Eine Familiengeschichte, die unter die Haut geht
Ein eindrucksvolles, in die Augen springendes Cover einer erschütternden und unter die Haut gehenden Familienschichte von 1919 bis in die 70iger Jahre – ein beeindruckendes Debüt von Tim Tichatzki.
Zwei Jugendfreunde, eng verbunden, Willi und
Maxim, beide aufgewachsen in dem kleinen Dorf Osterwick in der Ukraine, einer von mennonitischen Glauben…mehrEine Familiengeschichte, die unter die Haut geht
Ein eindrucksvolles, in die Augen springendes Cover einer erschütternden und unter die Haut gehenden Familienschichte von 1919 bis in die 70iger Jahre – ein beeindruckendes Debüt von Tim Tichatzki.
Zwei Jugendfreunde, eng verbunden, Willi und Maxim, beide aufgewachsen in dem kleinen Dorf Osterwick in der Ukraine, einer von mennonitischen Glauben geprägten Gemeinde, deren Lebenswege unterschiedlicher nicht hätten verlaufen können – während Willi dem Dorf und der Glaubensgemeinschaft Treue hält, mit seiner Familie und seinen Glaubensbrüdern teilweise ums nackte Überleben kämpfen muss, entwickelt sich Maxims Leben in die völlig entgegengesetzte Richtung, er bekennt sich zum Regime und zum brutalen Handlager des Regimes. Was beide nicht wissen, aber grausame Realität werden wird, ist Jahrzehnte später das Wiedersehen in einem sibirischen Arbeitslager…
Mich hat dieser Roman beim Lesen aufgewühlt und er ist mir unter die Haut gegangen, man hat im Geschichtsunterricht ein wenig über die russische Geschichte gehört, man sieht Geschichtsdokumentationen über die Zeit nach der Zarenherrschaft, diese grausame Brutalität, die Willkür, diese unmenschliche und zugleich menschenverachtende Vorgehensweise jedoch war mir nie so präsent wie beim Lesen dieses Romans. Der flüssige Schreibstil sowie die prägnanten Überschriften verschiedener einzelner Kapitel mit Jahresangaben haben mich mitgenommen in eine außergewöhnliche Familiengeschichte der Ukraine, einer Geschichte, geprägt von den Revolutionären, die das ehemalige Zarenreich per Dekret in eine zentrale Planwirtschaft umzuwandeln wollten, den sogenannten Fünfjahresplan erschufen, die Menschen zum Spielball machten für ihre Entscheidungen, sie enteigneten, die Religion schonungslos verdammten aber auch zu Menschen, die Mitläufer waren in diesem Regime, die sich zum Werkzeug machten und missbraucht wurden.
In dieser Geschichte spielt sich das Leben der Mennoniten in dem kleinen Dorf Osterwick geradezu friedlich ab, auch wenn die Menschen willkürlichen Repressalien durch Verhaftungen und Gewalt ausgesetzt sind, doch ihr Glaube und ihre Hoffnung, die Ablehnung der Gewalt schweißen sie eng zusammen, sie stehen füreinander ein, bilden in dem grausamen Umfeld eine friedvolle kleine Insel.
Die Grundlage dieses Romans ist die Geschichte von Tims Schwiegermutter, deren Familie in den 70iger Jahren nach Deutschland fliehen konnte und die anders als viele andere, ihre Seele befreien konnte, weil sie es geschafft hat, über das Erlebte zu berichten.
Tim Tichatzkis schildert diese Familiengeschichte ohne Sentimentalität aber mit bewegenden und beeindruckenden Worten, die unter die Haut gehen, den Leser aufwühlen und in meinen Augen ein weiteres Kapitel dunkler Vergangenheitsgeschichte zum Thema hat, über das wir nicht hinweggehen sollten, als es nichts geschehen.
Ein außergewöhnliches Debüt mit einer Leseempfehlung für Leser, die hinter die Fassade blicken möchten und in die Geschichte eintauchen möchten.