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»Unheimlich, spannend, aberwitzig und kaum zu fassen - einfach fantastische Literatur«Jurybegründung Deutscher Buchpreis (Shortlist)Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu...
»Unheimlich, spannend, aberwitzig und kaum zu fassen - einfach fantastische Literatur«
Jurybegründung Deutscher Buchpreis (Shortlist)
Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.
Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu werden, doch Groß-Einland verbirgt sich beharrlich vor den Blicken Fremder. Als Ruth endlich dort eintrifft, macht sie eine erstaunliche Entdeckung. Unter dem Ort erstreckt sich ein riesiger Hohlraum, der das Leben der Bewohner von Groß-Einland auf merkwürdige Weise zu bestimmen scheint. Überall finden sich versteckte Hinweise auf das Loch und seine wechselhafte Historie, dochkeiner will darüber sprechen. Nicht einmal, als klar ist, dass die Statik des gesamten Ortes bedroht ist.
Wird das Schweigen von der einflussreichen Gräfin der Gemeinde gesteuert? Und welche Rolle spielt eigentlich Ruths eigene Familiengeschichte? Je stärker sie in die Verwicklungen Groß-Einlands zur Zeit des Nationalsozialismus dringt, desto vehementer bekommt Ruth den Widerstand der Bewohner zu spüren. Doch sie gräbt tiefer und ahnt bald, dass die geheimnisvollen Strukturen im Ort ohne die Geschichte des Loches nicht zu entschlüsseln sind.
»Raphaela Edelbauer überschreitet Grenzen und rückt in unerforschte Gebiete der Literatur vor.«
Jurybegründung Rauriser Literaturpreis
Jurybegründung Deutscher Buchpreis (Shortlist)
Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.
Der Unfalltod ihrer Eltern stellt die Wiener Physikerin Ruth vor ein nahezu unlösbares Paradox. Ihre Eltern haben verfügt, im Ort ihrer Kindheit begraben zu werden, doch Groß-Einland verbirgt sich beharrlich vor den Blicken Fremder. Als Ruth endlich dort eintrifft, macht sie eine erstaunliche Entdeckung. Unter dem Ort erstreckt sich ein riesiger Hohlraum, der das Leben der Bewohner von Groß-Einland auf merkwürdige Weise zu bestimmen scheint. Überall finden sich versteckte Hinweise auf das Loch und seine wechselhafte Historie, dochkeiner will darüber sprechen. Nicht einmal, als klar ist, dass die Statik des gesamten Ortes bedroht ist.
Wird das Schweigen von der einflussreichen Gräfin der Gemeinde gesteuert? Und welche Rolle spielt eigentlich Ruths eigene Familiengeschichte? Je stärker sie in die Verwicklungen Groß-Einlands zur Zeit des Nationalsozialismus dringt, desto vehementer bekommt Ruth den Widerstand der Bewohner zu spüren. Doch sie gräbt tiefer und ahnt bald, dass die geheimnisvollen Strukturen im Ort ohne die Geschichte des Loches nicht zu entschlüsseln sind.
»Raphaela Edelbauer überschreitet Grenzen und rückt in unerforschte Gebiete der Literatur vor.«
Jurybegründung Rauriser Literaturpreis
Raphaela Edelbauer, geboren in Wien, studierte Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst. Für ihr Werk 'Entdecker. Eine Poetik' wurde sie mit dem Hauptpreis der Rauriser Literaturtage ausgezeichnet. Außerdem wurde ihr der Publikumspreis beim Bachmann-Wettbewerb, der Theodor-Körner-Preis und der Förderpreis der Doppelfeld-Stiftung zuerkannt. Ihr Debütroman 'Das flüssige Land' stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, ihr dritter Roman 'Die Inkommensurablen' auf der Longlist. Für ihren zweiten Roman 'DAVE' erhielt sie den Österreichischen Buchpreis. Raphaela Edelbauer lebt in Wien.
Produktdetails
- Verlag: Klett-Cotta
- 5. Aufl.
- Seitenzahl: 352
- Erscheinungstermin: 17. August 2019
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 139mm x 35mm
- Gewicht: 508g
- ISBN-13: 9783608964363
- ISBN-10: 3608964363
- Artikelnr.: 56148304
Herstellerkennzeichnung
Klett-Cotta Verlag
Rotebühlstr. 77
70178 Stuttgart
produktsicherheit@klett-cotta.de
Ein Tropfen Blut für den Abgrund
Wenn die Zeit in sich zusammenfällt: In Raphaela Edelbauers Roman "Das flüssige Land" reist eine junge Physikerin in das Heimatdorf ihrer Eltern und trifft dort auf eine alte Schuld.
Ob es diese Siedlung "Groß-Einland" wirklich gibt? Sie taucht auf keiner Karte auf, das Navi kennt sie nicht, kein Straßenschild weist dorthin, so dass die Physikerin Ruth Schwarz, die unbedingt nach Groß-Einland will und nur die ungefähre Richtung von Wien aus kennt, eine Weile lang in Niederösterreich herum, wo sie die Gemeinde vermutet. Als sie schließlich verzweifelt bei der Landesregierung anruft, teilt man ihr auch dort mit, dass Groß-Einland nicht existiere.
Dagegen steht allerdings die
Wenn die Zeit in sich zusammenfällt: In Raphaela Edelbauers Roman "Das flüssige Land" reist eine junge Physikerin in das Heimatdorf ihrer Eltern und trifft dort auf eine alte Schuld.
Ob es diese Siedlung "Groß-Einland" wirklich gibt? Sie taucht auf keiner Karte auf, das Navi kennt sie nicht, kein Straßenschild weist dorthin, so dass die Physikerin Ruth Schwarz, die unbedingt nach Groß-Einland will und nur die ungefähre Richtung von Wien aus kennt, eine Weile lang in Niederösterreich herum, wo sie die Gemeinde vermutet. Als sie schließlich verzweifelt bei der Landesregierung anruft, teilt man ihr auch dort mit, dass Groß-Einland nicht existiere.
Dagegen steht allerdings die
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Erinnerung an ihre Eltern, die wenige Tage zuvor bei einem Autounfall in den Bergen zu Tode gekommen sind. Denn die beiden stammen aus jener Siedlung, sie sind dort sogar im selben Haus aufgewachsen, weil die Familie der Mutter den Vater noch als Knaben aufgenommen hat - seine alleinerziehende Mutter sei zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr dazu in der Lage gewesen, den kleinen Jungen zu versorgen. Unterwegs zu der Siedlung, die es angeblich nicht gibt, führt sich Ruth Schwarz also vor Augen, was ihre Eltern von der aufgegebenen Heimat erzählt haben und was nun ihr helfen kann, den Weg zu finden: die ungefähre Größe der Gemeinde, beiläufige Details, irgendwann einmal erwähnte Ausflugsziele und dergleichen mehr. Schließlich, die Physikerin will schon aufgeben, stößt sie in der Nähe des Hochwechsels auf zwei Männer, die sich über Groß-Einland unterhalten. Sie folgt ihnen mit ihrem klapprigen Ford über schlechte Wege und schließlich sogar durch einen dichten Wald, bis sie tatsächlich in der gesuchten Siedlung ankommt - einen Ort von makelloser Schönheit, wie die Besucherin findet, ein bisschen wie aus der Zeit gefallen und mit Sitten und Umgangsformen, an die man sich erst gewöhnen muss.
Dass es der Autorin Raphaela Edelbauer, geboren 1990 in Wien und aufgewachsen in Niederösterreich, in ihrem für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman "Das flüssige Land" nicht auf ein klar umrissenes äußerliches Handlungsgerüst ankommt, wird sehr rasch klar, denn zu den verschwimmenden Angaben, die den Ort betreffen, kommen auch die sehr widersprüchlichen zur Zeit.
Und je mehr die Ich-Erzählerin den Anschein erweckt, in dieser Hinsicht präzise zu agieren (der Roman beginnt mit den Worten: "In den frühen Morgenstunden des 21. September 2007"), umso größer ist die Irritation, die ihre Angaben zum Ablauf der Geschichte untereinander erzeugen, weil sie nicht zueinander passen. Der Aufenthalt in Groß-Einland sollte nur ein paar Tage dauern, dann sind es aber, nach vorausdeutender Auskunft der Erzählerin, drei Jahre. Oder doppelt so viel, wie aus einem Telefonat mit ihrer in Wien gebliebenen Tante hervorgeht ("Sechs, Ruth, du bist seit sechs Jahren weg")?
Dass auf die Zeit kein Verlass ist, schon gar nicht im Bericht dieser Psychopharmaka schluckenden, sehr leicht zu irritierenden Erzählerin, teilt sich mit, und dass die Physikerin Ruth, die mit noch ganz anderen Zeitkonzepten vertraut ist, dies gar nicht so seltsam finden mag, auch. Wer an den Gedanken gewöhnt ist, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in eins fallen, wird sich nicht lange mit Chronologie aufhalten, vor allem nicht in einer Gemeinde, die mit ganz anderen Problemen kämpft: Unter Groß-Einland tut sich als Resultat von ungeregeltem Schürfen ein riesiges Loch auf, das sich offenbar weiter vergrößert und Teile der Altstadt zu verschlingen droht. Die Bewohner leben damit seit Jahrzehnten, sie schütten mal tonnenweise Zement in den Abgrund, ohne damit etwas zu bewirken, oder sie praktizieren Rituale des Aberglaubens, indem sie ihre Sorgen auf einen Fetzen Papier schreiben, mit Blut besiegeln und den dann im Hohlraum plazieren.
Ruth also bleibt in Groß-Einland, sie bezieht das ehemalige Wohnhaus ihrer Eltern und nimmt eine Arbeit bei der Gräfin an, die in einem Schloss hoch über der Gemeinde lebt, alles mitbekommt, was irgendeiner der Bewohner unternimmt, und Ruth mal überwacht, mal für sich einspannen will, meist wahrscheinlich beides. Die junge Physikerin soll jedenfalls eine Methode finden, das weitere Absacken Groß-Einlands zu verhindern, und als sie damit tatsächlich Erfolg hat, stellt sie fest, dass im Gegenzug die Vegetation der betreffenden Stelle abstirbt, was bei einer Injektion auf Benzinbasis in die Erde auch nicht anders zu erwarten ist.
Dass der Roman spannend, amüsant und gekonnt erzählt ist, steht auf der Habenseite, dass er die Unzuverlässigkeit der Erzählerin von der ersten Seite an ausstellt und sie dann doch immer wieder vergessen lässt, ebenso. Auch dass die Autorin sprachlich einige Abwege aus dem Vertrauten einschlägt, wird man schätzen, selbst wenn manchmal Stilblüten sprießen wie "Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik." Die Autorin wirft überdies mit ihrer aus der Zeit gefallenen Geschichte auch einen Blick auf unsere Gegenwart, wenn sie über die Sehnsucht der Protagonistin nach Zugehörigkeit und Geborgenheit ebenso schreibt wie über die Abgründe, die jene Idylle bereithält - hier sind das Hunderte Opfer aus der Endphase des Nationalsozialismus, Zwangsarbeiter, die, so scheint es wenigstens, von den Bewohnern Groß-Einlands erschlagen und im Loch vergraben worden sind.
Dass der physische Abgrund mit dem moralischen so eng verknüpft ist, dass im Untergrund flüssig bleibt, was sich nicht wie anderes Sediment verfestigen will, so wie die alte Schuld sich eben nicht auslöschen lässt, indem man sie vertuscht und alle Hinweise darauf aus den Quellen entfernt, dass die Auswirkungen der Tuberkulose im Körper eines Protagonisten an die geologischen Vorgänge im Berg erinnern und dass schließlich der Ausweg, Ruths Benzin-Injektion, exakt dem Verfahren entspricht, mit dem damals die Zwangsarbeiter ermordet wurden - all das erscheint als etwas zu viel des Guten im Hinweissystem des Romans.
TILMAN SPRECKELSEN
Raphaela Edelbauer: "Das flüssige Land". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2019. 350 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dass es der Autorin Raphaela Edelbauer, geboren 1990 in Wien und aufgewachsen in Niederösterreich, in ihrem für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman "Das flüssige Land" nicht auf ein klar umrissenes äußerliches Handlungsgerüst ankommt, wird sehr rasch klar, denn zu den verschwimmenden Angaben, die den Ort betreffen, kommen auch die sehr widersprüchlichen zur Zeit.
Und je mehr die Ich-Erzählerin den Anschein erweckt, in dieser Hinsicht präzise zu agieren (der Roman beginnt mit den Worten: "In den frühen Morgenstunden des 21. September 2007"), umso größer ist die Irritation, die ihre Angaben zum Ablauf der Geschichte untereinander erzeugen, weil sie nicht zueinander passen. Der Aufenthalt in Groß-Einland sollte nur ein paar Tage dauern, dann sind es aber, nach vorausdeutender Auskunft der Erzählerin, drei Jahre. Oder doppelt so viel, wie aus einem Telefonat mit ihrer in Wien gebliebenen Tante hervorgeht ("Sechs, Ruth, du bist seit sechs Jahren weg")?
Dass auf die Zeit kein Verlass ist, schon gar nicht im Bericht dieser Psychopharmaka schluckenden, sehr leicht zu irritierenden Erzählerin, teilt sich mit, und dass die Physikerin Ruth, die mit noch ganz anderen Zeitkonzepten vertraut ist, dies gar nicht so seltsam finden mag, auch. Wer an den Gedanken gewöhnt ist, dass Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in eins fallen, wird sich nicht lange mit Chronologie aufhalten, vor allem nicht in einer Gemeinde, die mit ganz anderen Problemen kämpft: Unter Groß-Einland tut sich als Resultat von ungeregeltem Schürfen ein riesiges Loch auf, das sich offenbar weiter vergrößert und Teile der Altstadt zu verschlingen droht. Die Bewohner leben damit seit Jahrzehnten, sie schütten mal tonnenweise Zement in den Abgrund, ohne damit etwas zu bewirken, oder sie praktizieren Rituale des Aberglaubens, indem sie ihre Sorgen auf einen Fetzen Papier schreiben, mit Blut besiegeln und den dann im Hohlraum plazieren.
Ruth also bleibt in Groß-Einland, sie bezieht das ehemalige Wohnhaus ihrer Eltern und nimmt eine Arbeit bei der Gräfin an, die in einem Schloss hoch über der Gemeinde lebt, alles mitbekommt, was irgendeiner der Bewohner unternimmt, und Ruth mal überwacht, mal für sich einspannen will, meist wahrscheinlich beides. Die junge Physikerin soll jedenfalls eine Methode finden, das weitere Absacken Groß-Einlands zu verhindern, und als sie damit tatsächlich Erfolg hat, stellt sie fest, dass im Gegenzug die Vegetation der betreffenden Stelle abstirbt, was bei einer Injektion auf Benzinbasis in die Erde auch nicht anders zu erwarten ist.
Dass der Roman spannend, amüsant und gekonnt erzählt ist, steht auf der Habenseite, dass er die Unzuverlässigkeit der Erzählerin von der ersten Seite an ausstellt und sie dann doch immer wieder vergessen lässt, ebenso. Auch dass die Autorin sprachlich einige Abwege aus dem Vertrauten einschlägt, wird man schätzen, selbst wenn manchmal Stilblüten sprießen wie "Der ganze Raum zitterte glückselig vor Neid wie ein trotziger Block Aspik." Die Autorin wirft überdies mit ihrer aus der Zeit gefallenen Geschichte auch einen Blick auf unsere Gegenwart, wenn sie über die Sehnsucht der Protagonistin nach Zugehörigkeit und Geborgenheit ebenso schreibt wie über die Abgründe, die jene Idylle bereithält - hier sind das Hunderte Opfer aus der Endphase des Nationalsozialismus, Zwangsarbeiter, die, so scheint es wenigstens, von den Bewohnern Groß-Einlands erschlagen und im Loch vergraben worden sind.
Dass der physische Abgrund mit dem moralischen so eng verknüpft ist, dass im Untergrund flüssig bleibt, was sich nicht wie anderes Sediment verfestigen will, so wie die alte Schuld sich eben nicht auslöschen lässt, indem man sie vertuscht und alle Hinweise darauf aus den Quellen entfernt, dass die Auswirkungen der Tuberkulose im Körper eines Protagonisten an die geologischen Vorgänge im Berg erinnern und dass schließlich der Ausweg, Ruths Benzin-Injektion, exakt dem Verfahren entspricht, mit dem damals die Zwangsarbeiter ermordet wurden - all das erscheint als etwas zu viel des Guten im Hinweissystem des Romans.
TILMAN SPRECKELSEN
Raphaela Edelbauer: "Das flüssige Land". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2019. 350 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»[...] sperrig und gefällig, avanciert und nonchalant.« Christina Pfeiffer-Ulm, Büchereiperspektiven, Dezember 2020 Christina Pfeiffer-Ulm Büchereiperspektiven 20201201
Der plötzliche Unfalltod ihrer Eltern wirft Ruth Schwarz völlig aus der Bahn; als ihre Tante dann noch erwähnt, dass die Eltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu Groß-Einland dort beerdigt werden sollten, ist sie völlig verwirrt. Was ist das für ein Ort, von dem sie …
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Der plötzliche Unfalltod ihrer Eltern wirft Ruth Schwarz völlig aus der Bahn; als ihre Tante dann noch erwähnt, dass die Eltern aufgrund ihrer engen Beziehung zu Groß-Einland dort beerdigt werden sollten, ist sie völlig verwirrt. Was ist das für ein Ort, von dem sie nie etwas gehört hat? Die Wiener Physikerin macht sich auf in die Provinz und findet tatsächlich ein beschauliches Städtchen diesen Namens, das völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Eigentlich wollte sie nur kurz dort bleiben, aber ein seltsames Naturphänomen weckt ihre Neugier: Mitten im Ort befindet sich ein großes Loch, das den ganzen Lebensraum regelrecht aufzusaugen droht. Doch nicht nur dieses Loch und seine Geschichte ist höchst mysteriös, auch die Bewohner, allen voran die alles wissende und bestimmende Gräfin, lassen Ruth wundern und nicht mehr los. Aus der kurzen Visite wird plötzlich ein immer längerer Aufenthalt.
Raphaela Edelbauers Roman ist gleich für zwei Auszeichnungen nominiert, er steht sowohl auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis, wie auch auf jener für den Österreichischen Buchpreis 2019. Unweigerlich ist da die Neugier besonders groß, zwei Jurys können sich kaum irren. Was die Nominierung jedoch nicht verrät, ist, dass nicht jedes Buch zu jedem Leser passt und „Das flüssige Land“ setzt voraus, dass man das märchenhafte und fantastische Element entweder sowieso liebt oder großzügig darüber hinweglesen kann. Wer auf authentische Handlung steht, ist bei diesem Roman eher schlecht beraten.
So verlangte der Text mir auch einiges ab. Bisweilen hatte ich den Eindruck Mitten in „Alice im Wunderland“ gelandet zu sein. Das Raum-Zeit-Kontinuum scheint aufgehoben und das Figurenpersonal ist ein Sammelsurium von Kuriositäten, allen voran die Gräfin. Das hat einen gewissen Reiz, wird auch sprachlich ansprechend und überzeugend umgesetzt, entbehrt gleichermaßen aber jeden Realismus. Zwar wird die Handlung immer wieder historisch wie auch naturwissenschaftlich eingebettet, aber so ganz wurde ich den Eindruck der Fantasiewelt nicht los. Das Mysterium um das Loch bietet ein gewisses Spannungsmoment, wird aber etwas zu langatmig abgehandelt. Auch das Ende kann mich nur bedingt überzeugen, zu bemüht wird die Ordnung wieder hergestellt.
Man den Roman womöglich als Parabel lesen, die unter anderem Fragen nach dem menschlichen Umgang mit der Umwelt, nach ethischer Verantwortung und vermeintlichem kollektivem Gedächtnisverlust oder auch der fragwürdigen Gesellschaftsstruktur aufwirft. Vielleicht erfreut man sich auch einfach an der geradezu fabelhaften Welt mit ihren kuriosen Figuren. Literarisch so gar nicht meine Welt, weshalb mich der Roman nicht wirklich erreichen konnte. Gerettet hat ihn der Schreibstil, viele pointierte Zuspitzungen, die gekonnt formuliert sind und ein in sich stimmiges Szenario mit liebevoll gestalteten Figuren.
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Als die promovierte Physikerin Ruth nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sich auf der Suche nach deren früherem Leben macht, landet sie in Groß-Einland, wo die beiden aufgewachsen sind. Eine völlige Idylle, in der die Menschen praktisch unbemerkt vom Rest der Welt leben, da die …
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Als die promovierte Physikerin Ruth nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern sich auf der Suche nach deren früherem Leben macht, landet sie in Groß-Einland, wo die beiden aufgewachsen sind. Eine völlige Idylle, in der die Menschen praktisch unbemerkt vom Rest der Welt leben, da die Gemeinde nirgendwo verzeichnet und nur schwer zugänglich ist. Dennoch verlängert Ruth ihren Aufenthalt dort eher widerwillig und fühlt sich überraschenderweise jedoch nach kurzer Zeit heimisch. Schnell ist sie Teil der Dorfgemeinschaft und die über allem thronende Gräfin gibt ihr zudem eine gute Arbeitsstelle. Doch es liegt Unheil über dem Dorf - Gegenwärtiges und Vergangenes. Ein riesiges Loch in der Erde droht Alles zu verschlingen, auch die Untaten während der Zeit des Dritten Reiches. Während Ruth versucht das Dorf zu retten, forscht sie gleichzeitig nach, was damals geschah.
Was für eine verrückte Geschichte! In der Zusammenfassung mag sich dies nicht so lesen, doch es sind die Details des Ganzen, die einen ungläubig den Kopf schütteln, gleichzeitig aber gebannt weiterlesen lassen. Ein ganzer Ort versinkt mehr und mehr im Untergrund, aber das Leben geht sogar trotz Todesfällen weiter wie gewohnt. Es wirkt wie ein potemkinsches Dorf, das von einer mysteriösen Gräfin für die BewohnerInnen aufrecht erhalten wird. Sie selbst bestimmt über die gesamte Gemeinde, sogar der Bürgermeister hält bei Allem still.
Literarisch gebildeten LeserInnen fällt natürlich bald auf, dass es sich hier um eine Parabel handelt. Wie im wahren Leben werden unschöne Dinge hier zwar nicht unter den Teppich, dafür aber in das Loch gekehrt - insbesondere Geschehenes während des II. Weltkrieges. Es wird geschwiegen um des lieben Friedens willen, denn wer hat schon etwas davon, wenn man die alten Dinge wieder hervorholt? Die Wahrheit ist zwar bekannt, doch hören geschweige denn aussprechen will sie niemand. Der Mensch an sich ist zudem bequem, weshalb also aufbegehren gegen etwas was einen nicht betrifft, solange man selbst es gut hat? Auch gegen die Gräfin, die trotz Abschaffung der Aristokratie über die gesamte Gemeinde bestimmt (auch, was es im Supermarkt zu kaufen gibt), gibt es keinen Widerstand, denn sie kümmert sich ja um Alle.
Ruth ist die Einzige, die Fragen stellt und zweifelt, doch je mehr sie Teil der Gemeinde wird, umso schwieriger fällt es ihr, ihre Nachforschungen weiter zu betreiben. Als Lesende fühlt man mit ihr und ihren widerstrebenden Gefühlen, zwischen der Suche nach der Wahrheit und der Zuneigung zu den Menschen, die sie mit dieser Suche verletzt.
Die Autorin packt eine Menge in diese Geschichte und gegen Ende ist es mir fast ein bisschen zu viel. Während ich mich zu Beginn noch völlig von den teils abstrusen Gegebenheiten faszinieren und unterhalten ließ, wurden die Andeutungen auf Konkretes jedoch ständig stärker und zahlreicher (zumindest kam es mir so vor), so dass das Faszinierende zusehends abnahm. Schade drum!
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Schwarze Löcher als Metapher
Mit ihrem Roman-Debüt «Das flüssige Land» hatte Raphaela Edelbauer schon 2018 den Publikumspreis in Klagenfurt erhalten, nun kam sie damit sehr zu recht auf die Shortlist des diesjährigen Frankfurter Buchpreises. Als Jurymitglied …
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Schwarze Löcher als Metapher
Mit ihrem Roman-Debüt «Das flüssige Land» hatte Raphaela Edelbauer schon 2018 den Publikumspreis in Klagenfurt erhalten, nun kam sie damit sehr zu recht auf die Shortlist des diesjährigen Frankfurter Buchpreises. Als Jurymitglied hätte ich eher für sie als Preisträgerin gestimmt, aber das Migrations-Thema ist derzeit wohl gar zu übermächtig und verspricht wohl weit höhere Auflagen als ein surrealer Roman, auch wenn der literarisch besser gelungen erscheint und zudem deutlich unterhaltsamer ist.
Die 35jährige Wiener Physikerin Ruth steht kurz vor ihrer Habilitation, als sie die Nachricht erhält, ihre Eltern seien beide bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen. Deren schriftlich hinterlassener Wunsch, im Ort ihrer Kindheit beerdigt zu werden, bereitet der Ich-Erzählerin nun aber große Probleme, denn Groß-Einland ist nirgendwo in Österreich verzeichnet, obwohl doch ihre Eltern ihr viel erzählt hatten von ihrem früheren Leben dort. Irritiert macht sie sich mit dem Auto auf den Weg in die Gegend, wo nach den Erzählungen der Ort eigentlich liegen müsste. Und tatsächlich sieht sie nach tagelanger vergeblicher Suche, bei der ihr niemand irgendeinen Hinweis geben konnte, weil keiner je von diesem Ort gehört hat, im Vorbeifahren an einer Nebenstrasse plötzlich ein verwittertes Schild «Groß-Einland». Auf einem Feldweg, der irgendwann nur noch über Stock und Stein mitten durch den Wald führt, gelangt sie mit ihrem dadurch total ramponierten, werkstattreifen Auto tatsächlich in den Ort, den niemand kennt. Es stellt sich bald heraus, dass Groß-Einland auf einem riesigen Hohlraum steht, den ein ehemaliges Bergwerk hinterlassen hat. Dieses gewaltige Loch im Untergrund bewirkt ständige Erdabsenkungen, die gefährliche Schäden an den Häusern anrichten, manche sind schon unbewohnbar. Merkwürdig ist allerdings, dass die Bewohner kaum Notiz davon nehmen, die ständig auftretenden und immer breiter werdenden Risse werden einfach zugespachtelt, niemand verliert ein Wort darüber.
In diesem Szenarium stößt Ruth bei den Vorbereitungen für die Beerdigung der Eltern auf Einwohner, die sie zwar freundlich aufnehmen, die aber allesamt seltsam verschlossen sind und ihren Fragen ausweichen. Je tiefer sie in die eigene Familiengeschichte einzudringen versucht, desto verwirrender wird sie. Ruth beschließt, neugierig geworden, länger als geplant zu bleiben und die geheimnisvollen Hintergründe aufzudecken. In einer an Kafka erinnernden, surrealen Geschichte eines merkwürdigen Ortes gerät die Protagonistin immer tiefer hinein in die rätselhaften Strukturen der Einwohnerschaft, die von einer geheimnisvollen, alles beherrschenden Gräfin regiert wird. Ruth nimmt schließlich sogar deren Auftrag an, eine Lösung für das «Loch» zu finden, obwohl sie als theoretische Physikerin dazu überhaupt nicht qualifiziert ist. Die Habilitation rückt völlig in den Hintergrund, so sehr nimmt sie ihre Recherche in Anspruch, sie vermutet nämlich einen Massenmord der Nazis hinter dem hartnäckigen Schweigen der Bewohner, den sie partout aufdecken will. Und aus den paar Tagen, die sie ursprünglich zu bleiben gedachte, werden schließlich drei Jahre, in denen sie dieser merkwürdigen, kollektiven Verdrängung nachspürt!
Listig führt die kreative Autorin im Stil der unzuverlässigen Erzählerin den zunächst arglosen Leser, sprachlich souverän, ständig auf falsche Spuren. Sie brennt dabei ein wahres Feuerwerk ab an skurrilen Einfällen, die sie zuweilen mit komplizierten physikalischen Anmerkungen garniert, was dem surrealen Plot einen realistischen Anstrich gibt. Die Figuren erscheinen allesamt sympathisch, Landschaft und Ort sind bilderbuchartig als idyllisch beschrieben, womit das Thema Heimat als eine weitere falsche Fährte gelegt ist. So steht in dieser parabelhaften Traumwelt den Schwarzen Löchern der Astrophysik das mysteriöse «Loch» in Groß-Einland gegenüber als Metapher für ein auf schwankendem Boden errichtetes soziales Gefüge.
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Der Klett Cotta Verlag ist mir schon seit meiner Kindheit vor allem für außergewöhnliche fantastische Literatur bekannt. Wenn man sich im Vorfeld nicht mit dem vorliegenden Buch befasst, könnte man daher annehmen, auf eine High Fantasy zu stoßen. Erfährt man aber, …
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Der Klett Cotta Verlag ist mir schon seit meiner Kindheit vor allem für außergewöhnliche fantastische Literatur bekannt. Wenn man sich im Vorfeld nicht mit dem vorliegenden Buch befasst, könnte man daher annehmen, auf eine High Fantasy zu stoßen. Erfährt man aber, für welche Preise es nominiert ist und liest nur ein paar Sätze der Leseprobe wird zweifellos klar, dass es sich hier um Literatur mit hohem Anspruch handelt. Fantastische Momente werden hier lediglich parabelartig eingesetzt. Im Grunde ist das ganze Buch eine große Metapher.
Die theoretische Physikerin Ruth arbeitet an ihrer Habilitationsschrift, als ihre Eltern bei einem Unfalltod ums Leben kommen. Ausgerechnet in ihrem Heimatort, dem österreichischen Groß-Einland, wollten sie bestattet werden. Ruth kennt diesen Ort nur aus Erzählungen. Offizielle Stellen scheinen dagegen noch nie davon gehört zu haben. Dennoch findet die traumatisierte, unter Medikamenteneinfluss stehende Ruth unter Mühen ihren Weg dorthin. Groß-Einland scheint nicht ganz von dieser Welt zu sein. Der Bürgermeister ist eher eine Strohpuppe. Alle Zügel fest in der Hand hält dagegen die Gräfin, der beinahe alles zu gehören scheint. Zeitebenen, eigentlich Ruths Forschungsgebiet, verschwimmen für Ruth immer mehr. Sie verliert ihr eigentliches Ziel komplett aus den Augen und nimmt die Arbeit, die die Gräfin ihr anbietet an. Denn groß-Einland hat ein ganz offensichtliches Problem: Ein riesiger Hohlraum Im Erdinnern bringt nach und nach die Stadt zum Einsturz….
Nicht nur das Land, auch die ganze Erzählstruktur ist hier flüssig. Monate mäandern zu Jahren, totgeglaubte Angehörige tauchen auf und gehen unvermutet wieder unter. Klaffende Krater mutieren verbal zu Aussparungen. Was verbirgt sich in der Tiefe? Zweifellos sind Verdrängungen eines dunklen Kapitels deutsch-österreichischer Geschichte das Leitmotiv des Romans. Atmosphärisch entwickelt sich eine traumartige Anmutung, die den Leser in die Geschichte förmlich hineinstrudelt. Das geschieht auf überwiegend sehr hohem sprachlichen Niveau. Gleichzeitig bleibt aber Ruth als Protagonistin vage, als würde sie auch für die Leser in einem Medikamentennebel verschwimmen. Das Ende versickert überraschend sang- und klanglos. Der aufgebaute Erzählstrang verlor für mich final leider an Spannung und ich bin nicht sicher, welche Intention die Autorin damit verfolgt hat.
Ein Roman, der Literaturkritiker begeistert und weiter begeistern wird. Lesende, die mit den richtigen Erwartungen herangehen, werden den Roman zwar schätzen, aber mit Leerstellen wie in Groß-Einland leben müssen.
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Die Eltern der Physikerin Ruth sterben bei einem Unfall und wollen in Groß-Einland beerdigt werden. Das Stellt Ruth vor Probleme, denn der Ort entzieht sich und lässt sich nicht so einfach ausmachen. Als Ruth dann doch dort eintrifft, ist einiges sehr merkwürdig. Unter …
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Die Eltern der Physikerin Ruth sterben bei einem Unfall und wollen in Groß-Einland beerdigt werden. Das Stellt Ruth vor Probleme, denn der Ort entzieht sich und lässt sich nicht so einfach ausmachen. Als Ruth dann doch dort eintrifft, ist einiges sehr merkwürdig. Unter Groß-Einland ist ein riesiger Hohlraum, der den Ort zu verschlingen droht. Das scheint aber niemanden zu kümmern. Die Bewohner sind seltsam und schweigsam und dann gibt es noch eine Gräfin, die über alles zu bestimmen scheint. Ruth geplanter Aufenthalt verlängert sich immer mehr. Je tiefer sie in die Geheimnisse des Ortes eindringt, umso mehr Widerstand spürt sie.
Die Geschichte ist für mich genauso löcherig, wie der Untergrund unter Groß-Einland. Ich habe mich ziemlich schwer getan mit diesem Buch, obwohl ich die Idee an sich ansprechend finde. Mit der Protagonistin Ruth konnte ich auch nicht viel anfangen, denn ihr lethargisches Verhalten gefiel mir nicht. Vielleicht lag ihr merkwürdiges Handeln aber auch an ihrem Tablettenkonsum.
Das Buch ist voller Andeutungen und es werden eine Menge Fragen aufgeworfen, aber Auflösungen dazu gibt es keine. Auch das Ende lässt mich recht ratlos zurück.
Dieser außergewöhnliche Roman konnte mich leider nicht fesseln.
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Die österreichische Schriftstellerin Raphaela Edelbauer ist mir letztes Jahr durch ihre Lesung beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb aufgefallen. Sie las eine Story „Das Loch“, das im Zusammenhang mit diesem ungewöhnlichen Roman steht.
Die Protagonistin ist die Physikerin Ruth …
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Die österreichische Schriftstellerin Raphaela Edelbauer ist mir letztes Jahr durch ihre Lesung beim Ingeborg Bachmann-Wettbewerb aufgefallen. Sie las eine Story „Das Loch“, das im Zusammenhang mit diesem ungewöhnlichen Roman steht.
Die Protagonistin ist die Physikerin Ruth Schwarz. Sie kommt nach dem Unfalltod ihrer Eltern in deren Heimatort Groß-Einland.
Ruth recherchiert vor Ort über die Vergangenheit, während sie gleichzeitig auf verquere Art Teil der Gemeinschaft wird. Das mischt sich mit dem Willen zum Widerstand, denn hier gab es einmal ein schlimmes Kriegsverbrechen.
Die Autorin lässt sich Zeit, die Geschichte zu entfalten. Man benötigt daher am Anfang etwas Geduld Aber es gibt schon von Anfang an interessante Motive, die einen dabei helfen, zum Beispiel auch das einer Fremden, die in eine geschlossene Gesellschaft eindringt. Dabei geht Ruth aufgrund ihres wissenschaftlichen Backgrounds sachlich vor. Ich bewundere so einige der präzisen Beschreibungen von Raphaela Edelbauer.
Das Gebiet hatte viel Bergbau. Es ist ein Ort des Geschehens, dass von der Gemeinschaft kollektiv verdrängt hat. Zudem ist die Gegend im Untergrund durch viele poröse Schichten beschädigt. Es gibt schon einige treffende Metaphern, die die Autorin gekonnt einsetzt.
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Absurdität und Lethargie angesichts der drohenden Katastrophe. Zeit und Physik lösen sich in Edelbauers faszinierendem Roman auf.
Unschärfe als Prinzip
„Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer hat mich mit jeder Zeile fasziniert. Einerseits passiert nichts, …
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Absurdität und Lethargie angesichts der drohenden Katastrophe. Zeit und Physik lösen sich in Edelbauers faszinierendem Roman auf.
Unschärfe als Prinzip
„Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer hat mich mit jeder Zeile fasziniert. Einerseits passiert nichts, andererseits aber so viel: Menschen sterben, alten Verbrechen werden vertuscht, die Heimat bricht auseinander.
Das Buch präsentiert uns als Leser*in nicht offensichtlich, wozu wir hiermit gebeten sind. Meist nervt mich das in Büchern tierisch, hier bekam das Mäandernde eine eigene Qualität, weil ich mich so mit der Protagonistin ganz auf das Verwirrspiel Groß-Einland einlassen konnte.
Ich möchte nicht zu viel vom Plot verraten, nur so viel: Die Ich-Erzählerin Ruth verliert beide Eltern bei einem Autounfall und macht sich auf die Suche nach Groß-Einland, weil die beiden dort begraben werden wollten. Und dieser Ort folgt seinen ganz eigenen Gesetzen, aber zu allererst kämpft er gegen sein Verschwinden angesichts eines monströsen Loches.
Lethargie, Absurdität und Grauen
Die Lethargie und die Absurditäten angesichts der drohenden Katastrophe ist das, was die Autorin so meisterlich schildert. Anfangs klingt dies alles nur an, aber dann werden die Bezüge zur drohenden Klimakrise, der Vernichtung der Umwelt, unaufgearbeiteter Vergangenheit, Antisemitismus, Rassismus, Verschwörungstheorien und der Sehnsucht nach einfachen politischen Lösungen immer deutlicher. Und dann das Grauen.
„Siebenhundertfünfzig verschwundene Menschen und eine Gemeinde, die quasi über Nacht zur Monarchie zurückgekehrt war.“
„Das flüssige Land“ folgt einer kafkaesken Tradition, in der die Absurdität die Norm ist. Gleichzeitig bedient sich Edelbauch beim Fantasy-Genre, oder vielleicht doch bei Science Fiction, weil sie für ihre Welt Erklärungen in der Physiktheorie findet. Das macht sie so geschickt, dass ich mich zwischendrin schon fragte, ob das Doppelspaltexeriment nun nur ihre Erfindung sei oder doch eine physikalische Realität. (Es ist eine, falls Ihr Euch das auch fragen solltet.) Selbst die Blockuniversumstheorie, über die Protagonistin Ruth ihre Habilitation verfasst, ist eine reale physikalische Theorie.
„‚Es handelt sich dabei um eine alternative Theorie über die Zeit. Stellen Sie sich Folgendes vor: Wenn die Zeit irreal ist, wie wir heute wissen, dann sind Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eigentlich gleichzeitig vorhanden. Ähnlich einem dreidimensionalen Block lassen sich die vermeintlich aufeinanderfolgenden Momente lesen als nahe aneinanderliegend. Das heißt, die Zeit wird eher zu einer Raumrichtung als zu etwas, das die Dinge je verändern würde. Es ist kompliziert.’“
Die Zeit löst sich auf, eben war es noch 2009, plötzlich 2012. Spielt es eine Rolle? Wir sind hier ebenso verloren wie dort.
Das „Drum herum“
Ich kann verstehen, dass manche Leser*innen dieses Buch vielleicht abgrundtief hassen könnten. Edelbauer gibt uns wenig zum Festhalten. Eigentlich halten wir uns an einem Nichts fest, dem Loch, dass sich unter Groß-Einland hindurch frisst. Ich musste an eine Kindergeschichte der beiden philosophischen Schweine Piggeldy und Frederick denken, die u.a. in „Die Sendung mit der Maus“ zu sehen sind. Da heißt es:
„‚Es wird nie ein Loch geben ohne was drum herum‘, sagte Frederick.
‚Aha‘, freute sich Piggeldy, ‚ein Loch ist nur deshalb ein Loch, weil immer was drum herum ist.‘“
Ich habe Edelbauers Roman dafür geliebt, dass sie dieses „Drum herum“ so genial in ihrem klugen und sprachlich toll geschriebenen Roman packt. Und dazu diese treffenden pointierten Beobachtungen wie zu Beginn von Ruths Abenteuer:
„Pensionistengruppen, die ausgerüstet sind, als wollten sie den K2 besteigen, pendeln den ganzen Tag vom einen Eiscafé ins nächste.“
Fazit
Lesen!!!! Wenn man als Leser*in gerne mal ausgetretene Pfade verlässt. 5 von 5 Sternen.
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eBook, ePUB
Das flüssige Land ist ein weiterer Roman, der auf den Shortlisten des Deutschen und Österreichischen Buchpreises von 2019 stand. Die junge Physikerin Ruth wird mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Nein, niemand bequemt sich und bringt ihr …
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Das flüssige Land ist ein weiterer Roman, der auf den Shortlisten des Deutschen und Österreichischen Buchpreises von 2019 stand. Die junge Physikerin Ruth wird mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Nein, niemand bequemt sich und bringt ihr die Meldung persönlich. Es wird angerufen. Dann kommen enge Verwandte, die ihr die Ohren voll jammern und die sie bald bittet, dass sie sich aus ihrer Wohnung entfernen. Beim Denken an die Beerdigung und deren Gestaltung fällt ihr ein, was ihre Eltern irgendwann einmal äußerten: Sie wollten in Groß-Einland beerdigt werden.
Als gehorsame Tochter ohne Geschwister, macht sie sich also auf den Weg in den Ort. Leider ist er auf keiner Karte zu finden und auch im Navi gibt es ihn nicht. Ruth irrt umher und durch Zufall hört sie ein Gespräch, in dem der Name des Ortes fällt. Zwei Männer sind es, die sich unterhalten und sie fährt ihnen hinterher. Obwohl sie deren Auto schnell aus den Augen verliert, gelangt sie doch in den Ort. Dabei fährt sie ihren Wagen zu Schrott und muss ihn reparieren lassen. Sie bleibt viel länger in dem Ort als sie ursprünglich vorhatte.
Das Buch ist das Debüt der Autorin Raphaela Edelbauer. Für mich war es äußerst schwierig, ihren Gedankengängen zu folgen. Zu viele Fragen blieben offen und die die Erzählung für mich unrealistisch. Es folgten zu viele Wechsel in rascher Folge. Die Sprache soll wohl als gehoben gelten, war aber für meine Begriffe nur hölzern. Aus dem Grund gebe ich drei Sterne, denn schlecht ist der Roman nicht. Halt nicht das Richtige für meinen Geschmack.
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