Robert Seethaler
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Das Café ohne Namen (eBook, ePUB)
Roman Der neue Nr. 1 Bestseller-Roman des Autors vom großen Erfolgsroman "Ein ganzes Leben"
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Robert Seethalers Bücher wurden in über 40 Sprachen übersetzt. Mit seinem Roman Ein ganzes Leben stand er auf der Shortlist des International Booker Prize. Er lebt in Berlin und Wien.

©Urban Zintel
Produktdetails
- Verlag: Ullstein Taschenbuchvlg.
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: 26. April 2023
- Deutsch
- ISBN-13: 9783843729017
- Artikelnr.: 66215323
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Mit "hochprozentiger Nostalgie" haben wir es laut Rezensent Oliver Jungen in Robert Seethalers Buch zu tun. In das Café von Robert Simon, dem Wirt eines Wiener Cafés und Protagonist dieses Buches, stolpern nämlich die vielen melancholischen Gestalten, die vom Aufbruch des Wiens der sechziger Jahren nicht profitieren, fasst Junge zusammen. Simon versucht diesen individuell zu helfen. Dabei kommen die Figuren allerdings manchmal nicht über das Klischee des strebsamen aber glücklosen "Proletariers" hinaus, findet Jungen. Die Ereignisse scheinen kaum für den Fortgang der Handlung relevant, sind im Einzelnen aber durchaus unterhaltsam für den Rezensenten. Jungen fühlt sich bei diesem Schema ein wenig an alte Fernsehserien erinnert: die einzelnen Folgen sind durchaus vergnüglich, so ganz "satt" macht das aber nicht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Gott des Gefühls kleiner Leute
Robert Seethaler schaut in seinen Romanen
wie durch ein Mikroskop auf Milieus. "Das Café ohne Namen" porträtiert die Wiener Leopoldstadt der Sechzigerjahre.
Geht das auf?
Von Sandra Kegel
Wenn auf dem Friedhof die Toten miteinander sprächen, was wäre ihr Thema? Natürlich das Leben. Robert Seethaler schnitzte aus dieser Konstellation 2018 seinen Roman "Das Feld", der aus neunundzwanzig Perspektiven von den Schicksalen einer fiktiven Kleinstadt erzählt: "Als Lebender über den Tod nachdenken. Als Toter vom Leben reden. Was soll das? Die einen verstehen vom anderen nichts", heißt es da über eine Welt, in der es keine Transzendenz und keinen Glauben an ein
Robert Seethaler schaut in seinen Romanen
wie durch ein Mikroskop auf Milieus. "Das Café ohne Namen" porträtiert die Wiener Leopoldstadt der Sechzigerjahre.
Geht das auf?
Von Sandra Kegel
Wenn auf dem Friedhof die Toten miteinander sprächen, was wäre ihr Thema? Natürlich das Leben. Robert Seethaler schnitzte aus dieser Konstellation 2018 seinen Roman "Das Feld", der aus neunundzwanzig Perspektiven von den Schicksalen einer fiktiven Kleinstadt erzählt: "Als Lebender über den Tod nachdenken. Als Toter vom Leben reden. Was soll das? Die einen verstehen vom anderen nichts", heißt es da über eine Welt, in der es keine Transzendenz und keinen Glauben an ein
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Jenseits mehr zu geben scheint.
Seethaler hat das Talent, Charaktere und Landschaften ganz ohne Geschwätz oder Schwerfälligkeit zu erzeugen in der für ihn so typisch entschlackten und schnörkellosen Sprache. Wie schon in seinem Bestseller "Ein ganzes Leben", der 2014 auf der Shortlist des Internationalen Booker Prize stand, verbindet er realitätsgesättigte Präzision gern mit stilistischer Enthaltsamkeit. Auf nur 150 Seiten porträtiert er da tatsächlich das ganze Leben eines hinkenden Tagelöhners, der kaum je sein Tal verlassen hat. Wie durch ein Vergrößerungsglas schaut der 1966 in Wien geborene und seit vielen Jahren in Berlin lebende Schriftsteller auf die Mikrokosmen solch vermeintlich kleiner Welten.
Nach seinem jüngsten literarischen Ausflug mit Gustav Mahler auf einem Ozeandampfer nach New York ("Der letzte Satz", 2020) kehrt Seethaler in seinem neuen Roman räumlich und stofflich zu seinen Anfängen zurück. Die Zeit ist zwar eine andere als in seinem frühen Überraschungserfolg "Der Trafikant" von 2012 über die fiktive Begegnung eines Landburschen aus dem Salzburgischen mit Siegmund Freud im Wien der Wendejahre 1937/38. "Das Café ohne Namen" spielt in der Wiener Nachkriegszeit, doch der literarische Kniff ist ähnlich. Denn so, wie "Der Trafikant" nicht zuletzt daraus Effekte erzielt, dass er auf das historische Bewusstsein des Lesers spekulierend gar nicht erst groß auf den Horror zu sprechen kommt, auf den Wien, Europa und ja die ganze Welt zusteuert, hält sich auch der allwissende Erzähler im "Café ohne Namen" mit Anspielungen auf diese hier noch so beißend nahe Vergangenheit zurück.
Mit dem Wiener Kaffeehaus freilich hat das titelgebende Café nichts gemein. Es ist ein schlichtes, in die Jahre gekommenes Gasthaus, das neben Kaffee, Tee und Himbeersoda vor allem Alkohol und Schmalzbrote kredenzt. Und auch die Kundschaft ist so weit entfernt vom bürgerlichen Wiener Kaffeehausbesucher, der als Romanschreiber oder Ministerialrat über die Welt philosophiert, wie jedenfalls damals noch der erste vom zweiten Wiener Gemeindebezirk, wo der Roman angesiedelt ist.
Seethalers Charaktere sind seit je wortkarg, die sich oftmals keinen Reim auf sich und die Geschicke ihres Lebens machen können. Dabei steht ihnen hier aufs Neue auf die Stirn geschrieben, wie sehr sie noch immer unter dem traumatischen Eindruck stehen von dem, was gerade einmal zwanzig Jahre zurückliegt. Dreh- und Angelpunkt des "Trafikanten" war die von einem Kriegsinvaliden (des Ersten Weltkriegs) geführte Tabaktrafik. Hier ist das Café zentraler Schauplatz und Kreuzungspunkt bisweilen irrlichternder Figuren. Eröffnet hat es der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon 1966 am Karmelitermarkt, damals eine der ärmsten und schmutzigsten Gegenden Wiens, in der die Schutthalden des Kriegs noch immer nicht abgetragen und Vierteltelefonanschlüsse eine Seltenheit sind. Der einunddreißigjährige Simon, Untermieter einer Kriegerwitwe, spürt "das Pochen in seinem Herzen", als er den staubigen Gastraum mit den welken Tapeten zum ersten Mal betritt. Doch ist er keiner, der den Ehrgeiz hätte, am wirtschaftlichen Aufschwung jener Jahre zu partizipieren, der sich in den Baustellen und Neubauten manifestiert, die an jeder Ecke in die Höhe schießen. Auch, dass die Zeitungen prophezeiten, "aus dem Sumpf der Vergangenheit" werde sich nunmehr eine "strahlende Zukunft erheben", geht an Simon wie spurlos vorbei. Er steht vielmehr Tag und Nacht hinterm Tresen, wischt seine Gläser und kümmert sich um geplatzte Bierschläuche oder Lieferantenrechnungen.
Seethaler porträtiert hier ein bestimmtes Wiener Milieu in jener diffusen Zwischenzeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs und vor dem Fall der Mauer, ehe diese viel zu große Stadt für ein klein gewordenes Land aus dem Schatten des Eisernen Vorhangs wieder hervortrat. Für die Leute hier wird indes der Einsturz der Reichsbrücke 1976 zum Symbol für die Zeitenwende. Als ein Mann, gefragt, warum er weine, antwortet, weil es nun mit dem alten Österreich für immer vorbei sei, glaubt er zwar, dass nun bessere Zeiten anbrächen, aber eben auch andere, und daran müsse man sich erst gewöhnen. In den Roman verpackt hat der Autor eine staubige Liebeserklärung an den zweiten Bezirk. Die sogenannte Leopoldstadt zwischen Augarten und Lusthaus, die sich inzwischen so tiefgreifend verwandelt hat, dass sie vom vornehmen ersten Bezirk gegenüber dem Donaukanal kaum mehr zu unterscheiden ist, war damals ein Armeleuteviertel. Rund um den Wurstelprater mit seinem ikonischen Riesenrad und den niedrigen Mieten siedelten Arbeiter, Bettler, Kriminelle und Künstler.
Um sie, die vermeintlich einfachen Leute, die es in Simons Café zieht, ist es Seethaler zu tun. Der Wirt, der als Kriegswaise in einem Heim aufwuchs und "zu verwirrt, um richtig traurig zu sein", noch als Erwachsener von grundlegender Verunsicherung gezeichnet ist: "Ich meine, wer bin ich denn schon?" Mit fast schon argloser Menschenliebe empfängt er Schichtarbeiter, Markthändler und Fabrikmädchen, deren innere Monologe sich in Einschüben immer wieder unter die Erzählung mischen: Der Fleischermeister, der nicht mehr weiß, wie er die Familie unterhalten soll, oder René Wurm, der Ringer vom Heumarkt, der es mit Gegnern wie dem "georgischen Bären" zu tun hat, wenn er sich nicht gerade als Kartenverkäufer im Prater verdingt, der Fischhändler Wessely oder Blaha, dem ein Granatsplitter ehedem das Auge ausgeschlagen hat, der aus Russland stammende Künstler Mischa Troganjew oder die arbeitslose Mila, Simons rechte Hand, sie alle finden sich wieder unter diesem Café-Mikroskop.
Die Seethaler'sche Minimalisierung aber stößt irgendwann an ihre Grenzen. Denn so beschädigt das Personal durch die Kriegserfahrung auch ist und so umstürzend die Ära der Sechziger- und Siebzigerjahre, kommt das in diesem Roman kaum je vor, allenfalls als stichwortartiges Hintergrundrauschen, wenn das Bauvorhaben der UNO-City Erwähnung findet oder einmal der Name Bruno Kreisky fällt, der immerhin für eine ganze Generation in Österreich zum Inbegriff wurde für Modernisierung und Weltoffenheit. Urbane Mobilität wird mit der neuen U-Bahn angerissen, soziale Mobilität mit geäußerter Angst vor "Chinesen im Anmarsch". Doch kommen diese Partikel vor allem als Zeitkolorit daher, wie man das aus Fernsehfilmen kennt, wenn mit einem einzelnen Requisit oder einer Dialogzeile der Anschluss an die große Historie gelingen soll. Das geht meist schief.
Nun kann man dem Autor zugutehalten, dass er ja gerade das zeigen will. Dass Zeitgeschichte für seine Protagonisten tatsächlich keine Rolle spielt, allenfalls als Stammtischgeraune. Dann aber stellt sich die Frage umso drängender, was eigentlich "Das Café ohne Namen" erzählen will, das weder wie "Ein ganzes Leben" sich bis in die kleinsten Verästelungen eines Bewusstseins vertieft noch eine polyphone Erzählung ist wie "Das Feld". Die Mittellage birgt das Problem, dass den Figuren zu häufig nicht der Sprung aus der Schublade gelingt. Zu häufig stemmen hier Frauen ihre Arme resolut in die Seite oder muss der Gastwirt mit "Schürze und Bleistift hinterm Ohr" insgeheim "lächeln", wenn er an "die verlorenen Seelen dachte, die sich jeden Tag in seinem Café zusammenfanden". Der Ringer René muss gar Sätze sagen wie: "Ich bin nicht der Schlauste und hab kaum mehr als zwei Paar Schuhe im Schrank. Aber ich hab Muskeln und kann was wegstecken, außerdem bin ich ein guter Kerl, oder?"
Seethalers Fähigkeit, ins Innere von Menschen zu schauen und so etwas wie das Innere einer Zeit zu destillieren, ist einer hölzernen Zeichnung gewichen, die allzu oft im Gemeinplatz hängen bleibt. Sicher, es gibt Sätze, die in ihrer vermeintlichen Harmlosigkeit verräterisch sind, so etwa, wenn ein Cafébesucher vor sich hin säuselt, noch einmal jung sein zu wollen, denn da habe "ein Kuss unter der Laterne noch genügt für ein ganzes Glück. Im Rückblick sieht alles besser aus." Da taucht einer, dem der Kriegsschlager "Lili Marleen" noch im Kopf hängen geblieben ist, seine Jugend in ein goldenes Licht, deren Gegenwart tatsächlich das millionenfache Töten war. Geschichtsblindheit wird mit Sprüchen wie dem eines Vaters illustriert, der seinem Sohn sagt: Bloß nicht zurückschauen, das Leben liege doch vor ihm. "Aber was soll ich ständig noch vorn schauen", wendet der Sohn ein, "wenn da nichts mehr ist?"
Mit solch aufschließenden Momenten geizt der Roman. Einmal erfahren wir von einem, dass er "Nazi" war, einmal marschieren schwarze Stiefel, aber dann ist es nur ein Traum während eines Feuers, und die Stiefelträger sind Feuerwehrleute. Vielleicht würde es den Roman überfrachten, Österreichs Verstrickung in den NS-Terror zu thematisieren, die zu dieser Zeit an die Oberfläche drängte, während man zugleich am Mythos vom überfallenen Land festhielt. Dass aber der Roman der Leopoldstadt und ihren Bewohnern gewidmet ist und außen vor lässt, wie sehr der Holocaust gerade hier, im ehemals größten Judenviertel der Stadt, gewütet hat - von den 60.000 Juden dort haben die wenigsten überlebt -, bleibt unerklärlich.
"Am besten man sucht sich ein schattiges Platzerl im Leben und hält still", sagt einer im Roman und soll wohl für diese Haltung stehen: Die Nazis, das sind immer die anderen. Auch wenn es im "Feld" hieß, als Lebende über den Tod nachzudenken sei sinnlos, hängt er den Menschen ja doch im Genick. Georg Kreislers bitteres Wiener Lied "Tauben vergiften" führt vor, wie das geht: die Feigheit der Leute, die auch rückwirkend gilt, in verstörende Bilder zu packen. Auch bei Seethaler kommen Tauben vor, aber hier werden sie vergiftet von den Wirtsleuten.
Robert Seethaler: "Das Café ohne Namen". Roman.
Claassen Verlag, Berlin 2023. 288 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seethaler hat das Talent, Charaktere und Landschaften ganz ohne Geschwätz oder Schwerfälligkeit zu erzeugen in der für ihn so typisch entschlackten und schnörkellosen Sprache. Wie schon in seinem Bestseller "Ein ganzes Leben", der 2014 auf der Shortlist des Internationalen Booker Prize stand, verbindet er realitätsgesättigte Präzision gern mit stilistischer Enthaltsamkeit. Auf nur 150 Seiten porträtiert er da tatsächlich das ganze Leben eines hinkenden Tagelöhners, der kaum je sein Tal verlassen hat. Wie durch ein Vergrößerungsglas schaut der 1966 in Wien geborene und seit vielen Jahren in Berlin lebende Schriftsteller auf die Mikrokosmen solch vermeintlich kleiner Welten.
Nach seinem jüngsten literarischen Ausflug mit Gustav Mahler auf einem Ozeandampfer nach New York ("Der letzte Satz", 2020) kehrt Seethaler in seinem neuen Roman räumlich und stofflich zu seinen Anfängen zurück. Die Zeit ist zwar eine andere als in seinem frühen Überraschungserfolg "Der Trafikant" von 2012 über die fiktive Begegnung eines Landburschen aus dem Salzburgischen mit Siegmund Freud im Wien der Wendejahre 1937/38. "Das Café ohne Namen" spielt in der Wiener Nachkriegszeit, doch der literarische Kniff ist ähnlich. Denn so, wie "Der Trafikant" nicht zuletzt daraus Effekte erzielt, dass er auf das historische Bewusstsein des Lesers spekulierend gar nicht erst groß auf den Horror zu sprechen kommt, auf den Wien, Europa und ja die ganze Welt zusteuert, hält sich auch der allwissende Erzähler im "Café ohne Namen" mit Anspielungen auf diese hier noch so beißend nahe Vergangenheit zurück.
Mit dem Wiener Kaffeehaus freilich hat das titelgebende Café nichts gemein. Es ist ein schlichtes, in die Jahre gekommenes Gasthaus, das neben Kaffee, Tee und Himbeersoda vor allem Alkohol und Schmalzbrote kredenzt. Und auch die Kundschaft ist so weit entfernt vom bürgerlichen Wiener Kaffeehausbesucher, der als Romanschreiber oder Ministerialrat über die Welt philosophiert, wie jedenfalls damals noch der erste vom zweiten Wiener Gemeindebezirk, wo der Roman angesiedelt ist.
Seethalers Charaktere sind seit je wortkarg, die sich oftmals keinen Reim auf sich und die Geschicke ihres Lebens machen können. Dabei steht ihnen hier aufs Neue auf die Stirn geschrieben, wie sehr sie noch immer unter dem traumatischen Eindruck stehen von dem, was gerade einmal zwanzig Jahre zurückliegt. Dreh- und Angelpunkt des "Trafikanten" war die von einem Kriegsinvaliden (des Ersten Weltkriegs) geführte Tabaktrafik. Hier ist das Café zentraler Schauplatz und Kreuzungspunkt bisweilen irrlichternder Figuren. Eröffnet hat es der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon 1966 am Karmelitermarkt, damals eine der ärmsten und schmutzigsten Gegenden Wiens, in der die Schutthalden des Kriegs noch immer nicht abgetragen und Vierteltelefonanschlüsse eine Seltenheit sind. Der einunddreißigjährige Simon, Untermieter einer Kriegerwitwe, spürt "das Pochen in seinem Herzen", als er den staubigen Gastraum mit den welken Tapeten zum ersten Mal betritt. Doch ist er keiner, der den Ehrgeiz hätte, am wirtschaftlichen Aufschwung jener Jahre zu partizipieren, der sich in den Baustellen und Neubauten manifestiert, die an jeder Ecke in die Höhe schießen. Auch, dass die Zeitungen prophezeiten, "aus dem Sumpf der Vergangenheit" werde sich nunmehr eine "strahlende Zukunft erheben", geht an Simon wie spurlos vorbei. Er steht vielmehr Tag und Nacht hinterm Tresen, wischt seine Gläser und kümmert sich um geplatzte Bierschläuche oder Lieferantenrechnungen.
Seethaler porträtiert hier ein bestimmtes Wiener Milieu in jener diffusen Zwischenzeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs und vor dem Fall der Mauer, ehe diese viel zu große Stadt für ein klein gewordenes Land aus dem Schatten des Eisernen Vorhangs wieder hervortrat. Für die Leute hier wird indes der Einsturz der Reichsbrücke 1976 zum Symbol für die Zeitenwende. Als ein Mann, gefragt, warum er weine, antwortet, weil es nun mit dem alten Österreich für immer vorbei sei, glaubt er zwar, dass nun bessere Zeiten anbrächen, aber eben auch andere, und daran müsse man sich erst gewöhnen. In den Roman verpackt hat der Autor eine staubige Liebeserklärung an den zweiten Bezirk. Die sogenannte Leopoldstadt zwischen Augarten und Lusthaus, die sich inzwischen so tiefgreifend verwandelt hat, dass sie vom vornehmen ersten Bezirk gegenüber dem Donaukanal kaum mehr zu unterscheiden ist, war damals ein Armeleuteviertel. Rund um den Wurstelprater mit seinem ikonischen Riesenrad und den niedrigen Mieten siedelten Arbeiter, Bettler, Kriminelle und Künstler.
Um sie, die vermeintlich einfachen Leute, die es in Simons Café zieht, ist es Seethaler zu tun. Der Wirt, der als Kriegswaise in einem Heim aufwuchs und "zu verwirrt, um richtig traurig zu sein", noch als Erwachsener von grundlegender Verunsicherung gezeichnet ist: "Ich meine, wer bin ich denn schon?" Mit fast schon argloser Menschenliebe empfängt er Schichtarbeiter, Markthändler und Fabrikmädchen, deren innere Monologe sich in Einschüben immer wieder unter die Erzählung mischen: Der Fleischermeister, der nicht mehr weiß, wie er die Familie unterhalten soll, oder René Wurm, der Ringer vom Heumarkt, der es mit Gegnern wie dem "georgischen Bären" zu tun hat, wenn er sich nicht gerade als Kartenverkäufer im Prater verdingt, der Fischhändler Wessely oder Blaha, dem ein Granatsplitter ehedem das Auge ausgeschlagen hat, der aus Russland stammende Künstler Mischa Troganjew oder die arbeitslose Mila, Simons rechte Hand, sie alle finden sich wieder unter diesem Café-Mikroskop.
Die Seethaler'sche Minimalisierung aber stößt irgendwann an ihre Grenzen. Denn so beschädigt das Personal durch die Kriegserfahrung auch ist und so umstürzend die Ära der Sechziger- und Siebzigerjahre, kommt das in diesem Roman kaum je vor, allenfalls als stichwortartiges Hintergrundrauschen, wenn das Bauvorhaben der UNO-City Erwähnung findet oder einmal der Name Bruno Kreisky fällt, der immerhin für eine ganze Generation in Österreich zum Inbegriff wurde für Modernisierung und Weltoffenheit. Urbane Mobilität wird mit der neuen U-Bahn angerissen, soziale Mobilität mit geäußerter Angst vor "Chinesen im Anmarsch". Doch kommen diese Partikel vor allem als Zeitkolorit daher, wie man das aus Fernsehfilmen kennt, wenn mit einem einzelnen Requisit oder einer Dialogzeile der Anschluss an die große Historie gelingen soll. Das geht meist schief.
Nun kann man dem Autor zugutehalten, dass er ja gerade das zeigen will. Dass Zeitgeschichte für seine Protagonisten tatsächlich keine Rolle spielt, allenfalls als Stammtischgeraune. Dann aber stellt sich die Frage umso drängender, was eigentlich "Das Café ohne Namen" erzählen will, das weder wie "Ein ganzes Leben" sich bis in die kleinsten Verästelungen eines Bewusstseins vertieft noch eine polyphone Erzählung ist wie "Das Feld". Die Mittellage birgt das Problem, dass den Figuren zu häufig nicht der Sprung aus der Schublade gelingt. Zu häufig stemmen hier Frauen ihre Arme resolut in die Seite oder muss der Gastwirt mit "Schürze und Bleistift hinterm Ohr" insgeheim "lächeln", wenn er an "die verlorenen Seelen dachte, die sich jeden Tag in seinem Café zusammenfanden". Der Ringer René muss gar Sätze sagen wie: "Ich bin nicht der Schlauste und hab kaum mehr als zwei Paar Schuhe im Schrank. Aber ich hab Muskeln und kann was wegstecken, außerdem bin ich ein guter Kerl, oder?"
Seethalers Fähigkeit, ins Innere von Menschen zu schauen und so etwas wie das Innere einer Zeit zu destillieren, ist einer hölzernen Zeichnung gewichen, die allzu oft im Gemeinplatz hängen bleibt. Sicher, es gibt Sätze, die in ihrer vermeintlichen Harmlosigkeit verräterisch sind, so etwa, wenn ein Cafébesucher vor sich hin säuselt, noch einmal jung sein zu wollen, denn da habe "ein Kuss unter der Laterne noch genügt für ein ganzes Glück. Im Rückblick sieht alles besser aus." Da taucht einer, dem der Kriegsschlager "Lili Marleen" noch im Kopf hängen geblieben ist, seine Jugend in ein goldenes Licht, deren Gegenwart tatsächlich das millionenfache Töten war. Geschichtsblindheit wird mit Sprüchen wie dem eines Vaters illustriert, der seinem Sohn sagt: Bloß nicht zurückschauen, das Leben liege doch vor ihm. "Aber was soll ich ständig noch vorn schauen", wendet der Sohn ein, "wenn da nichts mehr ist?"
Mit solch aufschließenden Momenten geizt der Roman. Einmal erfahren wir von einem, dass er "Nazi" war, einmal marschieren schwarze Stiefel, aber dann ist es nur ein Traum während eines Feuers, und die Stiefelträger sind Feuerwehrleute. Vielleicht würde es den Roman überfrachten, Österreichs Verstrickung in den NS-Terror zu thematisieren, die zu dieser Zeit an die Oberfläche drängte, während man zugleich am Mythos vom überfallenen Land festhielt. Dass aber der Roman der Leopoldstadt und ihren Bewohnern gewidmet ist und außen vor lässt, wie sehr der Holocaust gerade hier, im ehemals größten Judenviertel der Stadt, gewütet hat - von den 60.000 Juden dort haben die wenigsten überlebt -, bleibt unerklärlich.
"Am besten man sucht sich ein schattiges Platzerl im Leben und hält still", sagt einer im Roman und soll wohl für diese Haltung stehen: Die Nazis, das sind immer die anderen. Auch wenn es im "Feld" hieß, als Lebende über den Tod nachzudenken sei sinnlos, hängt er den Menschen ja doch im Genick. Georg Kreislers bitteres Wiener Lied "Tauben vergiften" führt vor, wie das geht: die Feigheit der Leute, die auch rückwirkend gilt, in verstörende Bilder zu packen. Auch bei Seethaler kommen Tauben vor, aber hier werden sie vergiftet von den Wirtsleuten.
Robert Seethaler: "Das Café ohne Namen". Roman.
Claassen Verlag, Berlin 2023. 288 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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«Niemand muss Robert Seethaler lesen, um zu begreifen, dass das Scheitern die zentrale Erfahrung des Lebens ist. Aber man liest davon bei Seethaler nach wie vor lieber als anderswo, weil er so behutsam davon zu erzählen versteht, ohne größere Ausflüchte oder Umwege.» Cornelius Pollmer Süddeutsche Zeitung 20230427
Das Leben belauscht
Wien, 1966. Gelegenheitsarbeiter Robert Simon pachtet eine Gastwirtschaft und eröffnet sein eigenes Café. Er bietet nicht sehr viel an; Kaffee, Bier, roten und weißen Wein sowie Schmalzbrote mit Gurke, im Winter noch Punsch. Die Bewohner des Viertels, die …
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Das Leben belauscht
Wien, 1966. Gelegenheitsarbeiter Robert Simon pachtet eine Gastwirtschaft und eröffnet sein eigenes Café. Er bietet nicht sehr viel an; Kaffee, Bier, roten und weißen Wein sowie Schmalzbrote mit Gurke, im Winter noch Punsch. Die Bewohner des Viertels, die Markthändler, Fabrikarbeiterinnen, Witwen und Handwerker kommen gern. Sie offenbaren Geschichten, zeigen Befindlichkeiten, gewähren Einblicke.
Auf den ersten Blick "nur" Lebensabschnitte. Auf den zweiten: eine atmosphärische, dicht gewebte Erzählung über eine Zeit im Dasein des Robert Simon, seine Umgebung, seine Wünsche und Träume. Aufbruchstimmung ringsum. Liebesgeschichten und Dramen aus der Nachbarschaft. Manchmal etwas langatmig. Treffende Beschreibungen, aussagestarke Gesprächsschnipsel, Gedankenspuren. Gut vorstellbar, ruhig und dennoch interessant. Der Leser fühlt sich, als ob er diesen Mann kennen würde, als ob man manchmal mit im Café gesessen hätte. Gern hätte ich gewusst, wie das weitere Leben des Robert Simon verlaufen ist.
Genau beobachtete und gut eingefangene Stimmungen sind in diesem Roman von Robert Seethaler zu finden. Empfehlenswert.
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Robert Simon ist Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt in Wien. Er pachtet eine leerstehende Gastwirtschaft gegenüber dem Markt und eröffnet dort sein eigenes Café, bei dem es sich eher um eine Kneipe handelt. Die Gäste sind einfache Leute aus dem Viertel, Arbeiterinnen …
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Robert Simon ist Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt in Wien. Er pachtet eine leerstehende Gastwirtschaft gegenüber dem Markt und eröffnet dort sein eigenes Café, bei dem es sich eher um eine Kneipe handelt. Die Gäste sind einfache Leute aus dem Viertel, Arbeiterinnen aus der Textilfabrik, Bauarbeiter, Marktleute, ältere Damen, junge Leute, Obdachlose und Künstler. Sie streiten sich, betrinken sich, spielen Karten, plaudern miteinander und hängen ihren Träumen nach.
Robert Seethaler erschafft mit seiner schnörkellosen, beinahe nüchternen Schreibweise eine präzise Miliestudie der einfachen Leute des recht armen Viertels um den Karmelitermarkt in den 60er und 70er Jahren. Mt wenigen Worten und einem zauberhaften Blick fürs Detail werden die Figuren und die Atmosphäre des Aufbruchs lebendig und das Existenzielle zeigt sich mitunter ganz beiläufig. Besonders angetan haben es mir die Kapitel, in denen die Gespräche der beiden älteren Damen wiedergegeben sind.
Ein leiser, berührender Roman und unbedingt lesenswert!
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Stimmige Milieustudie
Im „Café ohne Namen“ werden Geschichten erzählt und einige davon hat Robert Seethaler in besagtem Café, das eigentlich gar keines ist, aufgeschrieben. Hier gehen ganz normale Menschen ein und aus, sie unterhalten sich, trinken was, auch …
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Stimmige Milieustudie
Im „Café ohne Namen“ werden Geschichten erzählt und einige davon hat Robert Seethaler in besagtem Café, das eigentlich gar keines ist, aufgeschrieben. Hier gehen ganz normale Menschen ein und aus, sie unterhalten sich, trinken was, auch so manches Mal über den Durst. Und sie machen Brotzeit, Jause wird das wohl in Wien genannt.
Wir schreiben das Jahr 1966, es ist schon eine ganze Weile her. In Wien treffen wir auf Robert Simon, den Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt. Er wohnt zur Untermiete bei einer Witwe und greift zu, als ihm eine Gastwirtschaft angeboten wird. Sein Café, wie er es nennt, hat Zulauf vom ganzen Viertel. Es gibt nicht allzu viel, Bier und Wein und auch alkoholfreie Getränke reichen vollkommen aus, daneben schmiert er Schmalzbrote mit und ohne Zwiebel, auch die eingelegten Salzgurken gehen gut und im Winter kann er nicht genug Punsch einkochen, das Rezept hat ihm die Witwe verraten.
Irgendwann verirrt sich Mila auf der Suche nach Arbeit hierher, so mache Gestalt hält Ausschau nach Liebschaften und Jascha, die immer noch von Tito schwärmt, will eine Taube retten. René, der Ringkämpfer, wird Stammgast und der Fleischer von gegenüber, der schon wieder Nachwuchs bekommt, beklagt diesen Umstand einmal mehr. Der alte Georg wird in seinem Suff Zeuge, wie die Reichsbrücke mit einem gewaltigen Rumms einstürzt, um nur einiges aufzuzählen – ein buntes Völkchen trifft sich hier.
Wien erholt sich vom Krieg, der mittlerweile zwanzig Jahre vorbei ist und wir treffen auf Menschen voller Sehnsucht. Es herrscht Aufbruchstimmung. Robert Seethaler gibt seinen Figuren all das mit, was das Leben ausmacht. Sie sind mit ihren Sorgen, aber auch mit ihrem Lebensmut greifbar. Er ist ein exzellenter Geschichtenerzähler. Sein unaufgeregter Erzählstil vermittelt ein stimmiges Gesamtbild, eine Melange aus all den Schicksalen, aus all den Charakteren, die im „Café ohne Namen“ aufeinandertreffen.
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Treffender Buchtitel
Gefühlvoll erzählte Milieustudie im Wien der 1960er Jahre.
Robert Simon ist Gelegenheitsarbeiter mit dem Traum, ein anderes Leben zu führen. In einem heruntergekommenen Ladenlokal eröffnet er ein Café, in dem sich schnell die Menschen aus seinem …
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Treffender Buchtitel
Gefühlvoll erzählte Milieustudie im Wien der 1960er Jahre.
Robert Simon ist Gelegenheitsarbeiter mit dem Traum, ein anderes Leben zu führen. In einem heruntergekommenen Ladenlokal eröffnet er ein Café, in dem sich schnell die Menschen aus seinem Viertel treffen. Einen Namen gibt er seiner Lokalität nicht, was aber auch niemanden stört. Man erhält nicht nur Einblick in Leben und Psyche des Protagonisten. Angesiedelt im Jahr 1966 bietet das Café einen Treffpunkt für die unterschiedlichen Charaktere. Situationen und Emotionen werden bis ins Detail erzählt, Hoffnung verbreitet und Aufbruch geschildert. Aus dem Leben gegriffene Schicksale kommen unprätentiös daher.
Man kann dieses Buch fast als Milieustudie bezeichnen, denn die unterschiedlichen Menschen erhalten durch das sprachliche Feingefühl interessante Konturen. Gemeinsam und doch jeder für sich entstehen Persönlichkeiten. Ich mag den Schreibstil, denn Sprachgewalt und leise Töne schließen sich bei Seethaler nicht aus. Auch das Cover ist in seiner Einfachheit sehr beeindruckend. Dieses Buch enthält von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung.
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Die Geschichte beginnt 1966, als Robert Simon in Wien ein Café eröffnet, das der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist. Trotz des kleinen Angebots kommen die Menschen gerne in das Café am Karmelitermarkt. Es sind die normalen Leute des Viertels, die Arbeiter, mit ganz normalen …
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Die Geschichte beginnt 1966, als Robert Simon in Wien ein Café eröffnet, das der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist. Trotz des kleinen Angebots kommen die Menschen gerne in das Café am Karmelitermarkt. Es sind die normalen Leute des Viertels, die Arbeiter, mit ganz normalen Sorgen und Ängsten, die sich dort treffen. Daher sind ihre geschilderten Erlebnisse auch greifbar. Erzählt wird episodenhaft über viele Jahre hinweg. Leider plätschert das Erzählte ohne große Höhen und Tiefen vor sich hin, obwohl die Kundschaft so vielfältig daher kam. Ich wurde mit dem Protagonisten nicht sonderlich warm. Er bliebt sehr distanziert und emotionslos, kaum greifbar. Er machte die Geschichte sehr bedrückend und etwas hoffnungslos. Gut gefallen hat mir jedoch seine Verbindung zu seiner Zimmerwirtin, für die er immer da war und es ein Geben und Nehmen war. Mehr als Robert, der eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte, hat mich Milas Geschichte berührt. Der Roman ist eher einer der ruhigeren Sorte, der etwas zum nachdenken anregt.
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Gebundenes Buch
Mit grossen Erwartungen habe ich dieses Buch des Autors R. Seethaler zu lesen begonnen und es hat mich, wie alle früheren Bücher des Autors von der ersten Zeile an mitgenommen in die Welt dieser Geschichte. Meine hohen Erwartungen wurden erfüllt und übertroffen. Robert Seethaler …
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Mit grossen Erwartungen habe ich dieses Buch des Autors R. Seethaler zu lesen begonnen und es hat mich, wie alle früheren Bücher des Autors von der ersten Zeile an mitgenommen in die Welt dieser Geschichte. Meine hohen Erwartungen wurden erfüllt und übertroffen. Robert Seethaler hat einen besonderen Schreibstil, der bildreich und mit vielen Details Situationen und Menschen beschreibt, die auf diese Weise unglaublich lebendig und dem Leser nahe erscheinen, ohne kitschig zu wirken. Bisher haben mich alle seine Bücher in gleicher Weise überzeugen können. Nach meinem Empfinden eine besondere Begabung und ein Talent, über das heute nicht viele Schriftsteller verfügen.
Die Zeit des Umbruchs und Aufbruchs wird in dem Roman so lebendig dargestellt, dass die Geschichten der handelnden Personen dem Leser sehr nahe gehen. Man fühlt und lebt diesen Roman mit und ist als Leser nicht aussenstehend.
Eine uneingeschränkte Leseempfehlung meinerseits und eine gelungene Geschenkidee für liebe Freunde.
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Gebundenes Buch
Der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon pachtet im Jahr 1966 in Wien ein Café, er will sein Glück versuchen, sich seinen Traum von einer eigenen Gastwirtschaft erfüllen. Anfangs kommen die Menschen nur zögerlich, das Viertel ist arm, aber bald schon erwacht dort das Leben, wie …
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Der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon pachtet im Jahr 1966 in Wien ein Café, er will sein Glück versuchen, sich seinen Traum von einer eigenen Gastwirtschaft erfüllen. Anfangs kommen die Menschen nur zögerlich, das Viertel ist arm, aber bald schon erwacht dort das Leben, wie überall sonst auch in der Stadt, und damit die Sehnsucht nach Glück und einem Stück Normalität so kurz nach dem Krieg.
Es war ein leises, oft nur an der Oberfläche kratzendes Buch. Die Schicksale der Menschen ploppten auf wie Blasen bei einem starken Regen, blieben kurz an der Oberfläche und platzten dann auf, um mit dem restlichen Wasser fortgeschwemmt zu werden, Platz zu machen für nachfolgende Geschichten, die nächste Generation der Glücklichen und der Glücklosen, deren Nachschub nie versiegt. Nicht immer gab es eine Erklärung, einen Anfang oder Abschluss, die Gäste kamen und gingen, einige Namen behielten Platz, andere wiederum wurden wichtig, blieben da und begleiteten Robert ein Stück. Fast konnte ich die Atmosphäre spüren, das Wienerische, das Vergangene, das Pulsierende, das Bestreben auf der Suche nach Glück.
Wer eine aufregende Geschichte erwartet, wird enttäuscht, es sind zufällig zusammengewürfelte Schicksale von Menschen, die dem Gefühl der damaligen Zeit nachspüren und die wir begleiten auf ihrem Weg. Es passiert nichts und doch so viel, sprachlich ist das Buch wahrlich keine Wucht, aber hier und da berührte es mich trotzdem ein wenig, ein Hauch Melancholie und Hoffnung zog sich durch die Zeilen, ein bisschen Kitsch und Sentimentalität. Mir fehlte ein wenig die Spannung, manchmal der Zusammenhang und oft waren mir die Beschreibungen der vielen Gassen zu viel, vielleicht fehlte mir auch einfach der Bezug zur Stadt. Ein kurzer Ausflug ins Wien, der mir ein kurzweiliges Lesevergnügen gebracht hat.
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Leiser, einfühlsamer, melancholischer Roman über das Arbeitermilieu Wiens 1960/70
»»Es wird alles gehen, wie es soll«, sagte die Witwe. »Ich hab ein gutes Gefühl im Bauch.« - »Wenn Sie es sagen.« - »Ja, ich sage es. Man sollte …
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Leiser, einfühlsamer, melancholischer Roman über das Arbeitermilieu Wiens 1960/70
»»Es wird alles gehen, wie es soll«, sagte die Witwe. »Ich hab ein gutes Gefühl im Bauch.« - »Wenn Sie es sagen.« - »Ja, ich sage es. Man sollte sich immer ein bisschen mehr Hoffnung als Sorgen machen. Alles andere wäre doch blödsinnig, oder?«« (S.26)
Robert Seethaler’s neues Werk ist ein ruhiger, einfühlsamer, unaufgeregter und vielleicht stellenweise melancholischer Roman und Milieustudie der Wiener Arbeiterklasse und der ärmeren Gesellschaftsklassen. »Das Café ohne Namen« entführt die Leser:innen in das Wien der 1960er und -70er Jahre und dessen Arbeitermilieu.
Protagonist ist der Anfang 30-jährige Kriegswaise Robert Simon, der sich bislang mit Gelegenheitsjobs durch das Leben geschlagen hat, bis er sich entschließt das Café am Rand des Karmelitermarkts nahe des Paters in der Leopoldstadt zu pachten und mit neuem Glanz zu erfüllen. Wir begleiten Robert durch die Jahre seines Café und lernen mit ihm die verschiedenen Besucher:innen dieses »Café ohne Namen« kennen. »Das Café ohne Namen« ist keines der Kaffeehäuser der gehobenen Wiener Szene, sondern es ist ein einfaches Café, das von einfachen Leuten aufgesucht wird. Die Gäste sind Marktarbeiter:innen des angrenzenden Karmelitermarktes, Kartenspieler:innen, Trinker:innen, Kämpfer:innen, Eheleute und eben ganz normale Menschen. Was ist das Besondere an diesem Café und damit dem Roman? Es ist Robert Seethaler, der uns alle diese Besucherinnen durch Robert Simons Augen sehen lässt und wir sehen sowohl die schlechten/verwerflichen/lasterhaften/kaputten als auch die liebevollen/witzigen/zugewandeten Seiten dieser Schicksale und erkennen die Besucher:innen als das was sie sind: Menschen mit ihren jeweiligen Bedürfnissen, Wünschen, Träumen, Ängsten und Verwerfungen.
»Es ist gut, wie es ist, dachte er, man soll die Dinge zu Ende bringen, solange man noch Kraft hat, etwas Neues zu beginnen.« Robert Simon (S.272)
Dieser Roman ist kein Pageturner, kein großes Kino, keine Liebesgeschichte - oder vielleicht letzteres doch: Eine Liebesgeschichte an die Menschen, die viel zu häufig von der Gesellschaft übersehen werden und trotzdem Wichtiges tun oder es auch gar nicht müssen, weil das Leben auch anstrengend genug sein kann. Große Leseempfehlung für alle Fans von Robert Seethaler und diejenigen, die sich auf einen leisen und einfühlsamen Roman freuen.
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Gebundenes Buch
Lesevergnügen von Robert Seethaler
Lange habe ich auf neuen Roman von Robert Seethaler gewartet, und wieder hat er mir einige Stunden Lesegenuß geschenkt. Der Autor beschreibt diesmal die Geschichte eines Cafes, seines Betreibers, der Angestellten und Gäste im Wien der 70er Jahre …
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Lesevergnügen von Robert Seethaler
Lange habe ich auf neuen Roman von Robert Seethaler gewartet, und wieder hat er mir einige Stunden Lesegenuß geschenkt. Der Autor beschreibt diesmal die Geschichte eines Cafes, seines Betreibers, der Angestellten und Gäste im Wien der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Eindrücklich stellt der Autor das Milieu eines Arbeiterviertels in Wien vor. Der Gelegenheitsarbeiter Robert Simon erfüllt sich seinen Traum und eröffnet voller Hoffnung in seine Zukunft ein einfaches Café. Die im Viertel wohnenden und im Café verkehrenden Personen wie auch deren Geschichten werden einfühlsam und lebendig beschrieben. Dabei gelingt es dem Autor eine melancholische Atmosphäre zu erzeugen. Eine so entstehende leichte Morbitität passt sehr gut zu Wien.
Es liegt ein leiser und ruhiger Roman vor, der fast zur Mileustudie wird. Die enge persönliche Verbundenheit Seethalers mit Wien ist deutlich spürbar. Meine Erwartungen in das Buch wurden voll erfüllt.
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Gebundenes Buch
Die kleine Kneipe
Nach über 100 Bewertungen ist scheinbar alles gesagt. Ich kann unmöglich alles lesen, aber was ich bisher nicht gelesen habe:
Dieses Buch entfaltet das Lied „Die kleine Kneipe“ von Peter Alexander.
Nach über 200 Seiten sagt der Wirt Simon, dass …
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Die kleine Kneipe
Nach über 100 Bewertungen ist scheinbar alles gesagt. Ich kann unmöglich alles lesen, aber was ich bisher nicht gelesen habe:
Dieses Buch entfaltet das Lied „Die kleine Kneipe“ von Peter Alexander.
Nach über 200 Seiten sagt der Wirt Simon, dass nur das Café ohne Namen auch Café nennt. Der aufmerksame Leser denkt an die kleine Kneipe in unserer Straße.
Peter Alexander singt allerdings nicht über die Menschen, den Wirt, die Bedienung und vor allem den Gästen, das holt Seethaler jetzt nach. „Dort., wo das Leben noch lebenswert ist“, heißt es in dem Lied und das zeigt unser Wirt mit dem großem Herz. Jeder wird ernst genommen, auch wenn wir uns im Wiener Armutsviertel befinden.
Ein Unfall mit der Heizung und letztlich das fehlende Happy End lassen uns aus der heilen Welt erwachen. Das Einstürzen der Reichsbrücke hat der Autor auch nicht erfunden. Wir befinden uns in den 60ern und 70ern Jahren. Etwas Wehmut kommt auf in der Nachcoronazeit.
5 Sterne für ein Buch, das durch das Café zusammengehalten wird. Ich frage mich, ob Seethaler an „das Café am Rande der Welt“ dachte… Und noch ein Extralob an Sandra Kegel, die Gästeführerin in Wien werden könnte.
Lieblingszitat: Ich verrate dir ein Geheimnis: Ich habe die Kinder nur gemacht, um jung zu bleiben. Das ist kein Geheimnis, das macht jede so. (138)
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