Im Debütroman von Bottlinger öffnet sich mitten in Berlin ein riesiger Krater. Niemand kann sich erklären, wie er zustande kam, oder abschätzen, was noch alles passieren wird. Natürlichen Ursprungs ist er nicht. Doch nicht nur die Menschheit versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat. Auch
miteinander verfeindete Dämonen u. Engel tun ihr Möglichstes. Zu diesem Zweck wählen sie je einen…mehrIm Debütroman von Bottlinger öffnet sich mitten in Berlin ein riesiger Krater. Niemand kann sich erklären, wie er zustande kam, oder abschätzen, was noch alles passieren wird. Natürlichen Ursprungs ist er nicht. Doch nicht nur die Menschheit versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat. Auch miteinander verfeindete Dämonen u. Engel tun ihr Möglichstes. Zu diesem Zweck wählen sie je einen Abgesandten, der der Sache auf den Grund gehen soll. Schon bald begeben sich der Engel Jul u. die Magierin Amanda in die Tiefen, während weiter oben alles eskaliert.
Wer streng gläubig ist, wird evtl. ein Problem mit dem haben, was sich nach u. nach temporeich herauskristallisiert, es gar blasphemisch finden. Abgesehen davon, dass, wie bei anderen Autoren, Engel u. Dämonen nicht automatisch gut oder böse sind, muss sich Bottlingers weibliche Hauptfigur an jemanden heranwagen, der außerhalb menschlicher Reichweite ist. Gott selbst (und symbiotisch der Teufel) hat mit den Vorfällen zu tun. Deshalb droht die Welt unterzugehen; kommt es zu einem blutig-tödlichen Kampf zwischen Dämonen u. Engeln. Für diese sind Menschen nur Kollateralschäden.
Plakativ wurde die Hintergrundatmosphäre von Bottlinger geschaffen. Berlin erschien klar vor meinem inneren Auge, obwohl ein Großteil der Geschichte unterirdisch spielt. Hinzu kommen gut herausgearbeitete, echt wirkende Charaktere mit Stärken aber auch Schwächen. Das tröstet darüber hinweg, dass Bottlinger sich bei der Beschreibung teils an bekannten Bildern orientiert. Große, hell gekleidete, weißblonde Engel erfüllen ihre Aufgabe mit himmlischer Konsequenz u. Flammenschwertern. Dämonen wenden Magie an, wirken abschreckend hässlich, Frucht einflößend, gierig, vordergründig berechnend u. falsch.
Doch Bottlinger erzählt nicht einfach nur eine Variante von Gut gegen Böse, bei der es nur einen Gewinner geben kann. Darauf deutet schon das Cover hin. Die sich berührenden Umrisse zweier geflügelter Gestalten wirken als Einheit. Genau wie Gott u. der Teufel, Gut u. Böse, Licht u. Dunkel, Engel u. Dämonen, Gebot u. Tabu, Glaube u. Wissen, Macht u. Ohnmacht. Sie könnten augenscheinlich alleine für sich bestehen, benötigen aber den anderen, um wirklich zu wirken. Eine Trennung? Unmöglich. Vordergründig kämpfen Amanda u. Jul um die Rettung der menschlichen Welt. Tatsächlich geht es um Begreifen u. Einsicht, um Erkenntnis. Um Fühlen u. Mitgefühl. Über den eigenen Schatten zu springen. Freundschaft u. Vertrauen zuzulassen. Toleranz u. eigenständiges Denken u. darum, Konsequenzen aus diesen Überlegungen zu ziehen, weil eigentlich alle in einem Boot sitzen, das zu sinken droht.
Dabei kommen sich die beiden Hauptfiguren näher, obwohl jede eine eigene Motivation hat, ein eigenes Ziel verfolgt. Amanda will ihren Bruder retten, Jul seine Flügel zurück. Wer auf eine richtige Liebesgeschichte hofft, tut das vergebens. Dazu werden die beiden viel zu häufig in blutige Kämpfe verwickelt. Die sind in Fülle u. Ausführlichkeit ein Manko, sorgen für kleinere Längen. Den Lesespaß verdarben sie mir aber nicht. u. die Geschichte zwischen den beiden fügt sich harmonisch in das Geschehen ein.
Bottlinger wechselt fließend die Perspektiven, lässt ihre LeserInnen mal aus Amandas u. dann wieder aus Juls Sicht am Geschehen teilhaben. Die Autorin webt die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines Engels ein u. eine schlüssige Überlegung für gesellschaftlich-religösen Umbrüche der Vergangenheit ein. Der Roman fußt auf Mythen monotheistischer Religionen, überfrachtet ist die Geschichte damit jedoch nicht. Stattdessen verknüpft die Autorin geschickt Mythen mit Realität u. fantastischen Elementen zu einem spannend-faszinierenden Debüt. Das bietet Unterhaltung. Anreize zum Nachdenken u. Raum für Fantasie. Ich möchte 4 von 5 Punkten vergeben.
© 2013 Antje Jürgens (AJ)