„Nachts, wenn der Tiger kommt“ ist ein unglaublich schönes Buch über das Alt werden. Ich selbst habe eine Mutter in dem Alter von Ruth und sehe, wie auch sie sich trotz Kinder und Enkelkinder einsam fühlt. Dementsprechend fühlte ich mich sofort mit dem Buch und Ruth als Protagonistin verbunden. Sie
ist eine alte, liebenswürdige Persönlichkeit, die mit ihren Zählspielen total süß wirkt. Man möchte…mehr„Nachts, wenn der Tiger kommt“ ist ein unglaublich schönes Buch über das Alt werden. Ich selbst habe eine Mutter in dem Alter von Ruth und sehe, wie auch sie sich trotz Kinder und Enkelkinder einsam fühlt. Dementsprechend fühlte ich mich sofort mit dem Buch und Ruth als Protagonistin verbunden. Sie ist eine alte, liebenswürdige Persönlichkeit, die mit ihren Zählspielen total süß wirkt. Man möchte ihr helfen, mit ihr reden und zeigen, dass auch das Alter geschätzt wird. Auf der anderen Seite ist da Frida, die plötzlich in ihrem Leben auftaucht, und wo man sich als Leser natürlich fragt, stimmt ihre Geschichte, wo kommt sie her und wieso ausgerechnet Ruth. Ich weiß ja nicht, wie es in Australien ist, aber in Deutschland steht nicht plötzlich eine Haushaltshilfe vor der Tür, die der Staat bezahlt und sogar freiwillig schickt. Sie ist eine merkwürdige, beanspruchende Figur, zu der ich weniger guten Zugang fand. Sie wechselt täglich ihre Frisuren, hat sich von vielen Lebensmitteln scheiden lassen und übernimmt viel zu viele Aufgaben für Ruth.
ZITAT S. 14
Sie sah aufs Meer hinaus und zählte die Abfolge der Wellen: Wenn es vor der nächsten großen weniger als acht kleine gab, würde sie den Sand vom Gartenweg fegen.
Es prallen somit zwei Welten auf den Leser ein, die jedoch von der Autorin harmonisch umgesetzt wurden. Generell legt Fiona McFarlane einen Stil an den Tag, der außergewöhnlich lebendig ist. Ihr gelingt es die bewölkte, aber auch sonnige Landschaft einzufangen, sie mit entsprechenden Gefühlen der Figuren zu ummanteln und erschafft damit eine authentische Atmosphäre, die auf der einen Seite beängstigend und doch wieder beruhigend ist. Manchmal schaffte sie es mir sogar kleinere Lachtränen in die Augen zu treiben, wenn sie zum Beispiel von einer einsamen Ananas zwischen vielen Avocados berichtet. Man merkt die Liebe zum Detail, ohne sich darin zu verlieren.
Wie oben schon erwähnt, geht es thematisch nicht nur um das Alter selbst mit seinen Problemen, Krankheiten und Folgen, sondern eben auch um die Einsamkeit, die so manchen überraschen und überfordern kann. Durch die Umsetzung beschäftigt sich der Leser deutlich mehr mit dem Thema, und wird sogar dazu animiert über seine eigene Zukunft nachzudenken. Hinzukommt, dass die Frage aufkommt, ob sich für Ruth alles positiv entwickelt und einen die Frage beschäftigt, ob mit Frida alles stimmt. Das Buch nimmt einen unbewusst gefangen, auch wenn man es gar nicht lesen möchte.
Der einzige Störfaktor, der mir immer wieder aufstieß, war das Verwischen zwischen Realität und Fiktion. Ihr könnt euch sicherlich denken, welche Fiktion ich meine. Ja, der Tiger. Auch ohne ihn wäre das Buch unglaublich toll gewesen, und ich kann als Leser eben auch den Gedanken hinter dieser Idee nachvollziehen. Mein Geschmack ist es jedoch nicht. Man hätte es realistischer gestalten können, statt zu dieser Übertreibung zu greifen. Aber irgendwie passt es auch zu diesem Buch, wo Übertreibungen gerne eingesetzt werden, um sie mit leichter Ironie zu kombinieren. Vielleicht wird auch genau deswegen das Buch so greifbar.
Bis zum Schluss lässt einen das Buch nicht los, und am Ende kommen sogar die eine oder andere Träne zum Vorschein. Obwohl es sich erahnen lässt, ist es ein Ende, dass jeden Leser mit etwas Herz, berühren wird. Dementsprechend kann ich euch das Buch einfach nur ans Herz legen.