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Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben, denn seit Jahren hat sie die Toten des Dorfes hergerichtet. Jetzt hat sie die Entscheidung getroffen, sich fortan den Lebenden zu widmen. Als in jenem August 1962 Wilhelm Leeb vor ihrer Tür steht, lässt sie sich dennoch überreden, ihren Dienst ein letztes Mal zu erfüllen. Wilhelm Leeb - ausgerechnet er, der Gerda einst sitzen ließ, um sich die Tochter von Bauer Kruse mit der hohen Mitgift zu sichern. Nach dem Krieg führte er auf seinem Hof ein hartes Regime, obwohl die Familie jahrelang geschuftet hatte, um Besitz und Leben zu verteidigen. Ab...
Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben, denn seit Jahren hat sie die Toten des Dorfes hergerichtet. Jetzt hat sie die Entscheidung getroffen, sich fortan den Lebenden zu widmen. Als in jenem August 1962 Wilhelm Leeb vor ihrer Tür steht, lässt sie sich dennoch überreden, ihren Dienst ein letztes Mal zu erfüllen. Wilhelm Leeb - ausgerechnet er, der Gerda einst sitzen ließ, um sich die Tochter von Bauer Kruse mit der hohen Mitgift zu sichern. Nach dem Krieg führte er auf seinem Hof ein hartes Regime, obwohl die Familie jahrelang geschuftet hatte, um Besitz und Leben zu verteidigen. Aber nun steht Wilhelm als gebrochener Mann vor ihr - und Gerda ahnt, dass sich im Leben der Leebs eine Tragödie vollzogen haben muss.
Henning Ahrens, 1964 in Niedersachsen geboren, lebt als Schriftsteller und Übersetzer in Frankfurt. Er übertrug unter anderem die Werke von Jonathan Safran Foer, Colson Whitehead, Meg Wolitzer und Richard Powers ins Deutsche. Sein Roman 'Mitgift' war für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Produktdetails
- Verlag: Goldmann
- Seitenzahl: 344
- Erscheinungstermin: 17. Mai 2023
- Deutsch
- Abmessung: 186mm x 124mm x 29mm
- Gewicht: 302g
- ISBN-13: 9783442493852
- ISBN-10: 3442493854
- Artikelnr.: 66343754
Herstellerkennzeichnung
Goldmann TB
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
»Ein großartiges, intensives und mutiges Buch« Goslarsche Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Henning Ahrens neues Buch "Mitgift" lässt Rezensentin Cornelia Geißler verwirrter zurück als ihrer Meinung nach nötig gewesen wäre. Der 1964 geborene Autor und Übersetzer erzählt darin von einer seit 300 Jahren auf einem Hof in Niedersachsen verwurzelte Familie - vom vermeintlich entnazifizierten, tyrannischen Vater Wilhelm, dessen Frau, seinen ältesten Sohn der traditionellerweise ebenfalls Wilhelm heißt und dessen Geschwister -, als auch von einer kontrastierenden Totenfrau, die diese Familie, in die sie aufgrund ihres mangelnden Mitgifts nicht eingeheiratet werden kann, von außen beschreibt, erklärt Geißler. Die Wilhelm-Charaktere sind aufgrund der gleichen Namen und der wahllos einsetzenden Rückblicke nicht nur etwas verwirrend, sondern auch ein wenig unnahbar, findet die Rezensentin. Doch mit seiner plastischen Sprache und dem beschriebenen, eindrucksvoll erzählten Vater-Sohn-Konflikt kann der Autor sie dennoch überzeugen. Sogar der wirklich unsympathische Vater wird mit menschlichen Erfahrungen konfrontiert - das spreche für die Erzählart des Autors, resümiert die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Hatte Wilhelm die Wahl?
Die schmerzenden Füße der Tradition: Henning Ahrens schildert in "Mitgift" seine niedersächsische Heimat und wie man an ihr zerbrechen kann.
Im Frühjahr 1946 schickt die Bäuerin Käthe Leeb ihren fünfzehnjährigen Sohn Wilhelm zum Arzt in die nahe Stadt Peine, "im Sonntagsstaat, mit einem Beutel, der Butterbrote, Geld und eine Bügelflasche mit Himbeersaft enthält". Weil der Junge jahrelang zu enge Stiefel getragen hat, sind ihm zwei Zehen zusammengewachsen, die der Arzt nun mit dem Skalpell trennen soll. Unterwegs gerät er mit einem Flüchtling aneinander, als er sich selbst mit dem Hitlerjungen-Slogan "zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl" ermahnt und sein Gegenüber ihn stellvertretend für alle
Die schmerzenden Füße der Tradition: Henning Ahrens schildert in "Mitgift" seine niedersächsische Heimat und wie man an ihr zerbrechen kann.
Im Frühjahr 1946 schickt die Bäuerin Käthe Leeb ihren fünfzehnjährigen Sohn Wilhelm zum Arzt in die nahe Stadt Peine, "im Sonntagsstaat, mit einem Beutel, der Butterbrote, Geld und eine Bügelflasche mit Himbeersaft enthält". Weil der Junge jahrelang zu enge Stiefel getragen hat, sind ihm zwei Zehen zusammengewachsen, die der Arzt nun mit dem Skalpell trennen soll. Unterwegs gerät er mit einem Flüchtling aneinander, als er sich selbst mit dem Hitlerjungen-Slogan "zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl" ermahnt und sein Gegenüber ihn stellvertretend für alle
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nationalsozialistischen Würdenträger beschimpft. Zurückgekehrt muss der Junge, der sich eigentlich, so der Arzt, vier Wochen lang schonen sollte, gleich wieder aufs Feld, mit blutenden Füßen. Im Kopf hat er die Stimme seiner Großmutter: "Du bist jetzt der Bauer", sagt sie zu dem Enkel, der den selben Vornamen trägt wie sein Vater und Großvater, und verspricht: "Wenn dein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, wird er stolz auf dich sein."
Dass es anders kommen wird und warum, erzählt Henning Ahrens in seinem Roman "Mitgift". Es ist die Geschichte der Familie Leeb, seit einigen Hundert Jahren ansässig auf einem Hof in dem Dorf Klein Ilsede bei Peine, und es ist die des Dorfes selbst, in dem die Leebs eine herausragende Position einnehmen. Geheiratet wird nur ausnahmsweise nach Neigung, und wenn, dann sollte die Neigung mit wirtschaftlichen Interessen einhergehen, etwa dem Arrondieren von Landbesitz. Die Tradition spielt eine große Rolle, auch wenn von Ausbruchsversuchen Einzelner berichtet wird, die aber über Generationen hinweg stets irgendwie ins Gleis zurückführen - und sei es, dass der leichtfertig einer Sekte vermachte Hof von den Verwandten des Erblassers zurückgekauft und in jahrelanger harter Arbeit schuldenfrei gemacht wird.
All das nimmt Elemente auf, die dem literarischen Dorfroman seit seinem Entstehen im neunzehnten Jahrhundert zu eigen sind, wenn auch in unterschiedlicher Zusammensetzung. Was - etwa in den Geschichten Berthold Auerbachs - mit dem Anspruch beginnt, dem realistischen Erzählen zum Durchbruch zu verhelfen, driftet Jahrzehnte später gern in eine idyllisierende Richtung, die der "kranken" Großstadt eine vermeintlich heile Welt gegenüberstellt. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg schlägt das ins Gegenteil um, und etwa in den Romanen des Österreichers Franz Innerhofer bleibt von der Idylle nichts übrig. In jüngster Zeit erlebt das Erzählen vom Land eine Renaissance, nur ist es da nicht mehr die fremde Welt der Stadt, die über unwissende Landbewohner kommt, sondern es sind die Städter, die sich daran zu gewöhnen haben, wie man in den kleinen Gemeinschaften der Provinz lebt.
Henning Ahrens schreibt nicht zum ersten Mal vor dem Hintergrund jener niedersächsischen Gegend, aus der er stammt. Allerdings ist seine Erzählhaltung in "Mitgift" eine andere als etwa im Debüt "Lauf Jäger lauf" (2002) oder in "Glantz und Gloria" von 2015. Dass er sich der eigenen Familiengeschichte zuwendet, macht das Nachwort deutlich, in dem der Autor auch Bezüge zwischen seinen Romanfiguren und den Vorfahren herstellt. Diese autobiographische Grundierung im weiteren Sinn, die auch ein Studium der Überlieferung des realen Dorfs Klein Ilsede durch den Autor umfasst, stößt allerdings dort an ihre Grenzen, wo die literarischen Figuren ein Eigenleben entwickeln: "Mitgift", heißt es da, "erzählt von der Vergangenheit meiner Familie - gewissermaßen", denn "Romanpersonal" habe nun mal "die Neigung, eigene Wesenszüge anzunehmen", und im Übrigen schreibe er größtenteils über Personen, die er selbst nicht mehr gekannt habe.
Tatsächlich setzt die Handlung 1962 ein, nach dem Selbstmord eines Protagonisten - der Autor wurde 1964 geboren. Dieser Beginn, an dem der Bauer Wilhelm Leeb vor der Tür seiner Nachbarin Gerda Derking steht, der inoffiziellen Leichenwäscherin des Dorfs, ist dann in chronologischer Sicht auch schon fast das Ende des Romans, der weit in die Vergangenheit zurückblickt und seine Kapitel eher assoziativ (dabei aber einleuchtend) aneinander reiht als der Zeitenfolge nach. Dabei kristallisieren sich zentrale Themen heraus, die immer neu durchgespielt werden: das Verhältnis zum ererbten Besitz etwa oder das zur Obrigkeit, das Militärwesen und die Kriegserfahrungen, ein Schlachtfest, die Arbeit auf dem Feld und im Stall, und nicht zuletzt die Verantwortung gegenüber anderen, die wahrgenommen wird oder eben nicht.
Wie erzählt Ahrens all das? Sein Ton ist sachlich, er nimmt wechselnde Perspektiven ein und stellt sie gegeneinander, er zeigt, was jeweils die Entwicklungen anstößt, die kleinen Katastrophen und auch die große, aber er hütet sich vor Erklärungen oder Rechnungen, die allzu glatt aufgingen. Dass aber diejenigen, die da auf dem alten Hof miteinander leben und sich die Generationenklinke in die Hand geben, lange Zeit aufs Engste miteinander verstrickt sind, teilt sich ebenso mit wie dass es am Ende nur auf den Entschluss ankommt, die neue Zeit nach dem Krieg in ihren Umwälzungen anzuerkennen, um endlich auszubrechen.
So belässt es dieser geschmeidige und dabei souveräne Roman nie nur bei der Geschichte einer Familie, eines Dorfes. Und vielleicht ist er auch mehr als die Schilderung der Epoche, auf die sich der Roman wesentlich konzentriert - die Zeit des Nationalsozialismus und die der frühen Bundesrepublik mit, so scheint es hier zunächst, mehr Kontinuitäten als Brüchen.
Stattdessen stellt er Fragen, die kaum zu beantworten sind, allen voran die nach der Unausweichlichkeit des Geschehens. Wilhelm Leeb, der Großvater, denkt im April 1944 - und sicher nicht zum ersten Mal - über seine eigene Rolle in dieser Generationenfolge nach. Er sei "mit sich im Reinen", heißt es da: "Hätte er die Wahl gehabt, dann wäre er kein Bauer geworden, aber er musste in die Fußstapfen der Vorväter treten, so war es nun mal." Es gehört zur Raffinesse des Autors, dass er den blutenden Füßen des Enkels einen so beiläufigen wie eindringlichen Auftritt gibt. Man behält ihn im Kopf, wenn später der Bauer aus der Gefangenschaft heimkehrt, das Regiment wieder übernimmt - und dem schwer schuftenden Sohn die neuen Stiefel verweigert. TILMAN SPRECKELSEN
Henning Ahrens: "Mitgift". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 352 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass es anders kommen wird und warum, erzählt Henning Ahrens in seinem Roman "Mitgift". Es ist die Geschichte der Familie Leeb, seit einigen Hundert Jahren ansässig auf einem Hof in dem Dorf Klein Ilsede bei Peine, und es ist die des Dorfes selbst, in dem die Leebs eine herausragende Position einnehmen. Geheiratet wird nur ausnahmsweise nach Neigung, und wenn, dann sollte die Neigung mit wirtschaftlichen Interessen einhergehen, etwa dem Arrondieren von Landbesitz. Die Tradition spielt eine große Rolle, auch wenn von Ausbruchsversuchen Einzelner berichtet wird, die aber über Generationen hinweg stets irgendwie ins Gleis zurückführen - und sei es, dass der leichtfertig einer Sekte vermachte Hof von den Verwandten des Erblassers zurückgekauft und in jahrelanger harter Arbeit schuldenfrei gemacht wird.
All das nimmt Elemente auf, die dem literarischen Dorfroman seit seinem Entstehen im neunzehnten Jahrhundert zu eigen sind, wenn auch in unterschiedlicher Zusammensetzung. Was - etwa in den Geschichten Berthold Auerbachs - mit dem Anspruch beginnt, dem realistischen Erzählen zum Durchbruch zu verhelfen, driftet Jahrzehnte später gern in eine idyllisierende Richtung, die der "kranken" Großstadt eine vermeintlich heile Welt gegenüberstellt. Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg schlägt das ins Gegenteil um, und etwa in den Romanen des Österreichers Franz Innerhofer bleibt von der Idylle nichts übrig. In jüngster Zeit erlebt das Erzählen vom Land eine Renaissance, nur ist es da nicht mehr die fremde Welt der Stadt, die über unwissende Landbewohner kommt, sondern es sind die Städter, die sich daran zu gewöhnen haben, wie man in den kleinen Gemeinschaften der Provinz lebt.
Henning Ahrens schreibt nicht zum ersten Mal vor dem Hintergrund jener niedersächsischen Gegend, aus der er stammt. Allerdings ist seine Erzählhaltung in "Mitgift" eine andere als etwa im Debüt "Lauf Jäger lauf" (2002) oder in "Glantz und Gloria" von 2015. Dass er sich der eigenen Familiengeschichte zuwendet, macht das Nachwort deutlich, in dem der Autor auch Bezüge zwischen seinen Romanfiguren und den Vorfahren herstellt. Diese autobiographische Grundierung im weiteren Sinn, die auch ein Studium der Überlieferung des realen Dorfs Klein Ilsede durch den Autor umfasst, stößt allerdings dort an ihre Grenzen, wo die literarischen Figuren ein Eigenleben entwickeln: "Mitgift", heißt es da, "erzählt von der Vergangenheit meiner Familie - gewissermaßen", denn "Romanpersonal" habe nun mal "die Neigung, eigene Wesenszüge anzunehmen", und im Übrigen schreibe er größtenteils über Personen, die er selbst nicht mehr gekannt habe.
Tatsächlich setzt die Handlung 1962 ein, nach dem Selbstmord eines Protagonisten - der Autor wurde 1964 geboren. Dieser Beginn, an dem der Bauer Wilhelm Leeb vor der Tür seiner Nachbarin Gerda Derking steht, der inoffiziellen Leichenwäscherin des Dorfs, ist dann in chronologischer Sicht auch schon fast das Ende des Romans, der weit in die Vergangenheit zurückblickt und seine Kapitel eher assoziativ (dabei aber einleuchtend) aneinander reiht als der Zeitenfolge nach. Dabei kristallisieren sich zentrale Themen heraus, die immer neu durchgespielt werden: das Verhältnis zum ererbten Besitz etwa oder das zur Obrigkeit, das Militärwesen und die Kriegserfahrungen, ein Schlachtfest, die Arbeit auf dem Feld und im Stall, und nicht zuletzt die Verantwortung gegenüber anderen, die wahrgenommen wird oder eben nicht.
Wie erzählt Ahrens all das? Sein Ton ist sachlich, er nimmt wechselnde Perspektiven ein und stellt sie gegeneinander, er zeigt, was jeweils die Entwicklungen anstößt, die kleinen Katastrophen und auch die große, aber er hütet sich vor Erklärungen oder Rechnungen, die allzu glatt aufgingen. Dass aber diejenigen, die da auf dem alten Hof miteinander leben und sich die Generationenklinke in die Hand geben, lange Zeit aufs Engste miteinander verstrickt sind, teilt sich ebenso mit wie dass es am Ende nur auf den Entschluss ankommt, die neue Zeit nach dem Krieg in ihren Umwälzungen anzuerkennen, um endlich auszubrechen.
So belässt es dieser geschmeidige und dabei souveräne Roman nie nur bei der Geschichte einer Familie, eines Dorfes. Und vielleicht ist er auch mehr als die Schilderung der Epoche, auf die sich der Roman wesentlich konzentriert - die Zeit des Nationalsozialismus und die der frühen Bundesrepublik mit, so scheint es hier zunächst, mehr Kontinuitäten als Brüchen.
Stattdessen stellt er Fragen, die kaum zu beantworten sind, allen voran die nach der Unausweichlichkeit des Geschehens. Wilhelm Leeb, der Großvater, denkt im April 1944 - und sicher nicht zum ersten Mal - über seine eigene Rolle in dieser Generationenfolge nach. Er sei "mit sich im Reinen", heißt es da: "Hätte er die Wahl gehabt, dann wäre er kein Bauer geworden, aber er musste in die Fußstapfen der Vorväter treten, so war es nun mal." Es gehört zur Raffinesse des Autors, dass er den blutenden Füßen des Enkels einen so beiläufigen wie eindringlichen Auftritt gibt. Man behält ihn im Kopf, wenn später der Bauer aus der Gefangenschaft heimkehrt, das Regiment wieder übernimmt - und dem schwer schuftenden Sohn die neuen Stiefel verweigert. TILMAN SPRECKELSEN
Henning Ahrens: "Mitgift". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2021. 352 S., geb., 22,- Euro.
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Rezensentin Gisa Funck ahnt, dass Themen wie Kriegsschuld und -traumata noch nicht auserzählt sind. Bei Henning Ahrens bekommt die Erkundung deutscher Hybris eine familiäre Note, erklärt uns die Rezensentin, wenn der Autor von einem großkotzigen niedersächsischen Bauern und Nazi erzählt, der ohne Not an die Front zieht und nach seiner Rückkehr Frau und Sohn tyrannisiert. Immer wieder kommen der Rezensentin beim Lesen Vergleiche zu heutigen Narzissten und Erfolgsmenschen in den Sinn. Ahrens' Figurenensemble und die von ihm für die Geschichte gewählte Form der dialogisch geprägten Short-Cuts-Collage findet Funck überzeugend.
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Gebundenes Buch
1962. Seid Jahrzehnten ist Gerda Derking für die Verstorbenen in ihrem Dorf zuständig, hat sie gewaschen und zurecht gemacht, sich Kummer, Zorn und Verzweiflung der Hinterbliebenen angehört. Jetzt ist sie über 60 und hat genug. Zu viel hat sie gesehen, die Belastung wiegt schwer. …
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1962. Seid Jahrzehnten ist Gerda Derking für die Verstorbenen in ihrem Dorf zuständig, hat sie gewaschen und zurecht gemacht, sich Kummer, Zorn und Verzweiflung der Hinterbliebenen angehört. Jetzt ist sie über 60 und hat genug. Zu viel hat sie gesehen, die Belastung wiegt schwer. Doch dann steht ihr Nachbar Wilhelm Leeb Senior vor der Tür. Auf seinem Hof ist etwas schreckliches passiert und er bittet Gerda im Namen ihrer Freundschaft und gemeinsamen Vergangenheit, ein letztes Mal ihrer Aufgabe nachzukommen.
In „Mitgift“ führt uns Henning Ahrens, angelehnt an seine eigene Familiengeschichte, durch sieben Generationen der Familie Leeb und ihres Hofes in der Nähe von Peine. Dabei folgt er keiner chronologischen Ordnung, sondern springt durch die Jahrhunderte, gewährt uns oft nur kurze Einblicke, gerade genug, um zu begreifen, was sich wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte zieht. Natürlich bringt jede Generation seine eigenen Individuen hervor, die ihre Träume und Wünsche und auch Talente mit sich tragen. Da ist August Wilhelm, der sich zu einem geistlichen Leben berufen fühlt, Carl Wilhelm, in dem eher ein wissenschaftlicher Geist lebt, Wilhelm, der sich vom Nationalsozialismus und von Gerda angezogen fühlt. Aber am Ende werden es immer das Wohl des Hofes und die Tradition sein, die siegen, hinter denen man seine eigenen Ansprüche zurückstellt. Man wird Bauer, wie die Vorfahren, man heiratet die Frau, die Land mitbringt, nicht die, die man liebt. Die Bande sind zu stark, um sie zu brechen.
Henning Ahrens schreibt einfach und nüchtern, passend zu dem norddeutschen Wesen seiner Figuren. Und trotzdem schafft er es, im Leser starke Bilder und Gefühle zu erzeugen. Natürlich weiß man nicht, wie viel Realität und wie viel dramaturgische Freiheit seinen Roman ausmachen, aber seine Zeilen strahlen eine schonungslose Ehrlichkeit aus, die beeindruckt.
Meinem ganz persönlichen Lesegeschmack hätte es besser gefallen, wenn Ahrens die Geschichte chronologisch erzählt und weiter ausgeholt hätte. Aber seine Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2021 freut mich, ich habe das Buch nicht nur sehr gerne gelesen, sondern auch schon weiterempfohlen. Sicher werde ich noch mehr von diesem Autor lesen und die Bilder aus „Mitgift“ lange in mir tragen.
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Gebundenes Buch
„Mitgift“ hat mich eher gelangweilt. Am Ende habe ich gewünscht, dieser Kelch wäre an mir vorbeigereicht.
Schon der Einstieg gestaltete sich schwierig: Über die ersten Seiten kam ich nicht hinaus. Diverse Sachbücher erschienen mir spannender.
Aber ich wollte …
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„Mitgift“ hat mich eher gelangweilt. Am Ende habe ich gewünscht, dieser Kelch wäre an mir vorbeigereicht.
Schon der Einstieg gestaltete sich schwierig: Über die ersten Seiten kam ich nicht hinaus. Diverse Sachbücher erschienen mir spannender.
Aber ich wollte zumindest einen Roman aus der Liste der 20 Auserwählten zum Deutschen Buchpreis lesen. Am Ende stoisch durchgehalten. Und mir gewünscht, ich hätte es sein gelassen.
Hier versammelte sich alles, ich in den belletristischen Werken nicht mag. Eine Art möchte-gern historischer Roman mit all den typischen Themen, die eher schemenhaft, wie nach einer Checkliste abgearbeitet wurden: Heirat, Kinderkriegen, Familie haben, eigene Vorstellungen hinter die Pflicht stellen etc.
Die ständigen Sprünge in der Zeit wirkten eher irritierend: mal ist man im Jahr 1962, mal im Jahr 1942, dann 1940, wieder 1962, plötzlich 1755, wieder zurück und wieder hin usw.
Dabei konnte ich mit keiner Figur durch die Geschichte gehen, zu keiner einen emotionalen Bezug aufbauen. Alle blieben auf Distanz.
Oft musste ich denken: Wieder mal zu breit erzählt. Da war doch der Sachverhalt schon in 2 Sätzen abgehandelt. Wozu denn das ganze Kapitel dahinter schalten, das diese illustriert, ohne groß etwas an Substanz hinzuzufügen?
Diese Vorgehensweise ließ an Unsicherheit eines Anfängers denken, und langweilte mich unsäglich.
Zum Schluss kristallisierte sich ein bestimmter Strang heraus. Gewisse Spannung wurde wahrnehmbar. Sie wuchs zunehmend. Und ließ mich doch zu Ende lesen. Aber am Ende musste ich zugeben: Zu deprimierend war mir das Ganze. Und der Schluss erst recht.
Klar hat man hier Abriss der geschichtlichen Ereignisse am Beispiel der Bauernfamilie in Niedersachsen geliefert bekommen. Aber sonderlich viel Neues oder unbedingt Kennenlernenwertes gab es für mich nicht.
Bestimmt kein schlechter Roman. Sprachlich sehr gut.
Ich kann hier „nur“ 3 Sterne vergeben.
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Gebundenes Buch
Henning Ahrens war mir bisher vor allen als Übersetzer begegnet.
Sein Familien- und Gesellschaftsroman zeigt das Schicksal der Bauernfamilie Leeb über einen langen Zeitraum. Startpunkt ist 1962, aber es geht streckenweise stark in die Vergangenheit. Erstaunlich, wie schnell die Zeiten in …
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Henning Ahrens war mir bisher vor allen als Übersetzer begegnet.
Sein Familien- und Gesellschaftsroman zeigt das Schicksal der Bauernfamilie Leeb über einen langen Zeitraum. Startpunkt ist 1962, aber es geht streckenweise stark in die Vergangenheit. Erstaunlich, wie schnell die Zeiten in diesen Roman wechseln. Doch so ganz erreichte mich das Buch nicht.
Erkennbar sind die Auswirkungen der Kriegszeit, speziell im Landwirtschaftsbereich. Die im Mittelpunkt stehende Figur ist ein Großbauer, der in Kriegsgefangenschaft war, danach aber seine Familie tyrannisierte.
Es gibt einige starke Bilder im Roman, aber die Handlung packte mich kaum.
Erzählerische Schwächen sind unübersehbar.
Meiner Meinung nach gab es schon eindrucksvollere Romane dieser Thematik.
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Gebundenes Buch
Klappentext:
„Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben. Seit Jahren richtet sie die Toten des Dorfes her, doch in jenem August 1962 würde sie die Tür am liebsten gleich wieder schließen. Denn vor ihr steht Wilhelm Leeb – ausgerechnet er, der Gerda vor so vielen …
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Klappentext:
„Gerda Derking kennt sich aus mit dem Sterben. Seit Jahren richtet sie die Toten des Dorfes her, doch in jenem August 1962 würde sie die Tür am liebsten gleich wieder schließen. Denn vor ihr steht Wilhelm Leeb – ausgerechnet er, der Gerda vor so vielen Jahren sitzen ließ, um sich die Tochter von Bauer Kruse mit der hohen Mitgift zu sichern. Wilhelm, der als überzeugter Nazi in den Krieg zog und erst nach Jahren der Kriegsgefangenschaft aus Polen zurückkehrte. Der gegen Frau und Kinder hart wurde, obwohl sie jahrelang geschuftet hatten, um Hof und Leben zu verteidigen. Doch nun zeichnet sich auf seinem Gesicht ein Schmerz ab, der über das Erträgliche hinausgeht. Und Gerda Derking ahnt: Dieser Tragödie sind die Leebs ohne sie nicht gewachsen. In seiner epischen Familienchronik rückt Henning Ahrens den Verwundungen des vergangenen Jahrhunderts auf den Leib und erzählt ebenso mitreißend wie empathisch vom Verhängnis einer Familie.“
Autor Henning Ahrens verarbeitet hier seine ganz persönliche Familiengeschichte. Einen chronologischen Aufbau gibt es nicht, und das ist vielleicht gar nicht mal schlecht. Die Geschichte rund um die Familie Leeb hat eine gewisse Tragik aber auch emotionale Seiten. Ahrens erzählt von Gerda, von Wilhelm, vom Krieg und natürlich von der Mitgift, so wie der Buchtitel es bereits andeutet. Wenn man sich mit solchen Geschichten beschäftigt, könnte man klar sagen: „Kennst eine, kennst alle.“. Hier ist das aber nicht ganz so pauschal zu sagen. Ahrens zeigt mit großen aber sehr ruhigen Worten und Ausdruck das Seelenleben hinter den harten Gesichtern von damals. Als Wilhelm „Witwer“ (seine Frau hat er aus seinem Herzen und aus seiner Seele ausgeschlossen) wird und ein echter Todesfall im Hause Leeb Einzug hält, muss Gerda kommen und sieht alles Leid in seinem Gesicht. Aber ist es wirklich Leid? Gerda muss über ihren Schatten springen, denn das von damals hängt hier schon noch nach. Ahrens beschreibt viele einzelne Geschichten. Man muss hier genau lesen um nichts durcheinander zu schmeißen, bekommt aber viele Puzzleteile präsentiert, die schlussendlich ein großes Ganzes ergeben. Die Beschreibungen der Land- und Bauernwelt ist Ahrens sehr geglückt. Er hat eine gewisse stoische Art und einen gewissen nüchternen Eindruck hinterlassen und genau das wirkt authentisch. Man war noch nicht Mal auf der Welt, stand schon fest, wenn es ein Junge wird, wird er den Hof übernehmen…kein leichtes Los und das schlimme, man wird noch nicht mal gefragt ob man es will…Wird es ein Mädchen, muss es sehr gut verheiratet werden inkl. Mitgift. Am besten an einen reichen Bauern, eine gute Partie…Denken Sie mal darüber nach, wie es Ihnen dabei ergehen würde!
Ach und eines noch: der Duft von einem bekannten Melissengeist wird hier einem stetig in die Nase steigen. Medizin, die har keine ist, aber manches Mal den Schmerz so betäubt, das man Menschen einfach nur vergessen möchte aus dem eigenen Leben.
Seine komplette Schreibweise passt perfekt. „Mitgift“ hat mir wahrlich gut gefallen und genau deshalb vergebe ich 5 von 5 Sterne.
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Gebundenes Buch
Nichts zu lachen
Auch der neue Roman «Mitgift» von Henning Ahrens ist wieder in der niedersächsischen Provinz angesiedelt, in Klein Ilsede nahe Peine. Anders als seine bisherigen Romane aber weist dieser keine magischen, fantastischen Elemente auf, hier wird im Gegenteil, …
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Nichts zu lachen
Auch der neue Roman «Mitgift» von Henning Ahrens ist wieder in der niedersächsischen Provinz angesiedelt, in Klein Ilsede nahe Peine. Anders als seine bisherigen Romane aber weist dieser keine magischen, fantastischen Elemente auf, hier wird im Gegenteil, für ihn untypisch, sehr realistisch erzählt. Dieses acht Generationen umfassende, autobiografisch inspirierte Familienepos, das bis ins Jahr 1775 zurückreicht und 1962 ein jähes Ende findet, stützt sich, wie der Autor im Nachwort schreibt, auf Briefe und Tagebücher des eigenen Großvaters, der Pate stand für den Protagonisten seines Buches. Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert, der bisher größte Erfolg für den Autor.
Wilhelm Leeb sen. bewirtschaftet den Bauernhof der Familie in siebter Generation, er ist ein glühender Nazi, das örtliche SA-Büro befindet sich in seinem Haus. Zum Entsetzen seiner Familie, zu der auch die beiden Großeltern-Paare gehören, meldet er sich zum Militär, obwohl er als Landwirt eigentlich unabkömmlich ist. Begeistert zieht er in den Krieg, für ihn scheinbar nur eine spektakuläre Abenteuer-Reise. Vier Jahre nach Kriegsende kehrt er dann schließlich desillusioniert aus polnischer Gefangenschaft zurück. Und vom ersten Tag an schikaniert der Despot seine Familie wie in alten Zeiten. Sein ältester Sohn Wilhelm jun., von allen nur ‹Willem› genannt, wird traditionell den Hof übernehmen müssen, obwohl er dazu so gar keine Lust verspürt. Und dass er während der Abwesenheit des Vaters, als Jüngling noch, ganz allein mit der Mutter, den Hof geführt hat, wird von dem Tyrannen nur mit maßloser Kritik bedacht, er ist mit nichts zufrieden und nörgelt nur rum. Immer mehr versinkt ‹Willem› nun in seinem Frust, er kommt gegen den Despoten einfach nicht an. Bis der dann eines Tages plötzlich vor der Tür der Nachbarin Gerda steht, seiner Jugendliebe. Er hatte sich damals, der hohen Mitgift wegen, doch lieber eine wohlhabende Bauerntochter zur Frau genommen, während Gerda unverheiratet geblieben ist. Gerade sie aber ist es, die nebenberuflich seit vielen Jahren den Dienst der «Totenfrau» versieht, die also im Dorf die Leichen zur Bestattung herrichtet. Wegen wem aus seiner Familie der Exfreund denn nun Gerda plötzlich in sein Haus bestellen muss, das erfährt der Leser erst ganz am Ende.
Die streng sachlich bleibende Erzählung klammert Emotionen fast völlig aus. Dem harten bäuerlichen Leben mit seinen starren Denkstrukturen angepasst ist auch das umfangreiche Figuren-Ensemble des Romans, das stimmig geschildert wird in seiner derben, weitgehend freudlosen Lebenswirklichkeit. Innige Liebe, aber auch Herzeleid kommen nicht vor, alles ist streng rational begründet. Ehen sind wohl kalkulierte Zweckbündnisse mit einer streng hierarchischen inneren Struktur, die ungeschriebenen Gesetzen folgt und unumstößlich scheint. Nur Willems jüngerem Bruder und auch seiner Schwester gelingt es, einer lebenslangen Fron auf dem Bauernhof zu entfliehen, er selbst zerbricht daran.
Erzählt wird fragmental, in großen Zeitsprüngen, manchmal sogar über Jahrhunderte hinweg. Durch diese in 21 Kapiteln zeitlich vor und zurück wechselnde Erzählweise bringt der Autor Spannung in die ansonsten narrativ ja weitgehend abgearbeitete Thematik. Das Geschehen einer problematischen Vater-Sohn-Beziehung bleibt in dieser Zeitreise mit elf kunstvoll angelegten, parallelen Handlungs-Strängen immer leicht nachvollziehbar. Die eher nüchterne Sprache wird auch durch eine Fülle von alltäglichen Redensarten und Gemeinplätzen geprägt, was die Geschichte sehr realistisch, fast authentisch erscheinen lässt. Auch die Dialoge in diesem Familien-Epos sind durchweg stimmig, man fühlt sich beinahe dazugehörig als Leser und ist nicht nur Zaungast. Die nüchterne Erzählweise lässt allerdings die Figuren sehr blutarm erscheinen, man erfährt, was ihnen geschieht, ohne selbst mitzufühlen, und zu lachen gibt es ja sowieso kaum mal was im freudlosen Alltag der Dörfler aus Klein Ilsede.
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„Mitgift“, so lautet der Titel des neuen Romans von Henning Ahrens. Es ist ein Gang durch die Jahrzehnte und dem Leben einer Familie, die nach „Traditionen“ lebt. Oberhaupt ist jeweils ein Wilhelm, der mit strenger Hand Frau und Kinder zur Arbeit auf dem Hof antreibt. Sowohl …
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„Mitgift“, so lautet der Titel des neuen Romans von Henning Ahrens. Es ist ein Gang durch die Jahrzehnte und dem Leben einer Familie, die nach „Traditionen“ lebt. Oberhaupt ist jeweils ein Wilhelm, der mit strenger Hand Frau und Kinder zur Arbeit auf dem Hof antreibt. Sowohl Erster als auch Zweiter Weltkrieg spielen eine Rolle. Aber auch dem 18. Jahrhundert und dem Leben damals wird ein Kapitel gewidmet. Das Heute liegt im Jahr 1962 und hier beginnt auch der Roman, der von vielen Rückblicken geprägt ist.
Die Familie Leeb wohnt in Klein Ilsede bei Peine. Es ist ein Dorf, wo jeder jeden kennt und auch geschaut wird, dass der Nachbar nichts Schlechtes über einen erzählen kann. Man trifft sich in der Dorfkneipe und hier werden Wiederaufbau und Politik Deutschlands intensiv und mit vielen Doppelkörnern unterlegt, besprochen. Selbst ernste Themen, wie etwa die Rohheit und Strenge von Vätern und Ehemännern, werden von Herrn Ahrens mit Humor erzählt. Dabei vergisst er allerdings nicht, die Gefühle der Betroffenen so klar zu beschreiben, dass mir als Leser zuweilen die Tränen in den Augen standen.
Die Sprache ist gehoben und viele Adjektive erlauben es, dass Leser sich Häuser und Orte ohne viel Phantasie vorstellen können. Ich las den Roman sehr gerne und empfehle in daher ohne Einwände. Es ist eine gute Zusammenfassung eines bäuerlichen Lebens, wie es dies heute nur noch selten gibt.
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eBook, ePUB
Der Bauernhof der Familie Leeb ist seit Generationen in Familienbesitz, doch nicht jedes Familienoberhaupt findet darin Erfüllung. Vor allen für den jüngsten Nachfahren, Wilhelm (Willem), ist er eine Last. Dennoch führt er ihn (gezwungenermassen als der "Mann im Haus") …
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Der Bauernhof der Familie Leeb ist seit Generationen in Familienbesitz, doch nicht jedes Familienoberhaupt findet darin Erfüllung. Vor allen für den jüngsten Nachfahren, Wilhelm (Willem), ist er eine Last. Dennoch führt er ihn (gezwungenermassen als der "Mann im Haus") durch die Kriegsjahre bzw. die Zeit in dem sein Vater noch in Gefangenschaft ist. Dessen Rückkehr bringt jedoch nicht die von Wilhelm gewünschte und ersehnte Anerkennung. Stattdessen sind seine Geschwister, Mutter und vor allem er Vaters Adresse für seine Wutausbrüche. Es scheint für Wilhelm nur einen Ausweg zu geben...
Ehrlich gesagt hat mich der (doch sehr weit zurückreichende) Sprung zwischen den Generationen anfänglich etwas irritiert. Aber rasch wird deutlich, das diese Schilderungen sehr wichtig sind um die Gründe (und Zwänge) für das Handeln der Leeb-Männer zu verstehen. Zu oft muss(te) der eigene Lebensplan zugunsten die Pflicht für den Hof und die Familie gebrochen werden, was zu latenter Unzufriedenheit führt die ihr Ventil sucht.
Verknüpft mit Schilderungen zum politischen wie auch alltäglichem Geschehen, zeichnet der Autor ein erschreckend authentisches Bild, was umso mehr berührt, da Aspekte aus der eigenen Familie als Inspiration dienten.
Ein lesenswertes Buch, was einen die eigenen Ansichten überdenken lässt!
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Es ist ein eindringliches Stück Familiengeschichte, das Henning Ahrens in seinem für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Roman „Mitgift“ beschreibt. Aber im Gegensatz zu den trivialen Werken dieses Genres hüllt er den Leser/die Leserin nicht in die wohlige Decke von …
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Es ist ein eindringliches Stück Familiengeschichte, das Henning Ahrens in seinem für den Deutschen Buchpreis 2021 nominierten Roman „Mitgift“ beschreibt. Aber im Gegensatz zu den trivialen Werken dieses Genres hüllt er den Leser/die Leserin nicht in die wohlige Decke von Liebe, Verständnis und Zuckerguss, sondern zeigt das bäuerliche Familienleben, reduziert und konzentriert auf ein problematisches Vater-Sohn-Verhältnis. Das ist aber längst nicht das einzige Thema, er schaut auch mit dem Brennglas in die Seelen der einzelnen Familienmitglieder, zeigt die Auswirkungen, die der Zweite Weltkrieg auf sie hatte. Hoffnungen, Wünsche und Träume, die sich nicht erfüllten. Enttäuschungen, die bis in die Gegenwart hinein wirken und Leben zerstören.
Ahrens verkneift sich jegliche Sentimentalität, beschreibt nüchtern, präzise und mit einer gehörigen Portion Distanz diese toxischen innerfamiliären Verhältnisse. In alternierenden Kapiteln zwischen den Jahren 1944 und 1962 wechselt er die Perspektiven, lässt er aber nicht nur die verschiedenen Familienmitglieder sondern auch die Totenfrau Gerda zu Wort kommen, deren Leben ebenfalls mit der Bauernfamilie verbunden ist. Einst die Jugendliebe des alten Wilhelm, von diesem aber zugunsten der Mitgift der Bauerntochter Käthe verlassen, damit Scholle zu Scholle kommt. Es ist dieser Hunger nach Land, das Versprechen der Nationalsozialisten, den Bauern neue Gebiete im Osten zur Verfügung zu stellen, die ihn in die Wehrmacht treibt und schließlich dazu führt, dass er bis 1949 in Kriegsgefangenschaft gerät. Zuhause muss die Familie, heißt im Klartext der älteste Sohn, dafür sorgen, dass der Betrieb weiterläuft. Doch von dem heimkehrenden Vater bleibt die Anerkennung aus, denn jeder hat seinen Platz in der Familie, das ist schon seit Generationen so geregelt, muss wissen, wohin er gehört, wieder zurück ins Glied rücken. Das konfliktbeladene Verhältnis zwischen dem tyrannischen Vater, der sich noch immer nicht von dem Gedankengut der Nationalsozialisten abgewandt hat, und dem Sohn, der für sich einen Ausweg aus diesem bäuerlichen Leben sucht, schaukelt sich allmählich auf, bis es schließlich zu dem finalen Ereignis kommt, das einen der beiden das Leben kostet. Lesen!
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