Ruhig erzähltes Thriller-Drama mit Mystery-Elementen vor besonderer Kulisse
Callum Haffenden kehrt nach dreißig Jahren nach Granite Creek zurück, um sich dem Suchtrupp anzuschließen, der von seinem alten Freund Eddy Quade geleitet wird, der ebenfalls kürzlich als Polizist in den Ort
zurückgekommen ist. Mit Unterstützung von zahllosen Freiwilligen durchkämmen sie das Dickicht, da Lachie spurlos…mehrRuhig erzähltes Thriller-Drama mit Mystery-Elementen vor besonderer Kulisse
Callum Haffenden kehrt nach dreißig Jahren nach Granite Creek zurück, um sich dem Suchtrupp anzuschließen, der von seinem alten Freund Eddy Quade geleitet wird, der ebenfalls kürzlich als Polizist in den Ort zurückgekommen ist. Mit Unterstützung von zahllosen Freiwilligen durchkämmen sie das Dickicht, da Lachie spurlos verschwunden ist. Dabei fürchten sie nur das sich verschlechternde Wetter, bis der über dem Gebiet kreisende Helikopter zufällig einen grausamen Fund macht.
Veronica Lando hat mit Callum Haffenden einen ebenso interessanten wie kaputten Protagonisten für ihren Roman ersonnen, in dessen Leben die Probleme längst überhand genommen haben. Seine fünfzehnjährige Tochter Milly, um deren Erziehung er sich mit Hilfe seiner Eltern bemüht, spricht nicht mehr mit ihm, weil sie ihn nicht auf die Reise in seine alte Heimat begleiten durfte. Seine Karriere als Journalist befindet sich nach einer erfolgreichen Phase längst auf dem Abstellgleis. Und körperlich eingeschränkt - wie er ist - fällt es ihm schwer, nur wenige Meter durch den Regenwald zu humpeln, ohne in den vom Regen aufgeweichten Boden zu versinken. Was Callum von so vielen anderen kaputten Hauptfiguren in Kriminal- wie Thriller-Romanen unterscheidet, ist seine Leidenschaft für Vögel. So wird jede Szene, in der Lando ihren Protagonisten auf den Regenwald treffen lässt, zum Erlebnis, indem er stets die Vögel zu bestimmen weiß, die ihm dort begegnen. Beispiele dafür sind der Säulengärtner (Amblyornis newtonianus) oder auch der Blaukappen-Paradiesliest (Tanysiptera sylvia).
Einen besonderen Touch erhält “Der flüsternde Abgrund” durch die ungewöhnliche Weise, mit der Veronica Lando mit ihrem Schauplatz arbeitet, wenn sie den Regenwald in jeder Szene, die dort spielt, in dessen Mittelpunkt stellt. Dadurch sind für mich im ersten Drittel dieses Romans alle Kapitel, die als Kulisse den Regenwald haben, zum Highlight geworden. Denn der wird in der Beschreibung der Autorin zum undurchdringlichen Dickicht, wenn kaum Sonnenlicht den Boden zu erreichen vermag und indem sich schon nach wenigen Metern abseits vom Weg die Orientierung verlieren lässt. Bei Lando wird damit der Regenwald selbst zur Schauerkulisse, die an eine düstere Variante eines Grimmschen Märchens erinnert, bei dem Kinder im Wald verschwinden, dessen überwucherte Wege durch Glöckchen anstelle von Brotkrumen markiert sind. In Kombination mit den wiederholt tot aufgefundenen Vögeln, die Callums Weg kreuzen, wird im "Flüsternden Abgrund” eine intensive ungute Stimmung erzeugt, die von Beginn an Schlimmes befürchten lässt. In passender Weise reichert Lando ihren Thriller um Mystery-Elemente an, wenn etwa von Anfang an vom Flüstern die Rede ist, das sich in der Nähe der Boulders hören lässt. Die stellen einen Abgrund dar, wo der Regenwald auf eine Geröll Landschaft trifft. Diese ist von Felsen geprägt, die aussehen, als ob Riesen dort Murmeln gespielt hätten und sie dann einfach liegen gelassen und vergessen hätten. Das Wispern, das sich dort vernehmen lässt, kann auf rationale Weise als Wind, der sich in den Felsspalten bricht, erklärt werden. Und doch scheint es einen in den Abgrund locken zu wollen.
In ihrem Thriller spielt Lando von Beginn an mit der Frage, ob übernatürliche Mächte wie beispielsweise ein mysteriöses Flüstern am Werk sind, oder ob nicht doch von Menschen verübte Taten für die Geheimnisse, die so beharrlich in Granite Creek unter den Teppich gekehrt werden, verantwortlich sind. Einerseits ist es der Autorin dabei gelungen, die Beantwortung dieser Frage lange in der Schwebe zu halten. Andererseits hat sie mich mit der Beschreibung einer eingeschworenen Gemeinschaft im Ort überzeugt, in der jeder dem anderen regelmäßig über den Weg läuft und keiner dem anderen unbekannt ist. Städter, wenn sie sich nach Granite Creek verirren, werden stets außen vor gelassen. Das gilt insbesondere für die Reporter und Journalisten, die über das Verschwinden von Lachie Bericht erstattet haben. Wieder dorthin Zurückgekehrte wie Callum oder sein Freund Eddy werden wenig besser behandelt, wenn sie über die Ereignisse, die sich in ihrer Abwesenheit zugetragen haben, im Unklaren gelassen werden.
So dauert es eine ganze Weile, bis die Handlung im “Flüsternden Abgrund” dann endlich in die Gänge kommt, wenn Callum an der Seite von Eddy realisiert, dass die übermäßige Häufigkeit der in Granite Creek im Regenwald Verschwundenen oder Verunglückten sich nicht allein auf tragische Unfälle zurückführen oder durch Selbstmorde erklären lässt. Trotz seiner ruhigen Erzählweise mangelt es dem Roman nicht an Intensität, da teilweise Spannung aus den darin wiedergegebenen Dramen erzeugt wird. In seinem weiteren Verlauf konzentriert sich der Thriller dann aber mehr auf die Beantwortung der zu Beginn aufgeworfenen Fragen, wenn Lando den so lang in Granite Creek begrabenen und tot geschwiegenen Geheimnissen, die auch Callums Leben geprägt haben, auf den Grund geht.