© Marcus Höhn
Alexa Hennig von Lange
Alexa Hennig von Lange, geboren 1973, wurde mit ihrem Debütroman 'Relax' 1997 zu einer der erfolgreichsten Autorinnen ihrer Generation. Es folgten zahlreiche weitere Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Jugendbücher. 2002 wurde Alexa Hennig von Lange mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Bei DuMont erschienen die Romane 'Risiko' (2007), 'Peace' (2009) und 'Kampfsterne' (2018). Die Schriftstellerin lebt mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern in Berlin.
Kundenbewertungen
Vergangenheitsbewältigung und ein Stück Zeitgeschichte
Was macht ein betagter Mensch, der immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt und nicht in Ruhe gelassen wird? Er verschafft sich Luft, indem er Erlebtes in Worte fasst, diese auf Tonbandkassetten festhält und damit gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte...
Vergangenheitsbewältigung und ein Stück Zeitgeschichte
Was macht ein betagter Mensch, der immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt und nicht in Ruhe gelassen wird? Er verschafft sich Luft, indem er Erlebtes in Worte fasst, diese auf Tonbandkassetten festhält und damit gleichzeitig ein Stück Zeitgeschichte an die Nachwelt weitergibt.
So jedenfalls macht es die über 90-jährige Klara, die während des Nationalsozialismus Leiterin eines Kinderheims in Oranienbaum wird und mit gesellschaftlichen sowie politischen Entwicklungen, absonderlichem Gedankengut und deren unmittelbaren Folgen hautnah in Berührung kommt, zumal sie die Betreuung eines jüdischen Mädchens übernommen hat.
„Die karierten Mädchen“ von Alexa Hennig von Lange erzählt Klara’s Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht und sich absolut authentisch darstellt. Der Leser lernt eine starke Frau kennen, nimmt an ihrem Leben und Schicksal teil, fiebert mit und wird noch dazu in ein leider schreckliches Kapitel deutscher Vergangenheit zurückversetzt. Die Autorin hat es mit ihrem einfachen, dennoch bildhaften und eindrücklichen Schreib- und Erzählstil sowie einer überaus sympathischen Hauptfigur geschafft, mich ein- und gefangenzunehmen. Ich bin eingetaucht, habe mitgelitten und mich an keiner Stelle gelangweilt gefühlt.
Der erste Teil der Trilogie wirkt bei mir noch immer nach und lässt auf die Fortsetzungen hoffen. Ihn zu lesen, lohnt sich in meinen Augen wirklich.
Hut ab für ein gelungenes Buch gegen das Vergessen.
0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
20.08.2024
Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange ist der 3. Band der Heimkehr-Trilogie.
Die Trilogie ist an das Leben der Großmutter der Autorin angelehnt, die 130 Tonbandkassetten hinterlassen hatte. Auf diesen berichtet sie aus ihrer Jugend Ende der 1920er und 1930er Jahre, ihrer Zeit als Leiterin...
Vielleicht können wir glücklich sein von Alexa Hennig von Lange ist der 3. Band der Heimkehr-Trilogie.
Die Trilogie ist an das Leben der Großmutter der Autorin angelehnt, die 130 Tonbandkassetten hinterlassen hatte. Auf diesen berichtet sie aus ihrer Jugend Ende der 1920er und 1930er Jahre, ihrer Zeit als Leiterin des nationalsozialistischen Frauenbildungsheims in Sandleben vor und während des Zweiten Weltkrieges und vor allem auch aus ihrer Zeit als Mutter von vier kleinen Kindern.
Band 3 spielt 1944/45. Klara hat sich schweren Herzens dazu entschlossen, die Leitung des Frauenbildungsheims an ihre frühere Schülerin Fritzchen abzugeben. Ihr Mann Gustav ist an Front, sie lebt mit ihren vier Kindern unweit ihrer früheren Wirkungsstätte. Ein14jähriges Pflichtjahrmädchen unterstützt sie im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Eines Tages wird bei einem der Kurkinder im Heim Diphterie diagnostiziert, eine Krankheit, die damals oft einen tödlichen Verlauf hatte.
Klaras Gedanken sind oft bei dem jüdischen Mädchen Tolla, das sie vor Kriegsbeginn dem Zugriff der Nazis entziehen wollte. Tolla schreibt ihr Postkarten aus Theresienstadt, und Klara macht sich große Vorwürfe, dass sie das Mädchen nicht retten konnte.
Kurz vor Kriegsende werden die umliegenden Orte vermehrt von den Alliierten bombardiert, das Lazarett ist überfüllt, russische Soldaten werden in Klaras Haus einquartiert. Auch der 14jährige Berti, den Klara von klein auf kennt, muss an die Front.
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, in den Kapiteln wird abwechselnd Klaras und Isabells Geschichte erzählt. Isabell, Klaras Enkelin, und ihre Mutter Inge lösen den Haushalt der verstorbenen Klara auf. Dabei finden sie nicht nur die bereits erwähnten Tonbandkassetten, sondern auch Tagebücher, die Gustav geschrieben hatte. Auf den Tonbandaufnahmen finden sich auch Erinnerungen aus der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre. Ob daraus ein neuer Roman entsteht? Ich würde mich sehr freuen!
Der knapp sechs Jahre alte Georg-Friedrich ist mir ganz besonders ans Herz gewachsen. Ein kluger kleiner Junge, der sich hingebungsvoll um seine Schwestern kümmert und der Mutter hilft, wo er kann.
Die Autorin hat das Leben als Mutter damals und heute (Isabell hat eine kleine Tochter) authentisch dargestellt. Ich mag es mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, den Krieg als Mutter mit vier kleinen Kindern zu erleben. Klara hatte es sogar geschafft, für die Kinder einen Weihnachtsmann und kleine Geschenke zu organisieren. Es wurde auch noch von ihr erwartet, dass sie den Posten der Frauenschaftsführerin übernimmt, nur eine hartnäckige und schlecht heilende Venenentzündung hatte sie davor bewahrt, diese Aufgabe zu übernehmen.
Ein wunderbarer Abschluss der Trilogie, die ich sehr gern gelesen habe und allen LeserInnen von historischen Romanen ans Herz legen möchte. Zum Schluss möchte ich noch Isabell zitieren, die einen Roman über das Leben ihrer Großmutter schreiben möchte: „Natürlich hatten sie in der Oberstufe über die Zeit des Nationalsozialismus gesprochen. Aber all das, was sie als Jugendliche erfahren hatten, war so schwer erfassbar gewesen. Alles war seltsam eindimensional und unwirklich geblieben, so dass sie in dieser dunklen Ära zwischen den Daten, Zahlen und Fakten die Menschen gar nicht mehr erkennen konnte. Sie wollte fühlen, wie es damals gewesen sein könnte.“ Mit der Trilogie hat die Autorin es geschafft: Ich konnte die damaligen Ereignisse fühlen.
Berührend
Meine Meinung zur Autorin und Buch
Alexa von Lange ist mit ihrem letzten Band ihrer Trilogie ein großartiger Abschluss gelungen. Er hat mich ebenfalls so begeistert wie ihre ersten beiden Bände , der Abschluss hat mich sehr berührt, und auch vieles in Frage gestellt, hatten wir damals Schuld , oder ...
Berührend
Meine Meinung zur Autorin und Buch
Alexa von Lange ist mit ihrem letzten Band ihrer Trilogie ein großartiger Abschluss gelungen. Er hat mich ebenfalls so begeistert wie ihre ersten beiden Bände , der Abschluss hat mich sehr berührt, und auch vieles in Frage gestellt, hatten wir damals Schuld , oder Angst, hätten man früher reagieren müssen und die Nazis nicht erst groß werden lassen. Mich Quellen alle diese Fragen genauso wie Isabell , deshalb bin ich so froh das sie uns tiefe Einblicke in Klaras Leben gegeben hat , und wir verstehen können, was sie so quälte.
Gut das Enkelin Isabell , diese 100 besprochene Kassetten von ihrer Großmutter Klara nach deren Tod , beim Auflösen des Hauses gefunden hat.
Tatsächlich hat sie es geschafft sich durch alle diese Kassetten durchzuarbeiten und über Klaras Leben ein Buch zu schreiben.
Sehr schön hat sie alles eingefangen , diese furchtbaren Gewissensbisse, das sie ihr geliebtes Jüdisches Findelkind Tolla , in guter Absicht wegbrachte um es mit einer Organisation nach England in Sicherheit zu bringen. Der zweite Weltkrieg tobt , Klara muss ihre vier Kinder alleine durch bringen, ohne ihren Geliebten Mann Gustav, der in den Krieg ziehen musste . Sie hat bisher die Haushaltungsschule geführt, und immer wieder geschickt versucht die Ideologien der Nazis zu umschiffen, den sie möchte ihre Schützlinge zu ehrliche und Aufrichtigen Menschen erziehen. Das selbe tut sie auch mit ihren eigenen Kindern. Ich habe Klara bewundert, wie liebevoll sie mit ihren Kindern und den Pflichtjahrs Mädchen umgeht . Diese schlimme Zeit der Entbehrungen, Hunger, Krieg , Leid und Tod hat Sie sehr feinfühlig erzählt, und die damalige dunkle Zeit sehr gut eingefangen. Das bangen und hoffen um ihre Kinder und das ihr Mann lebendig aus dem Krieg zurückgekommen wird. Denn der Krieg kommt immer näher zu Ihnen. Ihre Schuldgefühle sind groß , aber fragen wir uns ganz ehrlich, wer von uns ist ohne Schuld.
10.07.2022
Das Buch "Die karierten Mädchen" von Alexa Hennig Van Lange hat mich tief bewegt. Die Geschichte der über 90-jährigen Klara erzählt rückblickend von einer Zeit in der niemand gerne gelebt haben möchte. Der 1. Band einer Trilogie spielt in der Weltwirtschaftskrise und der anschließenden Machtübernahme durch das ...
Das Buch "Die karierten Mädchen" von Alexa Hennig Van Lange hat mich tief bewegt. Die Geschichte der über 90-jährigen Klara erzählt rückblickend von einer Zeit in der niemand gerne gelebt haben möchte. Der 1. Band einer Trilogie spielt in der Weltwirtschaftskrise und der anschließenden Machtübernahme durch das Naziregime. Beklemmend und sehr anschaulich wird der Weg der jungen Klara erzählt, die erst als Lehrerin und dann später als Leiterin eines Kinderheimes arbeitet. Anfangs noch sehr naiv bezüglich der politischen Richtung muss sie sich immer mehr anpassen um das Heim und alle Beteiligten nicht untergehen zu lassen. Und sie muss eine sehr schwere Entscheidung treffen, die sie auch noch 70 Jahre später emotional sehr aufwühlt und die sie ihren 4 Kindern bisher verschwiegen hat.
Diese Geschichte ist inspiriert von den Lebenserinnerungen der Großmutter der Autorin.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen und es gibt von mir eine volle Leseempfehlung.
0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
18.07.2022
Die Lebenserinnerungen ihrer Großmutter veranlasste die Autorin Alexa Hennig von Lange dazu, eine bewegte Geschichte in Form einer Trilogie zu schreiben. " Die karierten Mädchen" ist der erste Band.
Die junge Protagonistin Klara übernimmt 1929 die Leitung eines Kinderheimes in Oranienbaum. Das kleine Mädchen Trol...
Die Lebenserinnerungen ihrer Großmutter veranlasste die Autorin Alexa Hennig von Lange dazu, eine bewegte Geschichte in Form einer Trilogie zu schreiben. " Die karierten Mädchen" ist der erste Band.
Die junge Protagonistin Klara übernimmt 1929 die Leitung eines Kinderheimes in Oranienbaum. Das kleine Mädchen Trolla, das ihr vorübergehend zur Betreuung überlassen wird, schließt Klara sofort in ihr Herz. Als feststeht, dass die Kleine wohl nicht mehr zu ihrer jüdischen Mutter zurückkann, ist sich Klara sofort sicher, dass sie das Kind an Mutterstelle annimmt. Noch weiß sie nicht, dass mit dem Beginn des Nationalsozialismus auch Klara in eine andere Denkweise umschwenken muss. Denn der Bestand des Kinderheimes wäre sonst in Gefahr. Und Trolla würde ihr womöglich genommen werden. Einzige Ablenkung sind die Gedanken an einen jungen Mann, den Klara bei einer Zugfahrt kennenlernt.
Am Ende ihres Lebens ist Klara über 90 Jahre alt, zwischenzeitlich erblindet, und hat auf dutzende Tonkassetten ihr bewegtes Leben gesprochen.
0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
Klara ist 21 Jahre alt und erblindet, als sie plötzlich auf die Idee kommt, ihre Lebenserinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Sie beginnt, als sie im Jahr 1929 als junge Lehrerin eine Stelle in einem Kinderheim in Oranienbaum antritt. Eines Tages wird dort ein kleines jüdisches Mädchen namens Tolla abgegeben. Die K...
Klara ist 21 Jahre alt und erblindet, als sie plötzlich auf die Idee kommt, ihre Lebenserinnerungen auf Kassetten zu sprechen. Sie beginnt, als sie im Jahr 1929 als junge Lehrerin eine Stelle in einem Kinderheim in Oranienbaum antritt. Eines Tages wird dort ein kleines jüdisches Mädchen namens Tolla abgegeben. Die Kleine faßt zu Klara sofort vertrauen. Die Not dieser Jahre trifft auch das Kinderheim und Klara sieht keinen anderen Weg, als sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren. Sehr spät merkt sie, mit welchen menschenverachtenden Parolen diese das Volk aufhetzen. Die Gefahr für Juden wird immer größer. Damit Tolla bei ihr bleiben kann gibt, sie das Kind als ihr eigenes aus. Da Klara inzwischen eine Vorzeigeschule der neuen Regierung leitet, kommen immer wieder Nazi-Größen zu Besuch. Klara kann Tolla nicht mehr verstecken. Sie hat große Angst, daß ihre Lüge ans Licht kommt und trifft eine harte Entscheidung.
Alexa Hennig von Langes Buch "Die karierten Mädchen" ist ein ganz besonderes Buch. Die Autorin verarbeitet darin die Erinnerungen ihrer Großmutter, die tatsächlich über 130 Kassetten besprochen hat. Ich stelle es mir aufregend vor, die Stimme der Großmutter nach ihrem Tod zu hören und ihren Erinnerungen zu lauschen. Ob man ihr jemals zu ihren Lebzeiten so nahe gekommen ist, ist fraglich. Die Geschichte beschreibt ein ungewöhnliches Leben. Wer hat damals schon Kontakt zu den Nazi-Größen gehabt? Trotzdem wirft die Handlung Fragen auf., die sich jeder in dieser Zeit stellen mußte: Wie weit geht der Selbsterhaltungstrieb und was kann ich ohne Regung mitansehen? Hier trifft der Bibelspruch: "Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein" voll zu. Es sind nicht die Erinnerungen allein, die so ans Herz gehen. Auch die warmherzige und liebevolle Erzählweise der Autorin macht die Geschichte so richtig angenehm. Man erlebt deutsche Geschichte aus der Sicht des einfachen Volkes und erfährt dabei noch kuriose Einzelheiten (Sonntagsbraten). "Die karierten Mädchen" ist ein Buch, das ich so schnell nicht vergessen werde!
0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
09.08.2022
Ich habe dieses Buch ziemlich zügig durchgelesen, weil es mich einfach direkt gefesselt hat. Ich fand die Rahmenhandlung des Buches - dass eine alte Frau ihre Erinnerungen an ihre Vergangenheit wären der Nazizeit auf Kassetten spricht. Das war für mich sehr stimmig und hat einen sehr guten Rahmen gebildet.
Es geh...
Ich habe dieses Buch ziemlich zügig durchgelesen, weil es mich einfach direkt gefesselt hat. Ich fand die Rahmenhandlung des Buches - dass eine alte Frau ihre Erinnerungen an ihre Vergangenheit wären der Nazizeit auf Kassetten spricht. Das war für mich sehr stimmig und hat einen sehr guten Rahmen gebildet.
Es geht um eine junge Frau, die in einem Erholungsheim für lungenkranke Kinder als Lehrerin arbeitet und später die Leitung des Heimes übernimmt. Eines Tages nehmen sie in Baby im Heim auf, das bald zur Waise wird. Die junge Frau nimmt sich des Kindes an, und bald wird es zu ihrer Tochter. Doch dann kommen die Nazis in Deutschland an die Macht, und während die junge Frau lange Zeit nicht glauben will und kann, was Schlimmes in Deutschland vorgeht und welche Konsequenzen das für sie und ihre Arbeit hat, erfährt sie, dass das kleine Mädchen, das sie als ihre Tochter ausgibt, Jüdin ist. Und das zwingt sie zum Handeln...
Was mir an diesem Buch wahnsinnig gut gefällt ist die Tatsache, dass es der Autorin gelingt, zu verdeutlichen, in welch schwieriger Situation sich die Deutschen damals befunden haben. In welche Gefahr man geraten ist, wenn man nicht den Befehlen der NSDAP gefolgt ist. Dass man sich entscheiden musste, entweder so zu arbeiten, wie der Staat es verlangt hat oder seinen Job zu verlieren, was zu diesem Zeitpunkt noch schlimmer war als heute. Die junge Protagonistin gerät immer wieder in solche Situationen, die sie zwingen, gegen ihre Moral und ihr Gewissen zu nadeln, um sich selbst und andere zu schützen. Und auch bezüglich ihres kleinen Mädchens kann sie irgendwann nicht mehr nur darauf hoffen, dass es unentdeckt bleibt...
Ich freue mich schon sehr auf die nächsten beiden Bände!
1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
24.07.2022
Die karierten Mädchen ist keine leichte Kost. Die Autorin erzählt die Geschichte Ihrer Großmutter, die in der Zeit des beginnenden Nazi-Regimes die "Ersatzmutter" für ein jüdisches Mädchen wird. Die Zerrissenheit der jungen Frau zwischen Ihrer Verpflichtung den Mädchen in Ihrer Obhut gegenüber und der Ablehnung...
Die karierten Mädchen ist keine leichte Kost. Die Autorin erzählt die Geschichte Ihrer Großmutter, die in der Zeit des beginnenden Nazi-Regimes die "Ersatzmutter" für ein jüdisches Mädchen wird. Die Zerrissenheit der jungen Frau zwischen Ihrer Verpflichtung den Mädchen in Ihrer Obhut gegenüber und der Ablehnung des nationalsozialistischen Gedankengutes belastet ihr Leben über Jahre hinweg. Als alte Frau bespricht sie zig Kassetten mit ihren Erlebnissen und Gedanken, um diese verarbeiten zu können.
Der Roman nimmt den Leser von der ersten Zeile an mit, in die damalige Zeit und die Schwierigkeiten Klaras werden greifbar. Die beiden Erzählstränge, der Erinnerung Klaras und ihrem heutigen Leben, sind sehr gut verwoben. Die bildreiche Sprache macht den Roman zu einem Lesegenuss, der bis zum Ende anhält.
Leider habe ich erst am Ende des Buches den Klappentext gelesen und festgestellt, dass es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Daher erklärt sich das Ende des Buches, dass ich zunächst als sehr unbefriedigend und nicht abgeschlossen empfand. Ohne die beiden folgenden Bücher kann dieses allein nicht stehen.
Nichtsdestotrotz eine absolute Leseempfehlung für Leser, die sich nicht nur oberflächlich unterhalten lassen wollen.
1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
02.08.2022
Der Mut der Ohnmächtigen
Als junge Hauswirtschaftslehrerin übernimmt Klara mehr oder minder schnell die Rolle der Leiterin eines Kurheimes für schwindsüchtige Kinder in Oranienbaum, das zugleich Ausbildungsstätte für junge Mädchen in allen Belangen der Hauswirtschaft ist. Gebeutelt von der Weltwirtschaftskris...
Der Mut der Ohnmächtigen
Als junge Hauswirtschaftslehrerin übernimmt Klara mehr oder minder schnell die Rolle der Leiterin eines Kurheimes für schwindsüchtige Kinder in Oranienbaum, das zugleich Ausbildungsstätte für junge Mädchen in allen Belangen der Hauswirtschaft ist. Gebeutelt von der Weltwirtschaftskrise bleibt Klara nichts anders übrig, um das Fortbestehen der Einrichtung zu retten, als mit der aufsteigenden Macht der Nationalsozialisten einen Pakt zu schließen und das Heim zur Finanzierung unter staatliche Obhut zu stellen. Sie wird zuerst Leiterin dieser zum ersten Frauenbildungsheim umgewidmeten Hauses und später einer noch größeren Einrichtung mit dem Auftrag, die jungen Mädchen ganz im Sinne des nationalsozialistischen Frauenbildes zu erziehen, obwohl sie selbst das Ideal einer frei denkenden, selbständigen und für ihren eigenen Unterhalt sorgenden Frau verkörpert. Verschärft wird ihr innerer Konflikt noch dadurch, dass sie ein kleines Baby jüdischer Herkunft bei sich aufnimmt und sich als ihre Mutter ausgibt, was bei zunehmender Verfolgung der Juden durch die Nazis für sie und das Kind immer gefährlicher wird.
Klara ist eine bewundernswerte Frau: Noch als 90jährige blinde Frau, die ihre Erinnerungen auf ein Tonband diktiert, um mit sich und ihrer Vergangenheit ins Reine zu kommen, lebt sie allein und meistert ihren Alltag in ihrem norddeutschen Reihenhaus selbständig. Als junge Frau wagt sie ein kühnes Doppelspiel, indem sie sich mit Nazi-Größen wie Heinrich Himmler einlässt, ohne deren Ideologie zu teilen und dabei gleichzeitig alles zu tun, um ihr kleines Mädchen vor dem Zugriff der Verfolgung zu schützen. Schon in dieser Zeit kämpft sie mit ihrem Gewissen, ihren Schuldgefühlen, sich dem verbrecherischen Treiben der Nazis nicht deutlicher in den Weg zu stellen und z. B. die Untaten der Reichsprogromnacht nur in ohnmächtigem Schrecken zu beobachten. Das Buch setzt sich ohne moralische Belehrung mit der schwierigen Frage nach Schuld und moralischem Handlungsspielraum auseinander und zeigt am Lebenslauf der Protagonistin den inneren, bis zum Lebensende nicht gelösten Zwiespalt auf, den Deutsche, die nicht Täter, aber auch nicht überzeugte Nazis waren, vielfach gespürt haben dürften. Eingekleidet in eine mitreißende Geschichte, die viel über die Rolle der Frau und die Frauenbildung in Zeiten des Nationalsozialismus vermittelt, gelingt es dem Roman, dem Leser das Schicksal der Figuren nahezubringen. Bei aller Bewunderung für die Figur der Klara treiben auch ihn die Fragen nach Verantwortung, nach Schuld und nach Handlungsmöglichkeiten um. Auch wenn man sich als ohnmächtig empfindet, weil es zu spät zum Handeln ist, bleibt dennoch die Frage, ob man gleich zur Leiterin einer Erziehungsanstalt werden muss, die die Naziideologie unschuldigen Generationen einimpft, wenn man doch sieht, dass es kaum möglich ist, darin den Keim kritischen Denkens zu legen. Oder ist der Lebensentwurf von Klaras Freundin Susanne, die sehr früh die Abscheulichkeit der nationalsozialistischen Ideologie erkannt hat, aber sich in Ermangelung einer alternativen Tätigkeit als Erzieherin in der damaligen Zeit entschließt, in der „zweiten Reihe“ zu verharren, eine bessere Alternative?
Gespannt erwartet der Leser die Fortsetzung der Geschichte von Klara, auch in der Hoffnung, eventuell noch Antworten auf diese Fragen zu bekommen.
0 von 1 finden diese Rezension hilfreich
10.10.2024
lexa Hennig von Lange ist eine meiner liebsten deutschsprachigen Autorinnen, zuletzt konnte sie mich mit den ersten beiden Bänden ihrer Heimkehr-Trilogie komplett begeistern. Nun ist mit „Vielleicht können wir glücklich sein“ der Abschluss der Trilogie erschienen.
Wie bereits in den vorherigen Teilen dreht s...
lexa Hennig von Lange ist eine meiner liebsten deutschsprachigen Autorinnen, zuletzt konnte sie mich mit den ersten beiden Bänden ihrer Heimkehr-Trilogie komplett begeistern. Nun ist mit „Vielleicht können wir glücklich sein“ der Abschluss der Trilogie erschienen.
Wie bereits in den vorherigen Teilen dreht sich die Handlung um Isabell und ihre Großmutter Klara, beide verbunden durch eine Spurensuche in die Vergangenheit. Abwechselnd erzählt aus der Perspektive der beiden Frauen, bilden Isabells Suche nach weiteren Einzelheiten von der Vergangenheit ihrer Großmutter den Rahmen für Rückblicke in Klaras Leben. Und dieses Leben hat es in sich, ist geprägt von einer der einschneidensten Entwicklungen der deutschen Geschichte. Im dritten Teil hat der Zweite Weltkrieg bereits begonnen und Klara erlebt dessen Schrecken als Mutter, Ehefrau eines Mannes an der Front und Mitglied einer dörflichen Gesellschaft und Stütze des ansässigen Frauenbildungsheims.
Ihre Eindrücke des Kriegsgeschehens und des Untergangs des Dritten Reichs werden durch die Autorin in dem ruhigen, stoischen und pragmatischen Ton ihrer Figur geschildert. Für mich wurde hierdurch das Grauen des Alltags mit Bormbardierungen, Krankheit, Verlust und Hunger in einer Weise vermittelt, die die damalige Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt setzt. Neben subtilen Fragen nach Schuld waren eben diese Erlebnisse eindrücklich, die die Charaktere mit dem täglichen Kampf um Überleben und einem Stück Normalität beschäftigt haben.
In Kontrast hierzu setzt Alexa Hennig von Lange die Enkelin Isabell, die in der heutigen Zeit zurückblickt auf das Leben der Großmutter und ihr durch die hinterlassenen Tonbänder einen tieferen Zugang hierzu erlangt. Sie spiegelt sicherlich die Erlebnisse vieler Nachkriegsgenerationen wieder, die aufgrund einer schweigenden Eltern- und Großelterngeneration blinde Flecken in der Familiengeschichte haben. Dass die Autorin hier auf reale Vorkommnisse ihrer eigenen Familiengeschichte bezug nimmt, verstärkt die Erzählung in ihrer Tiefe.
Die Geschichte von Isabell und Klara ist insgesamt eine emotional berührende und daneben spannende Reise in die Vergangenheit, das ohne belehrende Wertungen auskommt und dafür die Erlebnisse von Zeitzeugen in den Mittelpunkt stellt. „Vielleicht können wir glücklich sein“ rundet die Heimkehr-Trilogie wundervoll und ergreifend ab, ich kann nur eine große Empfehlung für jeden Leser aussprechen.