Sasha Filipenko
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Der ehemalige Sohn
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Eigentlich sollte der junge Franzisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die Ärzte, geben ihn auf. Nur seine Großmutter ist überzeugt, dass er eines Tages wieder die Augen öffnen wird. Und nach einem Jahrzehnt geschieht das auch. Aber Zisk erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint. Wie fühlt sich ein junger, lebenshungriger Mann in Belarus? Eine hochaktuelle Geschichte über die Sehnsucht nach Freiheit.
Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satireshow und als Fernsehmoderator. Sein Roman ¿Die Jagd¿ war ein ¿Spiegel¿-Bestseller. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fußballfan und wohnte bis 2020 in St. Petersburg. Er musste mit seiner Familie Russland verlassen und lebt in der Schweiz.
Produktdetails
- detebe
- Verlag: Diogenes
- Originaltitel: Bywschi syn
- Artikelnr. des Verlages: 562/24655
- Seitenzahl: 319
- Erscheinungstermin: 22. Februar 2023
- Deutsch
- Abmessung: 180mm x 114mm x 22mm
- Gewicht: 264g
- ISBN-13: 9783257246551
- ISBN-10: 3257246552
- Artikelnr.: 63727878
Herstellerkennzeichnung
Arvato Media GmbH
Reinhard-Mohn-Straße 100
33333 Gütersloh
vva-handelsbetreuung@vva-arvato.de
»Dicht erzählt, mit Humor und bitterem Ernst.« Cornelia Geißler / Berliner Zeitung Berliner Zeitung
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Lerke von Saalfeld liest Sasha Filipenkos Debütroman von 2014 als Kommentar zu den aktuellen Ereignissen in Belarus. Dass der Autor bei Lukaschenko-Fans in seiner Heimat als Volksfeind gilt, wundert Saalfeld nicht. Die Geschichte um einen jungen Mann, der zehn Jahre im Koma liegt und Minsk danach unverändert vorfindet, sprüht laut Rezensentin vor bissigem Humor, vermittelt aber auch die Trauer über die autokratischen Verhältnisse, so Saalfeld. Die Übertragung von Ruth Altenhofer scheint der Rezensentin überzeugend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das ganze Land im Koma
Sasha Filipenkos Allegorie "Ein ehemaliger Sohn" bietet das bitterböse Porträt seiner belarussischen Heimat.
Dieses Buch ist ein Versuch zu analysieren, warum mein Land eines Tages in einen lethargischen Schlaf sank, aus dem es scheinbar gar nicht wieder aufwachen wollte. Dieses Buch ist (zumindest hoffe ich das) eine Erklärung dafür, warum die Belarussen 2020 nicht mehr weiterschlafen wollten und aus ihrem Koma erwachten." So Sasha Filipenko im Vorwort seines nun ins Deutsche übersetzten Debütromans "Der ehemalige Sohn" - nachdem mit "Rote Kreuze" bereits ein späterer Roman des weißrussischen Autors im Diogenes-Verlag erschienen ist.
"Der ehemalige Sohn" kam in Moskau 2014 heraus und
Sasha Filipenkos Allegorie "Ein ehemaliger Sohn" bietet das bitterböse Porträt seiner belarussischen Heimat.
Dieses Buch ist ein Versuch zu analysieren, warum mein Land eines Tages in einen lethargischen Schlaf sank, aus dem es scheinbar gar nicht wieder aufwachen wollte. Dieses Buch ist (zumindest hoffe ich das) eine Erklärung dafür, warum die Belarussen 2020 nicht mehr weiterschlafen wollten und aus ihrem Koma erwachten." So Sasha Filipenko im Vorwort seines nun ins Deutsche übersetzten Debütromans "Der ehemalige Sohn" - nachdem mit "Rote Kreuze" bereits ein späterer Roman des weißrussischen Autors im Diogenes-Verlag erschienen ist.
"Der ehemalige Sohn" kam in Moskau 2014 heraus und
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liest sich wie eine vorausschauende Allegorie auf die aktuellen belarussischen Ereignisse. Der junge Franzisk, in Minsk lebend, gerät kurz vor der Jahrtausendwende während einer Panik, ausgelöst durch eine Gewitterkatastrophe, ins Gedränge, die U-Bahn-Eingänge sind verriegelt, Franzisk fällt ins Koma und wacht nach zehn Jahren wieder auf, im Jahr 2009. Er wandert durch die Stadt, und nichts hat sich verändert, als ob auch die Stadt im Koma gelegen hätte.
Filipenko beschreibt mit hinreißendem Humor, voller Witz und zugleich voller Trauer das Aufbegehren seines Volkes gegen den Diktator Lukaschenko. Franzisk bestaunt nach seiner Wiedergeburt das merkwürdige Leben seiner Landsleute: Kinder spielen "Omon", ein Fangspiel, bei dem die einen die Polizei sind, die anderen die Opposition, wobei keines der Kinder Polizist sein will. Die Erwachsenen spielen "Absurd": Man erzählt sich komische Geschichten, die so klingen, als wären sie ausgedacht, sie müssen aber wahr sein. Wem keine mehr einfällt, der scheidet aus.
Ausgeschieden wäre auch fast Franzisk; keiner glaubte daran, dass er wieder aufwachen würde, nicht seine Mutter, nicht sein Stiefvater, der Chefarzt, nicht die Schwestern und Freunde. Nur seine Großmutter hielt unerschrocken an dem Glauben fest, ihr Enkel werde zurückkommen. Täglich besuchte sie ihn im Krankenhaus, während seine Mutter ihn längst aufgegeben und ignoriert hatte. Die Babuschka stattete sein Zimmer mit Erinnerungsfotos und Postkarten aus, machte mit ihm virtuelle Spaziergänge, las ihm aus der Tageszeitung vor, als ob er wach im Bett gelegen hätte. Sie scherzte mit ihm und versuchte, ihn aufzuheitern, aber Franzisk reagierte nicht. Die Großmutter bestellte sogar eine Prostituierte, die sich alle Mühe ihrer erotischen Verführungskunst gab, vergeblich.
Es kamen auch die deutschen Gasteltern angereist, die Franzisk nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl jährlich in den Ferien bei sich aufgenommen hatten. Sie wollten den Jungen mit nach Deutschland nehmen, aber die Großmutter kämpfte um ihren Liebling, nur in seiner Heimat konnte und sollte er aufwachen. Die große Tragik: Einen Tag nachdem die Großmutter gestorben ist, kehrt Franzisk ins Leben zurück. Hinterlassen hat sie ihrem Enkel einen langen Brief, aus dem er erfährt, was alles in der Zwischenzeit seiner "Abwesenheit" passiert ist.
Franzisk ist nun wieder unter Menschen, aber nur sein alter Freund Stassik nimmt sich seiner an, erklärt ihm die Stadt und das Verhalten der fremd gewordenen Menschen. Auch Stassik kommt nicht mehr zurecht, er nimmt sich das Leben. Emotionalen Zuspruch findet Franzisk danach nur bei den Massenprotesten, mit denen gegen die Willkür und den Wahlbetrug von Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen im Dezember 2010 angegangen wurde: "Wenn ich sehe, wie die Seifenblase platzt, wie die Kulissen fallen, dann bin ich schon zufrieden. Ich will einfach sehen, dass außer mir auch andere Leute hinausgehen, die genauso nicht an diese Farce glauben, und spüren, dass ich nicht die einzige Geisel in diesem Narrenhaus bin."
Der sieben Jahre alte Roman liest sich wie ein melancholischer Kommentar zu den heutigen Ereignissen in Belarus. Filipenko erzählt, sein Roman könne in seiner Heimat nur unter dem Ladentisch verkauft werden, aber was ihn vor allem freue, sei, dass in den Gefängniszellen, wo Zehntausende von Oppositionellen gefoltert und verhört würden, sein Roman von Zelle zu Zelle gehe. Filipenkos Held hält es im Land nicht aus. Seiner Großmutter gesteht er an deren Grab, dass er das Land verlassen werde: "Ich habe alles lange abgewogen, Ba, das ist keine unreflektierte Entscheidung, ich habe lange darüber nachgedacht. Also ich habe beschlossen auszuwandern. Ich kann so einfach nicht mehr. Es scheint, von uns gibt es doch nicht so viele. Ich bin erschöpft, ich mag nicht mehr. Ein Koma reicht mir."
Der Autor, 1984 in Minsk geboren und aufgewachsen, lebt inzwischen mit seiner Familie in St. Petersburg. Zurzeit hat er ein halbjähriges Stipendium, noch bis zum Juli in der Schweiz, im Waadtland (F.A.Z. vom 27. Februar). Ob er zurückgehen wird, scheint ungewiss, in Belarus und Russland gilt er inzwischen als Volksfeind. Dennoch will Filipenko kein politisches Asyl beantragen, er fühlt sich eher wie ein international aktiver Fußballspieler, der mal hier, mal dort spielt. Er ist ein europäischer Autor, der sich gut vorstellen kann, auch in Graz oder Berlin leben zu können. Sein kleiner Held Franzisk verlässt das Land und geht zu den deutschen Gasteltern: "Ich habe nicht das Gefühl, dass irgendjemand mich hier braucht. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich jemanden brauche. Ich bin überall nur der Ehemalige. Ehemaliger Nachbar, ehemaliger Bekannter, ehemaliger Sohn ..."
Die aufwühlenden Ereignisse in Belarus lassen den Autor heute anders denken und fühlen. Wenn ein Journalist ihn als "Oppositionellen" anspricht, weist er dies brüsk zurück und betont: "Wir sind die Mehrheit." Dieser Mehrheit hat die österreichische Übersetzerin Ruth Altenhofer eine überzeugende und lebendige Stimme verliehen. Filipenko, der durch seine offenen Briefe mit erreicht hat, dass die diesjährige Eishockeyweltmeisterschaft nicht im von Lukaschenko regierten Minsk stattfindet, sondern nach Riga verlegt wurde, gibt sich kämpferisch: "Ins Koma werden wir nicht zurückkehren. Ich bin sicher, dass wir gewinnen werden."
LERKE VON SAALFELD
Sasha Filipenko: "Der ehemalige Sohn". Roman.
Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer. Diogenes Verlag, Zürich 2021. 320 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Filipenko beschreibt mit hinreißendem Humor, voller Witz und zugleich voller Trauer das Aufbegehren seines Volkes gegen den Diktator Lukaschenko. Franzisk bestaunt nach seiner Wiedergeburt das merkwürdige Leben seiner Landsleute: Kinder spielen "Omon", ein Fangspiel, bei dem die einen die Polizei sind, die anderen die Opposition, wobei keines der Kinder Polizist sein will. Die Erwachsenen spielen "Absurd": Man erzählt sich komische Geschichten, die so klingen, als wären sie ausgedacht, sie müssen aber wahr sein. Wem keine mehr einfällt, der scheidet aus.
Ausgeschieden wäre auch fast Franzisk; keiner glaubte daran, dass er wieder aufwachen würde, nicht seine Mutter, nicht sein Stiefvater, der Chefarzt, nicht die Schwestern und Freunde. Nur seine Großmutter hielt unerschrocken an dem Glauben fest, ihr Enkel werde zurückkommen. Täglich besuchte sie ihn im Krankenhaus, während seine Mutter ihn längst aufgegeben und ignoriert hatte. Die Babuschka stattete sein Zimmer mit Erinnerungsfotos und Postkarten aus, machte mit ihm virtuelle Spaziergänge, las ihm aus der Tageszeitung vor, als ob er wach im Bett gelegen hätte. Sie scherzte mit ihm und versuchte, ihn aufzuheitern, aber Franzisk reagierte nicht. Die Großmutter bestellte sogar eine Prostituierte, die sich alle Mühe ihrer erotischen Verführungskunst gab, vergeblich.
Es kamen auch die deutschen Gasteltern angereist, die Franzisk nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl jährlich in den Ferien bei sich aufgenommen hatten. Sie wollten den Jungen mit nach Deutschland nehmen, aber die Großmutter kämpfte um ihren Liebling, nur in seiner Heimat konnte und sollte er aufwachen. Die große Tragik: Einen Tag nachdem die Großmutter gestorben ist, kehrt Franzisk ins Leben zurück. Hinterlassen hat sie ihrem Enkel einen langen Brief, aus dem er erfährt, was alles in der Zwischenzeit seiner "Abwesenheit" passiert ist.
Franzisk ist nun wieder unter Menschen, aber nur sein alter Freund Stassik nimmt sich seiner an, erklärt ihm die Stadt und das Verhalten der fremd gewordenen Menschen. Auch Stassik kommt nicht mehr zurecht, er nimmt sich das Leben. Emotionalen Zuspruch findet Franzisk danach nur bei den Massenprotesten, mit denen gegen die Willkür und den Wahlbetrug von Lukaschenko bei den Präsidentenwahlen im Dezember 2010 angegangen wurde: "Wenn ich sehe, wie die Seifenblase platzt, wie die Kulissen fallen, dann bin ich schon zufrieden. Ich will einfach sehen, dass außer mir auch andere Leute hinausgehen, die genauso nicht an diese Farce glauben, und spüren, dass ich nicht die einzige Geisel in diesem Narrenhaus bin."
Der sieben Jahre alte Roman liest sich wie ein melancholischer Kommentar zu den heutigen Ereignissen in Belarus. Filipenko erzählt, sein Roman könne in seiner Heimat nur unter dem Ladentisch verkauft werden, aber was ihn vor allem freue, sei, dass in den Gefängniszellen, wo Zehntausende von Oppositionellen gefoltert und verhört würden, sein Roman von Zelle zu Zelle gehe. Filipenkos Held hält es im Land nicht aus. Seiner Großmutter gesteht er an deren Grab, dass er das Land verlassen werde: "Ich habe alles lange abgewogen, Ba, das ist keine unreflektierte Entscheidung, ich habe lange darüber nachgedacht. Also ich habe beschlossen auszuwandern. Ich kann so einfach nicht mehr. Es scheint, von uns gibt es doch nicht so viele. Ich bin erschöpft, ich mag nicht mehr. Ein Koma reicht mir."
Der Autor, 1984 in Minsk geboren und aufgewachsen, lebt inzwischen mit seiner Familie in St. Petersburg. Zurzeit hat er ein halbjähriges Stipendium, noch bis zum Juli in der Schweiz, im Waadtland (F.A.Z. vom 27. Februar). Ob er zurückgehen wird, scheint ungewiss, in Belarus und Russland gilt er inzwischen als Volksfeind. Dennoch will Filipenko kein politisches Asyl beantragen, er fühlt sich eher wie ein international aktiver Fußballspieler, der mal hier, mal dort spielt. Er ist ein europäischer Autor, der sich gut vorstellen kann, auch in Graz oder Berlin leben zu können. Sein kleiner Held Franzisk verlässt das Land und geht zu den deutschen Gasteltern: "Ich habe nicht das Gefühl, dass irgendjemand mich hier braucht. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich jemanden brauche. Ich bin überall nur der Ehemalige. Ehemaliger Nachbar, ehemaliger Bekannter, ehemaliger Sohn ..."
Die aufwühlenden Ereignisse in Belarus lassen den Autor heute anders denken und fühlen. Wenn ein Journalist ihn als "Oppositionellen" anspricht, weist er dies brüsk zurück und betont: "Wir sind die Mehrheit." Dieser Mehrheit hat die österreichische Übersetzerin Ruth Altenhofer eine überzeugende und lebendige Stimme verliehen. Filipenko, der durch seine offenen Briefe mit erreicht hat, dass die diesjährige Eishockeyweltmeisterschaft nicht im von Lukaschenko regierten Minsk stattfindet, sondern nach Riga verlegt wurde, gibt sich kämpferisch: "Ins Koma werden wir nicht zurückkehren. Ich bin sicher, dass wir gewinnen werden."
LERKE VON SAALFELD
Sasha Filipenko: "Der ehemalige Sohn". Roman.
Aus dem Russischen von Ruth Altenhofer. Diogenes Verlag, Zürich 2021. 320 S., geb., 23,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Gebundenes Buch
"Du weißt ja, in welchem Land du lebst. Hier sind schon die nichts wert, die gesund sind und am Leben sind, von Menschen im Koma ganz zu schweigen." (Buchauszug)
Franzisk (Zisk) steht kurz vor dem Ende seines Studiums. Er liebt das Leben übt jedoch gerne auch Kritik an der …
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"Du weißt ja, in welchem Land du lebst. Hier sind schon die nichts wert, die gesund sind und am Leben sind, von Menschen im Koma ganz zu schweigen." (Buchauszug)
Franzisk (Zisk) steht kurz vor dem Ende seines Studiums. Er liebt das Leben übt jedoch gerne auch Kritik an der Politik seiner Heimat. Doch eigentlich sollte er eher Cello üben, um nachher eine gute Anstellung zu bekommen. Eines Abends wartet er bei der U-Bahn auf Freundin Nastja mit der er zu einem Rockkonzert möchte. Doch an diesem Abend geschieht das Unglück, bei dem Zisk schwer verletzt und ins Koma fällt. Jedoch, selbst wenn ihn die Ärzte, Mutter, Freunde und Nastja aufgeben, seine Großmutter ist sich sicher, das Zisk wieder aufwachen wird. Allerdings werden zehn lange Jahre ins Land ziehen, ehe er wieder seine Augen öffnet. Bis zu dieser Zeit versucht seine Großmutter alles Menschenmögliche für ihn. Dass sich in der Zeit allerdings vieles in Minsk verändert hat, merkt er erst später. Zisk muss nun seinen Platz in der Gesellschaft neu wiederfinden.
Meine Meinung:
Sasha Filipenko zeigt in seinem zweiten Roman anhand des Schicksals von Franzisk das Leben und die politische Lage in Weißrussland (Belarus) auf. Viele Jahre lang wurde dieses Land von der Sowjetunion beherrscht, um danach erneut in einer Diktatur zu enden. Der Autor beschreibt es sogar so: "Sein Heimatland hat viele Jahre in einem lethargischen Schlaf gesteckt, ehe es 2020 endlich aufgewacht ist." Dabei hat ihnen nicht nur die diktatorische russische Politik im Laufe dieser Zeit geschadet, sondern ebenso die der nachfolgende Weißrusslands. Ihre Diktatur ändert sich nämlich 1991 nicht mit der Selbstständigkeit. Gerade diese Politik wird hier in dem Buch recht deutlich aufgezeigt und das allen Kritikern zum Trotz. Dass die alte Diktatur Lukaschenko mit der jetzigen Generation nicht mehr zurechtkommt, kann ich gut verstehen. Das jedoch viele Seiten seines Buchs, das er 2014 geschrieben hat, später Wirklichkeit werden, damit hatte selbst Filipenko nicht gerechnet. Der tragische Unfall bzw. die Massenpanik in der U-Bahnstation, bei der Franzisk im Koma landet, gab es wirklich. 1999 kam es nämlich nachdem Ende eines Rockkonzerts in Minsk wirklich zu einer Massenpanik. Insgesamt wurden dabei 54 Menschen getötet, darunter vor allem viele junge Frauen unter 17 Jahren. Filipenko nimmt selbst hier kein Blatt vor den Mund. Er schildert dieses Ereignis wirklich so dramatisch und realistisch, sodass ich dachte, ich bin mittendrin in dem Geschehen. Und er klagt sogar die Verantwortlichen an. Was die politische Lage Weißrusslands anbelangt, war ich teils etwas überfordert, da ich zu wenig über dieses Land wusste. Doch dank dieses Buchs verstehe ich nun deutlich mehr über die Zusammenhänge und die Diktatur Weißrusslands. Mir scheint, dass sich in diesem Land auch nach der Selbstständigkeit politisch nicht viel geändert hat. Zisk spürt wie die Frustration und Resignation in seinem Land zugenommen haben. 2020 kommt es dann jedoch zu Protesten und Streiks, bei denen es zu über 6700 Verhaftungen gab und die ebenfalls hier sehr detailliert beschrieben werden. Weißrussland gilt weiterhin nach Russland als das Land, in dem man die sowjetische Vergangenheit am deutlichsten spürt. Das Filipenko mit seinem Buch bei einigen aneckt, kann ich gut nachvollziehen. Nachdem ich es jetzt gelesen habe, begreife ich, warum er die Zustände Belarus sich hier von der Seele schreiben wollte. Sprachlich jedoch hat mich nicht alles überzeugt. Gar nicht zugesagt haben mir die harten, teils ordinären Aussprüche und die lieblose Mutter, die von ihrem Sohn gar nichts wissen wollte. Unrealistisch empfand ich, dass die Ärzte einen selbstständig atmenden Patienten am liebsten aufgegeben hätten. Wäre da nicht eine so tolle Großmutter gewesen, die täglich für ihren Enkel kämpft, hätte Zisk das nicht überlebt. Fragwürdig finde ich außerdem, das Zisk nach seinem Erwachen aus dem Koma innerhalb 6 Monaten alles wieder erlernt hat. Deshalb gebe ich diese
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Gebundenes Buch
!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Eigentlich sollte der junge Franzisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die …
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!ein Lesehighlight 2021!
Klappentext:
„Eigentlich sollte der junge Franzisk Cello üben fürs Konservatorium, doch lieber genießt er das Leben in Minsk. Auf dem Weg zu einem Rockkonzert verunfallt er schwer und fällt ins Koma. Alle, seine Eltern, seine Freundin, die Ärzte, geben ihn auf. Nur seine Großmutter ist überzeugt, dass er eines Tages wieder die Augen öffnen wird. Und nach einem Jahrzehnt geschieht das auch. Aber Zisk erwacht in einem Land, das in der Zeit eingefroren scheint.“
Autor Sasha Filipenko hat mich bereits mit „Rote Kreuze“ komplett verzaubert, aber dieser Roman hier übertrifft nochmal alles. Die Geschichte um seinen Protagonisten Franzsik, genannt Zisk, lässt einen völlig fallen und abtauchen, was aber eben nur durch den extrem ausdrucksstarken und wortgewaltigen Schreib- und Sprachstil Filipenkos geschuldet bzw. möglich ist. Zisk‘ Unfall war nicht nur tragisch, es war einfach heftig und sinnlos, wie das umknicken bei Laufen oder dem Regenschirm der bei Regen kaputt geht...und dann das Koma. Man leidet mit als Leser, aber eben nicht wie man es bei einem normalen Belletristik-Roman macht, sondern eben auf einem höheren Level. Allein die Melodie der Wörter die Filipenko verwendet, machen da so viel aus. Und dann endlich der Punkt des Aufwachens, des Lebens....und doch steht die Zeit still....Filipenko gibt hier so viele Assoziationen vor, die nach dem beenden des Buches ganz stark nachhallen. Die aktuelle politische Lage, die Lage der Menschen in Minsk...alles scheint ein politischer Spiegel zu sein, der aber eben beschlagen ist, droht blind zu werden, aber man erkennt noch genau was Filipenko uns sagen will und eines ist dabei ganz klar: er nimmt kein Blatt vor den Mund was seine politische Einstellung betrifft. Wollen wir hoffen, dass das Recht auf Meinungsfreiheit diesen wunderbaren Autor niemals Mundtot macht, denn der Literaturwelt würde etwas ganz großes dadurch fehlen!
Dieses Buch ist, mal wieder, ein Meisterwerk aus Filipenkos Feder - 5 von 5 Sterne!
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Gebundenes Buch
Eines dieser Unglücke, von denen sich jeder später fragt, wie sie geschehen konnte. Wegen eines Unwetters strömen Menschenmassen in die U-Bahn, die dem Ansturm nicht gewachsen ist, Panik und Enge führen zu unzähligen Opfern. Unter ihnen auch der Schüler des …
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Eines dieser Unglücke, von denen sich jeder später fragt, wie sie geschehen konnte. Wegen eines Unwetters strömen Menschenmassen in die U-Bahn, die dem Ansturm nicht gewachsen ist, Panik und Enge führen zu unzähligen Opfern. Unter ihnen auch der Schüler des Konservatoriums Franzisk, der zwar überlebt, aber in ein Koma fällt. Nach Wochen des Bangens verlieren nach und nach alle die Hoffnung, außer seiner Babuschka, die weiterhin täglich an seinem Bett sitzt und ihm davon erzählt, was sich außerhalb der Krankenhausmauern zuträgt. Das Wunder, an das keiner mehr glauben mag, ereignet sich nach zehn langen Jahren doch noch: Franzisk erwacht und sieht eine Welt, die einerseits genauso ist wie ein Jahrzehnt zuvor und doch ganz anders.
Sasha Filipenko ist eine der jungen Stimmen aus Belarus, die über die Landesgrenzen hinaus gehört werden und einen Blick hinter die Fassade des Regimes erlauben. „Der ehemalige Sohn“ ist sein erster Roman, der in seiner Heimat auch mit renommierten Preisen ausgezeichnet wurde, auf Deutsch ist im vergangenen Jahr bereits „Rote Kreuze“ erschienen. Als Journalist macht er Missstände öffentlich und engagiert sich für die Protestbewegung, dieses politische Engagement spielt auch in seinem Debütroman eine entscheidende Rolle.
Der erste Teil des Romans lässt den Leser in die gesellschaftlichen Strukturen des recht abgeschotteten Landes am östlichen Rand Europas blicken. Auf den Staat hofft niemand, die Familie und Beziehungen sind es, die darüber bestimmen, welche Chancen und Möglichkeiten man hat. Die öffentliche Hand ist von Korruption unterwandert und ein falsches Wort kann zu drakonischen Strafen führen, was im kollektiven Rückzug ins Private resultiert. Während Franzisk im Koma liegt, sorgt dich die Großmutter aufopfernd um ihn und lässt nichts unversucht, während seine Mutter mit dem Arzt anbändelt, um sich selbst ein besseres Leben zu ermöglichen.
„Ich will einfach sehen, dass außer mir auch andere Leute hinausgehen, die genauso nicht an diese Farce glauben, und spüren, dass ich nicht die einzige Geisel in diesem Narrenhaus bin.“
Franzisks Welt ist eingefroren im Jahr 1999, dies erlaubt ihm den Blick eines Fremden, als er seine Heimat 2009 neu kennenlernt. Trotz formeller Unabhängigkeit hängt das Land noch immer am Tropf des großen Bruders, der über ausreichend Druckmittel verfügt, Belarus gefügig zu machen. Der vorgeblich demokratisch gewählte Präsident ist ein Autokrat wie er im Buche steht und der keine Scheu zeigt, gegen sein Volk alle verfügbare Gewalt anzuwenden, um dieses in Schach zu halten. Die staatliche Propaganda glaubt schon lange niemand mehr und wer kann, der flieht ins Ausland. Der Protagonist muss sich schon fragen, weshalb er in dieses Leben zurückgekehrt ist.
Auch in diesem Roman gelingt Filipenko das Private mit dem Politischen zu verbinden und über die Erzählung hinaus nachzuwirken. Die Musik spielt ebenfalls wieder eine wichtige Rolle und dient letztlich als Flucht vor einer kaum ertragbaren Realität. Nicht ganz so ausdrucksstark wie sein späterer Roman „Rote Kreuze“ lässt aber auch dieser schon erkennen, dass man es mit einem beachtenswerten Autor zu tun hat, der unbedingt gehört werden sollte, da er Literatur nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch als Sprachrohr nutzt und damit auch an seine Leser eine Aufforderung über den Genuss der Geschichte hinaus sendet.
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Gebundenes Buch
Ein märchenhaft langer Schlaf
fast wie bei Dornröschen, wird dem Musikschüler Franzisk, genannt Zisk zuteil. Allerdings liegt er nach einem dramatischen Unfall im Koma und niemand außer seiner Großmutter kümmert sich um ihn. Im Gegenteil: diese muss ordentlich …
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Ein märchenhaft langer Schlaf
fast wie bei Dornröschen, wird dem Musikschüler Franzisk, genannt Zisk zuteil. Allerdings liegt er nach einem dramatischen Unfall im Koma und niemand außer seiner Großmutter kümmert sich um ihn. Im Gegenteil: diese muss ordentlich aufpassen, dass man ihn nicht für Organentnahmen missbraucht oder ihn gar einfach abmurkst, weil mit dem ja eh nichts mehr los ist.
Pustekuchen! Zisk wacht nach rund zehn Jahren auf und findet sich in einer anderen Welt wieder. Zumindest, was sein privates Umfeld angeht: seine Mutter hat inzwischen den Oberarzt der Klinik geheiratet und hat einen neuen Sohn. Zisk wird zum ehemaligen Sohn degradiert und muss sehen, wo er bleibt.
Sonst hat sich nicht viel geändert in Belarus. Es gibt immer noch nicht viel Hoffnung auf ein normales Leben.
Auch wenn Autor Sascha Filipenko einiges im Unklaren lässt - so fällt bspw. der Name Lukaschenko kein einziges Mal - weiß man als Leser genau, was er meint. Auch wenn durchgehend Ironie im Spiel ist: Die ganze Geschichte ist eher zum Weinen als zum Lachen. Nach diesem beeindruckenden Roman, der zwar stellenweise Längen aufweist, mich als Leserin dennoch bis ins Mark getroffen hat, wünscht man sich, dass Zisk die Möglichkeit erhält, seinen Weg zu gehen. Wie und wo auch immer.
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Gebundenes Buch
Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld haben ihn längst aufgegeben. Doch schließlich geschieht das Wunder …
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Der ehemalige Sohn – Sasha Filipenko
Franzisk verunglückt beim Besuch eines Rockkonzerts in Minsk schwer und fällt ins Koma. Die Aussichten, wieder aufzuwachen sind schlecht, beinahe alle in seinem Umfeld haben ihn längst aufgegeben. Doch schließlich geschieht das Wunder – Franzisk erwacht 2009, nach zehn Jahren im Koma. Er erholt sich schnell und vollständig, ein weiteres Wunder. Dennoch ist er fassungslos. Dieses Minsk, in dem er sich nun zurechtfinden soll, hat sich zur letzten Diktatur Europas entwickelt. Machthaber Lukaschenko regiert mit eiserner Hand, das Land liegt am Boden.
Sasha Filipenko wurde in Minsk geboren, lebt heute allerdings in St. Petersburg. Er prangert ganz offen die Missstände in Weißrussland an. Auch wenn er Lukaschenko nie beim Namen nennt, ist sofort klar, wen er meint. Etliche historische Begebenheiten hat er in diesem Roman verarbeitet. Damit hat er es geschafft, mich zur weiteren Recherche anzuregen. Es war mir nicht bewusst, wie lange Lukaschenko tatsächlich sein Volk bereits systematisch unterdrückt, wie aussichtslos sämtliche Versuche der Opposition ihn abzulösen, sind. Auch die Tatsache, dass es bereits 2010 Proteste und Demonstrationen gab, die brutal niedergeschlagen wurden, war mir nicht bekannt.
Franzisk wird schwer verletzt in ein weißrussisches Klinikum eingeliefert. Erst ist unklar, ob er überleben wird, schließlich liegt er im Koma. Sämtliche Ärzte geben ihm keinerlei Chance wieder aufzuwachen. Dass er dies nach langen zehn Jahren tut und dann noch ohne bleibende Schäden ist eigentlich unmöglich. Tatsächlich war das ein Punkt, den ich kritisch sehe und der dem Roman unter anderem einen Stern meiner Bewertung gekostet hat. Aber gut. Im Prinzip ist in all der langen Zeit nur eine Person ständig an Franzisks Seite. Und zwar seine Großmutter. Diese zieht ganz und gar zu ihm ins Krankenzimmer, kümmert sich um alles, ist die gute Seele. Eine sehr resolute Frau, die all die negativen Prognosen einfach nicht akzeptieren kann und will.
Sobald Franzisk ins Leben zurückgekehrt ist, erhält der Autor die einmalige Chance, die Missstände eines Regimes von Grund auf zu erklären. Franzisk ist schließlich weitgehend ahnungslos und muss sich in der neuen Wirklichkeit erst zurechtfinden. Er fühlt sich wie „eine Geisel in diesem Irrenhaus.“
Grundsätzlich mochte ich Filipenkos Schreibstil sehr gerne und ich bewundere seinen Mut, über all diese Dinge zu schreiben. Er hat eine sehr direkte, unverblümte Erzählstimme, die gut zum jugendlichen Protagonisten passt. Es gab viele Stellen, die mich sehr berühren konnten. Ab und an fand ich allerdings die Entwicklungen etwas unglaubwürdig. Das Problem hatte ich ganz ähnlich übrigens bereits bei „Rote Kreuze“. Hier kam ich etwas besser damit zurecht, ich fand hier auch die Handlung nicht ganz so hoffnungslos.
Auf jeden Fall ein sehr beeindruckendes Buch, das mich stellenweise sehr berührt hat und mich zur Recherche über die Geschichte Weißrusslands angeregt hat. Gerade dieser starke Bezug zu realen Ereignissen und die Tatsache, dass ebendieser autoritäre Machthaber nach wie vor Angst und Schrecken verbreitet, haben mich sehr erschreckt und fasziniert. Von daher, ein Roman, der dem Leser ein Stück Zeitgeschichte näherbringt.
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Gebundenes Buch
Zum Inhalt
Mit Franzisk Cello hat der Autor einen Protagonisten geschaffen, der einem lange nicht mehr aus dem Kopf geht. Als Junge lebt er überwiegend bei seiner heißgeliebten Babuschka. Sie erzieht ihn mit strenger, aber liebevoller Hand. Er möchte mit seinen Freunden das …
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Zum Inhalt
Mit Franzisk Cello hat der Autor einen Protagonisten geschaffen, der einem lange nicht mehr aus dem Kopf geht. Als Junge lebt er überwiegend bei seiner heißgeliebten Babuschka. Sie erzieht ihn mit strenger, aber liebevoller Hand. Er möchte mit seinen Freunden das Leben genießen. Babuschka will dass er ein guter Cellist wird. Üben fürs Konservatorium behagt Zisk jedoch gar nicht.
Fußballspielen im Hof hat noch keinen zum Straßenmusikanten gemacht! Aber von der Musik den Verstand verloren haben schon viele. (Zisk auf Seite 18)
Als er mit seiner Freundin Nastja auf ein Rockkonzert gehen möchte, setzt auf einmal starker Hagelregen ein. Wie sehr viele andere Menschen sucht er Schutz in einem U-Bahnschacht. Dort bricht Chaos aus. Es herrscht starkes Gedränge. Viele Menschen werden schwer verletzt. Einige sterben. Zisk wird schwer verletzt und fällt ins Koma. Die Ärzte geben ihm von Anfang an keine Chance. Nur seine Babuschka glaubt daran, dass er wieder aus dem Koma erwacht. Nistet sich bei ihm im Krankenzimmer ein. Liest ihm vor. Erzählt ihm was ringsherum passiert. Und das 10 Jahre lang. Als Leser*in ist man gespannt, wie Zisk nach 10 Jahren Koma in Minsk zurecht kommen wird. Ob sich überhaupt in Belarus was verändert hat.
Meine Meinung
Mit aller Deutlichkeit weist Sasha Filipenko auf die politische Situation in Belarus hin. Es handelt sich hier um eine größtenteils wahre Geschichte. Die fiktiven Elemente sind gut in das Geschehen eingefügt. Ich war besonders davon entsetzt, wie herzlos Ziks Mutter mit ihrem Sohn umgegangen ist. Während Babuschka ihrem Enkelsohn ein besseres selbstbestimmte Leben ermöglichen möchte, passt sich seine Mutter der Diktatur in Belarus an. Gründet eine neue Familie und empfindet ihren aus dem Koma erwachten Sohn als lästig. Ich habe mich gefragt, ob sich der Titel "Der ehemalige Sohn" auf das Verhalten der Mutter bezieht.
Mir ist die politische Situation in Belarus vor diesem Buch nicht geläufig gewesen. Ich dachte beim Lesen oftmals an die ehemalige DDR! Konnte viele Parallelen entdecken. Nicht jeder fügt sich diesem totalitärem Staat. Menschen sterben, ohne dass man Genaueres erfährt wieso und warum. Attentate finden kurze Erwähnung, sind jedoch gleich wieder vergessen. Welche Musik und Nachrichten aus Radio und Fernsehen kommen, bestimmt überwiegend der Staat.
Das Setting spiegelt die kalte und nüchterne Atmosphäre von Minsk wider. Zu den Protagonisten habe ich keine Bindung aufgebaut. Die Geschichte von Zisk mutet nüchtern an. Auch die Nebencharaktere gleichen irgendwie den sterilen Marmorböden des Flughafens. Ich denke, das ist vom Autor gewollt. So konnte ich mir gut vorstellen, wie frostig stellenweise das Leben in Belarus ist. Babuschka sticht mit ihrer Entschlossenheit aus der Masse heraus. Ihr Kampf um ihren Enkel ließ mir das Herz übergehen. Ich habe mich gefragt, ob ich 10 Jahre lang so aufopfernd wäre. Die liebe Babuschka scheut keine noch so skurrilen Aktionen, um ihren Enkel aus dem Koma zu holen. Sie hat mir mehrmals ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Das deutsche Ehepaar Jürgen und Claudia besucht Zisk im Krankenhaus und zeigt sehr viel Mitgefühl. Zisk war vor seinem Koma mehrmals bei dem netten Ehepaar zu Besuch. Das Paar spürt sehr deutlich, dass in Minsk die Zeit still steht. Sie fühlen sich dort wie in einer Zeitreise.
Fazit
In einem Staat, in dem selbst gesunde Menschen nicht viel wert sind, kämpft eine Großmutter um ihren Enkel, der von 1999-2009 im Koma liegt. Der Autor bringt uns die politische Situation in Belarus nahe. Besonders interessant sind die Anmerkungen im Anhang. Es ist sehr von Vorteil, wenn man sie als erstes liest. Der Schreibstil ist flüssig und nüchtern. Er spiegelt die kalte Atmosphäre in Belarus wider. Belarus scheint immer noch nicht unabhängig von Russland zu sein. Auch wenn man der Welt ein anderes Bild vermitteln möchte.
Danke Sasha Filipenko . Dieses Buch sollte jeder gelesen haben.
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eBook, ePUB
Zum Inhalt:
Statt fleißig Cello zu üben, genießt Franzisk lieber das Leben. Auf dem Weg zu einem Konzert wird er bei einem Unfall schwer verletzt und fällt ins Koma. Keiner glaubt daran, dass er je wieder gesund werden wird. Weder Eltern, Freundin oder Ärzte, nur seine …
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Zum Inhalt:
Statt fleißig Cello zu üben, genießt Franzisk lieber das Leben. Auf dem Weg zu einem Konzert wird er bei einem Unfall schwer verletzt und fällt ins Koma. Keiner glaubt daran, dass er je wieder gesund werden wird. Weder Eltern, Freundin oder Ärzte, nur seine Oma ist sicher, dass er wieder aufwacht. Nach 10 Jahren und nur einen Tag nach dem Tod der Großmutter passiert es wirklich. Doch die Welt ist eine andere, wie wird er damit klar kommen?
Meine Meinung:
Was für ein unglaubliches Buch. Dieser Autor schafft es wieder einmal ein sehr besonderes Buch zu schreiben. Mir hat die Geschichte richtig gut gefallen. Die Großmutter, die hartnäckig daran fest hält, dass der Enkel wieder aufwacht. Der Enkel, der aufwacht und eine völlig veränderte Welt vorfindet und erst mal klar kommen muss. Fast nebenher legt der Autor den Finger in die ein oder andere Wunde und auch ohne konkrete Nennung, ahnt man worauf er abzielt. Der Schreibstil ist sehr gut. Ganz klare Leseempfehlung. Fazit:
Einfach toll
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Gebundenes Buch
Ein wichtiges Buch, das mich nicht immer erreichen konnte
Franzisk, kurz Zisk genannt, wächst in Belarus auf. Als Teenager hat er einen schweren Unfall und liegt für fast 10 Jahre im Koma. Während dieser Zeit kümmert seine Großmutter liebevoll um ihn und versucht alles, …
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Ein wichtiges Buch, das mich nicht immer erreichen konnte
Franzisk, kurz Zisk genannt, wächst in Belarus auf. Als Teenager hat er einen schweren Unfall und liegt für fast 10 Jahre im Koma. Während dieser Zeit kümmert seine Großmutter liebevoll um ihn und versucht alles, um ihn aus dem Koma zu erwecken. Als er schließlich aufwacht, hat sich sein privates Umfeld natürlich gewandelt, doch im Land gibt es kaum Änderungen…
Sasha Filipenko lässt uns an einer Geschichte, die in seiner Heimat spielt, teilhaben. Zu dieser grauen, tristen und gefühlskalten Welt habe ich beim Lesen leider kaum Zugang gefunden. Ich kam mir vor, als ob ich das Geschehen durch eine Plexiglasscheibe beobachte. Zu sehr unterscheidet sich diese Welt von meiner Wirklichkeit.
Die Figuren, wie z.B. die Ärzte, sind in ihrer schonungslosen Offenheit sehr grausam. Ich merkte, wie ich vor Empörung und Entsetzen beim Lesen nach Luft geschnappt habe, weil ich gerne eingeschritten wäre. Vielen Figuren fehlte es an Mitgefühl und Sensibilität. Vielmehr waren sie abgestumpft und stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht.
Das Unglück, welches dazu führt, dass die Hauptfigur Franzisk, kurz Zisk, ins Koma fällt, hat der Autor sehr eindrücklich geschildert. Sowohl die Grausamkeit des Geschehens, aber auch die Dynamik und Arglosigkeit der Menge, werden sehr plastisch geschildert. Eine tolle Szene!
Sehr eindrucksvoll führt uns der Autor die politischen Verhältnisse des Landes vor Augen. Dazu bedient er sich häufig der Ironie oder wird sarkastisch. Doch zum Teil lässt er uns auch schonungslos an der Machtausübung des Diktators teilhaben. Dies waren für mich neben der Schilderung des Unglücks die stärksten Szenen des Buches.
Der Autor Sasha Filipenko und seine Bücher sind für sein Land sicherlich sehr wichtig. Ich bewundere seinen Mut, mit dem er die Zustände in Belarus anprangert. Leider konnte mich die Geschichte jedoch oft nicht überzeugen, da ich die Distanz zu den Figuren und ihrem Handeln nicht überbrücken konnte. Dadurch stand ich den Figuren und ihrem Schicksal letztendlich gleichgültig gegenüber. Doch genau dieses Miterleben, Mitleiden und Mitfiebern macht einen guten Roman für mich aus.
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Gebundenes Buch
Im Belarus des Jahres 1999 gerät der 16jährige Franzisk in eine Massenpanik und fällt danach ins Koma. Zehn Jahre vergehen, in denen lediglich seine Großmutter fest daran glaubt, dass er wieder aufwachen wird und ihn gegen alle Widerstände am Leben hält. Und …
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Im Belarus des Jahres 1999 gerät der 16jährige Franzisk in eine Massenpanik und fällt danach ins Koma. Zehn Jahre vergehen, in denen lediglich seine Großmutter fest daran glaubt, dass er wieder aufwachen wird und ihn gegen alle Widerstände am Leben hält. Und tatsächlich, kurz nach ihrem Tod erwacht Franzisk, nunmehr 26 Jahre alt, in einem Land, in dem Alles so ist wie zuvor, nur ein bisschen schlimmer.
Obwohl der Klappentext suggeriert, dass sich der Großteil der Geschichte mit dem Wiederzurechtfinden des Protagonisten in seinem Land beschäftigt, handelt gerade einmal knapp die Hälfte davon. Das erste Fünftel der rund 300 Seiten beschreibt das Leben des 16jährigen, um den sich seine geliebte Großmutter kümmert, die ihm auch auf den folgenden 100 Seiten während seines Komas zur Seite steht.
Während zu Beginn des Buches in Belarus noch ein wenig Aufbruchstimmung zu verspüren war, vermutlich durch die erst wenige Jahre zurückliegende Eigenständigkeit, wirkt das Land nach dem Aufwachen Franzisks wie gelähmt. Die ständig zunehmende Unterdrückung hat die Menschen zermürbt und resignieren lassen; Franzisk hingegen beginnt sein neues Leben mit dem jugendlichen Elan von damals und nimmt die gesellschaftlichen Verhältnisse fast wie ein Außenstehender war.
Sasha Filipenko zeigt in dieser Geschichte auf spöttisch-ironische Weise, wie es sich in einem autoritären Staat lebt. Die Einen suchen Trost im Konsum, den sie sich mit allen erdenklichen Mitteln ohne Rücksicht auf Moral und Gesetz ermöglichen; die Anderen sind vom ständigen Widerstand und Kampf ermüdet und ausgezehrt und flüchten in die innere oder äußere Emigration oder schlimmstenfalls in den Tod. Gehorchen ohne eigenständiges Denken ist erste Pflicht und führt zu grotesken Situationen, in denen beispielsweise Fasttoten die Fingerabdrücke abgenommen werden um festzustellen, ob sie Terroristen sind.
Es ist ein wichtiges Buch, das Manchen übertrieben scheinen mag, aber von der Realität mit Sicherheit nicht allzu weit entfernt, teilweise sogar eher untertrieben ist. Dass es sprachlich nicht ganz an das im Deutschen zuerst erschienene Buch des Autors „Rote Kreuze“ heranreicht, mag daran liegen, dass es sich um sein Debüt handelt. Dennoch: Es lohnt sich, es zu lesen.
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