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Kinder sind kein Thema für Andrea. Sie hat einen Job, der okay ist. Sie führt seit vielen Jahren eine Beziehung mit Georg, die okay ist. Jedes Jahr verbringen sie einen netten Urlaub in Jesolo. Was die Zukunft betrifft, will Andrea sich nicht festlegen, aber Georg will ein Fundament für ein gemeinsames Leben. Aus dem Dilemma scheint es keinen Ausweg zu geben.
Als sie aus dem gemeinsamen Urlaub zurückkommen, ändert sich alles - Andrea ist schwanger. Hin- und hergerissen entscheidet sie sich für das Kind - und geht damit einen Kompromiss nach dem anderen ein: Sie nimmt einen Kredit auf,
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Produktbeschreibung
Kinder sind kein Thema für Andrea. Sie hat einen Job, der okay ist. Sie führt seit vielen Jahren eine Beziehung mit Georg, die okay ist. Jedes Jahr verbringen sie einen netten Urlaub in Jesolo. Was die Zukunft betrifft, will Andrea sich nicht festlegen, aber Georg will ein Fundament für ein gemeinsames Leben. Aus dem Dilemma scheint es keinen Ausweg zu geben.

Als sie aus dem gemeinsamen Urlaub zurückkommen, ändert sich alles - Andrea ist schwanger. Hin- und hergerissen entscheidet sie sich für das Kind - und geht damit einen Kompromiss nach dem anderen ein: Sie nimmt einen Kredit auf, obwohl sie nie einen Kredit aufnehmen wollte; sie zieht ins Haus ihrer Schwiegereltern, obwohl sie nie mit ihnen unter einem Dach leben wollte. Von allen Seiten prasseln Ratschläge auf Andrea nieder, und sie wird in eine Mutterrolle gedrängt, mit der sie sich nicht identifizieren kann.

Ein bewegender Roman über zehn Monate im Leben einer jungen Frau, der nicht nur Beziehung, Schwangerschaft und Familie in ihrer ganzen Ambivalenz zeigt, sondern auch, wie schwierig es ist, wie unmöglich fast, sich angesichts gesellschaftlicher Rollenzuschreibungen als Individuum zu behaupten.

Autorenporträt
Tanja Raich wurde 1986 in Meran geboren und hat Germanistik und Geschichte studiert. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften (Kolik, Lichtungen, Die Rampe u.a.) und Anthologien. Verschiedene Preise und Stipendien, u.a. 2. Platz beim Münchner Kurzgeschichtenwettbewerb 2015, Finalistin beim 20. MDR-Literaturwettbewerb, Rom-Stipendium des Bundeskanzleramtes Österreich, Exil-Literaturpreis 2014. Tanja Raich lebt in Wien. Jesolo ist ihr erster Roman. Er war für den Österreichischen Buchpreis in der Kategorie Debüt nominiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2019

Einmal Pizza in Herzform!
Perspektivlos: Tanja Raichs Debütroman "Jesolo"

Innerhalb der Emanzipationsdebatte ist ein wesentliches Thema das der Mutterschaft: Inwieweit werden auch heute noch gesellschaftliche Ansprüche und Vorstellungen an Mütter herangetragen, und warum geht das offensive Verweigern von Mutterschaft auch im Jahr 2019 noch immer mit Stigmatisierung einher? Die 1986 in Meran geborene Tanja Raich greift in ihrem Debütroman "Jesolo" die Frage nach einem gelungenen weiblichen Lebensentwurf auf - und kommt zu einem ernüchternden Fazit.

Jesolo, der italienische Urlaubsort nahe Venedig, bekannt für seinen kilometerlangen Sandstrand, mag durchaus symbolisch sein für das Dilemma Andreas, der Erzählerin des Romans, die mit der Autorin das Geburtsjahr vermutlich annähernd teilen soll. Alles ist pittoresk und komfortabel in diesem Örtchen an der Adriaküste. Das Dumme ist nur, dass Andreas Freund Georg, mit dem sie seit Schulzeiten liiert ist, darauf besteht, Jahr für Jahr für Jahr die Ferien hier zu verbringen. Da läuft auch die größte Idylle Gefahr, in Drögheit und Langeweile zu versanden.

Wer also wollte es Andrea verdenken, dass sie mit zunehmendem Widerwillen nicht nur auf den schnarchenden Mann auf der Sonnenliege neben ihr blickt, sondern auch auf das gemeinsame Leben generell. Immerhin vor einer gemeinsamen Wohnung hat sie sich bis dato erfolgreich gedrückt, die ewige Diskussionen darüber aber werden ihr nicht erspart.

Raichs Roman, wenig ambitioniert erzählt, markiert einen möglichen Scheitelpunkt. Andrea scheint während der Urlaubstage nicht nur bereit, sondern gewillt, Georg zu verlassen, auch wenn nicht ganz klar ist, wohin und wofür. Vielleicht ist das Fehlen einer wirklichen Leidenschaft ihr eigentliches Problem, auch den Job in einer Grafikagentur reißt sie einigermaßen lustlos ab. Wo kein Ziel ist, da kann der Widerstand gegen das Bestehende, wenn überhaupt, allenfalls halbherzig erfolgen. Und so könnte man Andrea - freilich recht böswillig - unterstellen, dass ihr die überraschende Schwangerschaft ganz recht kommt. Nun kann sie sich, wenngleich permanent hadernd, Georgs Nestbau-Ambitionen überlassen. So wie es stets sein Plan war, wird seine Wohnung, die praktischerweise im Haus seiner Eltern liegt, renoviert, auf dass sich das junge Familienglück darin entfalte. Die Bedenken seiner Freundin übersieht er geflissentlich. Oder aber, auch das mag sein, er hat sich mittlerweile an ihr folgenloses Dauermäkeln so sehr gewöhnt, dass er es für unbedenklich hält.

Die große Tragik vieler Biographien mag darin bestehen, dass gegen alles innere Widerstreben ein von außen vorgegebenes Leben hingenommen wird. "Jesolo" spiegelt ein solches Mitmachen des vorgebenen Lebens in einer immer noch typisch weiblichen Variante. Dass das Gefühl, von anderen in Beschlag genommen zu werden, sich während einer Schwangerschaft potenziert, liegt auf der Hand. Nicht nur folgt der eigene Körper mehr als vordem biologischen Gesetzen, viel bedrückender kann die Selbstverständlichkeit sein, mit der Mann und Schwiegereltern sich des Ungeborenen und damit auch der werdenden Mutter bemächtigen. An dieser Stelle hätte das Denken über Selbstbestimmung ansetzen können. Bei Tanja Raich bleibt das leider aus.

"Jesolo" ist als Wutrede an den Freund angelegt, der permanent direkt angesprochen wird. Das Unbefriedigende an dieser, zumal wenig furiosen, Suada allerdings ist ihre doch sehr überschaubare Stoßrichtung. Da heißt es etwa während der Tage in Jesolo: "Früher hast du mich überrascht an unserem ersten oder letzten Abend. Da ist ein Kellner mit einer Blume gekommen oder hat mir eine Pizza in Herzform gebracht. Jetzt bist Du in die Speisekarte vertieft."

Von der Spießigkeit eingefahrener Paare zur Spießigkeit frisch Verliebter. Nun ja. Emanzipatorische Bestrebungen sind etwas anderes.

WIEBKE POROMBKA

Tanja Raich: "Jesolo". Roman.

Blessing Verlag, München 2019. 224 S., geb., 20,- [Euro].

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»Tanja Raich schreibt in knappen Sätzen mit viel Verständnis für alle ihre Figuren von der Zerrissenheit, die sich im Laufe des Erwachsenseins breit macht.« SPIEGEL ONLINE