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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
die Steckdose
Immer noch ein heikles Thema
in der Familie: der Sex
„Was ist denn Sex?“, fragt Tiffany, das jüngste Familienmitglied, und bringt den Vater in Verlegenheit. Eigentlich hatte er nur ein kleines Gespräch mit seiner ältesten Tochter Luisa und ihrem Freund Justin führen wollen. Die beiden planen eine Zelttour, während die Eltern „mal ein romantisches Wochenende brauchen“, und die Großeltern auf die zwei jüngeren Geschwister aufpassen. Doch dieser Plan seiner Siebzehnjährigen beunruhigt den Vater. Und die ahnt, was er meint, als er mit dem jungen Paar sprechen will. „Oh nein. Echt jetzt?“, fragt Luisa und rollt mit den Augen. „Das ist wirklich nicht nötig.“ Sie stupst Justin an, und der sagt: „Ich weiß total Bescheid.“ Dem Vater ist es nur noch peinlich. Die Mutter versucht zu vermitteln, das Paar gibt sich cool, ist aber schon viel erfahrener, als die Eltern glauben, was es auch ohne Skrupel gesteht.
Bei Marc Uwe Kling spielen in dem dritten Teil seiner Familiengeschichte „Der Tag, an dem Papa ein heikles Gespräch führen wollte“, die Großeltern wie in den beiden ersten Bänden „Der Tag, an dem die Oma das Internet kaputt gemacht hat“, und „Der Tag, an dem Opa den Wasserkocher auf den Herd gestellt hat“ wieder eine besondere Rolle. Denn als Hippies in ihrer Jugendzeit können sie am unbefangensten über Sex reden, und sie kennen so manches Familiengeheimnis, das sogar die Eltern sprachlos macht. Zum Beispiel über die Tante, die in Nippes und Plüsch ganz bürgerlich spießig lebte, und in Wirklichkeit ein geheimes Liebesleben führte.
Der pubertierende Bruder Max findet das ganze Gespräch nur noch zum Kichern. Besonders durch die Fragen der kleinen Schwester Tiffany wird das Pingpong-Stegreifspiel von drei Generationen über Sexualität befeuert. Der Vater findet – es wird ihm immer peinlicher – nur verschwurbelte Umschreibungen zum Thema Liebe, zur Sexualität, oder zum Kinderkriegen. Die Großeltern und Luisa fühlen sich dadurch herausgefordert, ihre Erfahrungen in die Runde zu werfen. Schließlich soll Tiffany wissen, was sich hinter den Begriffen Mumu und Schniedelwutz verbirgt. Die Illustratorin Astrid Henn wird dadurch zum Badebild am FKK-Strand angeregt. Der Höhepunkt des väterlichen Aufklärungsversuchs, der Vergleich des Liebesaktes mit Steckdose und Stecker, hinterlässt besonders bei dem zufällig anwesenden Nachbarn einen bleibenden Eindruck.
Worauf es dem Vater ankommt mit dem heiklen Gespräch, wird am Ende deutlich, als er Kondome aus der Tasche zieht. Die solle er lieber für sein eigenes romantisches Wochenende nutzen, meint die Tochter aufgebracht, sie habe selbst vorgesorgt. Das macht die Eltern ziemlich sprachlos, bringt Bruder Max zu einem pubertären „Würg“ und die kleine Tiffany fragt aufgebracht: „Wollt ihr etwa auch noch mal Sex haben?“ (ab 12 Jahre)
ROSWITHA BUDEUS-BUDDE
Marc-Uwe Kling:
Der Tag, an dem Papa
ein heikles Gespräch führen wollte.
Mit Illustrationen von Astrid Henn.
Carlsen, Hamburg 2021. 61 Seiten, 12 Euro.
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