Yael Inokai
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Ein simpler Eingriff (MP3-Download)
Ungekürzte Lesung. 274 Min.
Sprecher: Hrdina, Lisa
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Meret ist Krankenschwester. Die Klinik ist ihr Zuhause, ihre Uniform trägt sie mit Stolz, schließlich kennt die Menschen in ihrem Leiden niemand so gut wie sie. Bis eines Tages ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der vor allem Frauen von psychischen Leiden befreien soll. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach fängt die Heilung an. Daran hält Meret fest, auch wenn ihr langsam erste Zweifel kommen. "Ein simpler Eingriff" ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an ...
Meret ist Krankenschwester. Die Klinik ist ihr Zuhause, ihre Uniform trägt sie mit Stolz, schließlich kennt die Menschen in ihrem Leiden niemand so gut wie sie. Bis eines Tages ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der vor allem Frauen von psychischen Leiden befreien soll. Die Nachwirkungen des Eingriffs können schmerzhaft sein, aber danach fängt die Heilung an. Daran hält Meret fest, auch wenn ihr langsam erste Zweifel kommen. "Ein simpler Eingriff" ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an die Macht der Medizin verliert. Es ist auch die intensive Heraufbeschwörung einer Liebe mit ganz eigenen Gesetzen. Denn Meret verliebt sich in eine andere Krankenschwester. Und überschreitet damit eine unsichtbare Grenze. Eine Geschichte von Emanzipation, Liebe und Empathie.
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Yael Inokai, geboren 1989 in Basel, lebt in Berlin. 2012 erschien ihr Debütroman "Storchenbiss". Für ihren zweiten Roman "Mahlstrom" wurde sie mit dem Schweizer Literaturpreis 2018 ausgezeichnet. Sie ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift PS: Politisch Schreiben. Für ihren Roman "Ein simpler Eingriff" (2022) erhielt sie den Anna Seghers-Preis 2022 und den Clemens-Brentano-Preis 2023.
Produktbeschreibung
- Verlag: derDiwan Hörbuchverlag
- Gesamtlaufzeit: 274 Min.
- Erscheinungstermin: 6. Mai 2022
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 4066004456898
- Artikelnr.: 64032338
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Rezensentin Judith von Sternburg staunt über die Direktheit und die Konzentration der Handlung in Yael Inokais drittem Roman. Es geht um einen nicht näher bestimmten, aber bedeutenden medizinischen Eingriff, eine Gehirn-OP, die die Protagonistin über sich ergehen lässt oder ergehen lassen muss, um wieder ein "normales" Leben führen zu können. Das bei der Definition dessen, was ein normales Leben ist, und auch sonst bei den Vorgängen im Text "etwas nicht stimmt", entgeht Sternburg nicht. Ebenso der Umstand, dass die Autorin hier, "anregend erzählt", das Thema Freiheit gegen Funktionstüchtigkeit in Stellung bringt. Spannend! findet die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"So wie Yael Inokai erzählt [...], entsteht der ambivalente Eindruck einer futuristischen Vergangenheit. Da ist ein Zug von 'Handmaid's Tale', der im Unklaren lässt, ob hier von einer historischen oder dystopischen Zeit die Rede ist. Das ist die subtile Kunst der Abstraktion, Zeit und Raum so aus der Erzählung zu filtern, dass der Roman selbst nachahmt, wovon er handelt [...] Die Liebesgeschichte ist reines Gefühl, vibrierende Wahrnehmung der Körper und nach einer sterbensschönen Sexszene ein Moment der Scham, Fremdheit und Erkenntnis." Marie Schmidt, Süddeutsche Zeitung, 15.03.22 "Inokais Roman ist durch und durch ein Prosakunstwerk ... Kleine Geste um kleine Geste verfolgt sie, wie Meret ihre verborgenen Bedürfnisse anerkennt. ... Dieser
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stille, in ganz gewöhnlichen Wörtern festgehaltene Akt der Selbstbefreiung zwischen Verwunderung und Selbstverständlichkeit macht die mitreißend sanfte Radikalität dieses Kammerspiels aus." Gregor Dotzauer, Laudatio zum Anna Seghers-Preis, 11.06.22 "Dies ist ein eindringliches, sinnliches Buch, elegant, schnörkellos und klug. Yael Inokai schreibt mit einer beneidenswerten Sicherheit, die Sätze sind schnurgerade, da sitzt jedes Wort. Absolute Empfehlung!" Mareike Fallwickl, bücherwurmloch.at, 28.03.22 "'Ein simpler Eingriff' ist ein Roman, in dem das Wort Empathie seine ursprüngliche Zartheit bewahrt hat. ... Das Repertoire der Zuneigung schliesst im Roman die große Liebe nicht aus. Ganz im Gegenteil. Unter ihren Auspizien ist dieses Buch geschrieben, das in stiller Dramatik von großen Dramen erzählt. Von der Sehnsucht, dass etwas wieder ganz wird." Paul Jandl, NZZ, 20.04.22 "'Ein simpler Eingriff' gewinnt seine Kraft aus dem Unausgesprochenen, dem Indirekten. ... Schon im medizinhistorischen Strang ihres Romans erzählt Inokai mit grosser psychologischer Klugheit und in poetisch verdichteten Bildern von den tiefen Ambivalenzen der Empathie, von der Überwindung sozialer Herkunftsgrenzen, von einem patriarchalen System und Gewalt, verkörpert durch Ärzte- und Väterfiguren. Zugleich ist 'Ein simpler Eingriff' ein Text, der die Belastungen und Härten der Care-Arbeit ebenso in sprechende Szenen fasst wie die Frage, was es heissen kann, Patientin zu sein. ... Dennoch liegt der Kern des Romans ganz woanders: in der Liebesgeschichte. ... Leise, formbewusst und grandios." Daniel Graf, Republik, 15.02.22 "Der Roman um Krankenschwester Meret macht viele Türen auf. Sie führen in eine Welt, in der Frauen stören, in der Männer bestimmen, und in der Gefühle instrumentalisiert werden." Lydia Herms, Deutschlandfunk Nova, 02.10.22 "So konkret Yael Inokai in ihrer feinen, pointierten Sprache die Kämpfe und die Nähe ihrer Figuren schildert, so unkonkret bleibt sie, was das Drumherum betrifft - die kleine Stadt ist namenlos, in welchem Jahr genau die Geschichte spielt, bleibt ebenso unklar. Diese Mischung macht den literarischen Reiz mit aus, verdichtet das Kammerspielartige, das das Krankenhaus als abgeschlossener Kosmos mit eigenen Regeln bereits in sich trägt. ... Fern oder befremdlich wirkt ihre Welt nicht, sie findet sich in hochaktuellen Debatten um Machtstrukturen, Emanzipation und Aufbegehren gegen gesellschaftliche Konventionen wieder." Lara Sielmann, Deutschlandfunk Kultur, 21.02.22 "'Ein simpler Eingriff' schenkt uns etwas, das wir vermisst, haben, ohne es zu wissen, und von dem wir uns erstaunt fragen, warum es das nicht schon vorher gegeben hat: die Pflegerin als literarische Figur. ... dieses Buch ist auch eine Liebesgeschichte. Inokai erzählt zart und genau vom Magnetfeld der Anziehung, von unerwarteter Nähe und einer manchmal schmerzhaften Zuneigung zweier Menschen." Martina Läubli, NZZ am Sonntag, 27.02.22 "200 Seiten flirrende Anspannung! Aber wie die Tonalität des Titels 'Ein simpler Eingriff' schon andeutet: Es ist kein Thriller. Sondern hier beherrscht eine Autorin die bewundernswerte Kunst, ein zeitgenössisches, hoch emotionales Skandalthema literarisch dezent und mit ambivalenten Figuren zu entwickeln. Das Düstere wird hier gespenstisch zart serviert. ... eine beklemmende Mentalitätsstudie einer autoritären Gesellschaft." Hansruedi Kugler, Aargauer Zeitung, 19.02.22 "Eine Einfachheit liegt über diesem Buch, das sich um keineswegs simple Dinge dreht, eine Direktheit und Konzentration der spannenden Handlung ... Inokai ... stellt einen Freiheitsdrang gegen eine von anderen definierte Funktionstüchtigkeit. Das ist klassisch und ... anregend erzählt. ... Ein zugleich großes und bescheidenes Ansinnen." Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 07.09.22 "'Ein simpler Eingriff' ist ein starker, entlarvender Roman." Bernd Melichar, Kleine Zeitung, 09.04.22 "Yael Inokai skizziert eine dystopische Gesellschaft, deren Vorstellungen davon, wie eine Frau zu sein hat, beunruhigend vertraut sind." Johanna Grillmayer, orf.at, 17.06.22 "Yael lnokais Sprache ist so schnörkellos wie die Schwesterntracht, die Meret trägt, wenn sie bei dem Eingriff assistiert, der Frauen ein normales Leben erlaubt. Bis sie sich fragt: Was ist normal? Dystopie mit stiller Wucht!" Silvia Feist, Emotion, 02.11.22 "Ihr neuer Roman setzt noch einen drauf und geht tief unter die Haut! [...] 'Ein simpler Eingriff' ist die Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau in den Machtstrukturen der Gesellschaft, der Tradition, der Geschichte. Der jungen Autorin ist ein ausserordentlicher Roman gelungen, etwas ganz Eigenes. Nicht zuletzt in einer Sprache, die wie die seltsame Geschichte aus seltsam unaufgeregte Weise von den grossen Regungen des Lebens erzählt." Gallus Frei-Tomic, literaturblatt.ch, 10.03.22 "Mitfühlend und gleichzeitig überlegt und klar wird aus der Perspektive der Krankenschwester Meret berichtet. Mit geschickt eingebauten Vor- und Rückblenden greift die Ich-Erzählerin in ihre eigene Geschichte ein, erklärt ihre früheren Überzeugungen und bricht sie auf. Wie schmerzhaft und gleichzeitig befreiend diese Entwicklung des Ichs ist, fühlt man lesend mit." Rahel Staubli, Schweizer Buchjahr, 09.05.22 "Inokai entwirft ein dystopisches Szenario, das an ein düsteres Kapitel der Psychiatrie erinnert. Zugleich schildert sie eine zarte Liebesgeschichte, die sich zwischen Meret und ihrer Zimmernachbarin Sarah im tristen Schwesternwohnheim anbahnt. ... In wenigen Sätzen baut die Literatin Spannung auf." Melissa Müller, St. Galler Tagblatt, 26.03.2022 "Ein fulminanter Roman über die gesellschaftliche Angst vor der weiblichen Unabhängigkeit und das Ethikverständnis der Medizin. Yael Inokai nimmt die Lesenden mit in verschlossene Räume und schafft eine Erzählung, die in ihrer Zartheit beinahe unbegreiflich scheint. Eine Liebeserklärung an das wütende und andere und unangepasste Sein, erzählt mit unerwarteter Wärme." Emily Grunert, Lesart 3/2022
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Es beeindruckt besonders die klare und gleichzeitig nahbare Sprache [...]. [Inokai] gelingt es mühelos die Lesenden in die seltsam entrückt wirkende Welt der Krankenschwestern zu nehmen. Nina Süßmilch L-MAG 20240424
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Wann spielt die Geschichte? Und wo? Der Leser bleibt im Unklaren und erkennt, dass es hier nicht um konkrete Verortungen in Raum und Zeit geht
Die Protagonistin Meret, eine junge Krankenschwester, bewegt sich in zwei Mikrokosmen: ihrer Familie und dem Krankenhaus. Ihre Familie wird geprägt …
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Wann spielt die Geschichte? Und wo? Der Leser bleibt im Unklaren und erkennt, dass es hier nicht um konkrete Verortungen in Raum und Zeit geht
Die Protagonistin Meret, eine junge Krankenschwester, bewegt sich in zwei Mikrokosmen: ihrer Familie und dem Krankenhaus. Ihre Familie wird geprägt durch eine fast unerträgliche Beschränktheit des Wohnraums und vor allem durch den Vater, der uneingeschränkt die Familie beherrscht und seine Aggressionen entlädt in gewalttätigen Übergriffen auf seine Kinder. Der andere Mikrokosmos ist das Krankenhaus, Merets Arbeitsplatz. Zusammen mit vielen namenlosen Krankenschwestern funktioniert sie wie ein Rädchen im Getriebe.
Beiden Mikrokosmen gemeinsam ist ihre streng patriarchalische Struktur und das System von Unterordnung und Gehorsam.
Meret ist als Pflegerin beteiligt an der operativen Behandlung von psychischen Erkrankungen. Die Details der Operation bleiben unscharf, aber der ausführende Arzt verspricht ein besseres Leben nach dem Eingriff. Der Mensch – meist sind es Frauen – würde befreit von unangenehmen Verhaltensweisen. Immer wieder werden Wut und Aufmüpfigkeit als unerwünschtes Verhalten erwähnt, d. h. die Operation hat nicht das Ziel einer Heilung, sondern sie hat das Ziel, Frauen an die gesellschaftlich erwünschten Normen anzupassen, und diese Normen sind von Männern gesetzt. Unerwünschtes Verhalten von Frauen wird operativ eliminiert, und die versprochene Besserung sieht so aus, dass Frauen zu einem klaglos funktionierenden Teil dieser restriktiven Gesellschaftsordnung werden. Für Männer gilt dies offensichtlich nicht, wenn man an Merets Vater denkt.
Meret fügt sich in dieses autoritäre System ein und verteidigt die Notwendigkeit der Anpassung. Bis sie unter dem Einfluss ihrer Geliebten Zweifel entwickelt und einen Ausbruch wagt.
Der Roman wirkt merkwürdig schwebend. Nicht nur wegen der fehlenden zeitlichen und räumlichen Verortung, sondern auch inhaltlich. Der Leser bewegt sich zwischen den beiden Mikrokosmen hin und her. Wir lesen kurze Rückblicke in die Familiengeschichte und Erinnerungen an die geliebte Schwester, Andeutungen über das Schicksal des Bruders – und auch der konkrete Klinikalltag, das Miteinander mit den Kolleginnen, der Kontakt zum Bruder einer Patientin, all das wird nicht klar konturiert, sondern bleibt angedeutet stehen.
Der Sprecherin Lisa Hrdina gelingt es hervorragend, die Ich-Erzählerin lebendig werden zu lassen. Sie trifft den leicht naiven Ton der jungen Protagonistin, und ihre junge Stimme wirkt authentisch.
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Gebundenes Buch
Meret ist Krankenschwester in einer psychiatrischen Abteilung eines nicht näher definierten Krankenhaus in dem ebenso nicht näher definierte Gehirnoperationen durchgeführt werden. Der medizinisch interessierte Leser wird hier gleich die Lobotomie erkennen, jene Operation, die in den …
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Meret ist Krankenschwester in einer psychiatrischen Abteilung eines nicht näher definierten Krankenhaus in dem ebenso nicht näher definierte Gehirnoperationen durchgeführt werden. Der medizinisch interessierte Leser wird hier gleich die Lobotomie erkennen, jene Operation, die in den 1940er und 1950er Jahren überdurchschnittlich oft angewendet worden ist, um gesellschaftlich unerwünschtes Verhalten zu eliminieren. Prominentestes Opfer dieser brutalen Verstümmelung ist Rosemary Kennedy.
Warum gerade in dieser Zeit?
Der Zweite Weltkrieg hat eine große Zahl an traumatisierten Menschen hinterlassen und Psychopharmaka waren noch nicht erfunden. Deshalb glaubte man, mit dieser Operation „helfen“ zu können. Dass dabei auch einiges schief gehen kann, hat Meret erst viel später erkannt.
Meine Meinung:
Der Charakter der Meret ist empathisch dargestellt. Interessant ist die Schilderung der Lebensumstände der Krankenschwestern. Die zärtliche Liebesbeziehung zwischen Meret und ihrer Mitbewohnerin wird dezent beschrieben.
Diese Anhäufung von Andeutungen ist vielleicht die größte Stärke und auch größte Schwäche des Buches gleichzeitig. Stärke, weil die Leser selbst Gedanken machen können (und vermutlich sollen), Schwäche, weil einiges ungesagt bzw. hinter einer Art Nebelwand diffus bleibt. Wenig wird beim Namen genannt, bestenfalls umschrieben. Das passt allerdings in die Zeit in der der Roman spielt. Man ist sich damals in zahlreichen Andeutungen ergangen, was naturgemäß auch zu Missverständnissen geführt hat.
Yael Inokai beschreibt mit großem Feingefühl Unaussprechliches.
Fazit:
Ein nachdenklich stimmender Roman, in dem man als Leser auch mit Wut kämpft, wenn an Gehirnen von Personen herumoperiert wird, wenn sie nicht oder nur unzureichend in die gerade gültige Gesellschaftsnormen passen. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.
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Gebundenes Buch
In ihrem dritten Roman erzählt die Schweizerin Yael Inokai die Geschichte Merets, einer jungen, extrem pflichtbewussten Krankenschwester, die in einer psychiatrischen Klinik arbeitet. Meret assistiert bei Hirnoperationen an psychisch auffälligen Patientinnen, die anschließend wieder …
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In ihrem dritten Roman erzählt die Schweizerin Yael Inokai die Geschichte Merets, einer jungen, extrem pflichtbewussten Krankenschwester, die in einer psychiatrischen Klinik arbeitet. Meret assistiert bei Hirnoperationen an psychisch auffälligen Patientinnen, die anschließend wieder "funktionieren", niemandem mehr zur Last fallen sollen.
Auffällig ist, dass Männer durchaus psychisch fernab der Norm agieren können, ohne Gefahr zu laufen, dieser klinischen Behandlung unterzogen zu werden oder auch nur gesellschaftliche Sanktionen befürchten zu müssen: Merets Vater prügelt Frau und Kinder aus nichtigstem Anlass; Konsequenzen hat es für ihn keine. Zudem bleiben nahezu alle Figuren im klassisch-veralteten Rollenbild verhaftet. Das Pflegepersonal ist weiblich, der Doktor ein Mann.
Doch dieser Roman ist mehr als Gesellschaftskritik, er erzählt auch eine überraschende und leidenschaftliche Liebesgeschichte. Und dabei bleibt Inokai zeitlich gesehen erstaunlich vage. Mal meinte ich, von den Anfängen der Hirnchirurgie zu lesen, um kurz darauf in die Gegenwart katapultiert zu werden, dann wieder tauchte ich in eine Dystopie ein. Eine sehr bewegende Geschichte von großer Kraft und Dichte, unbedingt zu empfehlen!
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Trotz oder gerade wegen ihrer schweren Kindheit im Schatten eines despotischen Vaters ist Meret mit ganzem Herzen Krankenschwester. Ihr ist der Kontakt zu den Patienten wichtig, sich Zeit für sie zu nehmen, ihnen Halt zu geben. Deswegen zögert sie auch nicht, als ihr eine Stelle im Team …
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Trotz oder gerade wegen ihrer schweren Kindheit im Schatten eines despotischen Vaters ist Meret mit ganzem Herzen Krankenschwester. Ihr ist der Kontakt zu den Patienten wichtig, sich Zeit für sie zu nehmen, ihnen Halt zu geben. Deswegen zögert sie auch nicht, als ihr eine Stelle im Team eines Arztes angeboten wird, der einen neuen Eingriff direkt am Gehirn vornimmt. Einen Eingriff, der Frauen von ihren psychischen Leiden befreien soll.
Erst als Meret ihrer neuen Zimmernachbarin, die so ganz anders ist, als sie, emotional und körperlich näher kommt, bekommt ihre Glaubenswelt erste Risse. Bis sie schließlich vor einer Entscheidung steht, die ihr gesamtes Lebenskonstrukt zum Einsturz bringen kann.
“Ein simpler Eingriff” von Yael Inokai beginnt sehr vielversprechend. Zum einen fesselt einen das immer aktuelle Thema der Pflegekräfte in der ewigen Zerrissenheit zwischen den Anforderungen, die an sie gestellt werden, ihrer eigentlichen Berufung, für die Patienten da zu sein, und der Belastung, das, was sie täglich sehen müssen, zu verarbeiten. Zum anderen sind da aber auch die zwar hypothetischeren, deswegen aber nicht weniger spannenden Fragen des “simplen Eingriffes”. Was darf die Medizin? Wie kann zwischen Risiko und Nutzen abgewogen werden? Und vor allem: welche Art von “psychischen Problemen” sind tatsächlich welche und was ist einfach ein Aspekt der Persönlichkeit? Mit diesem Setting und ihrer Sprache hatte mich Inokai sofort.
Aber leider nicht lange. Was so gut beginnt, kippt in dem Moment, in dem Merets Beziehung zu ihrer Mitbewohnerin beginnt. Es ist, als höre man urplötzlich eine komplett andere Geschichte. Das wäre akzeptabel, wenn sich beide Stränge harmonisch verknüpfen würden. Tun sie aber nicht, zumindest nicht harmonisch. Stattdessen stehen sie sich plump gegenüber und fahren das Hörvergnügen auf einer Skala von 10 von einer stabilen 9 auf eine wenig attraktive 3 runter. Sehr, sehr schade.
Zur Einlesung durch Lisa Hrdina kann ich gar nicht so viel sagen, weder positives noch negatives. Ganz passend käme der Sache wohl am nächsten.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass “Ein simpler Eingriff” auf der Longlist für den Deutschen Hörbuchpreis 2023 steht, und zwar in der Kategorie “Beste Unterhaltung”. Ich kann nur davon ausgehen, dass mit Unterhaltung hier nicht locker und flockig gemeint ist, denn das würde der Geschichte wirklich nicht gerecht werden.
Zusammengefasst ist “Ein simpler Eingriff” für mich ein Roman, der viel Potenzial hat und dessen Beginn ich fast schon geliebt habe, der, aber im Verlauf immer nur schwächer wird und sich bedauerlicherweise auch nicht durch ein faszinierendes Ende selbst rettet. Und da ich es merkwürdig fände, nur die ersten Kapitel eines Hörbuches zu hypen, muss eine Leseempfehlung hier wohl leider entfallen.
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Gebundenes Buch
Meret ist Krankenschwester und das mit Leib und Seele. Als eine neue Methode entwickelt wird, den meist weiblichen Patientinnen mit Hilfe eines kleinen Eingriffes die Wut zu nehmen, ist Meret die bevorzugte Assistentin des Operateurs. Mit Hilfe eines spitzen Werkzeuges bohrt der Arzt ein Loch in den …
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Meret ist Krankenschwester und das mit Leib und Seele. Als eine neue Methode entwickelt wird, den meist weiblichen Patientinnen mit Hilfe eines kleinen Eingriffes die Wut zu nehmen, ist Meret die bevorzugte Assistentin des Operateurs. Mit Hilfe eines spitzen Werkzeuges bohrt der Arzt ein Loch in den Kopf, dieser Eingriff ist schmerzfrei, nur hinterher könnten kleinere Probleme auftreten. Anschliessend hat die Patientin dann keine starke Persönlichkeit mehr und fügt sich so besser in ihr neues Leben ein.
Während Meret zu Beginn noch an diese neue Technik glaubt, kommen ihr im Laufe der Geschichte immer mehr Zweifel …
Gleichzeitig verliebt sich Meret in ihre Kollegin Sarah. Eine Liebesgeschichte beginnt, die unbedingt geheim gehalten werden muss, denn auch "so eine Störung und Neigung wie die Ihre, muss nicht unbehandelt bleiben“. (S.177 Tolino)
Ein simpler Eingriff
Yanel Inokai
Eine gute und fein erzählte literarische Geschichte.
Mich konnte dieser Roman überzeugen. Kurze Kapitel in einem schmalen Buch und auf jeden Fall zu Recht auf der #longlist2022
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Gebundenes Buch
Marianne ist die neue Patientin, die die Krankenschwester Meret vor der innovativen Behandlung betreut. Es ist ein simpler, aber wirkungsvoller Eingriff, der Mariannes Wut, die sie schon ihr Leben lang begleitet, endlich für immer eindämmen soll, so dass Marianne ein normales Leben …
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Marianne ist die neue Patientin, die die Krankenschwester Meret vor der innovativen Behandlung betreut. Es ist ein simpler, aber wirkungsvoller Eingriff, der Mariannes Wut, die sie schon ihr Leben lang begleitet, endlich für immer eindämmen soll, so dass Marianne ein normales Leben führen kann. Unzählige Mal schon hat der Arzt die Operation erfolgreich durchgeführt, auch wenn die Nebenwirkungen bisweilen erheblich sind, aber das Leiden, das die Frauen zu ihm führten, konnte behoben werden. Meret mag ihre Arbeit und vertraut dem Arzt, doch dieses Mal geht etwas schief und die Zweifel, die sie bis dato in ihrem Inneren versteckt hatte, kriechen jetzt langsam hervor. Sie fühlt sich mitschuldig daran, das Verfahren lange Zeit unterstützt zu haben, und muss sich nun in ihrem Leben neu justieren.
Yael Inokai hat mich vor einigen Jahren mit ihrem Roman „Mahlstrom“, für den sie mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde, bereits beeindrucken können. Auch „Ein simpler Eingriff“ spielt wieder in einem sehr kleinen und engen Setting, das die Handlung auf das Wesentliche konzentriert und doch die großen Fragen aufreißt. Vieles bleibt schleierhaft und vage, man weiß weder genau wann, noch wo die Geschichte spielt, aber die Protagonistin, die man als Leser begleitet, durchlebt stellvertretend große Emotionswogen, die einem gleichermaßen mitreißen.
Der Roman bietet ein großes Spektrum an Sinnfragen an, denen man nachhängen kann. Zentral natürlich die ethisch-moralische Frage danach, was Medizin darf und was die Mehrheitsgesellschaft als „normal“ oder „akzeptabel“ definiert. Die psychische Erkrankung der meist jungen Frauen scheint hierbei etwas aus der Zeit gefallen, verbindet man dies doch eher mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert, als die typisch weibliche Hysterie die Mediziner faszinierte.
Auch Meretes erste Erfahrungen der Liebe, so natürlich und unschuldig sie entstehen, erscheinen bald für die anderen Figuren als fragwürdig. Gleichermaßen angerissen das Verhältnis zur Schwester, die ausbrach aus dem starren vorgefertigten Rahmen und nach eigenen Maßstäben lebt. Machtverhältnisse von Männern als Chef und Frauen als Untergebenen, aber genauso von älteren Frauen, die qua Erfahrung den Freibrief zur Tyrannei glauben erhalten zu haben – viele Facetten des Lebens werden von Inokai als Angebot zum Nachdenken gemacht. Sie beantwortet diese nicht, gibt keine Lösungen vor oder wertet. Die Sprache, die ich oft nüchtern und sachlich empfand, unterstützt die Distanz, die durch den Erzähler geschaffen wird und so Raum für den Leser und seine Gedanken eröffnet.
Eine Einladung zum Dialog mit sich selbst. Eine Geschichte, die mir erst durch die Nominierung auf der Longlist des Deutschen Buchpreis aufgefallen ist, wo sie ihren Platz mehr als verdient hat.
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Gebundenes Buch
Ein simpler Eingriff. Ein Buch, das hier schon oft ausführlich besprochen wurde. Nein, ich habe nichts Neues beizutragen. Und trotzdem möchte ich es euch unbedingt empfehlen.
Meret ist Krankenschwester und dann ganz lange nichts. Ihr Leben spielt sich im Krankenhaus ab, sie existiert …
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Ein simpler Eingriff. Ein Buch, das hier schon oft ausführlich besprochen wurde. Nein, ich habe nichts Neues beizutragen. Und trotzdem möchte ich es euch unbedingt empfehlen.
Meret ist Krankenschwester und dann ganz lange nichts. Ihr Leben spielt sich im Krankenhaus ab, sie existiert nur in ihrer kleinen Blase. Die Ordnung beruhigt sie, ihre Uniform schützt sie. Besonders im Umgang mit Patienten ist sie gut. Versteht sie, weiß, was sie brauchen.
Als dann ein neuer Eingriff entwickelt, der in erster Linie Frauen mit psychischen Problemen helfen soll, ist ihre Expertise gefragt. Sie begleitet die Frauen, geht auf sie ein Sie glaubt, an diesen Eingriff und dass ihre Arbeit den Menschen hilft.
Aber solche Eingriffe können schnell schief gehen und noch stärkeres Leid hervorrufen. Sie verändern einen Menschen, der vielleicht doch gar nichts falsch gemacht hat, und nicht alle Frauen wachen wieder auf.
Während sie immer unsicherer wird, den Glauben an die Behandlungsmethode immer mehr verliert, werden auch ihre eigenen Gefühle für sie immer komplizierter. In einer schwierigen Zeit verliebt sie sich in eine andere Krankenschwester.
Ein Auszug aus der Beschreibung, der mir besonders gut gefällt:
“„Ein simpler Eingriff“ ist nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Welt starrer Hierarchien und entmenschlichter Patientinnen ihren Glauben an die Macht der Medizin verliert. Es ist auch die intensive Heraufbeschwörung einer Liebe mit ganz eigenen Gesetzen.”
Es gibt Bücher, die nehmen die Lesenden fest an die Hand. Sie haben eine klare Mission und legen diese ziemlich offen. Gefühle werden vorgeben und schnell ist klar, worauf alles hinausläuft. Dazu würde ich Ein simpler Eingriff nicht zählen. Viel steht zwischen den Zeilen, vieles bleibt ungesagt. Viel Raum, für eigene Gedanken.
Meret ist eine dunkle Protagonistin, die schwer zu greifen ist. Wie ein Schatten wandert sie durch die Geschichte und ich wanderte mit. Nein, mittendrin war ich nicht, eher eine stille Beobachterin, die gern zwischendurch genauer hingeschaut hätte.
Die Vergangenheit von Meret wurde beleuchtet und gibt wichtige Einblicke, die große Aufklärung blieb aber aus. Es bleibt bei uns, Dinge einzuordnen und zu verstehen. Die Geschichte, die so unheimlich groß und bewegend ist, wird ziemlich nüchtern erzählt und das muss man halt mögen.
Für mich war Ein simpler Eingriff eine besondere Erfahrung. Thematisch ja eh super wertvoll und interessant, aber vor allem durch die ruhige, unaufgeregte Art zu erzählen, ein Highlight. Das Buch bietet unheimlich viel zum Nachdenken und Diskutieren, wenn man es so annehmen kann, wie es ist.
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