Sasa Stanisic
Broschiertes Buch
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
Spiegel Bestseller
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Erscheint vorauss. 15. Oktober 2025
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Einer der beliebtesten Alleinunterhalter auf den deutschsprachigen LesebühnenAm besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte, sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt?Und dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres Glück, die lustigeren Haustiere und Partner.Sasa Stanisic führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unÃ...
Einer der beliebtesten Alleinunterhalter auf den deutschsprachigen Lesebühnen
Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.
Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte, sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt?
Und dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres Glück, die lustigeren Haustiere und Partner.
Sasa Stanisic führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die eine gute Lüge auszusprechen.
So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Und so wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er schon einmal auf Helgoland gewesen ist.
Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.
Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte, sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt?
Und dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres Glück, die lustigeren Haustiere und Partner.
Sasa Stanisic führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die eine gute Lüge auszusprechen.
So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Und so wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er schon einmal auf Helgoland gewesen ist.
Saa Stanii¿ wurde 1978 in Viegrad (Jugoslawien) geboren und lebt seit 1992 in Deutschland. Seine Werke wurden in mehr als vierzig Sprachen übersetzt und viele Male ausgezeichnet. Saa Stanii¿ lebt und arbeitet in Hamburg. Er ist dort Fußballtrainer einer F-Jugend.
Produktdetails
- Verlag: btb
- Seitenzahl: 256
- Erscheinungstermin: 15. Oktober 2025
- Deutsch
- Abmessung: 187mm x 125mm x 19mm
- Gewicht: 234g
- ISBN-13: 9783442775415
- ISBN-10: 3442775418
- Artikelnr.: 73769280
Herstellerkennzeichnung
btb Taschenbuch
Neumarkter Straße 28
81673 München
produktsicherheit@penguinrandomhouse.de
Proberaum für das Leben
Von Lennardt Loß
Sasa Stanisic ist in seiner bisherigen Karriere gelungen, was nur wenige andere Autoren schaffen: Alle seine Bücher (mittlerweile sind es zwei Romane, ein Erzählband, ein Memoir, mehrere Bilderbücher und ein Kinderroman) sind mindestens gut, eher herausragend. Die "Neue Zürcher Zeitung" lobte Stanisics Debüt "Wie der Soldat das Grammofon repariert" als "glänzend geschrieben". Die "taz" nannte seinen Roman "Vor dem Fest" "brillant". Für "Herkunft" erhielt Stanisic 2019 den Deutschen Buchpreis, die "Frankfurter Rundschau" pries damals die "Meisterschaft dieses Autors". Und all das trifft
Von Lennardt Loß
Sasa Stanisic ist in seiner bisherigen Karriere gelungen, was nur wenige andere Autoren schaffen: Alle seine Bücher (mittlerweile sind es zwei Romane, ein Erzählband, ein Memoir, mehrere Bilderbücher und ein Kinderroman) sind mindestens gut, eher herausragend. Die "Neue Zürcher Zeitung" lobte Stanisics Debüt "Wie der Soldat das Grammofon repariert" als "glänzend geschrieben". Die "taz" nannte seinen Roman "Vor dem Fest" "brillant". Für "Herkunft" erhielt Stanisic 2019 den Deutschen Buchpreis, die "Frankfurter Rundschau" pries damals die "Meisterschaft dieses Autors". Und all das trifft
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jetzt auch auf Stanisics neues Buch zu. Es besteht aus zwölf zusammenhängenden Geschichten und trägt einen der wohl längsten Titel der deutschen Literaturgeschichte: "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne". Doch was genau macht Stanisic zu so einem meisterhaften Autor? Wenn man das Witwen-Buch genau liest, findet man Antworten darauf.
Die erste Geschichte darin heißt "Neue Heimat" und spielt 1994 in Heidelberg. Genauer gesagt: im Stadtteil Emmertsgrund. Eine Hochhaussiedlung mit viel Beton und wenig Grün. Wenn man "Herkunft" gelesen hat, weiß man, dass Sasa Stanisic hier aufgewachsen ist, nachdem er vor dem Krieg aus Jugoslawien geflohen ist. Doch das ist nicht der einzige Moment im Buch, in dem sich Biographisches und Fiktionales vermischen.
Unterhalb der Hochhaussiedlung liegt ein Weinberg. Dort hängen in "Neue Heimat" vier Jugendliche ab. Sie heißen Fatih, Piero, Nico und - Sasa. Alle vier sind "Ausländer in Deutschland", wie es an einer Stelle heißt. Und alle vier werfen vor Langweile Steine in die Luft. Dabei kommt Fatih eine Idee. "Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe? Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft? Falls dir dann gefällt, was du siehst, kannst du es direkt einloggen und dich gleich drauf freuen, weil diese zehn Minuten, die werden hundertpro irgendwann kommen."
Die anderen sind begeistert. Doch sie ahnen auch, dass sie im Proberaum bloß "eine Kackzukunft nach der anderen" sehen würden. "Auf solche wie uns warten doch statistisch eher beschissene Leben als unbeschissene, oder?" Trotzdem spielen die vier die Idee immer wieder durch und scheinen dabei für einen Moment zu vergessen, dass sie nicht die gleichen Privilegien genießen wie die Friedrichs, Maximilians und Emmas in den besseren Stadtteilen von Heidelberg.
Die Idee mit dem Proberaum ist auch das, was alle folgenden Geschichten zusammenhält. Stanisic erzählt von Figuren, die ein anderes, oft erfüllenderes und schöneres Leben aufblitzen sehen. Er gibt ihnen in der Fiktion das zurück, was ihnen in der echten Welt verwehrt bleibt. Und möglicherweise verrät diese Erzählhaltung schon viel über den Erfolg des Autors. Wenn man Stanisic liest, hat man oft das Gefühl, dass die Menschheit doch nicht so verkommen sei, wie sie sich oft verhält. Wenn alle sich anstrengten, etwas netter zu sein, wäre die Welt voll in Ordnung. Literatur gegen die "Beschissenheit" der Dinge.
Besonders stark ist Stanisic aber, wenn er diese Erzählhaltung aufgibt und über das echte, das hässliche Deutschland schreibt. An einer Stelle erzählt die Stanisic-Figur aus der ersten Geschichte, dass sie wegen ihrer dunkleren Haut an keinem Streifenwagen vorbeigehen kann, ohne dass "die Bullen" sie kontrollieren: "Ich mochte nicht, dass wir die Anwesenheit unserer Körper in diesem Land permanent erklären mussten. Ich mochte nicht, dass ich wegen einer Sprache, die ich unvollständig sprach, behandelt wurde, als sei ich unvollständig."
Einige der Geschichten im Buch sind fiktiv. So wie die der titelgebenden Witwe: einer verarmten Rentnerin aus Hamburg, deren Lebensinhalt darin besteht, das Grab ihres Mannes zu pflegen. Doch eines Tages beschließt sie, mit einem anderen Witwer auf dem Friedhof ein Gespräch anzufangen - und für einen Moment taucht ein Leben vor ihr auf, das nicht nur aus Trauer und Grabblumengießen besteht.
Andere Geschichten sind biographisch markiert. In "Der Hochsitz" kehrt die mittlerweile erwachsene Stanisic-Figur aus der ersten Geschichte nach Heidelberg zurück. Dabei erinnert sie sich, wie sie dort im Sommer 1994 zum Schriftsteller geworden ist - und zwar beim Lesen von Heinrich Heine: "Wie Heine hätte auch ich [die Gegenwart] oft am liebsten verlassen. Wäre lieber woanders gewesen. Woanders und vor allem wer anders. Wenn die Albträume der Abschiebung uns heimsuchten."
Wieder andere Geschichten sind ein Kommentar aufs Schreiben selbst. Etwa wenn eine weitere Stanisic-Figur im Buch das älteste Lokal Helgolands besucht, den "Inselkrug", und dabei erkennt, dass sie sich in einem Roman befindet und fortan die Entscheidungen des Autors kommentiert: "Einen besonderen Grund, den Krug aufzusuchen, gibt der Autor mir nicht. Was er mir gibt, ist keine Lust auf Treppensteigen." Das mag wie metafiktionales Imponiergehabe klingen. Und bei den meisten anderen Autoren würde sich so eine Geschichte vermutlich auch hochtrabend und prätentiös lesen. Dass dieser Effekt bei Stanisic aber nicht eintritt, liegt an der Sprache. Stanisics Prosa ist zwar verspielt, aber nie so verspielt, dass man einen Satz zweimal lesen muss, um ihn zu verstehen. Die Form folgt dem Inhalt. Und es liegt an Stanisics Figuren. Die meisten von ihnen leben in Provinzstädten wie Winsen an der Luhe und scheitern - so wie vermutlich 99,9 Prozent der Menschheit - an sich selbst und ihrer eigenen Mittelmäßigkeit. Doch Stanisic stellt dieses Scheitern nicht aus. Er beschreibt es mit liebevoller Ironie.
Etwa wenn Mo (ein Langzeitarbeitsloser, der bei seiner Mutter lebt) in Wehrmachtsuniform zu einer Doppelkopf-Runde erscheint und behauptet: Er sei mit einem Panzer vorgefahren. Mos Freunde könnten aus dem Fenster schauen und die Lüge enttarnen. Aber das tun sie nicht: "Du guckst nicht, ob draußen ein Panzer parkt, wenn dein bester Freund sich sogar nicht zu schade war, einen Hunni oder eventuell mehr auszugeben für eine Wehrmachtsuniform in einem höchstwahrscheinlich bedenklichen Internetshop, nur um die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte zu erhöhen."
Und vielleicht ist das der Grund für Stanisics literarische Meisterschaft: Seine Geschichten sind gleichzeitig komplex und zugänglich. Wenn man will, kann man das Witwen-Buch wie ein Literaturwissenschaftler lesen, findet darin zahlreiche Anspielungen, etwa auf Heine. Man kann die Proberaum-Idee als Verbeugung vor der Literatur und ihrer Fähigkeit, Möglichkeitswelten zu erschaffen, verstehen. Oder aber man schaltet beim Lesen den analytischen Modus ab und lässt sich von Stanisics Sprache und seinen Figuren durch die Geschichten treiben. Bis einem das Herz angenehm schwer wird, weil alle gerade so tun, als ob draußen vor dem Fenster ein Panzer parken würde.
Sasa Stanisic, "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne". Luchterhand Verlag, 256 Seiten, 24 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Die erste Geschichte darin heißt "Neue Heimat" und spielt 1994 in Heidelberg. Genauer gesagt: im Stadtteil Emmertsgrund. Eine Hochhaussiedlung mit viel Beton und wenig Grün. Wenn man "Herkunft" gelesen hat, weiß man, dass Sasa Stanisic hier aufgewachsen ist, nachdem er vor dem Krieg aus Jugoslawien geflohen ist. Doch das ist nicht der einzige Moment im Buch, in dem sich Biographisches und Fiktionales vermischen.
Unterhalb der Hochhaussiedlung liegt ein Weinberg. Dort hängen in "Neue Heimat" vier Jugendliche ab. Sie heißen Fatih, Piero, Nico und - Sasa. Alle vier sind "Ausländer in Deutschland", wie es an einer Stelle heißt. Und alle vier werfen vor Langweile Steine in die Luft. Dabei kommt Fatih eine Idee. "Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe? Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft? Falls dir dann gefällt, was du siehst, kannst du es direkt einloggen und dich gleich drauf freuen, weil diese zehn Minuten, die werden hundertpro irgendwann kommen."
Die anderen sind begeistert. Doch sie ahnen auch, dass sie im Proberaum bloß "eine Kackzukunft nach der anderen" sehen würden. "Auf solche wie uns warten doch statistisch eher beschissene Leben als unbeschissene, oder?" Trotzdem spielen die vier die Idee immer wieder durch und scheinen dabei für einen Moment zu vergessen, dass sie nicht die gleichen Privilegien genießen wie die Friedrichs, Maximilians und Emmas in den besseren Stadtteilen von Heidelberg.
Die Idee mit dem Proberaum ist auch das, was alle folgenden Geschichten zusammenhält. Stanisic erzählt von Figuren, die ein anderes, oft erfüllenderes und schöneres Leben aufblitzen sehen. Er gibt ihnen in der Fiktion das zurück, was ihnen in der echten Welt verwehrt bleibt. Und möglicherweise verrät diese Erzählhaltung schon viel über den Erfolg des Autors. Wenn man Stanisic liest, hat man oft das Gefühl, dass die Menschheit doch nicht so verkommen sei, wie sie sich oft verhält. Wenn alle sich anstrengten, etwas netter zu sein, wäre die Welt voll in Ordnung. Literatur gegen die "Beschissenheit" der Dinge.
Besonders stark ist Stanisic aber, wenn er diese Erzählhaltung aufgibt und über das echte, das hässliche Deutschland schreibt. An einer Stelle erzählt die Stanisic-Figur aus der ersten Geschichte, dass sie wegen ihrer dunkleren Haut an keinem Streifenwagen vorbeigehen kann, ohne dass "die Bullen" sie kontrollieren: "Ich mochte nicht, dass wir die Anwesenheit unserer Körper in diesem Land permanent erklären mussten. Ich mochte nicht, dass ich wegen einer Sprache, die ich unvollständig sprach, behandelt wurde, als sei ich unvollständig."
Einige der Geschichten im Buch sind fiktiv. So wie die der titelgebenden Witwe: einer verarmten Rentnerin aus Hamburg, deren Lebensinhalt darin besteht, das Grab ihres Mannes zu pflegen. Doch eines Tages beschließt sie, mit einem anderen Witwer auf dem Friedhof ein Gespräch anzufangen - und für einen Moment taucht ein Leben vor ihr auf, das nicht nur aus Trauer und Grabblumengießen besteht.
Andere Geschichten sind biographisch markiert. In "Der Hochsitz" kehrt die mittlerweile erwachsene Stanisic-Figur aus der ersten Geschichte nach Heidelberg zurück. Dabei erinnert sie sich, wie sie dort im Sommer 1994 zum Schriftsteller geworden ist - und zwar beim Lesen von Heinrich Heine: "Wie Heine hätte auch ich [die Gegenwart] oft am liebsten verlassen. Wäre lieber woanders gewesen. Woanders und vor allem wer anders. Wenn die Albträume der Abschiebung uns heimsuchten."
Wieder andere Geschichten sind ein Kommentar aufs Schreiben selbst. Etwa wenn eine weitere Stanisic-Figur im Buch das älteste Lokal Helgolands besucht, den "Inselkrug", und dabei erkennt, dass sie sich in einem Roman befindet und fortan die Entscheidungen des Autors kommentiert: "Einen besonderen Grund, den Krug aufzusuchen, gibt der Autor mir nicht. Was er mir gibt, ist keine Lust auf Treppensteigen." Das mag wie metafiktionales Imponiergehabe klingen. Und bei den meisten anderen Autoren würde sich so eine Geschichte vermutlich auch hochtrabend und prätentiös lesen. Dass dieser Effekt bei Stanisic aber nicht eintritt, liegt an der Sprache. Stanisics Prosa ist zwar verspielt, aber nie so verspielt, dass man einen Satz zweimal lesen muss, um ihn zu verstehen. Die Form folgt dem Inhalt. Und es liegt an Stanisics Figuren. Die meisten von ihnen leben in Provinzstädten wie Winsen an der Luhe und scheitern - so wie vermutlich 99,9 Prozent der Menschheit - an sich selbst und ihrer eigenen Mittelmäßigkeit. Doch Stanisic stellt dieses Scheitern nicht aus. Er beschreibt es mit liebevoller Ironie.
Etwa wenn Mo (ein Langzeitarbeitsloser, der bei seiner Mutter lebt) in Wehrmachtsuniform zu einer Doppelkopf-Runde erscheint und behauptet: Er sei mit einem Panzer vorgefahren. Mos Freunde könnten aus dem Fenster schauen und die Lüge enttarnen. Aber das tun sie nicht: "Du guckst nicht, ob draußen ein Panzer parkt, wenn dein bester Freund sich sogar nicht zu schade war, einen Hunni oder eventuell mehr auszugeben für eine Wehrmachtsuniform in einem höchstwahrscheinlich bedenklichen Internetshop, nur um die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte zu erhöhen."
Und vielleicht ist das der Grund für Stanisics literarische Meisterschaft: Seine Geschichten sind gleichzeitig komplex und zugänglich. Wenn man will, kann man das Witwen-Buch wie ein Literaturwissenschaftler lesen, findet darin zahlreiche Anspielungen, etwa auf Heine. Man kann die Proberaum-Idee als Verbeugung vor der Literatur und ihrer Fähigkeit, Möglichkeitswelten zu erschaffen, verstehen. Oder aber man schaltet beim Lesen den analytischen Modus ab und lässt sich von Stanisics Sprache und seinen Figuren durch die Geschichten treiben. Bis einem das Herz angenehm schwer wird, weil alle gerade so tun, als ob draußen vor dem Fenster ein Panzer parken würde.
Sasa Stanisic, "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne". Luchterhand Verlag, 256 Seiten, 24 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensent Lennardt Loß versucht in seiner Rezension zu erläutern, weshalb Saša Stanišić ein so herausragender Autor ist. Er setzt gleich bei der ersten Geschichte des Bandes an, in der vier Jungs mit Migrationshintergrund in Heidelberg abhängen und sich mögliche Zukünfte ausmalen. Hier entwerfen die Figuren jene besseren Zukünfte, um die sie qua Herkunft zumeist betrogen werden. Stanišić versteht es laut Loß uns an das Gute im Menschen glauben zu lassen, und dennoch die Härten, die das Leben in Deutschland gerade für Menschen wie die vier Jungs in Heidelberg bereithält, besonders scharfsinnig darzustellen. Im weiteren geht Loß auf einige der anderen hier versammelten Geschichten ein, unter anderem eine autobiografisch grundierte, in der ein Alter Ego des Autors nach Heidelberg - Stanišićs Heimatort - zurückkehrt und sich daran erinnert, wie die Begegnung mit Heinrich Heines Werk ihn zum Schriftsteller machte. Ein Geheimnis Stanišićs Erfolgs besteht darin, glaubt Loß, dass seine Bücher komplex, aber nicht überkompliziert geschrieben sind, weshalb Literaturwissenschaftlter, die etwa den Heine-Referenzen nachspüren, genauso viel Freude an ihnen haben dürften wie Leser, die einfach nur in die gefühlsecht ausgestalteten Geschichten einzutauchen wünschen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Das ist wieder humorvoll, liebevoll, ernst und lustig. Ein großes Sprachfeuerwerk. Für mich ist es eines der besten Bücher dieses Frühjahrs.« Anne-Dore Krohn / SWR Fernsehen - lesenswert Quartett
Gebundenes Buch
Wunderbar warmherziges Lesevergnügen
Dieses Buch mit dem sperrigen Titel, den ich einfach nur genial finde, besteht aus 12 Kurzgeschichten, die in ihrer Gesamtheit allerdings einem Roman nicht unähnlich sind. Der Aufforderung des Autors, diese Geschichten in der angegebenen Reihenfolge …
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Wunderbar warmherziges Lesevergnügen
Dieses Buch mit dem sperrigen Titel, den ich einfach nur genial finde, besteht aus 12 Kurzgeschichten, die in ihrer Gesamtheit allerdings einem Roman nicht unähnlich sind. Der Aufforderung des Autors, diese Geschichten in der angegebenen Reihenfolge zu lesen, sollte man unbedingt Folge leisten, denn sie hängen wie ein Netz zusammen, bauen teilweise aufeinander auf und laufen schließlich auf einen gemeinsamen Punkt zu.
Ich bin eigentlich kein Fan von Kurzgeschichten, aber ein Fan von Saša Stanišić. Und was soll ich sagen? Er konnte mich auch mit diesem Buch wieder richtig begeistern. Er nimmt sich literarisch der Außenseiter, der weniger vom Leben Begünstigten an und erzählt ihre Geschichten in einer starken poetischen Sprache mit Witz und Tiefgang. Manche Sätze musste ich einfach mehrmals lesen, um sie mir genüsslich auf der Zunge zergehen zu lassen.
„Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne“ ist ein buntes Sammelsurium verschiedenster Protagonisten und Lebensentwürfe. Ein Werk, in dem immer wieder Gesellschaftskritik aufblitzt, das Negatives aufzeigt und dabei so positiv wirkt. Ein wunderbar warmherziges Lesevergnügen!
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Gebundenes Buch
Gute Tipps
Selten konnte ich meinen Kommentar mit gleich 2 guten Tipps beginnen.
1. Beginnt mit der dritten Geschichte ab Seite 47. Vorher lest ihr nur langweiliges Migrantengedöns.
2. Stellt euch nicht die Frage nach dem Zusammenhang der Geschichten. Es gibt zwar den Proberaum und die …
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Gute Tipps
Selten konnte ich meinen Kommentar mit gleich 2 guten Tipps beginnen.
1. Beginnt mit der dritten Geschichte ab Seite 47. Vorher lest ihr nur langweiliges Migrantengedöns.
2. Stellt euch nicht die Frage nach dem Zusammenhang der Geschichten. Es gibt zwar den Proberaum und die Hauptfiguren kommen im vorletzten Kapitel wie in einem Theaterstück noch einmal auf die Bühne, aber jede Geschichte hat ihren Wert an sich. Das letzte Kapitel ist mehr ein Witz, aber ein guter.
Ansonsten kann ich über das Buch nur Gutes berichten. Wer hat je die Mülltrennung so gut beschrieben? Wer hat uns schon von Winsen an der Luhe berichtet? Wer hat Doppelkopf in die Literatur eingeführt? Und immer erzählt er mehr als eine Geschichte, so dass du denkst, dass das Memory-Spiel letztlich Beiwerk wird. Insbesondere verwechselst du den im Titel erwähnten Spielausgang.
Ich will hier nicht wie sonst Kapitel für Kapitel durchgehen, das haben andere bereits getan. Wegen des langatmigen Beginns muss ich aber doch einen Stern abziehen, also 4 Sterne für "Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne".
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Gebundenes Buch
In diesem Buch gab es für mich ein Wiedersehen mit Figuren aus seinem früheren Erzählband „Fallensteller“. Damals hatte ich mich noch etwas schwer getan mit dem sehr eigenen Erzählstil des Autors. Diesmal war ich gleich mittendrin in den Geschichten, die sich um ganz …
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In diesem Buch gab es für mich ein Wiedersehen mit Figuren aus seinem früheren Erzählband „Fallensteller“. Damals hatte ich mich noch etwas schwer getan mit dem sehr eigenen Erzählstil des Autors. Diesmal war ich gleich mittendrin in den Geschichten, die sich um ganz unterschiedliche Menschen drehen.
In der ersten Erzählung hängen vier Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Weinbergen ab und malen sich aus, wie praktisch ein Proberaum wäre, bevor man einen bestimmten Weg in die Zukunft einschlägt. Welche Lebensoptionen verpasse ich? Diese Frage zieht sich auch durch die folgenden Geschichten. Aus scheinbar banalen Tätigkeiten wie dem Entsorgen eines Memory-Spiels oder dem Putzen eines Heizkörpers mit einer Ziegenhaarbürste entwickeln sich philosophische Gedanken über die eigene Herkunft, Freiheit, Selbstbestimmung und das menschliche Dasein.
An Fantasie und originellen Einfällen mangelt es Saša Stanišić wahrlich nicht, sei es bei spielerischen Wortkreationen, literarischen Bezügen oder der Vermischung von Realität und Fiktion. Ich hatte sehr viel Freude an diesen scharfsinnigen und teils humorvoll, teils melancholischen Geschichten, die sich zu einem Ganzen fügen.
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Gebundenes Buch
Zwölf Erzählungen, wobei die Bitte des mehrfach für seine Romane ausgezeichneten Autors, diese nacheinander zu lesen, vermuten lässt, dass es Zusammenhänge zwischen den Inhalten gibt. Also doch ein Roman? Ich neige dazu, diese Frage mit Ja zu beantworten, zeigen sich doch im …
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Zwölf Erzählungen, wobei die Bitte des mehrfach für seine Romane ausgezeichneten Autors, diese nacheinander zu lesen, vermuten lässt, dass es Zusammenhänge zwischen den Inhalten gibt. Also doch ein Roman? Ich neige dazu, diese Frage mit Ja zu beantworten, zeigen sich doch im Verlauf immer wieder die Schnittstellen zwischen den verschiedenen Menschen, von denen Sasa Stanisic uns hier erzählt, wobei „Neue Heimat“, die erste Geschichte, die Klammer ist, die alles zusammenhält.
Sommer 1994, eine Clique von vier Jugendlichen. Alle haben einen Migrationshintergrund, leben in prekären Verhältnissen und wünschen sich ein Leben, das besser als ihr gegenwärtiges ist, aber unerreichbar scheint. Sie fühlen sich fremd, chancenlos, aber noch haben sie ihre Träume. Fatihs Idee von einem Proberaum, in dem man die Zukunft testen kann, findet Anklang. Das Einloggen, kostet 130 DM, aber möchte man das Gesehene leben, wird ein sechsstelliger Betrag fällig.
Natürlich geht es um die großen Themen, die zentralen Fragen der menschlichen Existenz, die immer wieder in Stanisics Werken eine Rolle spielen: Migration, Herkunft, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Chancen und verpasste Gelegenheiten. Gewissheiten und Zweifel. Dem Streben nach Glück und der Sehnsucht nach einem lebenswerten Leben. Und natürlich beschreibt er diese sprachlich brillant, angereichert mit einer Prise Humor und den passenden Dosen Sensibilität und Melancholie.
Keine Frage, das ist gelungen, aber dennoch fehlt mir etwas. Die Texte bewegen sich zwar souverän auf dem Terrain, das wir von ihm kennen, legen aber mehr Wert auf sprachliche Brillanz, Querverweise und humoristische Einlagen, als auf Tiefe. Sie bleiben nicht haften, rufen nicht die gleichen Emotionen wie die Vorgänger ab. Ist zwar Jammern auf hohem Niveau, aber trotzdem schade.
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Gebundenes Buch
Was erwartet mich in einem Buch, dessen Titel schon eine Geschichte erzählt? Ich bin Fangirl, wenn es um Saša Stanišić geht. Hab ihn schon mehrmals live erlebt und würde zu gern mal Mäuschen spielen wenn er als Fußballtrainer einer F-Jugendgruppe in Hamburg seinen …
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Was erwartet mich in einem Buch, dessen Titel schon eine Geschichte erzählt? Ich bin Fangirl, wenn es um Saša Stanišić geht. Hab ihn schon mehrmals live erlebt und würde zu gern mal Mäuschen spielen wenn er als Fußballtrainer einer F-Jugendgruppe in Hamburg seinen Charme versprüht. Er ist ein gefeierter vielfach preisgekrönter Autor, fabelhafter Vorleser und einer von uns, der „Junge“ von nebenan.
Nun aber zum Buch: 1994 in Heidelberg, auf dem Weinberg, die Sonne ballert im Frühsommer auf die Betonblöcke der Sozialwohnungssiedlung herab. Ein paar 14jährige fantasieren sich eine geniale Idee zusammen. Was wäre, wenn es einen Proberaum fürs Leben gäbe, in dem du für 130 Mark 10 Minuten einer deiner möglichen Zukünfte probeleben könntest. Wenn Dir gefällt, was du siehst, kannst du dich für 130 Tausend Mark einloggen. Oder weitersuchen nach einer besseren Version. DIE 10 Minuten, in die du dich einloggst, bekommst du auf jeden Fall irgendwann in deinem Leben. Wie verändert Dich das Wissen darüber und das Warten darauf?
Oder was wäre, wenn die Zeit einen Moment stehen bliebe? Und Du der, mit der du grad im Raum bist, einen Schnurrbart ins Gesicht malen könntest? Oder die Stille nutzen würdest, um festzustellen, dass andere bisher dein Leben bestimmt haben und jetzt der Moment wäre, die Zügel zu übernehmen?
Und gibt es für die altersarme einsame Witwe, deren täglicher Höhepunkt der Gang zum Friedhof ist, auch einen Raum, in dem sie sich neu einrichten kann?
Wir wohnen einem Konzert der unendlichen Möglichkeiten des Lebens bei, der zigtausend Abzweigungen, in die wir es lenken können und der Millionen Zufälle, auf die wir keinen Einfluss haben. Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand weiß, was es bedeutet, wenn die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne auf dem Grab steht? Minimal? Und doch passiert das Wunder. Man muss nur an das Unwahrscheinliche glauben und bereit sein, sich immer wieder neu zu erfinden.
Es sind Geschichten von Menschen, vielstimmig aus allen Ecken der Gesellschaft erzählt. „Bitte der Reihe nach lesen“ empfiehlt der Autor. Und recht hat er. Was zunächst eine Aneinanderreihung von Kurzgeschichten zu sein scheint, findet zueinander und verwebt sich zu einem Klangbild ebendieser Möglichkeiten. Stanišić erzählt sprachgewandt (ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich daran denke, dass er mit 14 noch kein Wort deutsch sprach), witzig, schelmisch, frech, ironisch, aber auch melancholisch, nachdenklich und anrührend. Er gibt all seinen Figuren, auch den knorrigsten und verschlossensten eine Würde, die von einer großen Liebe zum Menschsein zeugt.
Er erzählt in einem Tempo, dass mir schwindlig wird, schraubt Dialoge zusammen, die mich Aufjuchzen und laut lachen lassen und lässt mich in poetischen und nachdenklichen Momenten pausieren.
Ein Feuerwerk der Erzählkunst, das ich mit einer Triggerwarnung versehen muss. Nix für FreundInnen linearer Romane in ruhigem Erzählfluss! Das hier ist bunt, wild, fluoreszierend, und absolut zauberhaft, vergnüglich und lebensbejahend. Mit Sätzen, die alles andere als kitschig sind und die man trotzdem in ein Poesiealbum schreiben möchte.
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Gebundenes Buch
Das Thema Freundschaft ist vielschichtig und unzählige Male schon literarisch aufgearbeitet. Nun kommt eine hinzu, das uns viele Facetten präsentiert und zugleich den längsten Buchtitel aller Zeit hat: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die …
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Das Thema Freundschaft ist vielschichtig und unzählige Male schon literarisch aufgearbeitet. Nun kommt eine hinzu, das uns viele Facetten präsentiert und zugleich den längsten Buchtitel aller Zeit hat: Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne! Schon an diesem Titel erkennt man den humorvollen und sprachliebenden Saša Stanišić. Es ist weder Roman noch Erzählband, eher etwas das zwischen den Stühlen sitzt, bauen die einzelnen Episoden doch aufeinander auf und greifen ineinander ein. Daher auch die Bitte des Autors zu Beginn: Bitte der Reihe nach lesen. Und ja, das braucht es um dem roten Faden der Freundschaft zu folgen. Um zu erkennen, dass Streben nach Zugehörigkeit, Ausgrenzung, mutigen Neuanfängen und ein Erleben der Freiheit im Leben vieler eine Rolle spielt.
Zu Beginn sind da die vier 16jährigen im Weinberg 1994 mit der guten Geschäftsidee, jeder darf seine Zukunft oder besser eine seiner Zukunftsszenarien testen für 10 Minuten gegen 130 Mark. Famos und literarisch möglich. Und dann folgen viele feinfühlige und auch sehr witzige Geschichten. Herrlich.
Saša Stanišić schreibt poetisch, humorvoll und nimmt uns auf eine literarische Reise mit. In einer verknappten Sprache mit viel wörtlicher Rede wird viel transportiert mit wenig Text. Mir hat das Lesen dieser schlanken 250 Seiten sehr viel Freude bereitet.
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Gebundenes Buch
»Für manche ist das Glück bloß umständehalber spärlicher gesät.«
Wie soll man den Inhalt dieses mehr als vielfältigen Buchs zusammenfassen ohne zu viel zu verraten und den Inhalt regelrecht zu offenbaren? Es ist schwierig – fast unmöglich …
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»Für manche ist das Glück bloß umständehalber spärlicher gesät.«
Wie soll man den Inhalt dieses mehr als vielfältigen Buchs zusammenfassen ohne zu viel zu verraten und den Inhalt regelrecht zu offenbaren? Es ist schwierig – fast unmöglich –, schließlich lässt dieser nicht eben wenig Spielraum und gibt nur das Konstrukt vor. Zudem blicken Lesende in vollkommen anders verlaufende Lebensläufe in verschiedensten Situationen.
Versuchen wir es mal so:
Der übergeordnete Handlungsstrang erzählt von vier Jugendlichen, die überlegen, wie es wäre, wenn man seine Zukunft für zehn Minuten „anprobieren“ und falls diese vielversprechend wirkt, sich in diese „einloggen“ könnte. Dabei begegnen uns im weiteren Verlauf unterschiedlichste Momentaufnahmen, die in zukünftiger Hinsicht wegweisend für die erwähnten Figuren sind oder deren eigene Vergangenheit reflektieren.
Stanišićs neues Buch, bestehend aus mehreren einzelnen Erzählungen, die einzeln stehen und sich zugleich zu einem Gesamtkunstwerk verweben, ist ein Spiel mit dem Zufall, Schicksal und vorgegeben Lebensläufen.
Würde man sein Leben ändern, wenn man bereits wüsste, was passieren könnte? Oder sogar Geld investieren, damit es eben diese, gewollte Richtung einschlägt und ein erfüllendes, glückliches Leben mit sich bringt?
Manche Abzweigungen im Leben scheinen irrelevant, andere alternativlos und einige markieren Weggabelungen, die erst im Nachhinein deutlicher sichtbar sind.
Meisterhaft beherrscht Stanišić das Spiel mit der Sprache, irritiert und bricht konventionelle Regeln, schlichtweg um es auszutesten – und es gelingt ihm! Seiner grandiosen Fabulierkunst ist es zu verdanken, dass mich dieses Buch auf amüsante Weise unterhalten und gleichermaßen nachdenklich gestimmt hat.
Nach der Lektüre stehen die lesenden vor der Wahl selbst zu beurteilen, ob diese Geschichten belangloser Natur sind oder schlichtweg großartige Literatur.
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Gebundenes Buch
An das Buch Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne von Saša Stanišić hatte ich hohe Erwartungen – es zählt nicht nur zu den 100 besten Büchern des Jahres 2024 des ZEIT-Magazins, sondern ist …
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An das Buch Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne von Saša Stanišić hatte ich hohe Erwartungen – es zählt nicht nur zu den 100 besten Büchern des Jahres 2024 des ZEIT-Magazins, sondern ist auch bei den TOP 3 der besten Bücher meines Lieblingsbücher-Podcasts eat.READ.sleep. In meinem persönlichen Ranking läuft es unter ferner liefen, ich fand das Buch nur mittelmäßig.
Die Covergestaltung mit sechs Postkartenmotiven von Helgoland finde ich sehr schön, ein echter Hingucker.
Das Buch ist eine Sammlung von Geschichten aus dem Leben mehrerer junger Männer und zwei Frauen, von denen mir einige gut gefallen haben. Am meisten mochte ich die titelgebende Geschichte der Witwe Gisel, die nach dem Tod ihres Mannes Hermann einsam ist und sich nach einer neuen Beziehung sehnt. Auf dem Friedhof fällt ihr ein älterer Herr auf, den sie regelmäßig beim Besuch von Hermanns Grab sieht.
Gut gefallen hat mir auch die Geschichte von Georg Horvath, der sich sehr darüber ärgert, dass er beim Memory Spielen gegen seinen fünfjährigen Sohn immer verliert. Die Elternzeit vertreibt er sich mit seinem Sohn im Tragetuch mit Pokémon Go.
Mit den Geschichten über die Fahrt mit einem Panzer, dem Diebstahl des Kneipenschilds, Heinrich Heine auf Helgoland, und der Idee, ein anderes Leben für ein paar Minuten „anzuprobieren“, konnte ich weniger anfangen.
Den autofiktionalen Roman des Autors „Herkunft“, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis, habe ich mir gekauft und bereits nach wenigen Seiten festgestellt, dass er ganz anders als „Die Witwe …“ ist und mir mehr zusagt. Ich empfehle, Stanišić‘ neues Buch zu lesen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
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Gebundenes Buch Ich kann das nur empfehlen, aber das ist auch logisch, weil ich habe es ja auch geschrieben.
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