Janine Adomeit
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Die erste halbe Stunde im Paradies
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Was bedeutet es, füreinander da zu sein?Als Kinder waren sich Anne und ihr älterer Bruder Kai sehr nah. Gemeinsam kümmerten sie sich jahrelang um ihre chronisch kranke Mutter, obwohl sie dafür noch viel zu jung waren. Doch das fröhliche, von Musik und Gesang erfüllte Familienleben zerbrach schließlich an der Krankheit. Mittlerweile ist Anne Anfang dreißig und Pharmavertreterin. Kontakt zu Kai hat sie keinen mehr - eigentlich hat sie zu niemandem so richtig Kontakt, abgesehen von den Ärzten in ihrem Reisegebiet, mit denen sie lange Gespräche über das Thema Schmerz führt. Denn Anne h...
Was bedeutet es, füreinander da zu sein?
Als Kinder waren sich Anne und ihr älterer Bruder Kai sehr nah. Gemeinsam kümmerten sie sich jahrelang um ihre chronisch kranke Mutter, obwohl sie dafür noch viel zu jung waren. Doch das fröhliche, von Musik und Gesang erfüllte Familienleben zerbrach schließlich an der Krankheit. Mittlerweile ist Anne Anfang dreißig und Pharmavertreterin. Kontakt zu Kai hat sie keinen mehr - eigentlich hat sie zu niemandem so richtig Kontakt, abgesehen von den Ärzten in ihrem Reisegebiet, mit denen sie lange Gespräche über das Thema Schmerz führt. Denn Anne hat ein Ziel: Sie will umsteigen, von Beruhigungsmitteln auf das hochwirksame, aber umstrittene Schmerzmittel Fentanyl. Da meldet sich auf einmal Kai und bittet sie, ihn aus einer Entzugsklinik abzuholen. Zwischen den beiden ungleichen Geschwistern kommen nach jahrelangem Schweigen Dinge zur Sprache, die nicht nur dieVergangenheit, sondern auch Annes Traum, den Schmerz zu besiegen, in ein völlig neues Licht rücken. Kann Anne endlich verzeihen - ihrem Bruder und sich selbst?
Janine Adomeit gelingt das Kunststück, mit beeindruckender Leichtigkeit von Schmerz, Einsamkeit und Verlust zu erzählen, weil sie nie die Gegenstücke - Fantasie, Wärme, Fürsorge - aus dem Blick verliert. Eine hinreißende Bruder-Schwester-Geschichte!
Als Kinder waren sich Anne und ihr älterer Bruder Kai sehr nah. Gemeinsam kümmerten sie sich jahrelang um ihre chronisch kranke Mutter, obwohl sie dafür noch viel zu jung waren. Doch das fröhliche, von Musik und Gesang erfüllte Familienleben zerbrach schließlich an der Krankheit. Mittlerweile ist Anne Anfang dreißig und Pharmavertreterin. Kontakt zu Kai hat sie keinen mehr - eigentlich hat sie zu niemandem so richtig Kontakt, abgesehen von den Ärzten in ihrem Reisegebiet, mit denen sie lange Gespräche über das Thema Schmerz führt. Denn Anne hat ein Ziel: Sie will umsteigen, von Beruhigungsmitteln auf das hochwirksame, aber umstrittene Schmerzmittel Fentanyl. Da meldet sich auf einmal Kai und bittet sie, ihn aus einer Entzugsklinik abzuholen. Zwischen den beiden ungleichen Geschwistern kommen nach jahrelangem Schweigen Dinge zur Sprache, die nicht nur dieVergangenheit, sondern auch Annes Traum, den Schmerz zu besiegen, in ein völlig neues Licht rücken. Kann Anne endlich verzeihen - ihrem Bruder und sich selbst?
Janine Adomeit gelingt das Kunststück, mit beeindruckender Leichtigkeit von Schmerz, Einsamkeit und Verlust zu erzählen, weil sie nie die Gegenstücke - Fantasie, Wärme, Fürsorge - aus dem Blick verliert. Eine hinreißende Bruder-Schwester-Geschichte!
Janine Adomeit, geboren 1983 in Köln, studierte in München Literatur- und Sprachwissenschaft. Nach Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien sowie der Teilnahme an der Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung und der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin erschien 2021 ihr Debütroman 'Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen', der mit dem Preis Debüt des Jahres des Literaturwerks Rheinland-Pfalz/Saar ausgezeichnet wurde. Janine Adomeit lebt mit ihrer Familie in Flensburg, wo sie auch als Literaturvermittlerin tätig ist und die Lesereihe TRANSIT gegründet hat.
Produktdetails
- Verlag: Arche Verlag
- 1. Auflage, Ungekürzte Ausgabe
- Seitenzahl: 270
- Erscheinungstermin: 12. Februar 2025
- Deutsch
- Abmessung: 204mm x 128mm x 30mm
- Gewicht: 386g
- ISBN-13: 9783716000113
- ISBN-10: 3716000116
- Artikelnr.: 71773859
Herstellerkennzeichnung
Zeitfracht GmbH
Ferdinand-Jühlke-Str. 7
99095 Erfurt
kas-va@kolibri360.de
„Er ist einmal alles für mich gewesen - alles, worauf ich mich verlassen und woran ich glauben konnte. Für mich hat er die ganze Welt zusammengehalten. Und dann ist er aus ihr herausgefallen und auf einem fremden Planeten gelandet, während ich zurückgeblieben bin.“ …
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„Er ist einmal alles für mich gewesen - alles, worauf ich mich verlassen und woran ich glauben konnte. Für mich hat er die ganze Welt zusammengehalten. Und dann ist er aus ihr herausgefallen und auf einem fremden Planeten gelandet, während ich zurückgeblieben bin.“ (S.111)
DIE ERSTE HALBE STUNDE IM PARADIES
Janine Adomeit
Vor 20 Jahren:
Anne und Kai sind Geschwister - eng verbunden, obwohl fast sieben Jahre Altersunterschied zwischen ihnen liegen und sie eigentlich nur Halbgeschwister sind. Gemeinsam kümmern sie sich um ihre chronisch kranke Mutter. Während die elfjährige Anne einkauft, kocht und wäscht, übernimmt der ältere Kai die offiziellen Wege und begleitet die Mutter zum Arzt. Anne soll im Hintergrund bleiben, denn die Angst ist groß, dass das Jugendamt sie entdeckt und aus der Familie reißt.
Doch die Situation spitzt sich immer weiter zu. Die Mutter wird zum Pflegefall, kann sich kaum noch allein bewegen, und die Last auf den Schultern der Kinder wächst ins Unerträgliche.
Heute:
Anne ist Pharmareferentin, alleinstehend, bewusst kinderlos und hat seit Langem keinen Kontakt mehr zu ihrem Bruder Kai. Beruflich könnte es nicht besser laufen: Sie arbeitet für das große US-Phamaunternehmen P&H im Bereich Schmerzmittel. Ihre Aufgabe ist es, das umstrittene Schmerzpflaster Fentanyl auf dem norddeutschen Markt einzuführen - möglichst ohne die stark abhängig machende Nebenwirkung zu erwähnen.
Gerade befindet sie sich auf einer großen Tagung des Unternehmens, wo sie einen Vortrag halten soll, als ihr Bruder anruft und sie bittet, ihn aus einer Drogenentzugsklinik auf Pellworm abzuholen.
Janine Adomeit zeichnet auf zwei Zeitebenen ein eindringliches Porträt zweier Geschwister, die viel zu früh Verantwortung übernehmen mussten - überfordert, ohne Kindheit, ohne Jugend.
Die Art und Weise, wie beide ihre Traumata auf ganz unterschiedliche Weise verarbeiten, hat mich tief bewegt. Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in die kühle Anne hineinzuversetzen, doch nach wenigen Kapiteln ließ mich das Buch nicht mehr los. Ich habe es in nur zwei Tagen verschlungen.
Eine klare Leseempfehlung!
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Highlight!
„Die erste halbe Stunde im Paradies“ konnte mich von Anfang bis Ende überzeugen. Das Buch erzählt in zwei Zeitebenen und auf sehr bewegende Art die Geschichte von Protagonistin Anne und greift dabei ein sehr wichtiges Thema auf.
Als Elfjährige erleben wir …
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Highlight!
„Die erste halbe Stunde im Paradies“ konnte mich von Anfang bis Ende überzeugen. Das Buch erzählt in zwei Zeitebenen und auf sehr bewegende Art die Geschichte von Protagonistin Anne und greift dabei ein sehr wichtiges Thema auf.
Als Elfjährige erleben wir Anne im Kontext ihrer kleinen Familie. Gemeinsam mit ihrem etwas älteren Bruder muss sie schon viel zu früh viel zu viel Verantwortung für ihre alleinerziehende und chronisch schwer kranke Mutter übernehmen. Aus Angst auseinandergerissen zu werden, verlangt die Mutter ihren Kindern mit ihrer Pflege viel ab. Die Sicht eines Kindes auf diese Situation und der enge Zusammenhalt des Gespanns wird sehr eindrucksvoll und überzeugend vermittelt. So verfolgt man das Leben der kleinen Familie voller Mitgefühl und auch Unverständnis. Hierbei treten wichtige Fragen wie der gesellschaftliche Umgang mit chronisch Kranken oder die Unterstützung betroffener Familien in den Vordergrund.
Die Problematik dieser Belastung und deren Auswirkungen erleben wir anhand der erwachsenen Anne, die sich plötzlich und unvorbereitet mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss.
Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Die Geschichte nimmt einen gleich gefangen und man kann kaum aufhören zu lesen. Besonders gut gefallen hat mir die intensive Auseinandersetzung mit den Themen Krankheit, Schmerz und Schmerzmittel. Hierbei werden mit Hilfe der verschiedenen Personen unterschiedliche Perspektiven auf diese wichtigen Themen eingenommen. Dies ermöglicht eine intensive Auseinandersetzung mit dem Sujet und versorgt einen mit viel Material zum nachdenken.
Dieses Buch lege ich gerne jedem ans Herz, der schwere aber durchaus gesellschaftlich aktuelle Themen mag. Das Buch erzählt eindrücklich aber dennoch mit Feingefühl und zart dosierter Situationskomik. Für mich auf jeden Fall ein Highlight.
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Schonungslos
Anne (30) ist sehr ehrgeizig und möchte gerne als Pharmareferentin aus dem Vertrieb-Außendienst in den Innendienst wechseln. Auf einer Fortbildung möchte sie ihr Können durch einen Vortrag über Vorteile von Fentanylpflaster unter Beweis stellen, bekommt aber …
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Schonungslos
Anne (30) ist sehr ehrgeizig und möchte gerne als Pharmareferentin aus dem Vertrieb-Außendienst in den Innendienst wechseln. Auf einer Fortbildung möchte sie ihr Können durch einen Vortrag über Vorteile von Fentanylpflaster unter Beweis stellen, bekommt aber überraschend einen Anruf von ihrem Bruder, zu dem sie seit Jahren keinen Kontakt hatte, mit der Bitte ihn aus der Suchtklinik abzuholen. Anne gerät über vieles ins Grübeln. Nötig ist eine Aussprache mit ihrem Bruder, aber vor allem erkennt sie, dass die Pflaster nicht nur Vorteile haben. Ihr Bruder ist ein Paradebeispiel dafür.
In zwei Erzählsträngen erzählt Anne ungeschönt ihre Geschichte. Der Leser taucht in ihre Kindheit ein, die geprägt ist von der Unterstützung und später von der Pflege ihrer an MS erkrankten Mutter. In der frühen Kindheitsphase scheint diese Aufgabe für Anne und ihren 6 Jahren älteren Bruder kein Problem zu sein. Gemeinsam als Team schaffen sie es. Optimistisch blickt auch ihre Mutter in die Zukunft. Doch schnell ändert sich der Gesundheitszustand der Mutter und es wird immer belastender.
Zwei Erzählstränge, die so miteinander verwebt sind, dass man nur erahnen kann, welche Auswirkungen diese belastende Situation auf die Entwicklung der Kinder haben kann. Ein schonungsloser Schreibstil zeigt das Versagen der Gesellschaft auf und offenbart ein verantwortungsloses und extrem egoistisches Verhalten der Mutter. Eindringlich und gefühlsreduziert wird die Geschichte erzählt. Janine Adomeit hat es geschafft mich nachdenklich , aber vor allem schockierend auf dieses Thema aufmerksam zu machen und legt offen welche Zustände in manchen Familien herrschen. Eine Lektüre, die unter die Haut geht und gerade durch ihre Tragik mir noch lange im Gedächtnis bleibt.
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Wer schon länger meine Rezensionen liest, weiß, dass ich monoperspektivisch erzählte Romane bevorzuge. Somit hatte das neue Buch der wirklich sehr begabten Janine Adomeit – ihr vorheriger Roman "Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen" hatte mich bereits begeistert …
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Wer schon länger meine Rezensionen liest, weiß, dass ich monoperspektivisch erzählte Romane bevorzuge. Somit hatte das neue Buch der wirklich sehr begabten Janine Adomeit – ihr vorheriger Roman "Vom Versuch, einen silbernen Aal zu fangen" hatte mich bereits begeistert - schon vorab gute Chancen, denn es erzählt die Geschichte von Anne und ihrem älteren Bruder Kai durchgängig und konsequent nur aus Sicht der jungen Frau.
Beziehungsweise des Kindes Anne, denn der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Im Heute ist Anne Anfang Dreißig, Pharmaberaterin und gerade auf einer Firmenveranstaltung, wo sie einen für ihre Karriere wichtigen Vortrag halten soll. Die andere Zeitebene zeigt Anne als Kind im Grundschulalter. Hier erleben wir mit, wie sie und ihr einige Jahre älterer Bruder Kai immer mehr die Versorgung und Pflege ihrer Mutter übernehmen müssen.
Denn die Mutter erkrankt schwer, woran, wird nur beschrieben, nicht mit Namen benannt. Mit der Zeit kann sie immer weniger selbst verrichten, die Kinder müssen sie irgendwann sogar waschen und anziehen. Ihr Körper verfällt, sie kann kaum noch gehen, nicht fest zugreifen, auch das Stehen fällt ihr immer schwerer, nur noch ihre Musik bleibt ihr, zumindest auf CD, ihr, der Sängerin und Musikerin, die damit einst Säle füllte und gut verdiente. Doch die Mutter will keine Hilfe von außerhalb, aus Angst, dass man ihr Anne wegnimmt, die Vormundschaft entzieht, weil sie nicht mehr allein für das Kind sorgen kann.
Die Väter von Kai und Anne, es gibt derer zwei, sind bei den Kindern nicht beliebt und somit auch keine Lösung. So kommt es, wie man es erwarten muss, irgendwann ist vor allem Anne mit all dem überfordert, immerhin ist sie zu diesem Zeitpunkt gerade mal 10 oder 11 Jahre alt. Die Situation eskaliert schließlich, was zu einer viele Jahre andauernden Entfremdung zwischen Anne und Kai führt, die als Kinder fast symbiotisch aneinander hingen.
Erst jetzt, als Anne sich auf den wichtigen Vortrag vorbereiten muss, meldet sich Kai, will von ihr aus einer Entzugsklinik abgeholt und zu seiner neuen Unterkunft gebracht werden. Fast gegen ihren eigenen Willen fährt Anne tatsächlich los, doch auf der Rückfahrt stecken sie in einer sehr großen Schafherde fest und kommen so erstmal eine geraume Zeit nicht weiter. Während dieses Zwangsaufenthalts kommen die alten Wunden zum Vorschein, wird manches erklärt, anderes bleibt unerzählt, unverstanden.
All das, beide Zeitebenen, schildert Janine Adomeit mit einen unglaublich feinen Gespür für verletzte Gefühle, für Vorwürfe gegen den andern und vor allem die gegen sich selbst. Es gelingt ihr die empathische Darstellung der Zerrissenheit Annes sowohl während der Kindheit, als sie zuerst stolz ist, so viel für die Mutter tun zu können und am Ende aber sehr wütend auf die Mutter, die sich oft ihrer Hilfe widersetzt. Diese inneren und äußeren Konflikte, die Wut und Enttäuschung über den vermeintlichen Verrat Kais und vor allem den daraus resultierenden Verlust des geliebten Bruders, das beschreibt die Autorin ohne Rührseligkeit, ohne Kitsch und ganz ohne auf Klischees zurückzugreifen. Sie schafft es, dass man durch den Roman, vor allem die Szenen aus der Kindheit Annes, jagt, hin und her gerissen zwischen Mitleid mit dem Mädchen, Mitgefühl und einem gewissen Verständnis für die kranke Mutter und einem ebenso vorhandenen Verstehen des Verhaltens des gerade volljährig gewordenen Sohns.
Ein Roman, der nachdenklich macht, der berührt ohne zu dramatisieren. Ein Roman um eine eigentlich glückliche, weil voller Liebe steckende Familie, die dann aber doch an den Verhältnissen, an der Erkrankung der Mutter zerbricht. Unbedingt lesenswert.
Janine Adomeit - Die erste halbe Stunde im Paradies
Arche, Februar 2025
Gebundene Ausgabe, 271 Seiten, 23,00 €
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Ein tolles Werk mit viel Tiefe und Sensibilität zu einem unterrepräsentierten Thema
„Aber die erste halbe Stunde im Paradies - die Zeitspanne, in der niemand etwas von einem will oder braucht und man selbst auch von niemandem etwas will oder braucht und daher nichts wehtun kann -, …
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Ein tolles Werk mit viel Tiefe und Sensibilität zu einem unterrepräsentierten Thema
„Aber die erste halbe Stunde im Paradies - die Zeitspanne, in der niemand etwas von einem will oder braucht und man selbst auch von niemandem etwas will oder braucht und daher nichts wehtun kann -, diese erste halbe Stunde stelle ich mir vor wie Glück.“ ❤️🩹
Ich hätte ehrlich gesagt nicht erwartet, dass das Buch so ein Highlight wird. Aber Janine Adomeit hat hier mit sehr klarer, unaufgeregter Sprache ein Werk geschaffen, das ich nicht aus der Hand legen wollte.
Familienromane reizen mich immer besonders und hier haben wir ein herausragendes Exemplar, in dem die Figuren mit ganz viel Tiefe und innerer Ambivalenz überzeugen. Anne ist Pharmavertreterin und möchte sich im nächsten Schritt auf ein Fentanyl-Pflaster für den Palliativbereich fokussieren. Sie ist zielstrebig, analytisch und menschlich eher reserviert. Warum das so ist, wird in sich abwechselnden Zeitebenen geschickt erzählt.
Wir erfahren nämlich von ihrer Vergangenheit als 11-Jährige, in der sie sich gemeinsam mit ihrem gerade erwachsenen Bruder Kai um deren chronisch kranke Mutter kümmern muss. Diese leidet an einer nicht klar benannten, aber sehr klar identifizierbaren degenerativen Erkrankung und kann sich nicht so recht überwinden, Hilfe von außen anzunehmen. Ich finde es bemerkenswert, wie die Autorin hier mit viel Feingefühl die Ambivalenzen dieser Situation herausgearbeitet hat. Denn die kleine Familie bildet eine herzerwärmende, loyale Einheit, die trotzdem nach und nach an ihre Grenzen gerät. Dank des nüchternen, klaren Schreibstils werden die Emotionen auf die Lesenden ausgelagert.
Und Emotionen hatte ich so einige! Ich war wütend auf die Mutter, weil sie ihren Kindern regelrecht trotzig einfach ihre Pflege aufbürdet. Aber ich habe auch zutiefst mitgefühlt mit ihrem Bedürfnis nach Normalität, habe ihre Scham regelrecht greifen können. Auch die Gleichzeitigkeit von Gefühlen bei den beiden Kindern spielt immer wieder eine Rolle - bedingungslose Liebe zueinander trifft hier auf Wut angesichts eigener Freiheitseinschränkungen. Die geteilte Vergangenheit führt schlussendlich dazu, dass Anne Kai nach jahrelangem Kontaktabbruch aus einer Entzugsklinik abholen soll, was in seiner Folge ein echtes moralisches Dilemma auslöst. Denn die Sucht ihres Bruders ist nicht loszulösen von ihrem nächsten Karriereschritt…
Ein absolutes Highlight aus Norddeutschland, das mich mit seiner Sprache und dem Spannungsaufbau durchweg mitgezogen hat. Das Thema der Medikamentenabhängigkeit, das übrigens ca. 3,5 % der deutschen Erwachsenen betrifft, wurde hier mit der nötigen Sensibilität behandelt. Auch der Themenkomplex rund um die Pflege von Angehörigen und wie Familien darunter zerbrechen können, hat hier auf eindringliche Art Raum gefunden. Die Figuren sind liebenswert, greifbar und authentisch, die immer wieder eingebundenen Science-Facts, wie bspw. zur Schmerzregulierung und Wirkung von Analgetika, fand ich einfach klasse. Die Ausführungen zu Annes moralischem Dilemma hätte ich mir am Ende zwar noch etwas ausführlicher gewünscht, grundsätzlich finde ich das offene Ende aber gut gewählt.
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Janine Adomeit erzählt in „Die erste halbe Stunde im Paradies“ von Kai und Anne, die als Kinder zu früh erwachsen werden mussten. Die Geschwister wuchsen mit ihrer chronisch kranken, alleinerziehenden Mutter auf – und hatten bald mehr und mehr die Rolle der Pflegenden, …
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Janine Adomeit erzählt in „Die erste halbe Stunde im Paradies“ von Kai und Anne, die als Kinder zu früh erwachsen werden mussten. Die Geschwister wuchsen mit ihrer chronisch kranken, alleinerziehenden Mutter auf – und hatten bald mehr und mehr die Rolle der Pflegenden, halten jedoch fest zusammen. Als Erwachsene haben sie sich längst aus den Augen verloren. Doch als Kai sich nach Jahren wieder meldet, muss Anne sich nicht nur ihm, sondern auch ihrer eigenen Vergangenheit stellen. Sie arbeitet für einen Pharmakonzern, doch ihr zunehmendes Interesse an Opioiden und insbesondere Fentanyl ist mehr als nur berufliche Neugier.
Besonders beeindruckt hat mich, wie der Roman Fragen wie familiäre Verantwortung, die Rolle von Verwandten als Pflegenden und verdrängte Wut mit einer beeindruckenden Klarheit verhandelt. Die Pflegeproblematik wird ungeschönt gezeigt: der immense Druck, die mangelnde Unterstützung, die still ertragenen Opfer. Dennoch wird auch die tiefe Verbundenheit zwischen den Geschwistern gezeigt. Diese realistischen, schmerzhaften Beschreibungen haben mich sehr beschäftigt. Die Einblicke in Annes Arbeit als Pharmareferentin, durch die man die Gelegenheiten bekommt, hinter die Kulissen hinter der Schmerzmittelindustrie zu schauen, fand ich unglaublich spannend. Ich hatte zur Opioidkrise in den USA bereits Dokus und Serien gesehen, aber der Roman zeigt eindrücklich, dass auch Deutschland nicht davor gefeit ist.
Adomeits Stil ist nüchtern, aber genau dadurch so eindringlich – die Emotionen entstehen zwischen den Zeilen. Ich habe den Roman fast an einem Stück gelesen, weil er mich so gefesselt hat. Diejenigen, die nun befürchten, dass es in dem Roman nur um düstere Themen geht, kann ich beruhigen: Es gibt auch in schwierigen Zeiten noch einen Funken Hoffnung auf Zusammenhalt und Verbundenheit.
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Herausforderungen und deren Wirkungen
Anne und ihr Bruder Kai werden sehr frühzeitig, im Kindes- beziehungsweise Jungendalter, mit der unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose ihrer Mutter konfrontiert. Aufopferungsvoll und äußerst fürsorglich kümmern sich beide um die …
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Herausforderungen und deren Wirkungen
Anne und ihr Bruder Kai werden sehr frühzeitig, im Kindes- beziehungsweise Jungendalter, mit der unheilbaren Krankheit Multiple Sklerose ihrer Mutter konfrontiert. Aufopferungsvoll und äußerst fürsorglich kümmern sich beide um die Schwerkranke, deren gesundheitlicher Zustand sich sehr schnell verschlechtert. Mit viel Respekt versuchen sie die Würde der Mutter zu bewahren, stoßen dabei immer wieder an Grenzen, die auch die Mutter zunehmend mental herausfordert, sie zu unkontrollierten Wutausbrüchen verleitet. Mit zunehmendem Alter werden bei den Kindern natürlich verstärkt eigene Interessen und Bedürfnisse wach, die tragischerweise zu ausufernden Konflikten führen.
Janine Adomeit führt uns Leser mit ihrem Roman 'Die erste halbe Stunde im Paradies' in eine Welt der starken Gefühle, die durch Drogen oder emotionale Verweigerung gesteuert werden. Während die vererbte Schuld, eine nicht näher beschriebene Ablehnung der beiden Väter durch die Mutter, eine expressive Notlage zwischen Wunsch und übertragener Pflicht auslöst, nehmen unheilbringende Ereignisse ihren Lauf, deren schmerzliche Aufarbeitung tiefe seelische Wunden hinterlassen. Das kluge Konzept fantastisch gesetzter Rückblenden, die poetischen Einbauten verursachen eine Sogwirkung, der man sich schwer entziehen kann. Mich hat die Geschichte mit ihren mannigfaltig ineinander verstrickten Aspekten der tragenden Rolle einer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und dem Individuum Mensch, sowohl traurig als auch nachdenklich gestimmt.
Ich möchte sehr gern dieses berührende, intelligente, mutige und anspruchsvolle Buch weiterempfehlen.
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Drei sind eine Party
Eine interessante Konstellation, die beiden unzertrennlichen Geschwister Anne und Kai und die alleinerziehende Mutter, die Multiples Sklerose bekommt und sich von der fröhlichen, musikalischen und temperamentvollen Frau zum Pflegefall entwickelt.
Die Kinder werden im …
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Drei sind eine Party
Eine interessante Konstellation, die beiden unzertrennlichen Geschwister Anne und Kai und die alleinerziehende Mutter, die Multiples Sklerose bekommt und sich von der fröhlichen, musikalischen und temperamentvollen Frau zum Pflegefall entwickelt.
Die Kinder werden im Laufe der Zeit überfordert, als es der Mutter immer schlechter geht, denn sie müssen sich kümmern und die Kranke pflegen. Die Krankheit übernimmt die Regie, die Mutter wird immer abhängiger und die Geschwister können weder die Bedürfnisse der Kranken stillen noch werden ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt. Es ist schmerzhaft zu sehen, wie die anfangs enge und positive Dreierbeziehung nach und nach auseinanderbricht, da die Aufgabe zu groß wird und die Situation zu sehr belastet. Aus der Fürsorge für die geliebte Mutter entsteht eine totale Überforderung, die emotionale Reife ist (noch) nicht vorhanden und die Jugendlichen können die Ansprüche nicht erfüllen. Und dann entsteht auf einmal die große Entfremdung, der Verlust der Nähe und der Liebe. Der Leser möchte wissen, warum? Was hat den Bruch ausgelöst? Der Umgang mit der Scham, mit der Krankheit? Eifersucht? Verlorenes Vertrauen? Hoffnungslosigkeit? Aus dem Wir entsteht ein Ich, das jeweils unglücklich ist und nicht ausreichend gesehen wird.
Die Loyalität wird auf die Probe gestellt, Schuldgefühle entstehen und Kommunikation bzw. die Suche nach Lösungen findet nicht statt, ein umfassendes Dilemma für alle drei Protagonisten.
Der Stil ist passend, unprätentiös, fast lakonisch erzählt erfahren wir den Handlungsstrang aus der Perspektive der Schwester / Tochter. Nach Annes Kindheit gibt es einen großen Sprung in die Zeit ihrer Berufswelt, der Bruch mit Kai hat stattgefunden und wir erleben eine junge Erwachsene, die mit dem jungen Mädchen kaum etwas gemein hat.
Sie hat in der Zwischenzeit aufgrund der gestörten Beziehungen eine totale Unabhängigkeit von sozialen Bindungen entwickelt, sie will sich vor Nähe und damit einhergehend vor möglichen Schmerzen und Enttäuschungen schützen. Dadurch ist sie immer bedürfnis- und kontaktloser geworden, ehrgeizig und erfolgreich im Beruf wirkt sie unabhängig und unnahbar. Aber Kai, der abwesende Bruder, taucht nach jahrelanger Stille plötzlich in ihrem Leben wieder auf, hilfesuchend und bedürftig bedroht er ihren Perfektionismus, ihre Abgeklärtheit und selbstgewählte Einsamkeit. Wird Anne dieses Eindringen in ihre Privatsphäre zulassen? Kann es eine Wiederannäherung und eine Versöhnung geben? Oder ist zu viel passiert, was nicht vergessen werden kann?
Ein wichtiges Thema, das sozialkritisch anspricht, was die Gesellschaft gerade auch in der Zukunft verstärkt leisten muss: Die Pflege alter oder kranker Menschen, entweder in Heimen oder privat zuhause durch Angehörige. Es geht um die Würde des Alters und der Krankheit, schwierige, schmerzhafte Prozesse, Themen, die aktuell und von allgemeinem Interesse sind, aber kaum im Rampenlicht stehen, sondern häufig kaschiert werden. Ein spannendes, emotional mitreißendes Buch, das Augen öffnet und Probleme sichtbar macht.
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