau! Und welche Bilder werden bei dem Gedanken an New York freigesetzt? Skyscraper, Times Square, Wall Street, Central Park und vieles mehr, richtig.
Was passiert nun, wenn man sich in das New York der 40er Jahre …
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Welche Bilder prasseln einem ins Hirn wenn man an die 40er Jahre denkt? Krieg, genau! Und welche Bilder werden bei dem Gedanken an New York freigesetzt? Skyscraper, Times Square, Wall Street, Central Park und vieles mehr, richtig.
Was passiert nun, wenn man sich in das New York der 40er Jahre versetzt und dann auch noch die Navy Hafenanlage in den Fokus nimmt? Genau – mind blowing! Jennifer Egan zeigt uns New York aus einem unbekannten Blickwinkel mit ihrem Roman ‚Manhattan Beach‘. Im Grunde auch eher Brooklyn, aber eben auch New York! Dieser Blickwinkel ist so völlig anders ist als was man sonst literarisch über New York in die Hände bekommt.
Manhattan Beach ist witzigerweise ein Abschnitt in Brooklyn auf des weltbekannten Coney Island, man müsste praktisch heutzutage an der Haltestelle Brighton Beach aussteigen und noch weiter den letzten Zipfel zu erkunden.
Der Roman hat also schon mal ein ungewöhnliches Setting. Jetzt nehme man noch eine junge Frau dazu, Anna, die ein sehr offener und feministischer Charakter ist, die damals sicherlich eher als schwierig und aufmüpfig wahrgenommen wurde. Anna, die in dieser Zeit auch noch in den Navy Docs arbeitet und eben mehr will als die Damen um sie herum. Und nun, ein Geheimnis muss es geben, ihr Vater verschwindet spurlos als Anna ein Teenager ist…
Mit hat der Roman gut gefallen, weil er mir das Eintauchen in eine vergangenen Welt ermöglich hat, die ich so bisher nicht wahrgenommen habe. Nur auf Rundfahrten um Manhattan Island wird die Navy Werft erwähnt, aber ich schenkte dem wenig Beachtung. Fatal, wenn man die riesige Anlage von einst mit diesem Roman begreifen lernt.
Was macht den Roman aus? Vor allem der Schreibstill den Jennifer Egan, selbst in der Übersetzung, so überzeugend liefert, macht den Roman großartig. Sie schreibt einerseits melancholisch, aber so gar nicht kitschig, obwohl die Romanfiguren zum Teil harte Schläge ertragen müssen. Auch die Bilder die sie heraufbeschwört sind gut eingeflochten und wirken weder überfrachtend noch deplatziert.
Fazit: Ein schönes Stück Literatur. Lesenswert für jedermann!
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Anna Kerrigan lebt mit ihrer Mutter und der behinderten Schwester Lydia 1942 in New York. Ihr Vater ist seit Jahren verschwunden. Die Männer sind an der Front und die Frauen übernehmen die Arbeit in den Fabriken und auf der Werft, so wie Anna. Als Anna einen Taucher beobachtet, setzt sie …
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Anna Kerrigan lebt mit ihrer Mutter und der behinderten Schwester Lydia 1942 in New York. Ihr Vater ist seit Jahren verschwunden. Die Männer sind an der Front und die Frauen übernehmen die Arbeit in den Fabriken und auf der Werft, so wie Anna. Als Anna einen Taucher beobachtet, setzt sie alles daran, Marinetaucherin zu werden. Sie möchte die Kriegsschiffe in den Docks unter Wasser reparieren. Eigentlich unvorstellbar und doch spielt die Zeit ihr in die Hände, denn immer mehr Männer wurden eingezogen.
Die Weltwirtschaftskrise hat den Menschen zugesetzt und man macht sich nicht viele Gedanken, wenn man einen Job haben konnte. Da Annas Mutter sich um Lydia kümmern musste, nahm der Vater Gelegenheitsjobs an und geriet so an Dexter Styles, eine sehr zwielichtige Gestalt. Anna hatte Dexter früher mal getroffen. Dann war Eddie plötzlich verschwunden. Als Anna Dexter Styles wiedertrifft, macht sie sich auf die Suche nach ihrem Vater und bekommt es so mit der New Yorker Unterwelt zu tun.
Das Buch liest sich sehr angenehm.
Ich mochte Anna, die weiß was sie will und dafür kämpft, ihr Ziel zu erreichen. Dabei muss sie durchaus auch Rückschläge einstecken. Aber sie zeigt den Männern, was in ihr steckt. Auch die Suche nach ihrem Vater betreibt sie trotz der Gefahren zielstrebig. Aber auch die anderen Figuren sind interessant und authentisch dargestellt und so zeigen selbst Bösewichte schon mal auch eine nette Seite.
Mit diesem Buch taucht man ein in das pulsierende Leben im New York der 30er und 40er Jahre. Es zeigt die überschäumende Lebensfreude und auch die Schattenseiten.
Mich hat dieser Roman von Anfang an gepackt. Auch wenn es schon mal ein paar Längen gab, war die Geschichte dennoch spannend.
Ein interessanter und spannender Roman, der mich gut unterhalten hat.
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Episch und sehr amerikanisch
Die Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan hat mit ihrem neuesten Roman „Manhattan Beach“ ein vielschichtiges, spannendes und sehr amerikanisches Buch geschrieben, das Familiengeschichte, Frauenschicksal und ein Sittengemälde New Yorks in den 30er und …
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Episch und sehr amerikanisch
Die Pulitzerpreisträgerin Jennifer Egan hat mit ihrem neuesten Roman „Manhattan Beach“ ein vielschichtiges, spannendes und sehr amerikanisches Buch geschrieben, das Familiengeschichte, Frauenschicksal und ein Sittengemälde New Yorks in den 30er und 40er Jahren in sich vereint und sich locker wegliest. Wer allerdings höchsten Anspruch erwartet, wird enttäuscht werden, allerdings ist ihr Stil gewohnt gekonnt, ihre Recherchearbeit zum Buch äußerst gründlich und die fast episch zu nennende Geschichte verknüpft Wahrheit und Fiktion so geschickt, dass ein Buch vorliegt, bei dem das Lesen großes Vergnügen bereitet.
Im Mittelpunkt der in den 1930er und 1940er Jahren spielenden Geschichte steht die junge Anna Kerrigan, die für Kriegszwecke in der Marinewerft arbeitet. Ihre Mutter kümmert sich um die schwerstbehinderte Schwester Lydia, ihr Vater Eddie ist verschwunden. Annas Leben ändert sich, als sie einen Taucher beim Übungsgang beobachtet, sie kämpft mutig und sehr entschlossen darum, Marinetaucherin zu werden. Und sie trifft Dexter Styles, Verbrecher, Nachtclubbesitzer und Syndikatsmitglied. Für ihn hatte ihr Vater Eddie gearbeitet, bevor er verschwand.
Anna ist als Frauenfigur gezeichnet, die in einer Männerwelt ihren Weg sucht und eisern verfolgt. Sie hat es dabei nicht leicht und muss viele Rückschläge hinnehmen, die immer mit Vorurteilen ihrer Vorgesetzten zu tun haben, nie mit ihren mangelnden Fähigkeiten, denn alle Herausforderungen des Taucherberufes meistert sie gekonnt.
Jennifer Egan schreibt mit der Geschichte der Marinetaucherin Anna eine eindringliche Hommage an Frauen, die in Männerberufen bestehen, sich ihren Weg erkämpfen müssen. Sie taucht dazu in die Vergangenheit eintaucht und ergänzt diese durch Fiktion. Denn in der Realität gab es zu dieser Zeit nie Frauen, die als Taucherinnen in der Marine waren.
Ein großer Teil der Handlung spielt im Gangstermilieu, Anna ist auf der Suche nach ihrem Vater Eddie, und der Erzählstrang über ihn verfolgt seine Kindheit im Heim zu zwielichtigen Geschäften im Gewerkschafts- und Mafia-Umfeld.
Gekonnt verbindet die Autorin die verschiedenen Ebenen des Buches, allerdings erfordert das Lesen große Aufmerksamkeit, denn die Szenenwechsel und Übergänge bewegen sich hart an der Grenze des „Zuviel“, da die Autorin auch öfters Trips in die Vergangenheit und zurück einbaut.
Ich habe diesen ungewöhnlichen Roman sehr gerne gelesen, und auch wenn der Stoff für mehr als ein Buch gereicht hätte schaffte Jennifer Egan es die ganze Zeit, mich zu fesseln und zu beeindrucken. Völlig zu recht wurde ihr Buch mit Erscheinen in den USA von der Presse gefeiert und stand auf der New York Times-Bestsellerliste.
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„Sie hatte ihr Leben nur vom Krieg geborgt; der Krieg war ihr Leben.“
Auf „Manhattan Beach“ habe ich mich sehr gefreut, der Klappentext und die Leseprobe haben mich neugierig auf das Buch gemacht.
Es geht um die Familie Kerrigan, der Vater arbeitet für einen …
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„Sie hatte ihr Leben nur vom Krieg geborgt; der Krieg war ihr Leben.“
Auf „Manhattan Beach“ habe ich mich sehr gefreut, der Klappentext und die Leseprobe haben mich neugierig auf das Buch gemacht.
Es geht um die Familie Kerrigan, der Vater arbeitet für einen dubiosen Gangster, die Mutter, eine ehemalige Tänzerin, kümmert sich um die behinderte Tochter Lydia und Anna, die ältere Tochter, steht quasi zwischen allen Stühlen.
Als Kind durfte sie ihren geliebten Vater bei seinen Geschäftsgängen begleiten, das endet aber plötzlich als sie älter wird und eines Tages verschwindet ihr Vater.
Anna muss sich zusammen mit ihrer Mutter um ihre Schwester kümmern und durch die kriegsbedingte Abwesenheit vieler Männer eröffnen sich ihr beruflich Türen, die in Friedenszeiten damals kaum möglich gewesen wären.
Der zweite Erzählstrang schildert die damalige Unterwelt Manhattans in Person Dexters, dem Chef ihres Vaters.
Sehr detailreich und dadurch faszinierend, aber leider für mich oft auch ermüdend und ohne den Sinn der ausschweifenden Erzählweise zu sehen, schildert Jennifer Egan unter anderem das Erwachsenwerden von Anna, das Hafenleben in Kriegszeiten (das wird wirklich großartig beschrieben) und ganz viel Drumherum.
Insgesamt war es für mich einfach zu ausschweifend und damit über eine lange Strecke langweilig und schlichtweg uninteressant, ich hätte das Buch am liebsten abgebrochen, bin letztendlich aber doch froh, durchgehalten zu haben.
Die letzten 20 Prozent haben mich wieder mit dem Buch versöhnt, es hat Dynamik gewonnen und mich plötzlich gefesselt.
Mein Fazit: für Freunde von ausschweifenden Erzählungen sicherlich großartig, mir war es too much, allerdings hat mir die Schilderung der Lebensumstände von alleinstehenden Frauen in Kriegsjahren gut gefallen.
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Im Prinzip sind es drei Geschichten, die Jennifer Egan in ihrem Roman "Manhattan Beach" erzählt: die der jungen Anna, ihres Vaters Eddie und des Gangsterbosses Dexter. Angesiedelt sind diese Handlungsstränge in den 30er und 40er Jahren in New York, vor dem Hintergrund des zweiten …
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Im Prinzip sind es drei Geschichten, die Jennifer Egan in ihrem Roman "Manhattan Beach" erzählt: die der jungen Anna, ihres Vaters Eddie und des Gangsterbosses Dexter. Angesiedelt sind diese Handlungsstränge in den 30er und 40er Jahren in New York, vor dem Hintergrund des zweiten Weltkrieges. Anna hat es satt, in der Marinewerft noch länger am Fließband zu stehen; Taucherin möchte sie werden und unter Wasser Schiffe reparieren. Was in dieser Zeit quasi unmöglich ist, Anna will es unbedingt als einzige Frau erreichen, um ihre Mutter und behinderte Schwester zu unterstützen. Die drei Frauen sind auf sich allein gestellt, denn 5 Jahre zuvor ist Annas Vater Eddie verschwunden, nachdem er jahrelang für den Gangsterboss Dexter Styles Botengänge erledigt hat. Anna stellt schließlich Nachforschungen an, um den Aufenthaltsort ihres Vater zu ermitteln und so werden alle drei Schicksale eng miteinander verwebt.
Jennifer Egan kann schreiben, das steht außer Frage. Dennoch fällt es schwer, mit dem Roman und seinen Charakteren warm zu werden. Schon die Einordnung in ein Genre fällt schwer. Für einen Kriegsroman sind die Kriegshandlungen zu oberflächlich abgehandelt, sind nur schmückendes Beiwerk und Motor der eigentlichen Geschichte. Ein Familienroman, das dürfte noch am ehesten passen. Gegenüber stehen sich zwei Familien: Annas, eher ärmlich, durch die Behinderung der Schwester vereint und gespalten zugleich. Und der Familienclan um Dexter Styles, nach außen hin reich und glücklich, im Inneren zerrissen und chaotisch.
Dexter Styles war am Ende tatsächlich auch der Charakter, den ich am meisten nachvollziehen konnte, der für mich am rundesten war. Er ist gefangen in einer Welt, die er selbst gewählt hat. Gleichzeitig sehnt er sich aber auch nach deren Zerstörung und einem Leben, das mehr zu bieten hat, das einen Einfluss hat auf die Zukunft der Gesellschaft. Anna wird zwar in allen Rezensionen und Pressestimmen als DIE starke Frau und Feministin gefeiert, aber leider konnte ich das nach der Lektüre von "Manhattan Beach" nicht bestätigen. Taucherin wird sie am Ende eigentlich nur, weil sie es sich in den Kopf gesetzt hat und ihrem Chef schöne Augen macht. In ihrem sonstigen Wesen und ihren Handlungen kann ich die starke Frauenfigur, die ich mir erhofft hatte, nur in Teilen erkennen. Sicherlich behauptet sie sich in einer schwierigen Zeit, aber das tun die anderen weiblichen Figuren auch, wenn auch auf ihre eigene Weise. Schade, mit Annas Figur wurde definitiv Potenzial verschenkt. Und Eddie? Was bleibt über Eddie zu sagen? Einen Schwächling, der nicht den Mut besitzt, seine behinderte Tochter so zu lieben, wie sie es verdient und der irgendwann einfach von der Bildfläche verschwindet. Nein, ich mochte ihn nicht, auch wenn er im Verlauf des Romans noch an Profil gewinnt.
Sprachlich ist der Roman gut und präzise erzählt, allerdings hat er doch seine Längen. Die Arbeit in der Marinewerft, jeder Schritt beim Anziehen des Taucheranzuges oder ein Familienwochenende bei Dexter Styles. Alles wird in epischer Breite geschildert, ohne die Handlung großartig voranzubringen. Und das ist überhaupt ein Problem des Romans, denn im Grundsatz ist "Manhattan Beach" nur ein Ausschnitt aus einer großen Handlung, die wenigsten Stränge werden am Ende aufgelöst, zu vieles bleibt offen. Wer den Roman als genau dies akzeptieren kann, einen Ausschnitt aus mehreren Menschenleben in Kriegszeiten, der wird vermutlich seine Freude daran haben. Ich hingegen hatte mir einfach mehr von diesem hochgelobten Werk versprochen.
Fazit: Ein sprachlich solider Roman mit Längen und verschenktem Potenzial
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