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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1221 Bewertungen
Bewertung vom 03.07.2025
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und die Pratermorde / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.4


ausgezeichnet

Das Gespenst vom Prater

„Das war kein Trick, kein Kunstblut. Der Zauberer Charles Banton hatte seine Assistentin tatsächlich entzweigesägt.“ (S. 26)
Als bei der ersten Vorführung der „zersägten Jungfrau“ die Assistentin des Zauberers stirbt, wird Oberinspektor Leopold von Herzfeldt mit den Ermittlungen beauftragt. Er ist nicht sonderlich begeistert, dass Julia Wolf, Fotografin beim Neuen Wiener Journal, vor ihm am Tatort war und den Zauberer und seinen Assistenten bereits befragt hat. Als Julia noch Tatortfotografin des Wiener Polizeipräsidiums und mit Leo zusammen war, haben sie oft gemeinsam ermittelt, doch jetzt ist sie eine Zivilistin. Also bittet er den Totengräber Augustin Rothmayer um Hilfe.
Banton ist überzeugt, dass sein Konkurrent, der Große Bellini, den Trick sabotiert hat. Also sucht Leo ihn in seinem Theater im Prater auf. Wieder war Julia vor ihm da, aber sie lässt sich von einem Gerücht ablenken. Im Prater sind in den letzten beiden Monaten mindestens vier Mädchen verschwunden. Leo tut das als unwichtig ab, bis die ersten Leichen auftauchen und eine Gemeinsamkeit mit der toten Assistentin aufweisen. „Im Prater gibt es Menschen, die sind Monster, ich bin mir sicher. Die schrecken von nichts zurück, auch nicht vor Mord und Totschlag.“ (S. 366)

Auch der vierte Teil der Reihe von Oliver Pötzsch ist wieder extrem spannend, ein bisschen gruselig und verbindet Wiener Flair und Historie mit für die damalige Zeit modernsten Ermittlungsmethoden und gerichtsmedizinischen Untersuchungen. Rothmayer und Leo schreiben zusammen ein Buch für die praktische Polizeiarbeit und wenden ihr erarbeitetes Wissen bei der Aufklärung des Falls an. So kann Rothmayer mit Maden, Larven etc. die Todeszeitpunkte der Leichen bestimmen, und Leo nutzt Fingerabdrücke für die Täterbestimmung.

Für zusätzliche Spannung sorgen die privaten Verwicklungen der Beteiligten. Julia ist mit dem Pianisten Felix liiert, will aber nur eine lockere Beziehung, während er immer eifersüchtiger und besitzergreifender wird. Irgendwie kann sie Leo eben doch nicht vergessen. Leo trauert Julia hinterher. Er kann sich nicht vorstellen, dass sie die Trennung wirklich ernst meint. Und Rothmayer verzweifelt an seiner Ziehtochter Anna. Die kommt langsam in die Pubertät, schämt sich für ihn und sich treibt sich mit Jungs rumt, wenn bisher auch nur, um mit ihnen Fußball zu spielen. Außerdem regt es sich über die Bestattern und ihre Geschäftsgebaren auf ...

Und dann sind plötzlich alle in den Fall involviert und in Lebensgefahr, den der Große Califati, der Geist eines vor Jahren verstorbenen Zauberkünstlers (oder doch jemand ganz Irdisches?!), ist hinter ihnen her. Eine atemlose Jagd durch den Prater beginnt.

Bewertung vom 29.06.2025
Hunter, Becky

Bis mein Herz wieder schlägt


ausgezeichnet

Eine Liebe über den Tod hinaus?

„Du darfst nicht für diese Momente mit mir leben. Es geht nicht, dass du lieber hier bist als dort, wo du hingehörst.“ (S. 272)
Emery ist fünf, als ihr Herz zum ersten Mal stehenbleibt. Für einige Sekunden ist sie klinisch tot – und findet sich in einer Art Zwischenwelt wieder. Dort begegnet sie Nick, einem Mann, der sie an die Hand und ihr die Angst vorm Sterben nimmt. Doch dank der Herzdruckmassage ihrer Mutter kehrt Emery ins Leben zurück. Im Krankenhaus diagnostizieren die Ärzte einen seltenen, unheilbaren Herzfehler: Emery kann jederzeit sterben, aber auch zurückgeholt werden.
Für ihre Eltern und ältere Schwester ist ein echter Schock. Fortan bauen sie ihr Leben um Emery herum, beschützen sie aus Angst vor dem nächsten Vorfall übermäßig. Nur Emery selbst fürchtet sich nicht. Früh erkennt sie, dass sie ihr Schicksal nicht beeinflussen kann. Mehr noch, mit der Zeit beginnt sie diese Auszeiten vom Leben zu genießen, weil sie Nick dann wiedersieht. Denn längst ist da mehr zwischen ihnen.
Irgendwann erzählt er ihr, dass sie ist die Einzige, die ihn mehr als einmal besucht. Gemeinsam rätseln sie, warum das so ist. Soll nicht nur er ihr helfen, sondern sie auch ihm? Oder sind sie vielleicht füreinander bestimmt? Je älter Emery wird, um so schwerer fällt es ihr, und die Zwischenwelt wieder zu verlassen.

Beim ersten Mal versteht Emery noch nicht, was mit ihr passiert. Als sie von Nick erzählt, glaubt ihr niemand, also erwähnt sie ihn nie wieder.
Ich konnte gut nachvollziehen, warum Emery beginnt, gegen die Ängste und Verbote ihrer Eltern zu rebellieren. Als Erwachsene lebt sie kompromisslos im Moment – weil jeder der letzte sein könnte. Sie treibt durch die Welt, Jobs und Männer, ohne irgendwo anzukommen. Dabei vergisst sie, dass sie nicht allein ist – und dass das Leben, das sie so unerschrocken lebt, auch Verantwortung mit sich bringt. Ihr bester Freund Colin bringt es schließlich auf den Punkt: „Ich habe das eher Gefühl, du läufst vor dem Leben davon.“ (S. 139)

„Bis mein Herz wieder schlägt“ von Becky Hunter ist ein extrem berührendes, fast philosophisches Buch über das Leben und Sterben, Angst und Mut, Familie und Freunde – und die Liebe. Ein Buch, das mich am Ende fast zu Tränen gerührt hat.

Bewertung vom 27.06.2025
Hampson, Amanda

Die Tea Ladies


gut

Ausgekochte Teedamen

„… wir sind Teedamen – uns geht alles was an.“ (S. 8)
Sydney, 1965: Jeden Tag treffen sich die Teedamen Hazel, Irene, Betty und Merl in ihrer Pause und besprechen, was in es in ihren Fashionfirmen Neues gibt – und es gibt immer irgendwas, über das es sich zu reden lohnt. Schließlich kommen sie mit ihren Teewägen und Keksen in alle Bereiche der Firmen, kennen die Mitarbeiter und Chefs und deren Vorlieben. Es ist ein ruhiges Leben. Bis sich Hazel eines Tages einbildet, dass sie an einem Fenster in dem leerstehenden Zollgebäude gegenüber eine Frau sieht, die etwas auf die verstaubte Scheibe geschrieben hat. Sie gibt der Polizei Bescheid, aber man glaubt ihr nicht. Doch am nächsten Morgen brennt das Haus und Hazel findet einen Toten. Als dann die Ermittlungen der Polizei im Sande verlaufen, stellen Hazel und ihre Freundinnen eigene Nachforschungen an.

Ich lese sehr gern Cosy-Crimes, aber „Die Tea Ladys“ waren selbst mir zu gemütlich. Die Handlung plätschert vor sich hin und wird von den privaten Problemen und dem Alltag der Freundinnen überschattet. Einzig sie unangenehme Entdeckung, die Hazels Ehemann betrifft, hat mich fasziniert. Ihre Ermittlungen stagnieren immer wieder, man denkt schon, sie haben sie vergessen, da taucht plötzlich von irgendwo ein neuer Hinweis auf.

Deutlich spannender und amüsanter fand ich die Ereignisse in der Firma, in der Hazel arbeitet. Der Familienbetrieb schneidert seit Jahrzehnten die gleichen langweiligen, längst veralteten Modelle. Der Seniorchef und die betagten Designerinnen verstehen nicht, dass jetzt Mini-Kleider in sein sollen. „Ein Kleid und ein paar knochige Knie machen noch keine Revolution.“ (S. 85) Der Juniorchef ist zu nichts zu gebrauchen und die Enkelin, die von der neuen Mode begeistert ist, wird nicht ernst genommen, obwohl die Verkäufe wegbrechen. „Ich denke, Männer wissen besser als Frauen, was Frauen wollen.“ (S. 84)

Mein Fazit: Ein unterhaltsame Zeitreise ins alte Sydney, aber der Krimiteil war mir leider etwas zu langatmig.

Bewertung vom 24.06.2025
Tizzard, Gemma

Hier oben sind wir unendlich


sehr gut

Über den Dächern von NY

„Connie wird sterben, wenn du nicht für mich einspringst.“ (S. 70)
NY 1930: Grace O’Connell ist Tänzerin in einem Club, ihr Zwillingsbruder Patrick arbeitet beim Bau des Empire State Buildings. Als Grace ihren Job verliert, sorgt sich ihre Mutter, dass sie sich die Medikamente für Grace‘ jüngere Schwester Connie, die Lungenprobleme hat, bald nicht mehr leisten können. Dann bricht sich Patrick während der Arbeit den Arm, damit fällt das letzte Einkommen der Familie weg – und das seiner Kollegen. Denn Patrick gehört zu einem festen Team aus vier Leuten, die die Stahlträger (das Grundgerüst) des Gebäudes mit glühende Nieten verbinden. Sie sind perfekt aufeinander eingespielt. Wenn einer ausfällt, verlieren alle ihren Job. Sie haben also keine andere Wahl, als Grace als Patrick auszugeben.

Durch den Tanz- und Ballettunterricht in ihrer Jugend und ihrer Arbeit am Trapez in einem Zirkus hat Grace ein sehr gutes Körpergefühl, trotzdem ist sie nicht auf die Arbeit in dieser luftigen Höhe auf den Stahlträgern vorbereitet. Sie muss sich jeden Tag neu überwinden und ihren Ängsten stellen, ist sich stets der Gefahr bewusst und muss ihre Ängste niederringen.

Wer kennt nicht das Schwarzweißfoto mit den Männern, die auf einem Stahlträger Mittagspause machen. Diese Momentaufnahme gibt den extrem gefährlichen Alltag der Arbeiter perfekt wieder. In schwindelerregenden Höhen balancieren sie über die Träger, hangeln an Stahlseilen oder sitzen auf den Kugelgewichten unten an den Kränen. Alles ohne irgendeine Absicherung. Jede Bewegung muss genau überlegt sein, jeder falsche Schritt könnte der letzte sein.

Gemma Tizzard kann dieses Gefühl extrem gut transportieren und die LeserInnen mitfiebern und mitfühlen lassen. Sie erzählt vom harten Leben der Einwanderer, die oft große Familien, aber nur kleine Einkommen haben und bei denen schon die Kinder mitarbeiten müssen, anstatt eine Schule zu besuchen.
Grace‘ Familie ist relativ privilegiert. Sie haben eine 5-Zimmer-Wohung mit einem eigenen Bad und Kühlschrank, arbeiten aber hart, um sich die Miete und Connies Medikamente leisten zu können. Da es weder eine Krankenversicherung noch Krankengeld gab, musste alles selbst bezahlt werden.

Mein Fazit: Ein spannender Roman über das Leben der Einwanderer in NY in den 1930ern und den Bau des Empire State Buildings aus dem Blickwinkel einer Frau.

Bewertung vom 22.06.2025
Hazelwood, Ali

Problematic Summer Romance - Die hitzige Unzulässigkeit der Liebe


ausgezeichnet

Hot, hotter Hazelwood

„Wir sind geradezu intim miteinander geworden – in emotionaler Hinsicht. So sehr, dass du es nicht riskieren konntest, dass diese Intimität auch körperlich wird.“ (S. 296)
Ausgerechnet auf der Hochzeit ihres Bruder trifft Maya erneut auf Conor, dessen besten Freund und Trauzeugen, den sie seit langem heimlich begehrt. Doch er stört sich an ihrem Altersunterschied: Maya ist erst 23, er schon 38. Dass sie längst erwachsen, hochintelligent und sogar Masterabsolventin in Physik ist, ist für ihn dabei zweitrangig. Eigentlich will sie ihm aus dem Weg gehen. Doch es ist Sommer und heiß, die Tage bis zur Trauung ziehen sich träge dahin und die (sexuelle) Spannung den beiden wächst unaufhaltsam. Das Setting trägt seinen Teil dazu bei: Die Hochzeit findet in einer traumhaften Villa an der Felsküste Taorminas statt, mit Blick auf das Ionische Meer und die Isola Bella – Romantik pur.

Ich mag das MIND-Setting dieses Romans. Maya ist eine brillante Wissenschaftlerin, wird von Wirtschaft und Forschung umworben und kann sich ihren zukünftigen Berufsweg aussuchen. Trotz ihres Alter ist sie sehr selbstbewusst, weiß, was und wen sie will und liefert sich mit Conor geistreiche, witzige Schlagabtausche voller Anspielungen.
Conor hat mit Mayas Bruder ein erfolgreiches BioTech-Unternehmen aufgebaut. Er ist ein Workaholic und stolz darauf. Dennoch war er in einer schwierigen Zeit für Maya da und hat sich um sie gekümmert.
Und dann ist da noch die Hochzeit, die fast verflucht wirkt: Zuerst erleidet der Großteil der Gäste eine Lebensmittelvergiftung, dann bricht auch noch der nahegelegene der Ätna aus.

„Problematic Summer Romance“ ist der perfekte Sommerroman – voller Emotionen, mit einem traumhaften Setting und einer sich langsam entfalteten spicy Liebesgeschichte. In Rückblenden enthüllt Ali Hazelwood nach und nach die gemeinsame Vergangenheit von Maya und Conor während ihres Studiums in Edinburgh. So wird nachvollziehbar, warum Conor auf Distanz bleibt – und warum Maya auf ein Happy End hofft. Denn sie zieht bald alle Register, um ihn zu verführen – und Conor fällt es zunehmend schwer, sich zu beherrschen.

Bewertung vom 20.06.2025
Gosling, Sharon

Der alte Apfelgarten


sehr gut

Der geheime Garten

„Die Vergangenheit kann eine schwere Bürde sein. Und uns manchmal daran hindern voranzuschreiten, sosehr wir es uns auch wünschen.“ (S. 238)
Seit 5 Jahren lebt und arbeitet Nina mit ihrem kleinen Sohn wieder auf der Farm ihres Vaters an der Steilküste Schottlands. Nach seinem Tod geht sie davon aus, dass sie die Farm erbt und ihre ältere Schwester Bette, die vor fast 20 Jahren nach London gezogen und nie zurückgekommen ist, zukünftig am Gewinn beteiligen muss. Um so größer ist die Überraschung, dass sie die Crowdie-Farm zusammen erben – genau wie den riesigen Schuldenberg, von dem sie nichts wussten.

Bette und Nina trennen 10 Jahre Altersunterschied und völlig unterschiedliche Lebensumstände. Bette wollte immer Anwältin werden und in die große weite Welt. Nach Amerika hat sie es zwar nicht geschafft, aber sie wird bald Partnerin einer Londoner Kanzlei. Nina ist früh alleinerziehende Mutter geworden. Sie hat sich trotz der harten Arbeit immer wohl auf der Farm gefühlt hat und nie verstanden, warum Bette regelrecht geflohen ist. Durch den großen Altersunterschied hatten sie nie viel miteinander zu tun. Bette fand Nina nervig, die hat sich dadurch von ihr ungeliebt und ignoriert gefühlt. Als jetzt rauskommt, dass Bette in Mailkontakt mit ihrem Vater stand, brechen alte Wunden auf. Aber der Kampf um die Farm bringt sie einander näher. Erst recht, als sie ein alten, verwilderten Apfelgarten entdecken, der sehr viel wert zu sein scheint und hinter dem mehrere Geheimnisse stecken.

Wie schon die anderen Roman von Sharon Gosling ist auch „Der Apfelgarten“ sehr stimmungsvoll. Sie erzählt darin vom rauen Leben an der Steilküste und den damit verbundenen Gefahren, der harten Arbeit als Farmer, die gerade genug zum Erhalt ihrer Betriebe erwirtschaften, aber nicht genug, um Rücklagen zu bilden und zwei entfremdeten Schwestern, die sich langsam neu kennenlernen und hinter die Fassade der anderen blicken. Gewürzt wird die Geschichte mit der spannenden Vergangenheit des Apfelgartens und zwei Männern, die sich ihren Platz im Leben der Schwestern zu erkämpfen scheinen. Besonders gefreut habe ich mich auch über den Cameo-Auftritt von Rachel aus dem „Lighthouse Bookshop“.

Mein Fazit: Ein schöner Geschwisterroman, der zwar in manchen Teil etwas vorhersehbar ist, aber auch mit Überraschengen aufwartet.

Bewertung vom 17.06.2025
Fortune, Carley

Dieser Sommer wird anders


sehr gut

Freunde mit gewissen Vorzügen

„Iss dein Gewicht in Austern. Lass die Stadt hinter Dir. Verlieb dich nicht in meinen Bruder.“ (S. 27) sind die Regeln, die Lucys Mitbewohnerin und beste Freundin Bridget vor ihrem ersten gemeinsamen Urlaub vor fünf Jahren in deren Heimat Prince Edward Island aufgestellt hat. Leider wusste Lucy nicht, dass der heiße Typ mit den gletscherblauen Augen und bezaubernden Grübchen, mit dem sie die erste Nacht verbracht hat, ausgerechnet Bridgets Bruder Felix ist. Als sie das am nächsten Morgen feststellen, sind sie sich einig, dass es ein einmaliger Ausrutscher war. Doch jedes Mal, wenn sie sich im Urlaub sehen, werden sie geradezu magisch voneinander angezogen und landen heimlich im Bett – ohne Gefühle, wie sie sich stets versichern.
Als Bridget Lucy 9 Tage vor ihrer Hochzeit von PEI anruft und sie bittet, sofort zu kommen, ist Lucy überrascht. Eigentlich sollte Bridget gerade ihr Brautkleid anprobieren und Lucy sich um den Blumenbogen für die Trauung kümmern.

Lucy hat sich in ihrer Familie, in der sich alles um die Eishockey-Karriere ihre älteren Bruders drehte, nie so wohlgefühlt wie bei ihrer exzentrischen Tante Stacy. Die hatte nie geheiratet, dafür viele Affären und einen Blumenladen, den Lucy vor einiger Zeit übernommen hat. Der läuft richtig gut, der erste Großauftrag einer Hotelkette winkt, als Bridget überstürzt nach Hause nach PEI fliegt.
Bridgets Familie ist im Laufe der Jahre, die Lucy sie schon besucht, auch zu ihrer geworden. Sie wird wie eine Tochter bzw. Schwester behandelt und ist immer willkommen. Außerdem liebt sie die schroffe Schönheit und Natur der die Atlantikinsel im Osten Kanadas, die auch der Schauplatz ihrer liebsten Serie bzw. Kinderbuchreihe „Anne auf Green Gables“ ist.

Lucy versucht alles, um Bridget zum Reden und zurück nach Toronto zu bringen. Flieht sie etwas vor ihrer Hochzeit? Aber die behauptet, dass sie einen letzten Sommerurlaub nur mit ihr – und Felix – verleben möchte. Schon Bridgets Auszug zu ihrem Verlobten war ein großer Schnitt in Lucys Leben, die nicht gern allein ist. Darum fällt es ihr jetzt auch so schwer, die Finger von Felix zu lassen.

„Dieser Sommer wird anders“ von Carley Fortune ist ein sehr spicy Sommerroman mit einer tollen Kulisse, der zum Ende hin immer berührender wird.

Bewertung vom 12.06.2025
Marly, Michelle

Die Villa in Weimar


sehr gut

Lotte in Weimar

Weimar 1897: Marie Seebach war einst eine gefeierte Schauspielerin und verdiente, anders als viele ihrer KollegInnen, sehr gut. Aus sozialem Engagement stiftete sie 700.000 Goldmark, mit denen ein Altenheim für sechs bedürftige ehemalige Bühnenkünstler errichtet wurde. Die Verwaltung der Stiftung hat eine Anwaltskanzlei übernommen, die Leitung des Hauses ein Hausmeisterehepaar.

Während Marie zur Sommerkur in St. Moritz weilt, erhält sie mehrere anonyme Briefe mit dem Verdacht, das Stiftungsgeld werde veruntreut. Ihre Schwester Wilhelmine, die sich um das Problem kümmern soll, erreicht leider nichts. Also bittet Marie die Krankenschwester Lotte Wernitz, nach Weimar zu fahren und sich in dem Haus um eine Stelle zu bewerben – mit Erfolg. Zwar wird Lotte nicht als Krankenschwester gebraucht, die Bewohner sind noch zu rüstig, aber als Mädchen für alles.
Schon bald bestätigt sich der Verdacht: Auf Hausrechnung bestellte Waren verschwinden „Der Keller birgt anscheinend eine Menge Schätze, die nicht ihrer ursprünglich geplanten Verwendung zugeführt werden.“ (S. 206).

Dabei wollte Lotte, die ursprünglich aus der Nähe von Potsdam stammt, eigentlich gar nicht aus der Schweiz weg und hat auch keine Ahnung, wie sie in Weimar Nachforschungen anstellen soll. Doch Marie bleibt hartnäckig, und so findet sich Lotte auf einer anstrengenden 24-stündigen Zugreise nach Weimar wieder, die an ihren Nerven und Kräften zehrt.
Im Heim gelingt es ihr rasch, das Vertrauen der Bewohner zu gewinnen, einer illustren Runde einstiger Theater- und Operngrößen, die ihre Marotten und Auftritte nicht verlernt haben. Eine frühere Sopranistin liebt noch immer Rosenbouquets, eine Schauspielerin rezitiert als Gretchen aus dem „Faust“, obwohl sie die Tageszeit vergisst. Ein anderer hat stets das passende Goethe-Zitat parat, während sein Kollege die Rolle als Lüstling nie ganz abgelegt hat. Lotte bewahrt Ruhe und Übersicht – und vergisst dabei nie Maries Auftrag.
Unterstützt wird sie vom Anwalt der Stiftung, Bernhard Gaspari. Ihm imponiert, dass sie nicht gefallen will oder sich verstellt – und auch privat findet er sie sehr reizvoll. „Eine junge Frau, die als Lotte in Weimar unterwegs ist, regt jedermanns Fantasie an.“ (S. 71) Doch Lotte ist diesbezüglich ein gebranntes Kind.

Michelle Marlys „Die Villa in Weimar“ ist ein gelungener Mix aus historischem Krimi und Romanbiografie. Marie Seebach, die Stiftung und das Altenheim gab / bzw. gibt es wirklich in Weimar, es war das erste seiner Art, während Lotte und ihre Ermittlungen der Fiktion entspringen.

Bewertung vom 10.06.2025
Gourlay, Candy

Wild Song


sehr gut

Bejubelt, gefürchtet, geknechtet

„Schau dir die an. Verkleidet wie ein menschliches Wesen!“ (S. 217)
Luki ist 16 und lebt im philippinischen Hochland. Vor Jahren hat sie den Überfall eines verfeindeten Stammes vereitelt und wurde dafür von den Ältesten mit Tätowierungen belohnt, eine Ehre, sie sonst nur Männern erwiesen wird. Obwohl sie ihren Mut und ihre Kampfkraft damit bewiesen hat, darf sie keinen Speer tragen oder jagen. Als sie trotzdem dabei erwischt wird, soll sie ihren besten Freund heiraten. Davon hat sie bisher immer geträumt, aber als es jetzt befohlen wird, will sie nicht mehr. Stattdessen nimmt sie das Angebot des Provinzverwalters Truman Hunt an, der indigene Bergvölker für die Weltausstellung 1904 in St. Louis anwirbt.
Nach der über 100 Tage dauernden, gefährlichen Reise, für die Luki und die Anderen zum ersten Mal in ihrem Leben das Hochland und ihre gewohnte Umgebung verlassen, werden sie auf dem Ausstellungsgelände „zu ihrem eigenen Schutz“ in einem abgeschlossenen Reservat untergebracht, das sie nicht verlassen dürfen. So haben sie sich das nicht vorgestellt. Und es wird noch schlimmer. Weil ihr normaler Alltag zu langweilig ist (sie sind Reisbauern und Jäger) und sie zu wenig Besucher anlocken, müssen sie sich verstellen und jeden Tag singen, tanzen und Feste feiern.
So lange sie in „ihrem Dorf“ bleiben, werden sie bejubelt und bekommen von den Besuchern Geld geschenkt, aber sobald sie diesen geschützten Raum verlassen, was nur sehr selten passiert, scheel angesehen und beschimpft, oder man hat Angst vor ihnen.

Ich fand es sehr spannend und interessant, dass Candy Gourlay die Weltausstellung und speziell die sogenannte Völkerschau aus Sicht einer indigenen Teilnehmerin erzählt. Luki und ihre Leute wurden mit Geld und falschen Versprechungen nach Amerika gelockt, angeblich lädt Präsident Roosevelt persönlich sie ein, damit sie dort wie Tiere im Zoo ausgestellt werden. Kein Wunder, dass Luki, die sich eine besseres und freieres Leben erhofft hatte, relativ schnell desillusioniert. Sie kann die Vorurteile, die ihnen entgegenschlagen, weder verstehen noch entkräften. Ihr war nicht bewusst, dass es in Amerika Rassentrennung gibt und auch streng durchgesetzt wird. Sie versteht nicht, warum sie sich beschimpfen und bespucken lassen soll und sich nicht wehren darf. Außerdem haben die westlichen Frauen genauso wenig Rechte und Freiheiten wie sie. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten hat sie sich definitiv anders vorgestellt.

Lukis Geschichte wird sehr eindringlich erzählt. Ich habe schon einige Bücher über verschiedenen Völkerschauen gelesen, aber das ist das erste aus Sicht einer Jugendlichen. An den Erzählstil musste ich mich erst gewöhnen, denn Luki erzählt in Gedanken ihrer verstorbenen Mutter, was sie erlebt. Dabei verwendet sie prägnante Sätze. Ich bin nicht sicher, ob das ihr Alter oder ihre Herkunft verdeutlichen soll, aber es macht die Geschichte besonders eindrücklich.

Bewertung vom 09.06.2025
Sonnberg, Elena

Das Versprechen eines Sommertags


ausgezeichnet

Don't Stop Believin

„Liebesgeschichten im Alltag haben unterschiedliche Happy Ends. Manche dauern ein ganzes Leben, überstehen jeden Sturm, und andere enden mit Respekt und hoffentlich Freundschaft.“ (S. 419)
Isabelle und Stefan sind seit 15 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder, doch seit einiger Zeit kriselt es. Während sich Isa neben der Arbeit im gemeinsamen Immobilienbüro auch um Haushalt und Kinder kümmert, zieht sich Stefan immer mehr zurück. Er will eine Beziehungspause, der Sommerurlaub wird gestrichen. Da laden Isas Eltern zu ihrer vorgezogenen Goldenen Hochzeit auf ihre Finca nach Mallorca ein, in er sie früher jeden Sommer verbracht haben. Natürlich sagen sie ja. Während Stefan hofft, dass sie bei der Gelegenheit Isas Eltern endlich von der Trennung erzählen, denkt die, dass sich alles wieder einrenkt.
Aber dann bringt ihr Bruder Daniel seinen besten Freund Ben mit. Isa hat mit ihm im Sommer vor 15 Jahren einem Roadtrip gemacht, dabei hatten sie sich versprochen, sich nach seinem Jahr im Ausland eine gemeinsame Zukunft aufzubauen ...

„Das Versprechen eines Sommertags“ ist kein so leichter, heiterer Sommerroman, wie es das Cover vermuten lässt. Isas Beziehungskrise, die sie um jeden Preis geheim halten will, spitzt sich immer mehr zu. Stefan sondert sich auf Mallorca weiter von der Familie ab, die Kinder beginnen, Fragen zu stellen. Daniel und Ben springen oft ein, um sie abzulenken. Und Isas Eltern, deren so lange, glückliche Ehe ihr Vorbild ist, scheinen auch etwas zu verheimlichen.

Ich konnte mich gut in Isa hineinversetzen und habe sie für ihren Langmut bewundert. Während sie sich nach Arbeit zu Hause um alles kümmert und dabei oft verzweifelt, lässt sich Stefan höchstens am Wochenende dazu herab, etwas mit ihnen zu unternehmen.
Und nun ist da Ben, immer freundlich, nett und zugewandt. Er macht Isa vorsichtige Komplimente und erinnert sie daran, wie sie sich ihr Leben eigentlich vorgestellt hatte. Sie wollte Künstlerin werden, hatte viel und gut gezeichnet, doch dafür hat sie schon lange keine Zeit mehr. Jetzt stellt sich ihr plötzlich die Frage, ob es mit Anfang 40 wirklich schon zu spät ist, um noch einmal neu anzufangen?!

Elen Sonnberg hat eine berührende, traurig und schöne Geschichte über einen Sommer voller Umbrüche und Entscheidungen geschrieben, die sich um Liebe, Familie, Zusammenhalt und Geheimnisse dreht. Die tolle Kulisse Mallorcas mit Bergen und Meer, sommerlicher Stimmung und köstlicher Kulinarik lädt dabei zum Träumen und Genießen ein.

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