Nicht lieferbar
Text  (Mängelexemplar) - Glukhovsky, Dmitry
Schade – dieser Artikel ist leider ausverkauft. Sobald wir wissen, ob und wann der Artikel wieder verfügbar ist, informieren wir Sie an dieser Stelle.

minimale äußerliche Macken und Stempel, einwandfreies Innenleben. Schnell sein! Nur begrenzt verfügbar. Lieferung nur solange der Vorrat reicht!
  • Gebundenes Buch

21 Kundenbewertungen

Moskau, im Herbst 2016: Als Ilja nach sieben Jahren Straflager nach Hause kommt, ist nichts mehr, wie es war. Seine Mutter stirbt wenige Tage vor seiner Rückkehr an einem Herzinfarkt, seine Freundin ist längst mit einem anderen zusammen, und sein Jugendfreund begegnet ihm mit größtem Argwohn. Enttäuscht ertränkt Ilja seine Trauer im Alkohol, bis er im Rausch der Verzweiflung jenen Fahnder aufsucht, der ihn vor sieben Jahren zu Unrecht hinter Gitter brachte. Im Affekt ersticht Ilja ihn und nimmt ihm sein Smartphone ab. Als Ilja nach seiner Tat im Handy des verstorbenen Petja stöbert, stößt er…mehr

Produktbeschreibung
Moskau, im Herbst 2016: Als Ilja nach sieben Jahren Straflager nach Hause kommt, ist nichts mehr, wie es war. Seine Mutter stirbt wenige Tage vor seiner Rückkehr an einem Herzinfarkt, seine Freundin ist längst mit einem anderen zusammen, und sein Jugendfreund begegnet ihm mit größtem Argwohn. Enttäuscht ertränkt Ilja seine Trauer im Alkohol, bis er im Rausch der Verzweiflung jenen Fahnder aufsucht, der ihn vor sieben Jahren zu Unrecht hinter Gitter brachte. Im Affekt ersticht Ilja ihn und nimmt ihm sein Smartphone ab. Als Ilja nach seiner Tat im Handy des verstorbenen Petja stöbert, stößt er auf verstörende Spuren aus dessen Vergangenheit. Und immer wieder erreichen ihn besorgte Nachrichten von Petjas Mutter und dessen schwangerer Freundin Nina. Ilja beginnt, ihnen an Petjas Stelle zu antworten, und seine Identität verschmilzt immer mehr mit der jenes Mannes, den er getötet hat. Meisterhaft verknüpft Dmitry Glukhovsky das Schicksal zweier junger Männer, die sich schuldig gemacht haben, jeder auf seine Weise. Und so fühlt sich der eine dazu verurteilt, das Leben des anderen zu Ende zu führen - hat er doch mit dessen Smartphone sein Seelen-Reservoir gefunden, die Bilder und Chats, den TEXT seines Lebens. Ein außergewöhnliches Werk, das an die große russische Erzähltradition mit ihrer immer wiederkehrenden Frage nach Schuld und Sühne anschließt und Bestsellerautor Dmitry Glukhovsky von einer aufregend neuen Seite zeigt.
Autorenporträt
Dmitry Glukhovsky, 1979 in Moskau geboren, zählt zu den erfolgreichsten Autoren Russlands. Mit seiner dystopische Trilogie METRO landete er einen Millionenbestseller, der in 35 Ländern veröffentlicht wurde und von Hollywood verfilmt wird. Glukhovsky hat Internationale Beziehungen in Jerusalem studiert, in Deutschland gelebt, spricht sechs Sprachen und hat als Journalist in Russland, den USA, Israel und Frankreich für verschiedene Nachrichtenformate gearbeitet. Heute schreibt er regelmäßig Beiträge für die FAZ, Novaya Gazeta und Magazine wie ESQUIRE und GQ. Glukhovsky lebt in Moskau und Barcelona.
Rezensionen
Röntgenbilder vom Raubtier Mensch
Mörder mit Gewissen: Dmitry Glukhovsky nimmt sich in seinem Roman "Text" die russische Wirklichkeit vor

Wie die Informationstechnologie die Sprache enthumanisiert und die Kommunikation nach ihrem Bild ummodelt, wird von der russischen Literatur, die durch Internettrolle und Medienmanipulatoren besonders trainiert sein dürfte, vielfältig abgebildet, wobei stets auch klar wird, dass diese Unmenschlichkeit das Werk und eine Verlängerung des Menschen ist.

Der Konzeptualist Wladimir Sorokin schildert in seinem neuen Theaterstück "Das weiße Quadrat", wie Horrorshowregisseure die Gehirne des Fernsehvolks zugleich bannen und paralysieren (F.A.Z. vom 13. September). Auf der Gegenseite des politischen Spektrums verarbeitete der putintreue Kampfprosaautor Sachar Prilepin die Geschichte des ersten sowjetischen Konzentrationslagers auf den Solowezki-Inseln zum affirmativen Actionroman namens "Die Einsiedelei", der ein Bestseller wurde. Den Star der posthumanistischen Wortkunst Dmitry Glukhovsky kennt man hierzulande durch sein postapokalyptisches Moskauer Jugendkultbuch "Metro 2033", aus dem das gleichnamige Survival-Horror-Videospiel hervorging. In seinem jüngsten Roman "Text", soeben im Münchener Europa-Verlag auf Deutsch erschienen, hat sich Glukhovsky die russische Wirklichkeit vorgenommen, die, wie er glaubt, seine dystopischen Phantasien schon überholt hat.

Das literarisch ambitionierte Buch zeigt, wie das Smartphone, das zum Ersatz-Ich des Menschen geworden ist, ihn isoliert, atomisiert, zugleich aber den Kode seiner Seele enthält. Der titelgebende Text sind die Videos, Fotos, Chats, E-Mails eines aufstrebenden Polizeioffiziers, die mit seinem Telefon in die Hände eines Literaturstudenten geraten, den er unschuldig ins Gefängnis gebracht hat. So schließt Glukhovsky zwei Weltwahrnehmungstunnel kurz, die sich normalerweise nicht kreuzen, und entwirft ein Röntgenbild der russischen Gesellschaft, in der die einen alle Rechte und andere gar keine haben. Serviert wird die Sozialdiagnose als spannender, von Franziska Zwerg griffig und prägnant übersetzter Krimi, der sich passagenweise wie ein Videospiel liest. Nicht wenige russische Leser hielten ihn freilich für eine wahre Geschichte.

Glukhovskys zwei Helden repräsentieren den Gegensatz, den russische Journalisten oft als den zwischen Gras- und Fleischfressern charakterisieren. Der Student, der gleichsam die "alte" literarische Kultur symbolisiert, ist in einer moskaunahen Schlafstadt bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, die ihm eine philologische Bildung und den Rat gab, sich in Konfliktsituationen möglichst unsichtbar zu machen. Der Polizist, das Kind eines gut vernetzten Generals, entscheidet als Drogenfahnder über Rechtsprechung und Schicksale und hat jegliche moralische Hemmungen über Bord geworfen. Bei einer Razzia in einem Moskauer Klub wirft er der Freundin des Studenten vor, Drogen zu nehmen, und schiebt, als dieser sie verteidigt, ihm Kokain unter, was für diesen sieben Jahre Straflager, für den Ordnungshüter aber eine Beförderung bedeutet. Der Roman setzt ein, als der Vorbestrafte, der nicht umsonst Kafka gelesen hat und dessen Mädchen sich längst von ihm losgesagt hat, aus Sibirien heimkehrt, um festzustellen, dass seine Mutter, der einzige Mensch, der für ihn da war, unmittelbar vor seiner Ankunft gestorben ist. Da ersticht er den Beamten, der einen Barbesuch im sozialen Netzwerk angekündigt hatte und macht so auch die eigene Existenz zunichte. Doch das Telefon schenkt beiden ein Nachleben, das Gutes wie Schlimmes bewirkt.

Das Polizeiwillküropfer nennt den Drogenfahnder "Suka", ein Schimpfwort, das wörtlich "Hündin" bedeutet und von Zwerg semantisch treffend als "Schwein" übersetzt wird. Dadurch geht allerdings seine Wortbedeutung im Häftlingsjargon verloren, die einen Verbrecher bezeichnet, der sich an die Gefängnisaufseher verkauft hat, außerdem der Vergleich des Polizisten mit einem domestizierten Raubtier. Das ist ein poetischer Verlust. Denn der russische Präsident Putin, dessen Regime Glukhovsky in seinem Roman die Maske abnehmen will, legt eine Liebe zu Raubtieren, ob Tiger oder Schneeleoparden, an den Tag, die auch ein Bekenntnis zum Recht des Stärkeren enthält.

Ein russischer Kriminalfahnder verglich erst kürzlich in einer Zeitung die Zivilbevölkerung mit einer Viehherde und seine Kollegen mit Wachhunden, wobei er zugab, dass einige von diesen sich aufführten wie jene Raubtiere, die sie abwehren sollten. Seinem Siegercharme hat Glukhovskys Polizist aber auch eine Geliebte zu verdanken, die er beim Sexspiel zärtlich als "süße Hündin" beschimpfte ("Sutschka", im Deutschen wird "süßes Aas" daraus) und die den Ex-Studenten elektrisiert. Wie ein Ego-Shooter erkundet der nicht lange Überlebende die Welt seines toten Feindes. Per Messenger beruhigt er die besorgte Mutter, erfindet Gründe, warum er für Polizeikollegen nicht zu sprechen sei, imitiert den Ton des Toten. Den entnimmt er seinen Unterhaltungen, die er flankierend scrollt, um die Beziehungen des Polizisten zu seinen Kontaktpersonen zu ergründen. Mit Hilfe des Smartphones schlüpft der zertretene Wurm in die Hülle des Löwen, die der frühere Besitzer mit dem Sound des Drogenstaates Kolumbien geschmückt hat, wie in einen Körper hinein. Er gibt ihm das fehlende Gewissen, versteckt sich aber auch wie ein Fluchttier am liebsten in der Menschenmenge. Formschön baut Glukhovsky den 360 Seiten starken Text aus einem inneren Monolog, der schrittweise die fremde Identität, dadurch aber auch die eigene Lage versteht. Und während er die Figuren entweder virtuell oder in Schablonen kommunizieren lässt, führt er dem Leser die Örtlichkeiten Moskaus und der Vorstadt Lobnja so präzis vor Augen, als sei er mit Google Maps unterwegs.

Umso fotografischer wirkt das wie in Entwicklerflüssigkeit sich abzeichnende Porträt des Fahnders, der selbst mit Drogen handelt, süchtig wird, als Kompromittierter sich vom Geheimdienst, der ganz oben in der Nahrungskette steht, anwerben lässt und ihm den eigenen Vater ausliefert - der ihn verflucht und so den ihm von seinem Mörder verpassten Spitznamen "Suka" gleichsam bestätigt. Dabei muss der Beinaheakademiker allerdings feststellen, dass das professionelle "Raubtier" Schwächen seiner Kunden taxieren kann, im Gegensatz zu ihm, was verhängnisvolle Folgen hat. Glukhovskys Roman ist aber auch ein Läuterungskrimi, ein zeitgenössisches Echo auf Dostojewskis "Schuld und Sühne". Der moralische Mörder entscheidet sich am Ende gegen die Möglichkeit zu fliehen und opfert sich für die fremde Freundin und deren Ungeborenes, dessen Vater sich seiner durch Abtreibung hatte entledigen lassen wollen. Im Text des Polizeiberichts wird sein tragisches Ende dann freilich ganz anders dargestellt werden.

KERSTIN HOLM

Dmitry Glukhovsky: "Text". Roman.

Aus dem Russischen von Franziska Zwerg. Europaverlag, München 2018. 386 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
Jens Uthoff staunt über Dmitry Glukhovskys Vielseitigkeit und liest diesen ausnahmsweise ganz realistischen Roman des Sci-Fi-Autors mit Sinn für die feine Ironie im Text. Die Geschichte eines Lagerhäftlings, der Rache übt an einem Polizisten und der dessen Identität übernimmt, macht Uthoff mit den Verhältnissen in den russischen Haftanstalten bekannt, mit dem Kult um Putin, der Propaganda, der russischen Obrigkeitstreue und der orthodoxen Demut. Wie all das die russische Gesellschaft lähmt, schildert der Autor laut Rezensent nicht ohne Humor.

© Perlentaucher Medien GmbH