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Gewitterwolken schürfen über den Rücken der Pyrenäen und ein Blitz erschlägt den dichtenden Bauern Domènec, dessen junge Frau Sió mit ihrem Schwiegervater und ihren Kindern allein zurückbleibt. Doch das Leben geht weiter. Teilnahmslos beobachten die Berge das Werden und Vergehen derer, die dort leben. Die junge katalanische Schriftstellerin Irene Solà, die für diesen Roman 2020 mit dem Europäischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, erschafft und belebt eine vielstimmige und poetische Welt, erzählt durch starke Frauen und mystische Stimmen von Großeltern, Eltern, Kindern, Tieren, Geistern,…mehr

Produktbeschreibung
Gewitterwolken schürfen über den Rücken der Pyrenäen und ein Blitz erschlägt den dichtenden Bauern Domènec, dessen junge Frau Sió mit ihrem Schwiegervater und ihren Kindern allein zurückbleibt. Doch das Leben geht weiter. Teilnahmslos beobachten die Berge das Werden und Vergehen derer, die dort leben. Die junge katalanische Schriftstellerin Irene Solà, die für diesen Roman 2020 mit dem Europäischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, erschafft und belebt eine vielstimmige und poetische Welt, erzählt durch starke Frauen und mystische Stimmen von Großeltern, Eltern, Kindern, Tieren, Geistern, dem Wald und den Wolken. Sie alle bilden diese Geschichten, die auf eine schöne und magische, aber auch tragische Art und Weise miteinander verbunden sind. Alle vereint im Kreislauf von Geburt, Leben und Tod. Solà erzählt die Geschichte der Berge, die die Erinnerung an Jahrhunderte, an geologische Epochen, politische Konflikte und die Verbindung mit der Natur umfasst.
Autorenporträt
Irene Solà wurde 1990 in Malla geboren, einem Dorf mit ein paar hundert Einwohnern in der Nähe der Stadt Vic, in der Provinz Barcelona. Sie studierte an der Akademie der Künste in Barcelona und hat einen Master-Abschluss in Literatur, Film und visueller Kultur. Im Jahr 2012 veröffentlichte sie den Gedichtband Bèstia, 2017 folgte ihr erster Roman Els dics. Mit ihrem zweiten Roman, Canto jo i la muntanya balla ("Singe ich, tanzen die Berge"), wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Europäischen Literaturpreis 2020. Derzeit wird der Roman in über 21 Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Seit Orpheus ist es der Traum der Dichter, Steine zum Weinen zu bringen, weiß Rezensentin Karin Janker und bereitet darauf vor, dass die katalanische Dichterin Irene Solà in ihrem Roman nicht nur die Pyrenäen zum Sprechen bringt, sondern gleich dazu auch noch die Wolken, die Rehe und die Wasserfrauen. Wenn sie ihnen allen eine Stimme verleiht, dann aber nicht im Sinne einer Parabel, wie Janker betont: Sie stehen hier ganz für sich. Dass dies funktioniert, liegt der Rezensentin zufolge an Solà einfach-kraftvoller Sprache, einer eigenwilligen Herbheit und auch an der Übersetzung von Petra Zickmann, die sehr schön die schroffe Bergsprache ins Deutsche rette.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2022

Die Poesie hat alles
Irene Solà erzählt über die Pyrenäen

Es ist nützlich, schon einmal in den Pyrenäen gewesen zu sein, um sich die erhabene Berglandschaft und die tief in den Kreislauf der Natur eingebettete ländliche Welt vorstellen zu können, in der die junge katalanische Dichterin und Schriftstellerin Irene Solà ihren Roman "Singe ich, tanzen die Berge" angesiedelt hat. Es genügt aber auch, sich die Bilder katalanischer Maler, allen voran Dalí oder Miró, zu vergegenwärtigen, auf denen sich Flora und Fauna, Mensch und Gegenstände in Wesen voll magischer Kraft verwandeln, die Zeit zerläuft und Felsen und Berge sich uralte Legenden zuraunen.

Solà hat einen originellen Erzählstil entwickelt, der die Ich-, gelegentlich auch Wir-Erzählerin in die unterschiedlichsten Figuren schlüpfen lässt. So verwandelt sich die Autorin in diverse handelnde Personen unter allen möglichen Lebensumständen, von der Zeugung bis zum Tod, in Protagonisten von Mythen oder in Alltagsmenschen bei banalen Alltagsverrichtungen. Sie schildert, wie ein Hund Mann und Frau beim Sex zuschaut, wie ein Rehkitz oder ein Kalb ihre Geburt erleben und beschwört im Zeitraffer das scheinbar zeitlose Werden und Vergehen der Pyrenäen im elementaren Kampf von Feuer und Wasser.

Der Roman mit dem katalanischen Originaltitel "Canto jo i la muntanya balla" ist in vier Teile und achtzehn Kapitel gegliedert, in denen Solà jeweils die Erzählperspektive wechselt, was beim Lesen für Spannung sorgt, aber auch zur Unübersichtlichkeit beiträgt, weil immer neue Personen und Schauplätze auftauchen. Immerhin gibt es eine Art roten Faden, der sich um den bei einem Jagdunfall ums Leben kommenden Jungen Hilari windet. Die Handlung lässt sich, soweit sie in der realen Welt der Bewohner spielt, recht konkret in den katalanischen Pyrenäen bei dem Ort Camprodon in der Nähe der Grenze zu Frankreich lokalisieren, sie wendet sich freilich auch ins Sagenhaft-Universelle.

Solàs durch und durch poetische Sprache ist reich an wunderbaren Metaphern und bezieht ihren Reiz von einem klangvoll durchrhythmisierten Duktus, von bewusst gesetzten Wiederholungen, Ein-Wort-Sätzen, lapidaren Kommentaren, Ausrufen und hin und wieder eingestreuten Geräusch-Imitationen - xsssssst, uh, uh, uh, tic, tic, tic. Ihre Erfahrungen als Dichterin bringt sie ganz direkt anhand einiger veritabler Gedichte ein, und sie räsoniert gar über die Dichtkunst: "Die Poesie hat alles. Die Poesie hat Schönheit, sie hat Reinheit, Musik, Bilder, Sprache, sie hat die Freiheit und die Gabe, dich zu berühren und die Unendlichkeit spüren zu lassen. Das Jenseits. Die Unendlichkeit, die weder auf Erden noch im Himmel ist."

Die katalanische Sprache, in der die einunddreißig Jahre alte Autorin schreibt, ist urtümlicher, drastischer, derber als das Spanische. Da kann Solà mit ihrer Lust an der Lautmalerei aus dem Vollen schöpfen. In einem Kapitel freilich ("Das Brüderlein aller") wechselt sie unvermittelt ins Spanische, das nüchterner, lapidarer, "moderner" klingt. Es ist ein subtiler dramaturgischer Kunstgriff, nicht nur weil die gerade handelnden Personen Spanisch sprechen, sondern weil dieser Abschnitt im Buch in die Zeit von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur zurückblendet, als das Katalanische unterdrückt oder gar verboten war.

Für Petra Zickmann, die den Roman ins Deutsche übertragen hat, war es unmöglich, dieses Spiel mit den beiden Idiomen nachzubilden; vielleicht hätte sie mit einem Verweis den Leser auf den Sprachwechsel aufmerksam machen sollen. Ihre Übersetzung gibt recht anschaulich die Grundstimmungen des Romans wieder, sie hätte allerdings für die besonders derben, gar ordinären katalanischen Wörter und Metaphern schärfere und knackigere Entsprechungen im Deutschen finden können. Immerhin vermittelt die deutsche Version dieses zweiten Romans von Solà - nach deren noch nicht übersetztem Erstling "Els dics" (Die Dämme) - einen anschaulichen Einblick in die Erzählkunst einer der großen Begabungen unter den jungen Autoren aus Spanien: "Die Berge, die wir gewesen sind", lässt Solà das Gebirge weissagen, "die Häuser und Nester und Baue, die Terrassenfelder und Gipfelkämme, die wir gewesen sind, werden wir nicht mehr sein. Und unsere Überreste, unsere Trümmer, unser Schutt werden Täler und Ebenen bilden, Tonnen von Geröll, das im Meer versinkt, neue Berge." JOSEPH OEHRLEIN

Irene Solà: "Singe ich, tanzen die Berge". Roman.

Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann. Trabantenverlag, Berlin 2022. 208 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.10.2022

Wenn die
Steine weinen
Irene Solà verleiht den Sagen Kataloniens neue Form
Was hätten die Steine nicht alles zu erzählen, wenn ihnen nur mal jemand zuhören würde. Wie das „Tapp-tapp“ der Tiere sie Abend für Abend in den Schlaf wiegt. Wie sie bebten, als während des Bürgerkriegs die Granaten einschlugen. Oder wie sie sich, noch viel früher, einst emporschwangen zum Himmel, „tonnenweise Felsen und Erde, Granit, Gneis und Kalzit“, sich in Falten legten, um ein Gebirge zu bilden.
Das Gebirge, dessen Felsen in Irene Solàs Roman „Singe ich, tanzen die Berge“ erzählen, sind die Pyrenäen. Die katalanische Autorin bringt sie auf sehr spezielle Weise zum Sprechen und entwirft so eine Natur-Dichtung, die in der zeitgenössischen europäischen Literatur ihresgleichen sucht. Steine zum Weinen zu bringen, ist seit Orpheus Traum der Dichtung. Bei Irene Solà fühlen und erzählen aber nicht nur die Steine, sondern auch Wolken, Totentrompeten, Wasserfrauen, Rehe oder Hunde. Sie sprechen nicht unbedingt miteinander, wohl aber zu den Lesern. Bei Solà hat jede Strophe dieses vielstimmigen Gesangs eine ganz eigene Melodie, einen anderen Takt. Gemeinsam ergeben die Strophen ein Lied, das vom Leben an den kargen Hängen der spanischen Pyrenäen erzählt, real und magisch zugleich.
Solàs Roman, der aus 18 einzelnen Erzählsträngen besteht, die sich nach und nach verweben, setzt ein mit der Rede der Wolken: „Wir kamen mit vollen Bäuchen. Prallvoll. Schwarze Leiber, schwer von dunklem, kaltem Wasser und Blitz und Donner. Wir kamen vom Meer und von anderen Bergen und wer weiß woher noch und hatten wer weiß was gesehen.“
„Singe ich, tanzen die Berge“ ist Solàs zweiter Roman und der erste, der auf Deutsch erscheint. Das Sprechen der Tiere und der angeblich unbelebten Natur, diese besondere Form von literarischem Pathos, beschäftigte die Autorin auch in ihren ersten beiden Werken schon, dem Gedichtband „Bèstia“ und ihrem Erstling „Els dics“. Das mosaikartige Erzählen gehört ebenso zum Stil, den sich die 1990 geborene Autorin mit ihren ersten Werken erarbeitet hat, wie der besondere Rhythmus ihrer Sprache: Die Sätze sind kurz, aber nicht abgehakt, weil sie von einem Legato verbunden werden, das durch Wiederholungen und Taktwechsel erst entsteht.
Nach dem ersten Kapitel ziehen die Wolken weiter, schlaff, leer und verausgabt. Den Menschen, den sie töteten, lassen sie einfach liegen. Ihn werden bald die Wasserfrauen finden, als Hebammen und Hexen sind sie die Brücke zwischen Menschen-, Tier- und Sagenwelt. Eine dieser Wasserfrauen erzählt von der Folter, die sie ihr angetan haben, von den „nach Pisse stinkenden Räumen“, den „langen, langen Seilen“ und den „wollenen Lappen voller Asche“, vor allem aber von der „Warterei, dass ich endlich aufhörte zu lachen und gestand“. Sie wurde als Hexe verfolgt, misshandelt und eingesperrt. Dabei ist sie eine der wenigen Hellsichtigen und weiß daher, dass die Natur sprechen kann. Es ist diese Hellsicht, von der Solàs Roman zehrt.
Dass ihre einfache und doch kraftvolle Sprache auch im Deutschen ihre Wirkung tut, verdankt der Roman, der im kleinen, erst kürzlich in Berlin gegründeten Trabanten-Verlag mit großem Engagement verlegt wird, der Übersetzung von Petra Zickmann. Sie hat den Sound dieser oft schroffen Berg-Sprache behutsam aus dem Katalanischen ins Deutsche hinübergehoben und ihm glücklicherweise seine Herbheit erhalten: „Drinnen waren wir nicht nass. Drinnen waren wir dunkel und warm. Draußen waren wir nass. Und die Augen wussten nicht, was Sehen war, weil sie noch nie gesehen hatten. Drinnen war alles dunkel, und sie wussten nicht, dass sie zum Sehen dienten. Die Lider geschlossen, ruhend. Draußen waren wir nass, und die Luft sagte uns, dass wir nass waren. Ihr seid nass, ihr seid nass, sagte sie. Und die Kälte war zum Verzweifeln. Und Mama kam mit einer Zunge, die warm war wie die Erinnerungen. Mit einer Zunge, die Angst und Blut ableckte.“
Ein junger Rehbock erzählt hier vom Moment seiner Geburt. Hat man so etwas schon gelesen? „Fuchs 8“ von George Saunders fällt einem da gleich ein, wo ein Fuchs von seinem Kampf gegen den Bau eines Einkaufszentrums berichtet. Doch was bei Saunders zurParabel gerät, ist bei Irene Solà ein ganz eigener, in sich stimmiger Kosmos. Hier sprechen die Tiere nicht, um den Menschen eine Lektion zu erteilen. Ihr Sprechen ist nicht bloß ein neuer Aufguss des alten Kampfes Natur gegen Kultur. Es steht autark, ist sich selbst genug.
Solà sagt, sie finde die Inspiration für ihr Schreiben vor allem in der katalanischen Sagenwelt und in den Geschichten ihrer Heimat. Aufgewachsen ist sie in einem winzigen Dorf, 50 Kilometer von der spanisch-französischen Grenze entfernt. Im „leeren Spanien“, dem Demografen schon seit Jahren eine aussichtslose Zukunft bescheinigen. Solàs Stoff ist alt, doch die Autorin hat dafür eine so außergewöhnliche Form gefunden, dass die spanische Literaturwelt nach der Veröffentlichung von „Singe ich, tanzen die Berge“ monatelang außer sich war. Unerhört fand die Literaturkritik diese Sprache und das, was Solà in ihrer literarisch-geologischen Arbeit aus den Felsen der Pyrenäen-Hänge an Schichten und Geschichten herausgeschürft hat.
Nun kann dieser Roman endlich auch für ein deutschsprachiges Publikum zum Erlebnis werden. Ihm sind viele Leser zu wünschen – und es ist vielen Lesern zu wünschen, dass sie ihn entdecken. Denn „Singe ich, tanzen die Berge“ spendet beim Lesen Trost, ganz ohne kitschig sein. Auf schlicht-schöne Weise erzählt der Roman davon der wichtigen Einsicht, dass der Mensch sich nicht allzu wichtig nehmen sollte.
KARIN JANKER
Irene Solà: Singe ich,
tanzen die Berge.
Roman. Trabanten Verlag, Berlin 2022.
207 Seiten, 22 Euro.
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