Ruth-Maria Thomas
Gebundenes Buch
Die schönste Version
Roman Eine radikal ehrliche Anklage an toxische Beziehungen und das System, das sie ermöglicht
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Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024 und für den aspekte-Literaturpreis 2024Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem ...
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024 und für den aspekte-Literaturpreis 2024
Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen.
Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Introspektion: Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten.
«Ein bedrückend-berückendes Generationenporträt der Millennials» FAZ
«Ich bin beeindruckt - von der Intensität dieses Romans und der Hartnäckigkeit, mit der Ruth-Maria Thomas das Schicksal ihrer Heldin Jella zu ergründen sucht.» Julia Schoch (Das Liebespaar des Jahrhunderts, dtv 2023)
«Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon in meiner Nachwendejugend gegeben. Hier steckt so viel Wissen drin, was damals schmerzlich fehlte.» Hendrik Bolz (Nullerjahre, Kiwi 2022)
«Dieser Roman ist jetzt schon eines meiner Highlights 2024. Ein Muss für uns und wirklich jeden Mann, der ansatzweise verstehen möchte, wie das Aufwachsen als Frau im Patriarchat uns kaputtmachen kann.» Louisa Dellert
Die späten Nullerjahre, frühen 2010er Jahre in einer ostdeutschen Kleinstadt: Die schönste Version erzählt die Geschichte von Jella und Yannick, von der ersten großen Liebe, die alles richtig machen will. Bis es kippt. Wieder zurück in ihrem Kinderzimmer fragt Jella sich, wie es so weit kommen konnte. Sie schaut noch einmal genauer hin: auf ihr Aufwachsen in der Lausitz. Kleinstadt und Kiesgruben, Gangsterrap und Glitzerlipgloss. Auf Freundinnen, die sie durch so vieles trugen. Und auf den Moment, in dem Yannicks Hände sich um ihren Hals schlossen.
Die schönste Version ist die Geschichte eines Erwachens, Erkennens, Anklagens, eine große Introspektion: Ruth-Maria Thomas schreibt über das Frauwerden, Frausein, von Körpern, Begierden und tiefen Abgründen. Mit stilistischer Brillanz, großer Leichtigkeit und Drastik erzählt Ruth-Maria Thomas in ihrem funkelnden Debütroman von den schönsten Dingen. Und den schrecklichsten.
«Ein bedrückend-berückendes Generationenporträt der Millennials» FAZ
«Ich bin beeindruckt - von der Intensität dieses Romans und der Hartnäckigkeit, mit der Ruth-Maria Thomas das Schicksal ihrer Heldin Jella zu ergründen sucht.» Julia Schoch (Das Liebespaar des Jahrhunderts, dtv 2023)
«Ich wünschte, es hätte dieses Buch schon in meiner Nachwendejugend gegeben. Hier steckt so viel Wissen drin, was damals schmerzlich fehlte.» Hendrik Bolz (Nullerjahre, Kiwi 2022)
«Dieser Roman ist jetzt schon eines meiner Highlights 2024. Ein Muss für uns und wirklich jeden Mann, der ansatzweise verstehen möchte, wie das Aufwachsen als Frau im Patriarchat uns kaputtmachen kann.» Louisa Dellert
Ruth-Maria Thomas, 1993 geboren und in Cottbus aufgewachsen, war als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe tätig. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und ist Mitgründerin des erotischen Literaturmagazins Hot Topic!. 2022 war sie Finalistin des Open Mike. In ihren Texten, die u.¿a. im Rundfunk und in Literaturmagazinen erscheinen, beschäftigt sie sich immer wieder mit den Fallstricken weiblicher Sozialisation. Zuletzt erschien ihre Kurzgeschichte Glitzer in DAS GRAMM und wie ich frau bin bei SuKuLTuR.
Produktdetails
- Verlag: Rowohlt, Hamburg
- 8. Aufl.
- Seitenzahl: 272
- Erscheinungstermin: 16. Juli 2024
- Deutsch
- Abmessung: 206mm x 132mm x 28mm
- Gewicht: 354g
- ISBN-13: 9783498006952
- ISBN-10: 3498006959
- Artikelnr.: 70249240
Herstellerkennzeichnung
Rowohlt Verlag GmbH
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
produktsicherheit@rowohlt.de
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Erst war Rezensentin Berit Dießelkämpfer skeptisch, was den Debütroman von Ruth-Maria Thomas angeht, fast zu gut klangen die Lobeshymnen in den sozialen Medien, aber die Buch-Influencer hatten tatsächlich recht, meint sie. Es geht um eine Endzwanzigerin in Ostdeutschland, Jella Nowak, die ihren nun Ex-Freund Yannick Brenner nach einer körperlichen Auseinandersetzung angezeigt hat, erfahren wir. "Brutal anmutig" schreibt Thomas über das ostdeutsch-weibliche Aufwachsen in den 00er-Jahren, die Kluft zwischen Männern, die sich als feministisch bezeichnen und solchen, die auch so handeln, und die Zerrissenheit ihrer Protagonistin, gefallen zu wollen, sich dafür aber permanent verstellen zu müssen, so Dießelkämpfer. Die "präzise Darstellung" dieser Ambivalenzen regt die Kritikerin an, sich den Lobeshymnen anzuschließen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Leben auf die Reihe bekommen" ist nur Punkt 2 der Liste
Ruth-Maria Thomas liefert mit ihrem Romandebüt "Die schönste Version" ein berückend-bedrückendes Generationenporträt der Millennials
Ein Anfang wie ein Paukenschlag: Die 1993 in Cottbus geborene und aufgewachsene Ruth-Maria Thomas, eine neue Stimme in der deutschen Literatur, macht vom ersten Satz an klar, dass sie starke Effekte liebt. Ihr Faible für radikale Emotionen und erzählerische Kontrastbilder ist unübersehbar. Ihr Debüt "Die schönste Version" setzt ein mit einer gewalttätigen Grenzüberschreitung. Die tiefen Gefühle zwischen Jella und Yannick sind längst gekippt in Schläge, Unterwerfung und gefährliche gegenseitige Provokationen. Jetzt
Ruth-Maria Thomas liefert mit ihrem Romandebüt "Die schönste Version" ein berückend-bedrückendes Generationenporträt der Millennials
Ein Anfang wie ein Paukenschlag: Die 1993 in Cottbus geborene und aufgewachsene Ruth-Maria Thomas, eine neue Stimme in der deutschen Literatur, macht vom ersten Satz an klar, dass sie starke Effekte liebt. Ihr Faible für radikale Emotionen und erzählerische Kontrastbilder ist unübersehbar. Ihr Debüt "Die schönste Version" setzt ein mit einer gewalttätigen Grenzüberschreitung. Die tiefen Gefühle zwischen Jella und Yannick sind längst gekippt in Schläge, Unterwerfung und gefährliche gegenseitige Provokationen. Jetzt
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sitzt Jella Nowak auf der Polizeiwache und will ihre einstmals große Liebe Yannick Brenner wegen häuslicher Gewalt anzeigen. Er hatte sie gewürgt, sie hatte ihm die Zitronen-Pfeffermühle auf den Kopf geschlagen. Wie so oft hatten sie gestritten bis zur Eskalation, wie so oft sich gegenseitig mit wilden Vorwürfen aufgestachelt.
Nachdem Yannick Jella angriff, kehrt gespenstische Ruhe ein. Sie packt eine Tasche und flüchtet. Auf der Polizeiwache geht ihr durch den Kopf, dass das Wort "geschlagen" sich falsch anfühlte - als wäre sie eine der Frauen mit blauem Auge und aufgesprungener Lippe auf jenen Plakaten, die Frauen ermuntern, Hilfe bei der Telefonseelsorge zu holen. Jella und Yannick waren, so sehen sie sich selbst, ein ganz normales verliebtes Paar. Wie aus weiter Ferne erinnert sich die Frau an die Hundstage im Sommer, die sie mit ihrem Freund am Badesee verbrachte, nachts das Bild des schwarzen Waldes und des silberfarbenen Mondes vor sich, alles todesschön; und wie Yannick flüsterte, dass, wenn sie, Jella, die Verkörperung eines Moments wäre, es dieser wäre - und sie weiß noch, wie sie die Augen schloss und sich schwor, diesen Moment niemals zu vergessen.
Jella hatte sich alles ganz anders vorgestellt, als sie mit Yannick in eine gemeinsame Wohnung zog. Schön, unrealistisch, idyllisch, sentimentale Traumbilder eben: Sie hätten einfach in einer schönen hellen Wohnung gelebt, viele Pflanzen gehabt, es hätte nach der Minze auf dem Balkon geduftet, befreundete Pärchen wären zum Dinner gekommen - sie hätten es "Dinner" genannt, nicht Abendbrot. Stattdessen arteten die Beziehungskämpfe vom Tag des Einzugs an aus und machten zunehmender gegenseitiger Verständnislosigkeit Platz, wachsendem Überdruss und dann aggressivem beziehungstechnischen Kleinkriegen. Nach der häuslichen Auseinandersetzung mit Yannick kehrt Jella ins Kinderzimmer im dörflichen Haus ihres Vaters in der Lausitz zurück. Sie will erst einmal zu sich kommen und sich überlegen, wie es weitergehen soll.
Ruth-Maria Thomas rollt von diesem Punkt aus rückwärts akribisch die ganze Kindheit im ehemaligen Osten auf, in der schon die Eltern durch die Herausforderung der Wiedervereinigung und den Wandel der Ideale auseinandergeraten waren. Es ist das Protokoll einer schleichenden familiären Zerrüttung, auf deren negativer Folie Jella destruktive Beziehungsmuster erlernt. Erzählerisch ist das ein geschickter Schachzug: Er macht, ohne viele Worte zu verlieren, nachvollziehbar, warum die eigene Beziehung später nicht gelingen konnte. Die dysfunktionale Ehe der Eltern, die sich am Ende trennten, weil sie zu unterschiedlich waren, und die ehrgeizige Mutter, die erst mit dem Vater weg aus dem Dorf in eine Plattenbauwohnung in die Stadt und dann nach Berlin wollte, zur Weiterbildung und ans Theater. Der brummelige Vater, der bei der Oma im ehemaligen Osten zurückblieb, das Aufwachsen im Spannungsfeld von Kleinstadt und Kiesgruben, Gangster-Rap und Glitzer-Lipgloss. Die krisenhafte Selbstfindung als Frau zwischen Gelegenheitssex, Alkohol, zeitgeistig-modischer Selbstinszenierung mit der Freundin und die Suche nach einem tauglichen Rollenmodell zwischen patriarchalischer Dominanz, digitalen Trugbildern und kitschigen weiblichen Idealen. Die halberotische Freundschaft mit Michelle, die Jella zunächst Halt verschafft und zugleich eine Art Modell für die spätere, gefährlich verschmelzende Beziehung mit Yannick abgibt.
Ruth-Maria Thomas, die als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe arbeitete, am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studierte, 2022 Finalistin beim "Open Mike" war und Mitbegründerin des erotischen Literaturmagazins "Hot Topic!" ist, verfügt über einschlägige Szenenkenntnis und genaue Beobachtungsgabe. Diese Stärke zeigt sich erzählerisch in der präzisen Szene- und Generationenkenntnis. Sie bildet den Zeitgeist, die Verlorenheit der Millennials und der Generation Z, authentisch ab. Der Roman spiegelt deren Ängste und Wünsche, Orientierungslosigkeit und Süchte. Er erzählt von der weiblichen Befindlichkeit von Jugendlichen zwischen digitaler Kurzlebigkeit, virtuellen Beziehungen, Verlorenheit durch fehlende Vorbilder und antiquierten Frauenbildern.
Die Geschichte von Jella und Yannick ist das Protokoll einer desorientierten Generation auf der Suche nach dem eigenen Ich. Als Jella die Mutter informiert, dass sie schon nach kurzer Zeit mit Yannik in eine Wohnung ziehen will, sagt es die Mutter deutlich: Sie fände, Jella sollte zuerst herausfinden, wer sie wirklich sei und was sie wolle. Wie ihre Heldin das Chaos des Lebens in den Griff bekommen will, verrät Ruth-Maria Thomas durch eine ebenso lapidare wie effiziente Erzählstrategie: Ihre Akteure versuchen beinahe manisch, die Fakten und Ereignisse zu katalogisieren. Nicht nur ist der Roman pedantisch in elf Tage unterteilt. Auch Jella versucht zwanghaft, die nicht fassbaren, sie überschwemmenden Herausforderungen in To-do-Listen zu strukturieren: "1. Slipeinlagen + Binden kaufen, 2. Leben auf die Reihe bekommen, 3. (Yannick?), Linh und Anna ALLES erzählen." Die Analyse der eskalierten Beziehung zu Yannick kommt in eine eigene Liste. "Con: Hände an meinem Hals. Ich wäre wieder allein, wie soll ich alles allein schaffen? Pro: er kennt mich so gut wie sonst niemand, ich/wir haben so viel investiert, alles umsonst? Liebeskummer nach Trennung zu schmerzhaft. Umzug, sehr anstrengend + teuer".
Hier liegt der große Vorzug dieser Autorin: dass sie ihre Leser teilnehmen lässt an den hartnäckigen, kompromisslosen, drastischen Suchbewegungen von Jella und Yannick. Genau darum liest man den Roman mit Neugier. Nur einmal, gegen den Schluss hin, fällt Ruth-Maria Thomas aus dem Takt. Anstatt darzustellen, kommentiert die Icherzählerin die Ereignisse psychologisch. Jella ist beim Therapeuten und gesteht, dass sie Teil des Problems sei. Sie vermisse die kompromisslose Nähe schrecklich, die durch die Gewalt zwischen ihr und Yannick geschaffen wurde. Und dann referiert die Erzählerin ein paar therapeutische Allerweltsweisheiten: dass sie wisse, dass dies alles ein Teil von ihr sei, sie den Hang zu Gewalt und Unterwerfung nicht besiegen könne, aber lernen müsse, damit zu leben.
Doch das ist ein kleiner Ausrutscher in die Welt der Nachttischchenpsychologie, Ruth-Maria Thomas switcht sogleich zurück in die lapidare, umso aussagekräftigere To-do-Liste des Lebens: "1. Mir selbst glauben; 2. Lernen, damit zu leben; 3. Shelly besuchen; 4. Handcreme kaufen." PIA REINACHER
Ruth-Maria Thomas: "Die schönste Version". Roman.
Rowohlt Verlag,
Hamburg, 2024.
270 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Nachdem Yannick Jella angriff, kehrt gespenstische Ruhe ein. Sie packt eine Tasche und flüchtet. Auf der Polizeiwache geht ihr durch den Kopf, dass das Wort "geschlagen" sich falsch anfühlte - als wäre sie eine der Frauen mit blauem Auge und aufgesprungener Lippe auf jenen Plakaten, die Frauen ermuntern, Hilfe bei der Telefonseelsorge zu holen. Jella und Yannick waren, so sehen sie sich selbst, ein ganz normales verliebtes Paar. Wie aus weiter Ferne erinnert sich die Frau an die Hundstage im Sommer, die sie mit ihrem Freund am Badesee verbrachte, nachts das Bild des schwarzen Waldes und des silberfarbenen Mondes vor sich, alles todesschön; und wie Yannick flüsterte, dass, wenn sie, Jella, die Verkörperung eines Moments wäre, es dieser wäre - und sie weiß noch, wie sie die Augen schloss und sich schwor, diesen Moment niemals zu vergessen.
Jella hatte sich alles ganz anders vorgestellt, als sie mit Yannick in eine gemeinsame Wohnung zog. Schön, unrealistisch, idyllisch, sentimentale Traumbilder eben: Sie hätten einfach in einer schönen hellen Wohnung gelebt, viele Pflanzen gehabt, es hätte nach der Minze auf dem Balkon geduftet, befreundete Pärchen wären zum Dinner gekommen - sie hätten es "Dinner" genannt, nicht Abendbrot. Stattdessen arteten die Beziehungskämpfe vom Tag des Einzugs an aus und machten zunehmender gegenseitiger Verständnislosigkeit Platz, wachsendem Überdruss und dann aggressivem beziehungstechnischen Kleinkriegen. Nach der häuslichen Auseinandersetzung mit Yannick kehrt Jella ins Kinderzimmer im dörflichen Haus ihres Vaters in der Lausitz zurück. Sie will erst einmal zu sich kommen und sich überlegen, wie es weitergehen soll.
Ruth-Maria Thomas rollt von diesem Punkt aus rückwärts akribisch die ganze Kindheit im ehemaligen Osten auf, in der schon die Eltern durch die Herausforderung der Wiedervereinigung und den Wandel der Ideale auseinandergeraten waren. Es ist das Protokoll einer schleichenden familiären Zerrüttung, auf deren negativer Folie Jella destruktive Beziehungsmuster erlernt. Erzählerisch ist das ein geschickter Schachzug: Er macht, ohne viele Worte zu verlieren, nachvollziehbar, warum die eigene Beziehung später nicht gelingen konnte. Die dysfunktionale Ehe der Eltern, die sich am Ende trennten, weil sie zu unterschiedlich waren, und die ehrgeizige Mutter, die erst mit dem Vater weg aus dem Dorf in eine Plattenbauwohnung in die Stadt und dann nach Berlin wollte, zur Weiterbildung und ans Theater. Der brummelige Vater, der bei der Oma im ehemaligen Osten zurückblieb, das Aufwachsen im Spannungsfeld von Kleinstadt und Kiesgruben, Gangster-Rap und Glitzer-Lipgloss. Die krisenhafte Selbstfindung als Frau zwischen Gelegenheitssex, Alkohol, zeitgeistig-modischer Selbstinszenierung mit der Freundin und die Suche nach einem tauglichen Rollenmodell zwischen patriarchalischer Dominanz, digitalen Trugbildern und kitschigen weiblichen Idealen. Die halberotische Freundschaft mit Michelle, die Jella zunächst Halt verschafft und zugleich eine Art Modell für die spätere, gefährlich verschmelzende Beziehung mit Yannick abgibt.
Ruth-Maria Thomas, die als Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe arbeitete, am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig studierte, 2022 Finalistin beim "Open Mike" war und Mitbegründerin des erotischen Literaturmagazins "Hot Topic!" ist, verfügt über einschlägige Szenenkenntnis und genaue Beobachtungsgabe. Diese Stärke zeigt sich erzählerisch in der präzisen Szene- und Generationenkenntnis. Sie bildet den Zeitgeist, die Verlorenheit der Millennials und der Generation Z, authentisch ab. Der Roman spiegelt deren Ängste und Wünsche, Orientierungslosigkeit und Süchte. Er erzählt von der weiblichen Befindlichkeit von Jugendlichen zwischen digitaler Kurzlebigkeit, virtuellen Beziehungen, Verlorenheit durch fehlende Vorbilder und antiquierten Frauenbildern.
Die Geschichte von Jella und Yannick ist das Protokoll einer desorientierten Generation auf der Suche nach dem eigenen Ich. Als Jella die Mutter informiert, dass sie schon nach kurzer Zeit mit Yannik in eine Wohnung ziehen will, sagt es die Mutter deutlich: Sie fände, Jella sollte zuerst herausfinden, wer sie wirklich sei und was sie wolle. Wie ihre Heldin das Chaos des Lebens in den Griff bekommen will, verrät Ruth-Maria Thomas durch eine ebenso lapidare wie effiziente Erzählstrategie: Ihre Akteure versuchen beinahe manisch, die Fakten und Ereignisse zu katalogisieren. Nicht nur ist der Roman pedantisch in elf Tage unterteilt. Auch Jella versucht zwanghaft, die nicht fassbaren, sie überschwemmenden Herausforderungen in To-do-Listen zu strukturieren: "1. Slipeinlagen + Binden kaufen, 2. Leben auf die Reihe bekommen, 3. (Yannick?), Linh und Anna ALLES erzählen." Die Analyse der eskalierten Beziehung zu Yannick kommt in eine eigene Liste. "Con: Hände an meinem Hals. Ich wäre wieder allein, wie soll ich alles allein schaffen? Pro: er kennt mich so gut wie sonst niemand, ich/wir haben so viel investiert, alles umsonst? Liebeskummer nach Trennung zu schmerzhaft. Umzug, sehr anstrengend + teuer".
Hier liegt der große Vorzug dieser Autorin: dass sie ihre Leser teilnehmen lässt an den hartnäckigen, kompromisslosen, drastischen Suchbewegungen von Jella und Yannick. Genau darum liest man den Roman mit Neugier. Nur einmal, gegen den Schluss hin, fällt Ruth-Maria Thomas aus dem Takt. Anstatt darzustellen, kommentiert die Icherzählerin die Ereignisse psychologisch. Jella ist beim Therapeuten und gesteht, dass sie Teil des Problems sei. Sie vermisse die kompromisslose Nähe schrecklich, die durch die Gewalt zwischen ihr und Yannick geschaffen wurde. Und dann referiert die Erzählerin ein paar therapeutische Allerweltsweisheiten: dass sie wisse, dass dies alles ein Teil von ihr sei, sie den Hang zu Gewalt und Unterwerfung nicht besiegen könne, aber lernen müsse, damit zu leben.
Doch das ist ein kleiner Ausrutscher in die Welt der Nachttischchenpsychologie, Ruth-Maria Thomas switcht sogleich zurück in die lapidare, umso aussagekräftigere To-do-Liste des Lebens: "1. Mir selbst glauben; 2. Lernen, damit zu leben; 3. Shelly besuchen; 4. Handcreme kaufen." PIA REINACHER
Ruth-Maria Thomas: "Die schönste Version". Roman.
Rowohlt Verlag,
Hamburg, 2024.
270 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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«[eine] Geschichte über eine junge Frau aus Ostdeutschland mit einer toxisch-gewaltvollen Beziehung. Jedes einzelne dieser drei Themen ist mittlerweile gut bearbeitet - aber kaum jemals so brutal anmutig, wie es sich Thomas vornimmt. Mit diesem Roman, der so mühelos die Erzählregister zwischen einer panisch atemlosen Sprache und einer ausgeruhten Sanftheit wechselt.» Berit Dießelkämper Die Zeit 20240919
Ruth-Maria Thomas beschreibt in Ihrem Roman das Erwachsenwerden Ihrer Protagonistin Jella. Den Fokus legt sie dabei vor allem auf Freundschaften bzw. Freundinnen und Beziehungen zu Männern.
Der Roman beginnt sehr romantisch, wird dann aber schnell traurig und bedrückend. Es ist eine …
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Ruth-Maria Thomas beschreibt in Ihrem Roman das Erwachsenwerden Ihrer Protagonistin Jella. Den Fokus legt sie dabei vor allem auf Freundschaften bzw. Freundinnen und Beziehungen zu Männern.
Der Roman beginnt sehr romantisch, wird dann aber schnell traurig und bedrückend. Es ist eine relativ schonungslose und direkte Darstellung der Dinge, die Teenagerinnen und jungen Frauen passieren können. Dabei gelingt es der Autorin extrem gut, zu beschrieben, wie viel Einfluss die Medien und das Frauenbild, das dort suggeriert wird, auf die Entwicklung von Mädchen haben. Was Jella und ihre Freundin alles unternehmen, um diesem Nachzueifern, klingt fast schon absurd, wäre es nicht so nah an meinem Alltag in diesem Alter.
Auch Themen wie die Gewaltspirale und Schuldfrage bei Gewalt in Beziehungen lässt Ruth-Maria Thomas nicht aus. Es gelingt ihr sehr glaubwürdig und respektvoll zu beschreiben, wie betroffene Frauen sich fühlen.
Mit Sicherheit ist dieser Roman nicht die schönste Version einer Jugend. Dafür aber eine sehr einfühlsame Darstellung der Herausforderungen für heranwachsende Mädchen, der mit Sicherheit seinen Beitrag leisten kann zur Veränderung des Frauenbildes in unserer Gesellschaft. Es würde mich nicht wundern, wenn sich dieser Roman unter den Nominierten für den nächsten Deutschen Buchpreis finden wird.
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Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem früheren Kinderzimmer erinnert sie sich an ihre Kindheit und …
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Zwischen Jella und Yannick ist es die große Liebe, die gemeinsame Wohnung die Krönung, Jella träumt bereits von mehr. Bis zu einem Vorfall, der alles ändert. Jella zieht zurück zu ihrem Vater, in ihrem früheren Kinderzimmer erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend, geht Situationen noch einmal durch und fragt sich, wie es so weit kommen konnte, dass es dermaßen eskaliert. Erinnert sich an Yannicks Hände an ihrem Hals, denkt an ihre Todesangst und das folgende Gefühl.
„Ja, meine Güte, muss man jetzt nicht gleich überreagieren, kein Drama machen, nicht so hysterisch sein, wegen dieser Sache, die irgendwie schiefgegangen ist, also reiß dich mal zusammen, das war doch nichts. Wird schon wieder werden.“ (Seite 117)
Dieses Buch ist so schonungslos ehrlich, dass es wehtut. Aber nicht nur das, es macht mich auch wütend. So viele Situationen aus Jellas Jugend habe ich wiedererkannt, viele schmerzhafte Momente selbst erlebt. Glücklicherweise ist mir nie etwas ähnliches zugestoßen, dennoch konnte ich mitfühlen und nachvollziehen, wie es ihr geht. Der schreckliche Übergriff führt dazu, dass Jella endlich darüber nachdenkt, wie sie an einen Punkt in ihrem Leben kommen konnte, an dem es für sie nicht mehr weitergeht. Dies ist schmerzhaft, dies ist traurig und brutal, aber unumgänglich, denn ansonsten geht ihre Seele kaputt.
„Ich hatte alles unter Kontrolle. Und während ich alles so sehr unter Kontrolle hatte, zog gleichzeitig alles an mir vorüber und ich: so taub, dass ich kaum etwas spürte.“ (Seite 128)
Dieser Mix aus Coming of Age, Liebesgeschichte und Drama lässt mich tief berührt zurück. Der großartige Schreibstil und die manchmal unvollständigen Sätze, die umso mehr ins Schwarze treffen, weil man weiß, was die Autorin damit sagen will, bescherten mir ein intensives Leseerlebnis voller emotionaler Momente, die einen großen Eindruck hinterlassen haben. Danke dafür.
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Das Buch ist stellenweise schon harter Tobak, meiner Meinung nach. An manchen Stellen finde ich mich wieder und ich fand es sehr spannend, die Gedankengänge einer anderen Person zu lesen, der etwas Schlimmes widerfahren ist. Die Selbstzweifel, die langsam aufkeimende Scham, das Gutreden einer …
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Das Buch ist stellenweise schon harter Tobak, meiner Meinung nach. An manchen Stellen finde ich mich wieder und ich fand es sehr spannend, die Gedankengänge einer anderen Person zu lesen, der etwas Schlimmes widerfahren ist. Die Selbstzweifel, die langsam aufkeimende Scham, das Gutreden einer offensichtlich nicht rechten Situation. Da fragt man sich als Leser natürlich, woher kommen diese Zweifel an sich selbst, die Unfähigkeit, einzuschätzen, ob etwas rechtens war oder nicht, ob etwas wirklich schlimm war oder doch halb so wild? Vieles scheint bereits in der Kindheit und Jugend der Protagonistin falsch gelaufen zu sein. Komische Freunde, ein „schwacher“ Vater, der selbst nicht für sich einsteht, viel Freiheit, aber wenig Fürsorge und Disziplin. Auch wenn das Buch den Leser bedrückt, es kann aber auch zum Nachdenken anregen. Und zwar zum Nachdenken darüber, wie wir zukünftig unsere Kinder und vor allem Töchter erziehen und sozialisieren können, damit sie sich nicht selbst in Gefahr bringen.
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Toller Stil
In die schönste Version von Ruth-Maria Thomas geht es um Jella, die in den 90ern in einer ostdeutschen Kleinstadt aufgewachsen ist. Nachdem ihre große Liebe ihr gegenüber gewaltätig wird, landet sie wieder in ihrem Elternhaus und blickt darauf zurück wie es …
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Toller Stil
In die schönste Version von Ruth-Maria Thomas geht es um Jella, die in den 90ern in einer ostdeutschen Kleinstadt aufgewachsen ist. Nachdem ihre große Liebe ihr gegenüber gewaltätig wird, landet sie wieder in ihrem Elternhaus und blickt darauf zurück wie es soweit kommen konnte.
Der Autorin ist es gelungen ein sehr beeindruckendes Buch zu verfassen. Allein der Stil war sehr überzeugend. Es ist ein moderner Stil und er ist einzigartig, klar zu erkennen. Das macht begabte Literaten aus. Daneben gelingt es ihr auch eine eindringliche Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, wie sie viele Frauen täglich erleben. Frauen, die unter der Gewalt von Männern, häufig ihre eigenen Partner leiden. Ihr gelingt es diese Geschichte sehr authentisch in ihrer Vielschichtigkeit zu übermitteln. Zurecht nominiert für den deutschen Buchpreis!
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Das Cover des Buches, ein J-förmiger Ausschnitt des Gesichtes einer Frau auf hellrosa Grund, gefällt mir sehr gut und passt für mich auch zum Inhalt des Buches. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Jella wird im Wesentlichen auf zwei Zeitebenen erzählt. Da ist die …
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Das Cover des Buches, ein J-förmiger Ausschnitt des Gesichtes einer Frau auf hellrosa Grund, gefällt mir sehr gut und passt für mich auch zum Inhalt des Buches. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Jella wird im Wesentlichen auf zwei Zeitebenen erzählt. Da ist die Jetztzeit, in der Jella von ihrem Freund Yannick, mit dem sie eigentlich eine sehr innige Beziehung verbunden hat, gewürgt wird, woraufhin sie eine Anzeige bei der Polizei erstattet und in ihr Kinderzimmer in der Wohnung des Vaters zurückzieht.
Erzählt wird von den Tagen danach, in denen Jella versucht, das Unverständliche zu verstehen, nach Gründen sucht, die es für eine solche Tat nicht gibt und hin und hergerissen scheint zwischen dem Wunsch doch wieder Kontakt mit Yannick zu haben und dem Gefühl, dass das was passiert ist unverzeilich ist. Unterbrochen wird diese Erzählebene durch Rückblenden in die Jugend von Jella, vor allem zur Entwicklung ihrer Sexualität, in der es auch früher schon Gewalterfahrungen gab.
Der Schreibstil des Buches -es ist im wesentlichen kurzen und prägnanten Sätzen geschrieben - hat mir sehr gut gefallen und dazu beigetragen, dass ich das Buch in kurzer Zeit gelesen habe.
Die Storys selbst blieb mir etwas zu eindimensional, insbesondere in den Passagen, die sich im wesentlichen auf die Aufzählung früherer Sexualpartner zu beschränken schien.. Andererseits waren es wohl genau diesen Begebenheiten und Erfahrungen die prägend für das Erleben von Jella in der Jetztzeit und auch ihr Selbstverständnis waren. Trotzdem finde ich etwas schade, dass andere Themen, wie die Trennung der Eltern oder die Entwurzelung durch den Verlust der Heimat aufgrund des Bergbaus und die immer noch spürbaren Unterschiede zwischen Ost und West, nur angerissen wurden.
Trotzdem ein Buch, was ich gerne gelesen habe, auch weil es mich an vielen Stellen zum Nachdenken über meine eigene Biografie gebracht hat.
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Im Schlammbecken der misogynen Gesellschaft hilft auch keine schönste Version
Mit „Die schönste Version“, erschienen 2024 bei Rowohlt Hundert Augen, ist Ruth-Maria Thomas ein polarisierender Roman gelungen, der auf jeden Fall Emotionen weckt. Die Bandbreite in meinem …
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Im Schlammbecken der misogynen Gesellschaft hilft auch keine schönste Version
Mit „Die schönste Version“, erschienen 2024 bei Rowohlt Hundert Augen, ist Ruth-Maria Thomas ein polarisierender Roman gelungen, der auf jeden Fall Emotionen weckt. Die Bandbreite in meinem Bekanntenkreis geht dabei von Ekel und Abwehr hin zu purer Begeisterung – Spoiler: Ich reihe mich bei Begeisterung ein.
Was hat es auf sich mit der schönsten Version? Die Protagonistin Jella hat eine Beziehung mit Yannick, die von Anfang an unter dem Deckmantel romantischer Verheißung sehr problematisch ist – und immer mehr eskaliert, bis sich ein nicht mehr schönzuredener Übergriff ereignet. So weit, so bekannt – das Besondere an diesem Buch ist, wie genau und schonungslos ehrlich Ruth-Maria Thomas den Weg dahin zeichnet – und damit ins Herz unserer misogynen Gesellschaft blickt, in der weiblich gelesenen Menschen noch immer vermittelt wird, dass sie auf keinen Fall genug sind, so wie sie sind und dass sie immer Aufwand betreiben müssen, um zu gefallen, immer arbeiten müssen, immer besser werden müssen, auf keinen Fall einfach nur so sein können, wie sie sind, immer herausfinden müssen, was ihr Gegenüber sich gerade von ihnen wünscht und das dann anbieten müssen: Die schönste Version ihrer Selbst.
Das Härteste an dem Buch ist dabei diese Normalität, die unter allem liegt – und dass mich einfach gar nichts überrascht. Ich kenne das alles, es ist das, was immernoch große Teile der Mann-Frau-Beziehungen ausmacht. Auch die Eskalation habe ich vergleichbar erlebt.
Und diese ganze Täter-Rhetorik, mit der wir weiblich gelesenen Menschen aufwachsen, die wir von Anfang an inhalieren und zu unserer Wahrheit machen – und oft ein ganzes Leben brauchen, um uns davon zu befreien. Wie kann es sein, dass wir unseren Wert anhand von Männern definieren, warum sind wir dazu da, dass es ihnen gut geht? Das Patriarchat haut so dermaßen durch in diesem Werk. Erschreckend, dass die Protagonistin zu keinem Zeitpunkt wirkliche Lust erlebt oder Selbstbestimmung. Selbst als sie sich daran versucht, opfert sie sich nur und dreht das System nur scheinbar um, schadet sich dadurch aber nur noch mehr. Viele Teile davon kenne ich auch, kennt jede Frau. Hier auf die Spitze getrieben in einer endlosen Reihung. Wie sogar eine klare Vergewaltigung noch mit Täter-Rhetorik bagatellisiert wird durch sie selbst, es ist einfach erschütternd. Ruth-Maria Thomas beschreibt das so gut, schreibt so dicht und so nüchtern, daraus entsteht eine karge Härte, die mich total berührt.
Ich weiß nicht, ob auch von anderen Menschen verfolgt wird, wie sehr aktuell Gewalt gegen Frauen wieder zunimmt. Nicht, dass sie je wenig gewesen wäre. Wenn mensch sich durch dieses Buch gekämpft hat, dann ist klar, warum es so wichtig ist, Femizide genau so zu bezeichnen und nicht als Beziehungstat oder Eifersuchtsmord. Die Zahl der Femizide und der täglichen Gewalttaten an Frauen ist auch in Deutschland viel zu hoch (jede Zahl mehr als 0 wäre das), die Euphemismen, die täglich gebraucht werden, unendlich, die psychische Gewalt und Diskriminierung, die wir erfahren, einfach unerträglich. Wir leben in einer strukturell misogynen Gesellschaft. Das muss endlich aufhören. Ruth-Maria Thomas schreibt dieses Elend einfach perfekt zusammen. Und auch wenn sie mich gegen Ende einmal kurz verloren hat, weil ich eine Volte, die sie schlägt, wirklich nicht mehr glaubhaft und begründbar fand:
Vor uns liegt ein bewegendes, aufrüttelndes Buch, dem ich viele Leser:innen wünsche, vor allem aber viele Leser. Es ist Zeit, aufzustehen gegen die Misogynie, gegen das, was wir von klein auf lernen: Dass wir gefallen sollen – und dass es unsere Schuld ist, wenn das nicht klappt. Und, das ist das Schlimmste: Dass wir dann nichts wert sind. Beenden wir das. Nicht die schönste Version sein. Wir sind genug. Wir müssen niemandem gefallen. Außer uns selbst.
Warum es Feminismus braucht? Lest dieses Buch.
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Feministische Grenzüberschreitung
Der Debütroman «Die schönste Version» von Ruth-Maria Thomas greift ein Thema auf, das so alt ist wie die Menschheit, die Beziehung zwischen Mann und Frau, hier allerdings in einer toxischen Variante. Das Buch wurde für den …
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Feministische Grenzüberschreitung
Der Debütroman «Die schönste Version» von Ruth-Maria Thomas greift ein Thema auf, das so alt ist wie die Menschheit, die Beziehung zwischen Mann und Frau, hier allerdings in einer toxischen Variante. Das Buch wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert und von den Feuilletons wie auch in Leser-Kommentaren positiv aufgenommen, weil es das Entstehen einer toxische Beziehung und deren Vorbedingungen plausibel und in einer tiefgründigen, geradezu sezierenden Weise offen legt.
Gleich zu Beginn des Romans eskaliert ein heftiger Streit der Studentin Jella mit ihrem eifersüchtigen Freund Yannick, der sie eine Hure nennt und handgreiflich wird. Das Gerangel der Beiden endet damit, dass er sie würgt und ihr dabei Mund und Nase zuhält, sie droht zu ersticken. In Todesangst greift sie nach einer Pfeffermühle und schlägt sie ihm auf den Kopf, woraufhin er sie loslässt. Jella flieht aus der Wohnung und sucht Hilfe bei einer gerade vorbei kommenden Joggerin, die ihr dringend rät, zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Was sie, nach kurzem Zögern, dann auch tut. In Rückblenden erzählt Jella von ihrer Jugend in einem kleinen Städtchen in der Lausitz, das von Kiesgruben bedrängt ist. Ihre Mutter ist vor der Tristesse der ländlichen Umgebung in die Stadt geflüchtet, Jella wohnt nun bei ihrem wortkargen, genügsamen Vater. Sie gehört zu den Digital Natives, ist eine gute Schülerin und, wie ihre Freundinnen auch, an Kleidern und Kosmetika interessiert, will den Jungens gefallen. Ihre Unschuld verliert sie bei einer Vergewaltigung, hat dann einige One-Night-Stands und trifft schließlich auf den deutlich älteren Yannick. Er ist zeichnerisch begabt, fühlt sich als Künstler, muss aber für seinen Lebensunterhalt arbeiten gehen. Ihre Liebe ist wie ein Rausch, Jella erlebt eine beglückende Sexualität, sie können beide nicht genug voneinander bekommen. Als sie schließlich zusammen eine Wohnung mieten, scheint Jellas Glück vollkommen.
In dieser Geschichte einer schwierigen Frauwerdung wird ungeschönt und in einer das Milieu stimmig abbildenden Sprache geschildert, wie die Protagonistin vergeblich versucht, ihr Leben ‹auf die Reihe zu bekommen›. Sie taumelt mit ihren Freundinnen mächtig ‹aufgedonnert› und alkoholisiert von Party zu Party, ist aber immer enttäuscht von den Männern, mit denen sie sich dabei abgibt, weil deren Motive durchschaubar und deprimierend zugleich sind. Jella ist durch kitschige weibliche Ideale geprägt, die sie mit Yannis als verwirklicht betrachtet, bis alltäglicher Zwist die vermeintliche Idylle zunehmend stört, was bei Beiden zu wachsender Aggressivität und schließlich zu der gewalttätigen Grenzüberschreitung führt. Entsetzt versucht Jella, die wieder zu ihrem Vater gezogen ist, die erlittene Gewalt herunterzuspielen. Sie habe ja schließlich kein blaues Auge abbekommen und keine äußerlichen Verletzungen erlitten, sie sei ja nicht verprügelt worden, - also alles halb so schlimm? Sie überlegt sogar ernsthaft, ihre Strafanzeige zurückzuziehen, will sich wieder mit Yannis versöhnen, sie haben doch so gut zusammen gepasst, und er war immer so liebevoll zu ihr.
Die Autorin versteht es, die sentimentalen Träume ihrer desorientierten Heldin bis in die tiefsten Abgründe auszuleuchten, ohne je auf vorgezeichnete psychologische Deutungsmuster zurück zu greifen. Sie schildert vielmehr, mit dem authentisch klingenden Vokabular ihrer jungen Protagonistin, im Jugendsprech der Millenniels also, deren widersprüchliche Prägungen, die sie zu allerlei realitätsfernen Gedankengängen verleiten. Leider aber führen ihre chaotischen Traumbilder Jella nicht zu einem stimmigen Lebensentwurf hin, da passt Vieles nicht zusammen in ihrem Weltbild. Es ist die für «ältere Semester» unter den Lesern bereichernde, minutiöse Darstellung dieser inneren Zerrissenheit, die den in seinem Plot ziemlich spannend angelegten, feministischen Roman zu einer empfehlenswerten Lektüre machen.
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Anders
„Ich hatte mir alles anders vorgestellt“, heißt es in dem Roman. Ich mir auch.
Jella wächst in den Nullerjahren in der Lausitz auf. Dort macht sie als Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Männern, die alles andere als positiv sind. Bis sie Yannick …
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Anders
„Ich hatte mir alles anders vorgestellt“, heißt es in dem Roman. Ich mir auch.
Jella wächst in den Nullerjahren in der Lausitz auf. Dort macht sie als Jugendliche ihre ersten Erfahrungen mit Männern, die alles andere als positiv sind. Bis sie Yannick kennenlernt. Yannick ist 10 Jahre älter als Jella. Er verkörpert genau den Mann, den Jella sich immer gewünscht hat: zuvorkommend, sehr gut erzogen, hervorragende Umgangsformen und intelligent. Jella tut alles, damit die Beziehung gut gelingt, ja, damit sie die schönste Version dessen wird, was sie sich vom Leben so vorstellt. Dazu gehört auch, dass Jella nicht mehr Jella ist. Sie verstellt sich, damit Yannick sie weiterhin liebt und mit ihr zusammenbleibt. Doch der Alltag holt die beiden ein. Sie streiten sich immer öfter und geraten dabei auch körperlich aneinander. Und dann geschieht das Unfassbare: Yannick erwürgt Jella fast. Jella erstattet Anzeige und zieht zurück zu ihrem Vater. In ihrem Kinderzimmer macht sie sich Gedanken, warum alles so kommen konnte, wie es nun einmal geschehen ist.
Und genau die Frage hätte mich interessiert: Wie konnte geschehen? Irgendwie bekommt man als Leser schon eine Antwort, aber die war so ganz anders, als ich mir das nach dem Klappentext so vorgestellt hatte. Zwar ist der Schreibstil flüssig und leicht zu lesen, mir aber viel zu vulgär. Jella ruft sich alle ihre sexuellen Beziehungen ins Gedächtnis zurück. Dabei hatte ich das Gefühl, eher einen Porno zu lesen. So etwas hatte ich nicht erwartet. Der Inhalt konnte mich leider überhaupt nicht überzeugen, aber vielleicht bin ich in meinem fortgeschrittenen Alter auch einfach nicht die Zielgruppe.
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Jella und Yannick führen eine Beziehung, die nach außen hin perfekt wirkt. Hinter der Fassade sieht das jedoch anders aus. Mit und mit wird die Beziehung immer toxischer, bis auch Gewalt eine Rolle spielt. Dennoch gibt es weiter auch schöne Momente, was die Situation sehr kompliziert …
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Jella und Yannick führen eine Beziehung, die nach außen hin perfekt wirkt. Hinter der Fassade sieht das jedoch anders aus. Mit und mit wird die Beziehung immer toxischer, bis auch Gewalt eine Rolle spielt. Dennoch gibt es weiter auch schöne Momente, was die Situation sehr kompliziert macht. Wird Jella es schaffen, sich von Yannick loszulösen und zu heilen?
Die Geschichte von Jella hat mich sehr berührt in ihrer Echtheit. Der Schreibstil ist für mich sehr authentisch und besonders. Die Beschreibung der Ereignisse in Gegenwart und Vergangenheit ist sehr nachvollziehbar und fesselnd geschrieben. Im Gegensatz zu häufig sehr übertriebenen und unrealistischen Liebesgeschichten, die man in Liebesromanen liest, hebt sich Jellas Geschichte sehr davon ab. Ihr Charakter ist wirklich facettenreich. Ich schließe das Buch und habe so viel Respekt vor ihr und bin in die Geschichte sehr tief eingetaucht.
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DIE SCHÖNSTE VERSION
Ruth-Maria Thomas
Der Streit zwischen der Studentin Jella und ihrem zehn Jahre älteren Freund Yannick eskaliert. Seine Hände umklammern ihre Kehle und nehmen ihr die Luft zum Atmen. Erst in letzter Sekunde kann sie sich befreien.
Kurzentschlossen findet sie …
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DIE SCHÖNSTE VERSION
Ruth-Maria Thomas
Der Streit zwischen der Studentin Jella und ihrem zehn Jahre älteren Freund Yannick eskaliert. Seine Hände umklammern ihre Kehle und nehmen ihr die Luft zum Atmen. Erst in letzter Sekunde kann sie sich befreien.
Kurzentschlossen findet sie sich auf dem Polizeirevier wieder, um Hilfe und Zuspruch zu erhalten. Doch da sie Yannick mit einer Pfeffermühle geschlagen hatte – aus Notwehr, damit er aufhört, sie zu würgen – wird ihr vom Polizisten, der sich keine Notizen macht, eine Mitschuld zugeschrieben.
Sie zieht kurzerhand wieder zu ihrem Vater in die Plattenbausiedlung und ist geneigt, Yannick zu verzeihen, denn eigentlich gab es ja auch viele schöne Momente in ihrer Beziehung …
„Und dann. Danach. Das Abtun, als wäre nichts gewesen. Als würdest du übertreiben. Dann wirst du selbst unsicher, zweifelst, bekommst das Gefühl, dass du deiner eigenen Angst nicht mehr vertrauen kannst. Und dann. Wischst auch du es weg, als wäre es nichts, nur ein Teil des Streits, keine lebensbedrohliche Situation, die dich verfolgt, bis in deine Träume.“ (S. 259)
In Rückblicken erfahren wir, wie Jella in einer ostdeutschen Kleinstadt aufwächst, wie ihre Mutter sie und ihren Vater früh verlässt, da sie lieber in Berlin leben möchte. Jella entscheidet sich dafür, bei ihrem Vater zu bleiben. Sie besucht die Schule, lernt dort ihre Freundinnen kennen und verliebt sich mit 15 Jahren in einen sehr viel älteren Jungen, der sie erstmals sexuell unter Druck setzt und erpresst.
Wir erleben mit, wie sie Weihnachten sturzbetrunken einem jungen Mann „Nein“ sagt und dieser das „Nein“ ignoriert.
Als Jella Jahre später Yannick kennenlernt, hoffen wir, dass sie endlich ihre große Liebe gefunden hat und zur Ruhe kommt. Doch schnell erkennen wir als Leser, dass Yannick narzisstische Züge hat, die die verliebte Jella völlig ignoriert.
Was für ein krasser Roman. Dieses Buch über eine toxische Beziehung ist wie ein Paukenschlag und ist zu Recht für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert. Für mich ist es jetzt schon ein großes Highlight.
Ich bin nur so durch die Seiten geflogen, habe Jella nicht immer verstanden, aber dennoch mit ihr gelitten.
Chapeau, Ruth-Maria Thomas, was für ein Debüt! Ich drücke Ihnen für den Deutschen Buchpreis 2024 fest die Daumen.
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