Beim Ausräumen seines Elternhauses stößt der Fotograf Philipp auf einen Gegenstand, der in der Geschichte seiner Eltern eine entscheidende Rolle gespielt hat. Die beiden, Herta und Georg, waren ein schönes Paar. Philipp erinnert sich an ihr junges Liebesglück, ihre Hoffnungen und Gefährdungen, an die überstürzte Flucht seines Vaters aus der DDR in den Westen. Das hätte, da ihm die Mutter und der Junge ein paar Tage später folgten, der Beginn eines erfüllten Lebens sein können, tatsächlich aber trug die Flucht den Keim des Unglücks in sich. Nach und nach geht Philipp das Paradoxe der elterlichen Beziehung auf: Dass es die Liebe war, die ihre Liebe zerstörte. Damit aber ist die Geschichte, die auch sein Leben überschattet hat, nicht vorbei. Am Ende stellt er fest, dass Herta und Georg all die Jahre über miteinander verbunden waren, auf eine Weise, die sie niemandem, nicht einmal sich selbst, eingestehen konnten. Ein ergreifender Roman über Liebe und Vergänglichkeit vor dem Hintergrund der deutschen Teilung.
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Ein neuer Roman von Gert Loschütz
Der Vater kommt erst in Westdeutschland ins Gefängnis. Das Glück und das Unglück schlagen unerwartet zu in "Ein schönes Paar", dem neuen Roman von Gert Loschütz, in dem ein Sohn zusammen mit seinen Eltern Ende der fünfziger Jahre von der DDR in die Bundesrepublik übersiedelt. Hier die Unfreiheit, dort die Entfaltungsmöglichkeiten und das nicht nur angestrebte, sondern auch tatsächlich erreichte Glück? Es kommt anders. Die Eltern gehen auseinander, und die deutsche Geschichte ist immer zugegen in dem, was die von ihr gezeichneten Menschen vorantreibt oder zum Stillstand bringt.
Er hat seine Zeit gebraucht, der Roman, der dieser Tage bei Schöffling in Frankfurt erschienen ist. Es ist der erste des Autors nach "Die Bedrohung", 2006 in der Frankfurter Verlagsanstalt veröffentlicht, und dem ein Jahr später im selben Verlag erschienenen Prosaband "Das erleuchtete Fenster". Seitdem gab es nur das vor sieben Jahren schon bei Schöffling herausgekommene Kinderbuch "Auf der Birnbaumwiese" mit Illustrationen von Philip Waechter. "Ich habe die ganze Zeit geschrieben, aber ich habe offenbar nicht den ganz großen Drang, zu veröffentlichen", sagt Loschütz in der Historischen Villa Metzler. An den Schaumainkai ist er gekommen, um das "Schöne Paar" im Rahmen der vom städtischen Kulturamt veranstalteten "Frankfurter Premieren" vorzustellen. "Für ihn ist es eine Heimkehr", sagt Andreas Platthaus, Leiter der Literaturredaktion dieser Zeitung, der durch den Abend führt: "Er ist eigentlich ein Frankfurter Schriftsteller."
Lange hat der 1946 in Genthin am Rande Sachsen-Anhalts geborene Loschütz, der in Berlin wohnt, in Frankfurt gelebt, hat am Schauspiel als Dramaturg gearbeitet, ist für den Hessischen Rundfunk tätig gewesen, hat Hörspiele und Theaterstücke verfasst. Lange hat er sich auch geweigert, Autobiographisches zu schreiben, obwohl das "Schöne Paar", in dem ein Gutteil eigener Geschichte steckt, Vorläufer im Erzählband "Unterwegs zu den Geschichten" besitzt, der 1998 im Verlag der Autoren erschien: "Ich wusste immer, ich werde das schreiben. Nur kann es jetzt nicht."
Im Laufe der Zeit ist Loschütz immerhin klargeworden, dass ihm das Schreiben über Orte liegt. Genthin taucht daher ebenso im neuen Buch auf wie Dillenburg, wo er nach der Flucht Abitur machte, ehe es zum Studium nach Berlin ging. Allerdings tragen die Orte neue Namen: "Wenn ich die Klarnamen benutze, ist jeder sofort versucht, das nachzuprüfen. Dann schauen alle: Komme ich drin vor?"
Anfangen lässt er sein Buch mit einer Todesnachricht. Das sei ihm zunächst etwas peinlich gewesen: "Wenn man abends fernsieht, ist es die Dauerdramaturgie des Krimis." Und die gute, die richtige, die präzise, vor allem aber klischeefreie Form ist Loschütz wichtig: "Genauigkeit gehört dazu. Nur wenn ich alles genau kenne, kann ich es hintupfen." Eine weite Reise für den Autor, der zur Prosa erst Mitte der Achtziger kam, weil sie ihm zu banal war. "Allein einen Satz zu schreiben wie: Er ging über die Straße", sagt Loschütz und lässt das Gesagte schaudernd unvollendet. Er, der als Dichter begonnen hatte, musste sich mühsam abgewöhnen, jeden Satz zu rhythmisieren. Davon ist in "Ein schönes Paar" denn auch nicht mehr viel zu sehen. Vom Rhythmus dreier Leben aber erzählt das Buch perfekt.
FLORIAN BALKE
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immer präsent
Zart und hart: Gert Loschütz’
Roman „Ein schönes Paar“
Alle Mühe hat man sich gegeben, dem neuen Roman von Gert Loschütz den sepiafarbenen Anstrich eines klassischen Liebesromans zu geben. „Ein schönes Paar“ könnte einfach von dem Knacks erzählen, der Herta und Georg Karsts Liebe irgendwann zerspringen lässt, und von dem Sohn, den die Splitter dieser Liebe trafen, sodass er sich aufmachen muss, um den Anfang des Endes zu suchen, will er sich selbst retten.
Aber dies ist nicht die Geschichte einer Trennung. Es ist die Geschichte der Liebe und ihrer politischen Dimension. Und es ist die Geschichte eines Verbrechens, das sich mit einem einzigen Satz verrät: Dass nämlich „ihre Liebe es war, die ihre Liebe zerstörte“. Zu diesem irrigen Ergebnis kommt Philipp, der Sohn, am Ende seiner Rekonstruktion. Seine Eltern, Herta, das Mädchen mit den hochfliegenden Träumen, und Georg, der Soldat, der Geborgenheit sucht, lernen sich kurz vor Kriegsausbruch kennen. Sie heiraten während des Krieges und leben später mit Philipp in der SBZ, nahe Potsdam, in der „Kanalstadt“. Kurz nach dem Ungarn-Aufstand müssen sie nach einem fatalen Besuch Georgs im Westen fliehen und landen in der „Schieferstadt“ in Nord-Hessen. Hier tappt Georg in eine banale Falle, und das Unglück nimmt seinen weiteren Verlauf.
Sacht ist die vermutlich autobiografische oder zumindest historisch reale Erfahrung ins Fiktive, fast Mythisch-allgemeine verschoben. Die halb-erfundenen Orte des Romans markieren das. Zart sind auch die Gesten, mit denen Gert Loschütz die Tiefe der Liebe in die Vorstellung tuscht: eine Berührung der Fingerkuppen, das unbeholfene Bemühen, den anderen davor zu behüten, die eigenen Irrwege erkennen zu müssen. Man könnte tatsächlich denken, dass es gerade diese Liebesdienste sind, die am Ende die große Liebe der beiden auf dem Gewissen haben, als ginge es hier um das schuldlos schuldig Werden, um tragische Innenwelten. Aber so ist es nicht. Es ist die Gesellschaft, die immer wieder einzubrechen versucht in die Liebe zweier Menschen, die souverän bleiben. Und es ist die Gesellschaft, die ihnen unterstellen und den Sohn glauben machen möchte, sie seien selbst schuld an ihrem Scheitern gewesen, die überhaupt die Kategorien „Scheitern“ und „Schuld“ aufruft.
Davon erzählt Gert Loschütz, der zuletzt „Auf der Birnbaumwiese“ (2011) veröffentlichte, eine märchenhafte Geschichte für Kinder und Erwachsene, nicht direkt, aber im Atmosphärischen, durch feine, aber deutliche Hinweise wie den „eigentümlichen Glanz“, den Philipp als „Widerschein einer harten, selbstgewissen Gerechtigkeit“ auf den Gesichtern der Schieferstadt-Bewohner erkennt. Sie drängt sich nie in den Vordergrund, die „dunkle Gesellschaft“, und ist doch anwesend in Bildern wie diesen: „Eine Reihe junger Tannen zog sich, ordentlich wie ein Trupp zum Appell angetretener Soldaten, über den Berg, und in einer Lücke zwischen den Bäumen, stand sie, Herta, in einem rot glänzenden Kleid“. So beschreibt der Erzähler Philipp eine Szene während der Beerdigung seines Vaters. Sie steht ganz am Anfang des Romans, man hat sich da aber bereits über die übertriebene Häufung militärischer Metaphern gewundert, die klarmachen: Herta und Georg sind in der Schusslinie, sie stören.
Mal überraschende Haken schlagend, mal zielstrebig führt Loschütz uns immer im Kreis um die drängende Frage herum, was hier geschehen ist. Dabei geht es weniger um das Rätsel der Trennung, als um den Triumph der Liebenden, die ihre Liebe den Umständen entzogen haben. Das alles ist nicht psychologisch erzählt, auch nicht als Gesellschaftsroman. Loschütz bewegt sich eher in den Traditionen des Nouveau Roman: Die Möglichkeiten der Literatur verbinden sich mit den Möglichkeiten der Liebenden. Die Kausalität wird weggewischt, das Logische unterlaufen, und der Handlungsraum erweitert sich ungeahnt.
Widersprüchlich wirkt dieses Erzählen, ein bisschen altmodisch, sepiafarben eben, aber doch auch seiner Zeit voraus im souveränen Umgang mit diesem eigentlich hochpolitischen Showdown zwischen kollektivem Zwang und individuellem Sehnen. Während sich mancher im Moment klare Verhältnisse wünscht und im Harmlosen erholen will, geht Gert Loschütz mit seinem Roman „Ein schönes Paar“ einen anderen Weg. Er führt ins Wahrhaftige jenseits der Schlagzeilen und jenseits der Müdigkeit, oder, wie es im Roman heißt: Er führt in ein Erzählen, das die auf keinem Film überlieferten Bilder bewahrt, bedingungslos hart und unfassbar zart.
INSA WILKE
Ein wenig sepiahaft wirkt
dieses Erzählen, aber
zugleich seiner Zeit voraus
Gert Loschütz:
Ein schönes Paar. Roman. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2018. 240 Seiten, 22 Euro. E-Book 17,99 Euro.
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