Benutzer
Benutzername: 
lustaufbuch

Bewertungen

Insgesamt 206 Bewertungen
Bewertung vom 05.07.2025
Pötzsch, Oliver

Der Totengräber und die Pratermorde / Inspektor Leopold von Herzfeldt Bd.4


ausgezeichnet

»Obwohl er wusste, dass alles nur Schein und Trug war, ließ er sich doch gerne täuschen.«

Die ganze Stadt freut sich, denn nicht nur der Große Bellini ist zu Gast, sondern noch dazu Charles Banton. Somit gastieren zwei Zauberkünstler in Wien. Als Charles Banton, der die Massen zu sich lockt, während der Premiere seine neue Weltsensation vorführt, passiert das Schlimmste, das man sich denken kann. Aus gekonnter und nur scheinbarer Zauberei wird Realität. Natürlich hatte Banton die Schreie seiner Assistentin ignoriert, als er den Sarg, in dem sie lag, zersägte. Schließlich waren diese Teil der Show, die jedoch in einem blutigen Spektakel endete, denn die Frau wurde wahrhaftig zerteilt. Doch wie konnte das passieren?
Noch dazu sind in den vergangenen Wochen vier junge Frauen, die am Prater angestellt waren, spurlos verschwunden. Zwei Fälle, denen Inspektor Leopold Herzfeldt und Reporterin Julia Wolf nachgehen werden. Und auch wenn sie nun kein Paar mehr sind, kreuzen sich ihre Wege.
Könnte es sogar sein, dass diese zwei Vorfälle irgendwie miteinander zusammenhängen?

Oliver Pötzsch‘ nun schon vierter Fall rund um Leopold Herzfeldt, Julia Wolf und den Totengräber Augustin Rothmayer entführt die Lesenden in die Welt des Wiener Praters zu Ende des 19. Jahrhunderts. Schon der Prolog entfaltete eine Sogwirkung und machte mich neugierig darauf, mehr über die geschilderten Vorkommnisse zu erfahren. Dementsprechend habe ich das Buch verschlungen, nicht zuletzt weil die mehreren Handlungsstränge so fesselnd sind.
Da ich mich schon in meiner Kindheit sehr für den Zirkus und das gesamte Künstlermilieu begeistern konnte, hat mir dieser Fall besonders gut gefallen.
Ich weiß nicht, wie Oliver Pötzsch es schafft, dass ich bei seinen historischen Krimis gegen Ende immer überrascht bin, wie es ausgeht, da er so viele Figuren einführt und falsche Fährten legt. Offensichtlich habe ich keinen guten Riecher dafür oder – was unanzweifelbar ist – er ist ein wahnsinnig guter Autor, nicht nur von Krimis.

Bewertung vom 25.06.2025
Willbrand, Klaus;Razumovych, Daria

Einfach Literatur


ausgezeichnet

»Große Literatur bewahrt etwas von ihrer Zeit, bleibt dabei aber unvergänglich.«
Im Frühjahr des vergangenen Jahres stand Klaus Willbrand kurz davor sein Antiquariat für immer zu schließen und nahm als letzte Möglichkeit das Angebot der befreundeten Digitalberaterin Daria Razumovych an. Über Nacht wurde er regelrecht zum Star. Auch bei mir dauerte es nicht lange, bis ich den Account vom Algorithmus empfohlen bekam.

Was für ein Wissen über Literatur muss Klaus Willbrand gehabt haben? Dass er es hatte, zeigte er uns bereits in seinen Videos und jetzt auch in Buchform.
Bei beiden wurde er von Daria mehr als nur unterstützt, weshalb beide im gleichen Zug genannt werden müssen. Ohne sie wäre sein Antiquariat längst geschlossen. Was dies für sein Vermächtnis bedeuten würde, welches nun ein ganz anderes ist und an dem viele teilhaben, ohne ihn überhaupt gekannt zu haben, möchte man sich gar nicht ausmalen. Am liebsten würde man ihn noch gerne weiterhin über Literatur reden hören.

Dieses Buch erzählt autobiografisch Klaus‘ Lebensweg, der alles andere als linear verlief und gerade deswegen so spannend ist! Dabei stellt er deutschsprachige, angloamerikanische und französische Autor*innen vor, die einerseits ihn selbst zeitlebens begeistert und andererseits die Literaturlandschaft geprägt haben. Zu manchen gibt es ausführlichere Anekdoten, zu anderen eher schlichte Kurzbeschreibungen und Werkempfehlungen.

Dieses Buch berührt einen allein schon, weil mehrere Menschen – Schreibende und Lesende – die gleiche Leidenschaft für großartige Literatur teilen. Was uns Klaus und Daria hinterlassen haben, ist ein Text, der sich seinem Leben, der Literatur und nicht zuletzt der schicksalhaften Begegnung mit Daria beschäftigt und zugleich keinen Lesekanon vorschreibt, sondern vielmehr Anregungen für mögliche zukünftige Lektüren gibt.
Wie gerne hätte ich, besonders von seinen autobiografischen Anekdoten und persönlichen Erlebnissen mit Autor*innen noch mehr gelesen, seinen Gedanken gelauscht und gewünscht, dass er die Veröffentlichung hätte miterleben können.

Bewertung vom 16.06.2025

Schauplätze der Weltliteratur


ausgezeichnet

Die Weltliteratur ist umfangreich, nahezu unendlich und doch gibt es einige Werke, dessen Orte man nie wieder vergisst oder selbst früher oder später mal nicht nur gedanklich aufsucht. Diesen Orten, denen von verschiedensten Autor*innen zu unterschiedlichster Zeit ein literarisches Denkmal gesetzt wurde, widmet sich dieses von John Sutherland herausgegebene Buch.

Dabei streift es, beginnend mit Jane Austen, den klassischen Kanon rund um Tolstois „Anna Karenina“, Virginia Woolfs „Mrs Dalloway“ oder Thomas Manns „Der Zauberberg“ und nimmt auch Bezug auf aktuellere Titel und noch lebende Autor*innen wie Jenny Erpenbeck oder Elena Ferrante. Berücksichtigt werden auch teils die unbekannteren Texte von bekannten Autor*innen.

Viele der erwähnten Romane – ja die Mehrzahl – kenne ich selbst noch nicht, bzw. nur vom Titel her. Aber umso gewinnbringender ist dieses Buch, da man durch die Kurzbeschreibungen zwar nicht den Stil des jeweiligen Romans kennenlernt, aber bezüglich des Inhalts eine Art Speed-Dating durchläuft und schauen kann, ob diese für einen selbst thematisch ansprechend erscheinen. Außerdem findet man in jeweiligen Seitenspalten zu allen Autor*innen aufs Wesentlichste beschränkte Infos.

Die Aufmachung dieses Buchs ist einfach nur gelungen, wunderschön und ergänzt durch Fotos und Bilder den Text. Somit ist es nicht nur für Liebhaber der Literatur etwas Besonderes oder als Geschenk geeignet, sondern lädt vielmehr einfach alle ein sich auf eine Reise zu literarischen Orten zu begeben.

Von dem Herausgeber John Sutherland gibt es in ähnlicher Gestalt auch noch das ebenfalls empfehlenswerte Buch „In 80 Büchern um die Welt“.

Bewertung vom 16.06.2025
Steppacher, Elvira

Blöße


ausgezeichnet

»Immer, wenn Menschen sich der Tiere annehmen, ginge das für die Tiere übel aus.«

Am 03. März 2033 beginnt die Protagonistin Sibylle einen Brief an eine Galeristin und ehemalige Unterstützerin, indem sie Rechenschaft über ihr bisheriges Leben als Präparatorin und Künstlerin ablegt. Dieser Brief erstreckt sich passagenweise über das gesamt Buch hinweg und wird durch Tagebucheinträge, insbesondere von Betrachtungen besonderer Exponate, erweitert.
Als Sibylle 1983 beginnt, die Kunst der Tierpräparation zu erlernen, ist sie fasziniert und als Leser*in wird man in den Bann dieses außergewöhnlichen Handwerks zwischen Tod, Kunst, Natur und Faszination gezogen.
Kurze Zeit später begegnet sie Bea, von ihr Moira genannt, die sich als Aktivistin für das Leid der Tiere einsetzt und darauf öffentlich aufmerksam machen will. Auch wenn beide andere Ansichten haben, denkt Sibylle ständig an Moira und beide nähern sich an. Insbesondere ein Erlebnis schweißt beide ganz früh zusammen: Sibylle muss für ihren Unterricht eigenständig ein Tier töten und ausgerechnet Moira ist ihr dabei behilflich…
Eine explosive Kombi, die dennoch harmoniert, bis ein Geheimnis zwischen sie gerät…

Letztlich besteht der Roman aus vielschichtigen Ebenen – lyrisch, erzählend und informierend – und grenzt sich deutlich von populäreren Romanen ab. Allen, die sich darauf einlassen, wird eine ganz besondere, einzigartige Lektüre geschenkt, welche die Grenzen des moralisch-ethischen Umgangs mit Tieren auslotet und zugleich eine denkwürdige Hommage an die Kunst der Tierpräparation, ausgerottete Tierarten sowie sämtliche naturkundlichen Museen darstellt.
Ganz nebenbei streut die Autorin Wissen über dieses Berufsfeld, sodass man nicht nur einen tollen Roman liest, sondern dabei auch einiges mitnimmt.
Dieses Buch ist ganz gleich wie die Tierpräparation ein komplexes und einzigartiges Kunstwerk für sich!

Bewertung vom 13.06.2025
Lahme, Tilmann

Thomas Mann (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

»Es kenne mich die Welt nicht nur in dem, was ich als Literarisches geleistet habe, sondern in meinem Leid und in meinem Kampf.«

Was Hermann Kurzke bereits vor über 25 Jahren angerissen, wird von Tilmann Lahme mehr in den Fokus gerückt, gar zur Hauptthematik des Buchs – Thomas Manns Homosexualität. Doch war er ein Homosexueller, ein bisexueller Mann oder doch heterosexuell mit den in der Forschung sog. beschönigten „homoerotischen Neigungen“?

Laut Tilmann Lahme war er eindeutig homosexuell und das belegt seine Argumentation an bisher unveröffentlichten Briefen mit seinem Schulfreund Otto Grautoff, zensierten Tagebucheinträgen, die bewusst (!) zurückgehalten wurden und deutlichen Hinweisen in seinen Werken. All das lässt kaum Zweifel offen und trotzdem erregt dieses Buch großen Unmut. Warum will man Thomas Mann nicht als Homosexuellen sehen?
Thomas Mann selbst sprach oft von seinen fünf großen Lieben, alles junge Männer, darunter nicht mal seine Frau.

Noch dazu wollte er selbst, dass seine Tagebücher veröffentlicht und er als derjenige erkannt werde, der er wirklich war und nicht nur vorgab zu sein.

Frühe „wissenschaftliche“ Lektüren, wie die „Psychopathia sexualis“ von Richard Krafft-Ebing, die Homosexualität im harmlosesten Fall als Perversion schildert, hat ihn zeitlebens sehr beeinflusst und animiert gegen seine Sexualität vorzugehen, worauf der Autor detailliert eingeht.
Anders wie bei sonstigen Biografien über Mann nehmen seine frühen Jahre bis zur Ehe im Jahr 1905 die Hälfte des Buchumfangs ein.
Zudem ist die Biografie unterhaltend geschrieben und regt zum Nachdenken an.

Nachdem diese Biografie Thomas Mann erstmals als Homosexuellen schildert, der sein Leben grandios als ein heterosexuelles inszeniert hat, wäre als Nächstes ein neuer Blick auf die Ehe mit Katia – mit der er sich selbst eine „Verfassung“ gegeben hat – interessant.

Und was hat überhaupt Susan Sontag mit Thomas Mann zu tun? In diesem Buch erfährt man so viel über Thomas Mann und ich gebe Daniel Kehlmann recht: „Wer nur ein einziges Buch über Thomas Mann lesen möchte, sollte dieses auswählen.“

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2025
Melville, Herman

Bartleby, der Schreiber


ausgezeichnet

»Ach, wir glauben, dass es in der Welt fröhlich zugeht, weil alles Glück zum Licht drängt; weil das Elend sich aber im Dunkeln verbirgt, glauben wir, dass es kein Elend gibt.«

Geschildert wird eine Amtsstube eines Notars an der Wall Street und dessen Schreibern, die alle als Figuren mit Eigenarten geschildert werden. Doch keiner, nicht der nur vormittags leistungsfähige Turkey, nicht der ehrgeizige und unter Verdauungsproblemen leidende Nippers und schon gar nicht der minderjährige Ginger Nut sind so interessant wie Bartleby, der Schreiber, der seinem Job tadellos und mit großem Ehrgeiz nachkommt, aber alle anderen Tätigkeiten, wie das Abgleichen seiner Abschriften, mit den Worten „Ich möchte lieber nicht“ vehement ablehnt. Dabei lässt er sich auf keine Diskussion ein, sondern beharrt wiederholend auf seinem Ausspruch. Irgendwann hört er sogar mit seiner eigentlichen Arbeit auf.
Trotz allem bleibt der Notar geduldig und gutmütig, obwohl dieser sich Sachen herausnimmt, die er bei keinem anderen geduldet hätte.

Ist Bartleby‘s Verhalten also eine Revolution im Stillen, eine friedliche Verweigerung?

Im beigefügten Essay „Vom Drang, das Rätsel zu lösen“ des Übersetzers Karl-Heinz Ott werden verschiedene Ansätze zur Deutung dargelegt und die Ähnlichkeit zu Kafkas Werk beleuchtet, was durchaus einleuchtend ist, da die Situation mit Bartleby für den Notar schier ausweglos erscheint. Ganz egal, was er macht, ob er ihm mit Mitgefühl oder Entschlossenheit entgegnet, Bartleby möchte lieber nichts.

Besonders die genaue, nicht selten zum Schmunzeln animierende Zeichnung der Figuren und die stilvolle Sprache haben dazu geführt, dass ich diesen dünnen Klassiker mit Freude gelesen habe.
Umso erstaunter war ich, dass dieser Text – 1853 in einer Zeitschrift veröffentlicht – erstmals 1946 auf Deutsch erschienen ist und noch später überhaupt Anerkennung gefunden hat und trotz ihrer über 150 Jahre, immer noch – oder jetzt erst recht – aktuell ist.
Von mir eine große Empfehlung für diese Erzählung!

Bewertung vom 10.06.2025
Wißkirchen, Hans

Zeit der Magier


ausgezeichnet

»Es waren schwere Tage, die hinter uns liegen, aber nun sind wir über den Berg und werden besser gehen, – zusammen, wenn Dir’s ums Herz ist, wie mir.«

Dass die beiden Brüder Heinrich und Thomas nicht nur die lübische Herkunft verband und sie sich zeitlebens – trotz teils starker Entfremdung durch unterschiedliche Ansichten wie zur Zeit des ersten Weltkriegs – vertraute und unendlich wichtige Bezugspersonen waren, zeigt dieses Buch von Hans Wißkirchen, dem Präsident der Deutschen Thomas Mann-Gesellschaft, in äußerst eindrücklicher Weise.
Es scheint, als würde er dabei keinen Aspekt, so klein er auch sein möge, auslassen und dies ist wirklich einmalig.

Wer einen der beiden lesen und verstehen will, muss sich dem jeweils anderen gleichermaßen widmen, da sie sich gegenseitig ergänzen und erst zusammen durch Beschäftigung mit den Romanen, Essays, etc. ein Gesamtbild entsteht.
Dabei beschränkt sich das Buch keineswegs nur auf das Literarische, sondern gleichermaßen auch auf das persönliche Leben, besonders in sexueller Hinsicht und das politische Streben der beiden Brüder. In frühen Jahren war es meist Heinrich, der voranging und auch politisch das sagte, wovon er in progressiver Weise überzeugt war. So übte Vieles was er tat Einfluss auf Thomas Mann aus. Auch Motive der literarischen Texte zeigen nachahmende Handlungen seitens des jüngeren Bruders. Das änderte sich jedoch mit dem Exil und den späteren Leben der beiden.

Trotz der wirklich beeindruckenden Analyse hat mir das Buch aufgrund unzähliger Details und fast zu präzisen Ausführungen und teilweisen Abschweifungen einiges abverlangt.
Kennt man sich mit dem Leben und Werk der Mann-Brüder noch nicht so aus, wird einen dieses Buch vermutlich aufgrund der komplexen Fülle an Informationen erschlagen und ist eher wenig zu empfehlen.
Wer sich allerdings der Geschwisterbeziehung vollumfänglich widmen möchte, wird an diesem Buch – früher oder später – nicht vorbeikommen.
Denn auch wenn es anspruchsvoll ist, ist es trotz allem ein Gewinn!

Bewertung vom 26.05.2025
Maar, Paul

Lorna


ausgezeichnet

Schon immer war Lorna besonders. Das fällt auch dem Ich-Erzähler Markus auf, der in sie verliebt ist und sich doch nie hätte träumen lassen, mit ihr zusammenzukommen. Aber genau das geschieht und nur kurze Zeit später ziehen sie gemeinsam in eine WG. Alles scheint perfekt, bis sowohl der Ich-Erzähler als auch die Mitbewohnerin Katharina bemerken, dass sie sich verändert hat. Ihre Fröhlichkeit weicht aggressiven und unberechenbaren Verhaltensweisen. Als Lorna vor Katharinas Zimmer Feuer schürt, ist dies ein Warnruf und sie kommt in die Psychatrie und stellt die gemeinsame Beziehung auf eine Probe. Alles, was davor so sorgenlos erschien, ist es nun nicht mehr. Nichts ist mehr, wie es war.

In relativ kühlem und nüchternem Stil mit knappen Sätzen erzählt Paul Maar diese ganz eigenartige und besondere Novelle, die reflektiert und nachdenklich daherkommt. Jedes Wort bewusst gewählt, keines zu viel.
Was so harmlos anmutend erscheint, beginnt sich etwa ab der Hälfte zu wandeln und ohne zu viel zu verraten, schlägt die Novelle eine ungeahnte Richtung ein und das mit voller Wucht. Nach Beenden der Lektüre musste ich erstmal durchatmen und lange über das, was ich eben gelesen hatte, nachdenken.

Die versteckten Bamberger Bezüge, hinsichtlich örtlicher Begebenheiten, wie dem Gabelmann oder der Stadtgeschichte, z.B. anhand des Kaiserpaars Kunigunde und Heinrich, erzeugten dabei vertraute Gefühle in mir.

Aber was war das jetzt nun für eine Novelle?
Sie liest sich flüssig und doch muss man sie langsam und genau lesen, ansonsten verpasst man viele Details. Dabei ziehen sich bestimmte Motive annähernd durch die ganze Erzählung oder tauchen vermehrt auf. Sie ist teils sehr modern, was bei dem mittlerweile 87-jährigen Autor beachtlich ist. Auch sind manche Szenen befremdlicher Natur und doch ist es großartig!

Ich werde die Novelle auf mich wirken lassen und vielleicht demnächst gleich nochmal lesen.
Gegen Ende formte sich auch immer mehr der Wunsch, dass dieser Text Schullektüre wird, schließlich lässt sich darüber viel diskutieren.

Bewertung vom 26.05.2025
Leitner, Maria

Elisabeth, ein Hitlermädchen. Roman der deutschen Jugend


ausgezeichnet

»Man kann es ihnen nicht klarmachen, dass sie diese Begeisterung, diese Fahne nicht kennen, dass unser Krieg nicht sein würde, wie der ihre war.«

Elisabeth ist ein überzeugtes Hitlermädchen und begegnet anderen Meinungen mit überheblichem Trotz. Als sie am 01. Mai 1933 auf dem Tempelhofer Feld den hübschen SA-Mann Erwin trifft, bahnt sich alsbald eine Liebesbeziehung an und sie wird schwanger. Doch sie wird das Kind nicht behalten.
Kurz darauf wird die junge Liebe getrennt, denn Elisabeth muss in ein Arbeitslager und erst dort beginnt ihre Faszination für Hitler und den Nationalsozialismus zu bröckeln, bis sie sich gar gegen ihn stellt und sich dadurch von Erwin immer mehr entfernt.

Neben dem damaligen Alltag wurde die dargestellte Rollenverteilung, insbesondere der sog. „Männlichkeit“, wie es damals üblich war und heute teils immer noch ausgeprägt ist, von der Autorin treffend dargestellt. So empfand sich Erwin erst nachdem er der männliche und meinungsstarke SA-Mann wurde, den wir im Buch kennenlernen, als „richtigen Mann“.
Dementsprechend entscheidet sich Erwin schlussendlich nicht für Elisabeth, sondern für seine größere Liebe – den nationalsozialistischen Staat, der für ihn über allem steht.

Dieses Buch liest sich leicht und ist kein trockener Klassiker, sondern erinnerte mich eher an einen gut geschriebenen und recherchierten Roman der Gegenwart. Doch leider bekommt er nicht die Beachtung, die ihm eigentlich zustünde. Um dieser Tatsache entgegenzuwirken wurde er glücklicherweise neu aufgelegt.
Ausschließlich das Fehlen von Abschnitten ist kritisch anzumerken, da man so Perspektivenwechseln oder plötzlich auftauchender Figuren manchmal nicht gewahr werden kann. Dies doch nur am Rande, schließlich tut es dem Buch keinen Abbruch. Es ist und bleibt ein wirklich toller und aufrüttelnder Klassiker, der leider auch Parallelen zur Gegenwart zeigt.

Wie immer bei Klassikern liebe ich Nachworte – wie dieses von Philipp Haibach –, um den Kontext bezogen auf Autorin, Werk und Zeit besser zu verstehen.

Bewertung vom 21.05.2025
Kegel, Bernhard

Mit Pflanzen die Welt retten


ausgezeichnet

»Klimaschutz muss mit dem Schutz der (noch) vorhandenen Natur beginnen.«

Kann man mithilfe der Natur, insbesondere Pflanzen die Welt retten und die Überschreitung des 1,5-Grad Ziels verhindern?
So leicht ist das wiederum nicht, das macht dieses Buch deutlich, doch verzagen sollte man keineswegs, sondern alles mögliche versuchen und jetzt handeln.
In vier Großkapiteln werden mögliche Maßnahmen erläutert und auch abgewägt, ob diese praktisch umsetzbar und vor allem rentabel sind. Dabei war es spannend zu erfahren, wie positiv sich intakte Wälder und Moore auf das Klima auswirken können und schockierend vor Augen zu führen, wie viele Wälder abgeholzt und Moore trocken gelegt wurden und dass diese Praxis Bestand hat. Wiedervernässte Moore ließen sich z.B. durch sog. Paludikulturen bewirtschaften. Gleichermaßen erscheinen auch sog. Blue-Carbon-Ökosysteme und die Photosynthese, auch in künstlicher Form, zukunftsträchtig.
Keine Frage, es wird viel Arbeit und Geld kosten zerstörte Natur wieder neu aufleben zu lassen. Schlauer wäre es zweifelsfrei diese nicht erst weiter zu zerstören.

Anders als so manches Sachbuch ist dieses flüssig und anschaulich geschrieben und trotz der Komplexität des Themas nicht zu anspruchsvoll, sondern stets ausführlich erklärt. Erst gegen Ende des Buchs bin ich – mit beschränktem biologisch-chemischen Wissen – nicht mehr ganz durchgestiegen. Stichpunkt: Photosynthese.

Schlussendlich hat es mich gefesselt, mir Hoffnung gegeben und mir diese teils wieder genommen. Es wurde deutlich wie sehr Klimaschutz mit Naturschutz verbunden ist und dass dies eine Chance ist, die wir jetzt ergreifen müssen. Nichtsdestotrotz führt kein Weg daran vorbei, Treibhausgasemissionen unbedingt und in drastischem Ausmaß zu senken.
Dieses Buch soll keine Hoffnungen schüren und Resignation zulassen, sondern vielmehr ein alarmierender Weckruf sein! Genau das ist dem Biologen Bernhard Kegel mit diesem Buch gelungen.