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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Räume
Und draußen brennt die Welt:
Claire Thomas’ Roman „Die Feuer“
Schon unangenehm, wenn um sieben Uhr abends noch vierzig Grad herrschen. Man will ja auch ins Theater. Im Saal friert und hüstelt man wegen der Klimaanlage, zieht sich den Rock zurecht, um das Sitzpolster nicht mit nackten Beinen berühren zu müssen. Die Buschfeuer oder „Wildfires“, die in den Bergen wüten und ihren Staub bis in die Stadt pusten, sind gefühlt ganz weit weg.
Die Handlung des Romans „Die Feuer“, des zweiten der australischen Autorin Claire Thomas, klingt zunächst unaufgeregt: Drei Frauen in Melbourne sehen sich Samuel Becketts Stück „Glückliche Tage“ an. Alles geschieht zwischen Beginn und Ende der Vorstellung und spielt sich in den Köpfen dreier Zuschauerinnen ab: Margot, Summer und Ivy sind unabhängig voneinander gekommen. Draußen ist Feuer, drinnen Theater.
Auf der Bühne steckt Becketts Figur Winnie bis zur Hüfte in einem mit vertrocknetem Gras bedecktem Erdhügel und ruft nach Willie, ihrem Mann, der teilnahmslos dahinter liegt. Winnie ist eine Projektionsfläche für die drei Frauen, die auch irgendwie feststecken: in ihrem Leben, in Rollenbildern, in Ängsten und Erwartungen. Wobei sie sich ja eigentlich in einer größeren Katastrophe befinden. Aber der Klimawandel dringt nur schwerfällig in ihre Wahrnehmung, geht unter in den persönlichen Sorgen der privilegierten Bildungselite. Das ist die kognitive Dissonanz.
Die Frauen haben wenig gemein und begegnen sich nur flüchtig in der Pause, die Thomas als theatralisches Zwischenspiel in Dialogform inszeniert. Margot ist Literaturprofessorin kurz vor dem Ruhestand, ein Bruch mit ihrer beruflichen Identität, die sie ihr Leben lang versucht hat aufrechtzuhalten. Summer ist Schauspielschülerin und Platzanweiserin. Sie macht sich Sorgen: um die Erde, den Klimawandel und um ihre Freundin April, die sich in Richtung Flammen zu ihrem Elternhaus aufmacht. Ivy ist reich, Kulturmäzenin, hat ein Kleinkind und war mal eine Studentin von Margot. Ihr Geld investiert sie in verschiedene Wohltätigkeitsprojekte, um ihr Vermögen vor sich selbst zu rechtfertigen. Das Theaterstück legt nach und nach ihre vergessenen Wunden frei.
Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext. Manchmal übernimmt sie sich und versucht, zu viele gesellschaftliche Debatten an ihren Figuren abzuarbeiten. Aber das Klimathema bleibt.
Als Winnie auf der Bühne ihren Sonnenschirm öffnet, der in Flammen aufgeht, springt ein Funke der unbequemen Realität auf den Theatersaal über. Ach, da draußen brennt es ja auch! Die schützenden Mauern des Theaters, die die Hitze abschirmen, werden im Laufe des Stückes durchlässiger. Man wollte doch nicht über den „verdammten Zustand des Planeten“ sprechen! Und doch wird immer deutlicher, wie entflammbar die Zivilisation ist.
EILEEN KELPE
Der große Zusammenhang
lädt auch die belanglosen
Gedanken politisch auf
Claire Thomas:
Die Feuer. Roman.
Aus dem Englischen
von Eva Bonné.
Hanser, München 2022. 255 Seiten, 23 Euro.
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"Virtuos verzahnt Claire Thomas das Innere der Frauen mit den komischen und treffenden Dialogen des Stücks. Und entlarvt zugleich die bildungsbürgerliche Blase der Selbstbespiegelung, während draußen Buschfeuer toben - der Klimawandel fordert seinen Tribut." Brigitte Woman, 05/2022
"Claire Thomas steigt mit ihrer zwischen Kunst und Wirklichkeit oszillierenden Erzählung immer tiefer in die Psychologie der Frauen ein und stellt belanglose Gedanken in einen großen Kontext." Eileen Kelpe, Süddeutsche Zeitung, 15.03.22
"Der australischen Autorin gelingt es, drei weibliche Biografien mit all ihren Ängsten und Erinnerungen lebendig werden zu lassen." Manuela Reichart, Deutschlandfunk Kultur, 12.02.22