Lassen sich Gesellschaftsromane überhaupt, und wenn ja, wie von einer Epoche in die andere übertragen? Curtis Sittenfeld hat mit "Vermählung" diesen Versuch unternommen und Jane Austens "Stolz und Vorurteil" aus dem England des 19. Jahrhunderts in das Ohio, USA der Gegenwart transponiert.
Dabei
wurde das gesamte Ensemble übernommen, wenngleich einige Namen und Berufe modernisiert wurden. So ist…mehrLassen sich Gesellschaftsromane überhaupt, und wenn ja, wie von einer Epoche in die andere übertragen? Curtis Sittenfeld hat mit "Vermählung" diesen Versuch unternommen und Jane Austens "Stolz und Vorurteil" aus dem England des 19. Jahrhunderts in das Ohio, USA der Gegenwart transponiert.
Dabei wurde das gesamte Ensemble übernommen, wenngleich einige Namen und Berufe modernisiert wurden. So ist Fitzwilliam Darcy nun Arzt (der in den USA wohl angesehenste Beruf), Vater Bennet allerdings verwaltet immer noch das schwindende Vermögen und dies ist bereits die erste Stelle, bei der der Leser auf Fragen stößt: Würde er heutzutage nicht einen Vermögensverwalter einschalten, an der Börse spekulieren?
Mutter Bennet ist und bleibt entsetzlich oberflächlich. Die zwei jüngsten Töchter machen nichts, außer Paleo und Crossfit. Mary macht einen Abschluss nach dem anderen, soweit, so nachvollziehbar. Jane, die zweite, lebt in New York, arbeitet als Yoga-Lehrerin und unterzieht sich monatlich Inseminationen, und auch hier frage ich mich: ist das nachvollziehbar? Vielleicht. Liz, die älteste, ist eine schlecht bezahlte Journalistin eines Modemagazins und hat eine Jahrzehnte dauernde abusive Nicht-Beziehung, in der ihre Gefühle nicht erwidert werden. Nach einem Herzinfarkt des Vaters finden sich alle in dem verfallenden Haus der Eltern ein.
Die Figuren sind aus dem gegenwärtigen urbanen, aufgeklärten Milieu gegriffen. Soweit, so gut und aufrüttelnd bzw. abschreckend.
Die Autorin scheitert jedoch an mehreren Punkten. Einer davon ist die Krise, die belegt, dass das 19. Jahrhundert mit dem 21. wenig gemeinsam hat. Die großen Krisen liegen in den Personen selbst, nicht in der Gesellschaft und deren Tabus. Es ist wenig bis gar nicht nachvollziehbar, dass Lydia einen transsexuellen Mann (ehemals Frau) ehelicht, nach Chicago zum Heiraten durchbrennt. Dass die Mutter ausflippt – ja, dass Liz Darcy vor der Nase das Date absagt um sofort heimzukehren – wenig glaubwürdig. Die Krise soll ja auch Darcy als einen moralisch einwandfreien Menschen darstellen. Natürlich versucht die Autorin das, aber es ist wenig überzeugend.
Die zweite große, eigentlich die größte, Schwäche, des Re-Makes ist die völlige Distanz und Schablonenhaftigkeit der Personen. Durchgehend wird auf Körpersprache oder die Darstellung von Emotionen verzichtet. Beschreibende Verben oder Adjektive fehlen beinahe völlig. Die einzigen Verben des Ausdrucks sind sagen, antworten, fragen: "Ich habe ein Jobangebot bekommen", antwortete Charlotte, und Liz sagte: "Das ist doch großartig!" oder "Sie erkundigte sich, ob alle im Haus noch geschlafen hätten, als er weggefahren sei, und Darcy bejahte; sie fragte ihn, ob es noch …"
Der Roman scheppert dadurch blechern und blüht niemals auf. Die Figuren bleiben blutleer.
Alles in allem ein nettes Buch, das aber nicht ganz überzeugen konnt