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gst
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pirna

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Insgesamt 207 Bewertungen
Bewertung vom 09.09.2024
In den Wald
Vaglio Tanet, Maddalena

In den Wald


sehr gut

Rückzug aus dem Leben

Eines Tages verschwand Silvia spurlos, nachdem sie in die Zeitung geschaut hatte. Darin war vom Tod ihrer Schülerin Giovanna zu lesen. Mit knapp zwölf Jahren war die vom Leben in der Pubertät überfordert gewesen.
„Giovanna fühlte sich, als hätte sie jemand reingelegt. Sie hatte nicht absichtlich angefangen zu wachsen; getrieben, versuchte sie, sich im Gleichgewicht zu halten, es war nicht ihre Schuld, wenn sie stolperte. An einem Tag steckte sie sich eine Kippe in den Mund, am nächsten fügte sie sich folgsam dem Nachhilfeunterricht der Lehrerin“ (Seite 41)
Silvia hatte sich dem Mädchen besonders angenommen, fühlte sich jetzt jedoch schuldig. Während die Menschen aus ihrem Heimatdorf sie erfolglos suchten,
„tat sie gar nichts, sie blieb sogar völlig reglos, sie verwandelte sich langsam in eine Pflanze, ein Stück Wald.“ (Seite 107)
Als Martino, ein aus Turin zugezogener Junge sie zufällig fand, bat sie ihn, nichts zu verraten und brachte ihn damit in schwere Gewissenskonflikte.


Der Blick ins Innenleben der Protagonisten ist die Stärke dieses ungewöhnlichen, in Piemont spielenden Debüts. Wie die Autorin am Ende anmerkt, hat sie sich von realen Geschehnissen inspirieren lassen.

Für mich war es ein ungewohntes Leseerlebnis. Die kurzen Kapitel erleichterten und erschwerten das Lesen gleichzeitig, da sie mich jedes mal in andere Situationen warfen. Doch ebenso schnell stellte sich die neuerliche Orientierung wieder ein. Die bildhafte Sprache ließ mich die Gefühle der Personen nachvollziehen und baute gleichzeitig eine diffuse Spannung auf, die es mir schwer machte, das Buch zur Seite zu legen.

Fazit: Ein Buch, das einen guten Einblick in die Köpfe von Menschen gibt, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind und Familienbeziehungen beleuchtet. Für Leser, die neben der Natur eine poetische Sprache lieben!

Bewertung vom 21.08.2024
Mein drittes Leben
Krien, Daniela

Mein drittes Leben


ausgezeichnet

Ein langer Weg zurück ins Leben

„Linda bedeutet die Milde, die Freundliche, die Sanfte. Dieser Name hat nichts mehr mit mir zu tun.“
Nach dem Unfalltod ihrer 17-jährigen Tochter zieht sich Linda aus dem Leben zurück. Sie verlässt Leipzig und ihren Mann Richard und hält sich nur noch mit Routinen und Ritualen über Wasser. Bis sie ihren Rückzugsort verlassen muss und ein neues Leben beginnt.

Daniela Krien hat mich von Anfang an in diese Geschichte hineingezogen und nicht mehr losgelassen. Ich habe mit Linda gelitten und mich über ihre treuen Begleiter (den Hund Kaja und die neue Freundin Natascha) gefreut. In besonders schwierigen Situationen ist sie sich selbst so entrückt, dass sie von sich in der dritten Person spricht. Manchmal denkt sie sogar über Suizid nach, doch dafür scheint sie noch zu sehr am Leben zu hängen. Doch das merkt sie erst, als sie gezwungenermaßen ihr Leben verändern muss. Da entdeckt sie Kleinigkeiten, die ihr Halt geben und fühlt sich nach und nach wieder gebraucht. Bald kommen Momente, in denen sie wieder so etwas wie Glück spürt.

Dieses Buch hat mich tief berührt. Daniela Krien ist ein weiteres Mal über sich hinausgewachsen. Für mich war es ihr fünftes Buch und keines davon hat mich enttäuscht. Sie schafft es wunderbar, sich in ihre Figuren hineinzufühlen. Jedes Wort sitzt nachvollziehbar. Und trotz all der vorhandenen Trauer hat mich das vorliegende Buch nicht in den Abgrund gezogen, sondern die Hoffnung auf eine veränderte Zukunft aufrecht erhalten. Man merkt, dass die Autorin aus einem vielschichtigen Leben heraus schreibt. Chapeau!

Bewertung vom 19.08.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


gut

Traumreise am Ende des Lebens

Dieses Buch entführt uns ins Jahr 1558. König Karl ist 58 Jahre alt, körperlich und seelisch erschöpft. Gichtkrank und fiebrig verbringt er seine letzten Tage im Kloster von Yuste in Spanien. Sein Tagesablauf ist langweilig, bis er auf Geronimo trifft, einen unehelichen Sohn, der nicht weiß, dass sie verwandt sind. Mit ihm zusammen geht er auf eine abenteuerliche Traumreise.

Da der Klappentext nicht viel über die Geschichte verrät, habe ich erst im Laufe der Geschichte recherchiert, dass Arno Geiger hier das Ende des realen Karl V. imaginiert hat. Mit vielen nachgewiesenen Tatsachen gewürzt ist eine Geschichte entstanden, die mich etwas konfus zurückgelassen hat. Gepflegte Langeweile wechselte sich mit lebhafteren Episoden ab. Dabei gerät Karl „über die Ränder der ihm bekannten Welt hinaus“ (Seite 71). Manch gelungene Redewendung versöhnte mich immer wieder mit der Enttäuschung, die mir dieses Buch bereitete.

Die Idee des Autors, sich dem Lebensende anzunähern, fand ich eigentlich ganz interessant. Doch trotz zum Teil an die damalige Zeit angepasste Sprache konnte ich mit dem Inhalt des Buches wenig anfangen. Vielleicht lag es an der niederdrückenden Stimmung, die sich hier verbreitete. Dabei haben mir Arno Geigers Bücher bisher ganz gut gefallen.

Bewertung vom 16.08.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Das Gedächtnis des Wassers

Das Wasser hat in seinem unermüdlichen Kreislauf viel erlebt. Dem geht die Autorin in ihrem Roman nach, der zwischen 630 v.Chr. bis in die Jetztzeit spielt. Vier Personen lässt sie abwechselnd in den Vordergrund treten:

Zuerst tritt König Assurbanipal aus Ninive (in der Nähe des Tigris) in Erscheinung. Er hatte bereits lange vor unserer Zeitrechnung eine legendäre Bibliothek mit 32000 Tontafeln aufgebaut, liebte die Kunst und war ein machtvoller, aber auch grausamer Herrscher.

Scherben dieser Tontafeln faszinierten Arthur, der 1830 als Sohn einer Schatzsammlerin im Themseschlamm geboren wurde und den Namen >König der Abwasserkanäle und Elendsquartiere< erhielt. Er hat in diesem Roman ein unglaubliches Gedächtnis, war sehr wissensdurstig und sein Lebensweg führte ihn schließlich bis nach Mesopotamien.

Das Land zwischen Euphrat und Tigris war 2014 auch das Ziel von Narin und ihrer Großmutter. Beide gehören zu den Yesiden, die wegen eines geplanten Stausees aus der Heimat vertrieben und unsäglichen Grausamkeiten durch den IS ausgesetzt sind.

Die in London lebende Hydrologin Zaleekhah stammt aus dem Irak und stellt immer wieder die Verbindung zum Wasser her.


Das Buch beginnt ziemlich brutal, doch dann wird es unglaublich interessant. Wir bekommen Informationen über das Altertum und hören von Geschichten aus der Bibel, die schon lange vor der Niederschrift von Generation zu Generation weitererzählt wurden. Die Zeit, in der das British Museum in London Fragmente aus der Ferne bekommt und diese ausgewertet werden, regt ebenso zum Weiterrecherchieren an, wie die Jetztzeit, in der der IS die Macht übernimmt und sich zum Herrscher aufspielt.


Die britisch-türkische Schrftstellerin Elif Shafak wurde im Oktober 1971 in Straßburg geboren und gehört in der Türkei zu den meistgelesenen Schriftstellern. Für mich war >Am Himmel die Flüsse< nach >Der Architekt des Sultans< und >Das Flüstern der Feigenbäume< ihr drittes Buch. In allen thematisiert sie die Vergangenheit. Sie erzählt mitreißend vom Orient und macht auf viele Probleme aufmerksam, die das Leben in der Fremde mit sich bringt.


Mich hat dieses von Pegah Ferydoni eingelesene Hörbuch knappe 15 Stunden regelrecht in sich hineingezogen. Mehrmals habe ich mir gegönnt, nichts nebenbei zu tun, sondern mich ganz entspannt hinzusetzen und nur der Stimme und der außerordentlich gelungenen Geschichte zu lauschen. Das war eine tief beeindruckende Erfahrung und hat mir eine Menge Wissen vermittelt.


Fazit: Ein Highlight des Bücherjahres 2024.

Bewertung vom 13.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

Freundschaften

„Ganze Bücher könnte man füllen mit den ungesagten Worten.“

Rasha Kayat lässt Hanna über ihre Freundschaft mit Cem und Zeyna erzählen. Viel haben die drei zusammen in ihrer Kindheit und Jugend zusammen erlebt. Cem, in Deutschland mit türkischen Wurzeln geboren, weiß ebenso wie beiden anderen was Armut bedeutet. Zeyna kam als Kind nach dem Tod ihrer Mutter mit dem Vater nach Deutschland. Hanna wächst bei ihren Großeltern auf, der Vater ist unbekannt, die Mutter nicht mehr da. Ihr Großvater freundet sich mit Zeynas Vater an und die beiden Mädchen wachsen fast wie Schwestern auf.

Doch irgendetwas ist geschehen, denn als Hanna nach dem Tod ihrer Großeltern wieder in der alten Heimat lebt, will Zeyna keinen Kontakt mehr zu ihr haben. Nach und nach erfahren wir, was die beiden alles miteinander erlebt haben, doch wie der Bruch zustande kam, bleibt lange im Verborgenen. Nur Cem ist weiterhin ein treuer Begleiter für Hanna.


Rasha Khayat geboren 1978 in Dortmund, wuchs in Jeddah, Saudi-Arabien, auf. Als sie elf war, siedelte ihre Familie nach Deutschland zurück. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaften, Germanistik und Philosophie in Bonn. Seit 2005 arbeitet sie als freie Autorin, Übersetzerin und Dozentin. ›Ich komme nicht zurück‹ ist ihr zweiter Roman. Nachdem mir ihr 2016 erschienenes Debüt ›Weil wir längst woanders sind‹ schon sehr gut gefallen hatte, empfand ich es als Muss, auch diesen Roman zu lesen. Er hat mich vor allem in der zweiten Hälfte tief berührt.


Sie bearbeitet darin viele Themen. Zwischen den Zeilen ist Hannas Eifersucht auf Zeyna herauszulesen, weil sich die Großmutter genauso rührend um das mutterlose Mädchen kümmert, wie um die Enkelin. Sie thematisiert die Familienbande ebenso, wie Erinnerungen an den 11.September 2001, als der Terroranschlag auf die New Yorker Zwillingstürme auch das Verhältnis zu arabischstämmigen Menschen in Deutschland beeinflusste.

Bei mir entstanden während des Lesens deutlich Bilder, die Gefühle erwachen ließen. Ich empfand Rasha Khayats Worte als wahre Kunst, weil sie mich so unmittelbar ansprachen und mich teilweise in die Haut der Erzählerin schlüpfen ließen.


Fazit: Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.07.2024
Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland
Brooks, Sarah

Handbuch für den vorsichtigen Reisenden durch das Ödland


ausgezeichnet

Eine ganz besondere Reise

Als ich dieses Buch zur Hand nahm, habe ich einen Reisebericht zur Transsibirischen Eisenbahn im Jahre 1899 erwartet. Das Cover und die Leseprobe hatten mir Lust auf dieses Buch gemacht. Bekommen habe ich allerdings viel mehr: Einen Roman voller Überraschungen, Spannung und Mystik – ein ganz außergewöhnliches Abenteuer.

Doch von vorn: Schon während der Vorstellung der einzelnen Reisenden herrscht eine eigenartige Stimmung. Egal ob es sich um Maria handelt, die unter einem falschen Namen reist, oder den Naturforscher Grey; alle rechnen mit einer Reise voller Gefahren. Erst nach und nach wird klar, worin die bestehen. Aber das sollte jeder Interessierte selbst nachlesen. Auf dieses Buch sollte man sich einlassen, ohne vorher zu viel vom Inhalt zu kennen. Nur so kann man die Spannung genießen, das Mystische auskosten.

Das Buch ist voller Überraschungen. Mich hat es ein wenig an das Leseerlebnis erinnert, das ich vor vielen Jahren im ersten Teil der Tintenblut-Trilogie von Cornelia Funke hatte. Auch dort standen unheimliche Dinge im Vordergrund.

Sahra Brooks ist mit ihrem Debütroman ein großartiger Wurf gelungen. Ihr Schreibstil ist bildhaft und hebt die teilweise gruseligen Aspekte gekonnt hervor. Die Charaktere sind vielfältig und so beschrieben, dass sie sich gut auseinander halten lassen. Das Unheilvolle, das über der ganzen Reise schwebt, kann Gänsehaut entfachen. Auch spart sie nicht an Gesellschafts- und Umweltkritik. Kurzum: Wer mal etwas ganz anderes lesen möchte, ist hier gut aufgehoben.

Bewertung vom 16.05.2024
Windstärke 17
Wahl, Caroline

Windstärke 17


ausgezeichnet

Dramaqueen
Eigentlich hatte ich mich auf die Fortsetzung von „22 Bahnen“ gefreut. Darin hatte Tilda von ihrem Leben mit der alkoholkranken Mutter erzählt. Nun erzählt Ida, wie es ihr nach dem Leben allein mit der Mutter und deren Tod ergeht Sie leidet sehr darunter, dass sie es gewagt hat, an sich zu denken und nach Prag zu fahren. Dabei ging es der Mutter schon lange schlecht. Es war nicht damit zu rechnen, dass sie ausgerechnet während dieser paar Tage die Wohnung putzt und sich mit einer Überdosis von der Welt verabschiedet. Ida ist völlig am Boden zerstört und nicht fähig, ihre Schwester zur Beerdigung zu begleiten – was ihr schlechtes Gewissen noch schwerer macht. Als Tilda mit ihrer Familie wieder zurück ist in Hamburg, kündigt Ida die Wohnung und reist so weit weg, wie es mit der Fahrkarte, die ihr die Schwester geschickt hat, möglich ist. In diesem Buch begleiten wir die junge Frau nach Rügen und tauchen in ihre Gedankenwelt ein.


Caroline Wahl lässt uns jeden Schritt der Protagonistin verfolgen. Dabei bleibt es nicht aus, dass wir mit ihr mitleiden. Zwar gibt es auch Lichtblicke in ihrem Leben, doch die halten nicht lange an. Sie tut sich schwer, auf Menschen zuzugehen, die es gut mit ihr meinen und auch ihr Schreibtalent auszuleben, ist ihr kaum möglich.

Die minutiös festgehaltenen Gedanken von Ida haben mich teilweise gelangweilt und manche Stellen kamen mir sogar aufgebläht vor. Es ist zwar kein Wunder, dass Ida traumatisiert ist und keine gute Meinung von sich hat, doch das in einem Buch nochmal haarklein zu lesen, sprach mich nicht (mehr) an. Zur Zeit bevölkern zu viele Bücher mit problematischen Geschichten den Markt. Mir wären inzwischen aufbauende Bücher sympathischer.


Zwei Stellen möchte ich herausgreifen.

1 Da geht Ida am Strand von Rügen entlang, wo nur noch ein paar nackte Badegäste sind. Es entspinnt sich ein Gespräch mit ihrer Begleitung, in dem Ida sagt, sie könne nicht so nackt herumlaufen, sie wolle nicht so viel von sich preisgeben. „Es geht niemanden was an, wie ich von außen oder von innen aussehe.“ Dabei ist das ganze Buch eine Preisgabe ihres Inneren, eine reine Nabelschau.

2 Früher hat Ida gemalt. Jetzt schreibt sie: „ Schreiben und Geschichten waren irgendwie mein Ding. Und flüchten funktionierte mit Geschichten erzählen fast noch besser als mit Lesen. Weil ich mich konzentrieren musste. Wichtig war nur, dass es nicht um mich ging.“ Doch in diesem Buch geht es aus ausschließlich um sie und ihre Gefühlslage.


Dass meine Bewertung trotz der Kritik am Inhalt des Buches nicht soo schlecht wird, liegt am guten Schreibstil der Autorin. Nur wäre es schön, wenn sie auch mal positivere Themen aufgreifen würde. Die Welt um uns herum ist schon negativ genug.

Bewertung vom 02.05.2024
Die Blumentöchter Bd.1
Collins, Tessa

Die Blumentöchter Bd.1


sehr gut

Auf nach Mexiko

Wie schön, dass es Lesechallenges gibt, die einen auf Lektüre aufmerksam machen, die man sonst vielleicht nie in die Hand genommen hätte! Auf der Suche nach einem Buch mit farbigen Schnitt bin ich auf dieses sehr blumig gestaltete Exemplar gestoßen, das sich für mich als Pageturner entpuppt hat.

Ich durfte die 28jährige Dalia kennenlernen, deren Mutter bereits bei ihrer Geburt verstorben war, weshalb sie bei ihren Großeltern in Cornwall in einer Großfamilie aufwuchs. Von ihrem Vater weiß sie nur, dass er Mexikaner ist. Um ihn zu suchen, reist sie nach Mexiko – in die Vergangenheit ihrer Mutter, die sich sehr für die Kultur der Mayas interessiert hatte.

Diese Geschichte liest sich märchenhaft und lässt LeserInnen träumen von einer bunten, lebhaften Welt, von schmackhaften Gerichten, zugewandten Menschen und lebensfrohem Trubel. Abwechselnd erzählt die Autorin von Dalias Reiseerlebnissen in der Gegenwart und der Vergangenheit ihrer Mutter. Wobei ich dabei manchmal die Orientierung verlor, da sich die überschneidenden Erzählstränge sehr ähnelten. Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen, denn die Autorin versteht es, Emotionen fühlbar zu machen und den Humor nicht außen vor zu lassen.

Sicher gibt es extrem viele Zufälle, die man sich im „normalen“ Leben nicht vorstellen kann. Aber warum nimmt man ein Buch zur Hand: Um in der Realität zu verweilen oder um sich von seinem Alltag ablenken zu lassen? Ich habe mich bei diesem Buch für die zweite Möglichkeit entschieden und habe es nicht bereut, mich ein paar Tage in einer farbenprächtigen Welt aufzuhalten, in der die Menschen liebevoll miteinander umgehen und für die meisten Probleme Lösungen finden.

Fazit: Eine gelungene Auszeit für alle, die dabei sind, an der Realität zu verzweifeln.

Bewertung vom 25.04.2024
Astrids Vermächtnis
Mytting, Lars

Astrids Vermächtnis


ausgezeichnet

Der letzte Teil der Schwesternglockentrilogie

Zum dritten Mal habe ich mich von Lars Mytting nach Butangen im norwegischen Gudbrandsdal mitnehmen lassen, um der Geschichte der Schwesternglocken zu folgen. Gleich zu Beginn hat der Autor die Geschichte der siamesischen Zwillingsschwestern Halfried und Gunhild Hekne zusammengefasst, so dass ich trotz des größeren Abstandes zur letzten Lektüre über die Glocken, die den Namen der Schwestern zu deren Ehre erhielten, sofort wieder mit der Geschichte vertraut war.

In diesem Buch werden die Jahre 1936 bis 1945 beleuchtet, als die Deutschen Norwegen überfielen. Über Kriege zu lesen fällt mir schwer, ich mag keine Grausamkeiten. Doch der Autor schafft es in seiner Art zu erzählen, mich bei der Stange zu halten. Die Menschen, von denen er berichtet, sind aus Fleisch und Blut. Sie leben in ihrem abgelegenen Bergdorf mit Mythen und Aberglauben und geben nicht so schnell auf. Auch die eine, ihnen noch gebliebene Schwesternglocke, verteidigen sie mit allen Kräften gegen die Feinde, die sie unbedingt in Dresden mit der anderen Glocke vereinigen wollen.

In diesem Buch begleiten wir vor allem den langjährigen Pfarrer Kai Schweigaard, der nach 60 Jahren Dienst kurz vor seiner Abberufung steht. Er hat inzwischen eingesehen, dass er in seinen Anfangsjahren einen großen Fehler begangen hat, indem er die alte hölzerne Stabkirche nach Dresden verkaufte. Nun will er verhindern, dass die zweite Glocke, die vorübergehend im tiefen Wasser unauffindbar war, auch nach Dresden geholt wird, Unterstützt wird er dabei von der jungen Astrid Hekne, deren gleichnamige Großmutter er sehr geliebt hatte.

Es war schön, vielen Personen aus den beiden vorhergehenden Büchern wieder zu begegnen. Die karge, unwirtliche Landschaft weiß der Autor so zu schildern, dass sie erlebbar wird. Da konnte ich im Buch versinken. Weniger schön war für mich der Einblick in die Angst und die Grausamkeiten des Krieges. Das zu lesen hat mir Probleme bereitet, obwohl mich viele Stellen trotzdem fesselten.

Bewertung vom 29.03.2024
Demon Copperhead (MP3-Download)
Kingsolver, Barbara

Demon Copperhead (MP3-Download)


gut

Schwieriges Leben mit Drogengeschichte

Zu Beginn war ich begeistert von diesem Roman, der mich mitgenommen hat nach Amerika, in einen Trailerpark, wo ein kleiner Junge von seiner drogensüchtigen Mutter geboren wurde. Sein Leben war alles andere als einfach, er bekam einen Stiefvater, der ihn "erziehen" wollte, verlor seine Mutter und den noch ungeborenen Bruder, kam von einer Pflegefamilie in die nächste. Bis er seine Großmutter kennenlernte, war ich ganz bei der Sache. Auch noch, als die ihn zu einem Pflegevater vermittelte, der ihn zum Baseballspieler machte. Demon wurde immer besser und hatte in seiner Pflegeschwester einen wirklichen Kameraden – bis er sich schwer verletzte und von einem Arzt Drogen zur Schmerzbekämpfung bekam. Ab da ging es bergab: Er wurde selbst süchtig, nachdem er das seine ganze Kindheit und Jugend umgehen konnte. Und da verlor mich die Geschichte. Ich hörte sie trotzdem bis zum Ende und wurde letztendlich auch teilweise wieder versöhnt. Aber die Begeisterung war dahin. Was nicht am Sprecher (Fabian Busch) lag, der den Ton von Demon recht gut rüberbringen konnte. Aber die verzweifelte Suche, sich im Elend einzurichten und der viel zu spät entstandene Wunsch, ihm wieder zu entkommen, haben mich verzweifeln lassen. Dabei hatte der Junge Talente, die er in klaren Momenten auch einzusetzen wusste!


Die amerikanische Schriftstellerin Barbara Klingsolver wurde am 8.April 1955 in Annapolis, Maryland geboren. Sie wuchs im ländlichen Kentucky in einer Arztfamilie auf und lebte als Siebenjährige kurze Zeit mit ihren Eltern in Belgisch-Kongo. Sie studierte erst Klavier, später Biologie, ging für ein Jahr nach Frankreich und lebte dann zwanzig Jahre in Tucson, Arizona, wo sie 1980 einen M.A. in Umweltwissenschaften und Biologie machte. Eine Zeit arbeitete sie als freiberufliche Journalistin. Ihr erster Roman erschien 1988: Das Bohnenbaumglück. Es folgten zahlreiche weitere Werke, in denen sie aktuelle Themen des liberalen US-amerikanischen Bildungsbürgertums aufgreift. Ihre Bücher gelangten regelmäßig auf die Bestsellerliste der New York Times. Für ihr neuestes Werk, den umfangreichen Demon Copperfield erhielt sie 2023 den US-amerikanischen Pulitzer-Preis für Belletristik.